Noch bevor Wufei die Haustür öffnete, konnte er die Musik von drinnen hören. Wobei Musik, wie er fand, nicht das richtige Wort dafür war. Es hatte keinen Text, nicht einmal eine echte Melodie, nur Rhythmus. Den dafür aber reichlich. Die Bässe ließen das Haus in seinen Grundfesten vibrieren.

Auf dem Weg durch den Flur fiel ihm ein das Duo, den er der Lautstärke wegen zuerst in Verdacht hatte, mit Quarte einkaufen gefahren war.

Er ging zum Wohnzimmer, wollte den infernalischen Lärm abstellen.

Das Bild, das sich ihm dort bot, verschlug ihm den Atem. Und das zum zweiten Mal innerhalb von fünfzehn Stunden, an der selben Stelle, aus dem selben Grund. Heero und Trowa standen in der Mitte des Raumes, versunken in einen rauhen Kuß. Sie bewegten sich zur Musik, langsam, genüsslich jede Regung des anderen auskostend. Slowmotion-Tanz zu Highspeed-Musik. Es harmonierte perfekt. Ihre Hüften kreisten lasziv, ihre Körper rieben unaufhörlich aneinander. Kein Tanz sondern Vorspiel. Trowas Finger krallten sich in Heeros bloße Haut, hinterließen blaßrote Spuren, wo sie über seinen Rücken kratzten. Dessen Hände strichen unter dem offenen Hemd des Franzosen an seinen Seiten entlang, hinunter zu seinem Hintern. Trowa unterbrach den Kuß. Seine Lippen wanderten am Hals des Japaners nach unten, saugten sich an seiner Halsbeuge fest.

Er blickt auf, sah über Heeros Schulter hinweg zu Wufei. Direkt in seine Augen. Er leckte über die inzwischen dunkle Stelle auf Heeros Haut. Ein kaum erkennbares Lächeln umspielte seine Lippen. Mit einer Bewegung, die sich perfekt in den Tanz fügte, drehte er Heero um. Er legte seine Hände auf dessen Bauch, drückte sich gegen seinen Rücken. Heeros Augen waren geschlossen. Er legte den Kopf nach hinten, auf Trowas Schulter, als dessen Hand fest über seinen Schritt rieb. Eine seiner Hände vergrub sich in Trowas Haaren. Heeros Lippen öffenen sich ein wenig. Wenn er stöhnte, dann ging es in der Musik unter.

Ein bizarrer Anblick. Heero, der sich in Rythmus und Leidenschaft verlor und Trowa, dessen lustverschleierter Blick Wufei immernoch fixierte. Sein Lächeln war inzwischen deutlich, provozierend.

Heero öffnete die Augen ein wenig und sah Wufei. Er erschrack nicht, schien nicht einmal überrascht. Es gab nicht den mindesten Bruch im Fluß seiner Bewegungen. Wufei starrte sie einfach nur an, konnte sich beim besten Willen nicht abwenden. Ihre Bewegungen waren hypnotisch. Ohne es zu wollen folgte sein Blick Trowas Händen über den Körper des Japaners, während sich eine davon in dessen Jeans schob, wanderte zu Trowas Mund. Der hatte die Lider wieder gesenkt, konzentrierte sich ganz auf Heeros Reaktionen, ließ die Zunge über seinen Hals gleiten.

Die dröhnenden Bässe füllten Wufeis Kopf bis ins Letzte aus, hämmerten gnadenlos jeden klaren Gedanken aus seinem Verstand. Er fühlte Hitze durch seinen Körper fluten. Der Boden unter seinen Füßen zitterte.

Heero streckte die Hand aus, nach Wufei. Trowa, der die Bewegung seines Armes gespürt haben mußte, hob erneut den Blick und heftete ihn, mit einem undeutbaren Gesichtsausdruck, an den Chinesen. Der schnappte nach Luft. Wie in Trance trat er einen Schritt ins Zimmer hinein.

Eine schnelle, grobe Bewegung von Trowas Hand, die immernoch in Heeros Jeans steckte, ließ ihn stoppen.

Heeros Rückrad bog sich krampfhaft, sein Hinterkopf drückte gegen Trowas Schulter. Was sich in seinem Gesicht spiegelte konnte ebenso gut Lust wie Schmerz sein.

Wufei vermutete eine ausgewogene Mischung aus Beidem. Was ihn allerdings hatte innehalten lassen war, das Heeros Hand langsam sank. Der Blick des Chinesen konzentrierte sich wieder auf Trowa, dessen anderer Arm sich besitzergreifend um den Brustkorb des kleineren Jungen schlang. Sein Mund war nur Millimeter von Heeros Ohr entfernt, bildete Worte, die Wufei ebensowenig hören konnte, wie das neuerliche Aufstöhnen des Wing-Piloten.

Grelle Scheinwerfer flackerten durch die Fenster ins Zimmer. Autoscheinwerfer. Quatre und Duo mußten gerade in die Auffahrt eingebogen sein. Alle drei nahmen es war, brauchte dann aber ein paar Sekunden um die Information auch zu verarbeiten. Das Paar, das Wufei immernoch anstarrte, löste sich voneinander. Heero trat einen Schritt nach vorn, Trowa einen zurück und sie richteten in aller Ruhe ihr Kleidung. Trowa schaltete die Anlage ab und Heero den Fernseher an bevor sich beide, in gebürendem Abstand zueinander, auf die Couch fallen ließen. Was sie taten wirkte routiniert.

"What´s up, guys?!" Wufei zuckte zusammen, als er Duos Stimme hinter sich flöten hörte. Er hatte die Jungs nicht hereinkommen gehört.

"Der Himmel" brummte Heero ohne den Blick vom Fernseher zu wenden. Duo verdrehte grinsend die Augen und folgte dann Quatre, der bereits in der Küche war und die Einkäufe sortierte.

"Trowa?" Quatres Stimme diesmal. "Das Kompensatorventil, das du wolltest, hab ich nicht finden können, aber ich hab ein ähnliches mitgebracht. Kannst du bitte gleich nachsehen ob es paßt? Falls nicht kann ich nämlich heute noch telefonisch das Richtige bestellen und es ist dann morgen da."

Der Angesprochene hatte sich bereits erhoben während Quatre sprach, warf Heero einen seltsamen Bilck zu und verließ eilig den Raum. Wufeis Augen folgte ihm, Heero sah fern.

Als der Chinese sich wieder zur Couch umdrehte stand Heero direkt vor ihm, kaum einen halben Meter entfernt, kühl und überlegen. Ganz das Gegenteil dessen, was er vor kaum fünf Minuten gewesen war. Wufei schluckte einen Anflug von Nervosität herunter und erwiederte den abschätzenden Blick, der auf ihm lastete.

"Training?" war alles, was Heero schließlich sagt als er, an ihm vorbei, aus dem Zimmer verschwand ohne eine Antwort abzuwarten. Wufei war nicht sicher ob es tatsächlich eine Frage oder eher eine Order gewesen war, ging zu Gunsten des Wing-Piloten aber von Ersterem aus und folgte ihm ins Dojo.