Prolog

Es war ein heißes Sommerwochende und die letzte Chance für Harry, Hermine
und Ron, vor den großen Ferien noch einmal einen Ausflug nach Hogsmeade zu
machen. Im Dorf deckten sie sich wie immer mit allerhand Süßigkeiten wie
Schokofröschen und Bertie Botts Bohnen in allen Geschmacksrichtungen ein,
und schauten zum Schluss im beliebten Gasthof Drei Besen rein. Als sie
schließlich zufrieden im hinteren Teil der Gaststube ihr Butterbier
schlürften, trat ein merkwürdiger Mann ein - vollkommen in Schwarz
gekleidet, das Gesicht von einer tiefhängenden Kapuze verdeckt.
"Schaut mal!", stieß Ron aufgeregt seine Freunde an.
"Was soll denn sein?", fragte Hermine, ohne den Kopf aus ihrem neuen Buch
`Verschollene Zauberinstrumente` zu nehmen.
"Na, der Mann, der eben reingekommen ist. Ist der nicht irgendwie
eigenartig?"
"Ja, der sieht wirklich seltsam aus," stimmte Harry seinem Freund zu. Bei
diesen Worten siegte schließlich auch Hermines Neugier über ihren
Wissensdurst.
"Wo denn?", fragte sie ungeduldig.
"Direkt hinter dir, mein Kind," flüsterte plötzlich eine raue Männerstimme
bevor auch nur einer ihrer Freunde den Mund aufmachen konnte. Erschrocken
fuhren die drei herum.
"Aber...," stammelte Ron, " Sie waren doch gerade noch an der Theke...?!."
"Seid ihr drei aus Hogwarts? - Vielleicht Gryffindors?", fuhr der Fremde,
ohne auf Rons Bemerkung einzugehen, fort. Stumm nickten sie. "Gut!", meinte
der Unbekannte kalt, "Ich brauche jemanden, der was drauf hat. Könnt ihr
mir einen Gefallen tun? Als Belohnung bekommt ihr auch ein interessantes
Geschenk von mir."
"Wer sind Sie überhaupt?" Misstrauisch versuchte Harry unter die Kapuze
seines Gegenübers zu spähen.
"Oh! Hab ich mich etwa noch nicht vorgestellt? - Mein Name ist Sebastian."
Mit diesen Worten nahm er seine Kapuze ab und hervor kam ein junges
Gesicht, das im extremen Gegensatz zu seiner so alten, tiefen Stimme stand.
Ein spöttisches Lächeln umspielte seine Mundwinkel, als er ihre erstaunten
Gesichter sah. Da weder Harry, noch Ron ein Wort hervor brachten, schlug
Hermine seufzend ihr Buch endgültig zu.
"Worum handelt es sich denn? Vielleicht können wir Ihnen ja helfen."
Sebastian nickte nur, als ob er diese Reaktion erwartet hatte.
"Ich brauch ein Stück Schale von einem Drachenei. Ganz egal, von welchem
Drachen."
"Und was wollen Sie damit?", erkundigte sich Ron argwöhnisch. Er hatte sich
anscheinend von seinem Schreck wieder erholt.
"Ok! Ihr seid wirklich aus Gryffindor," lachte Sebastian, "doch was ich mit
dem Stück will, lasst mal meine Sorge sein. Besorgt mir die Schale und ihr
werdet es nicht bereuen."
"Das überzeugt uns noch nicht ganz, aber wir werden es versuchen. Bis wann
brauchst du es? Und wie sollen wir es dir zukommen lassen?" Harry nahm
einen Schluck aus seinem Glas und versuchte angestrengt, den Fehler an
Sebastian zu finden, denn irgendetwas an ihm störte ihn gewaltig.
"In spätestens einer Woche müsstet ihr es aufgetrieben haben. Ihr könnt es
mir auf dem üblichen Weg schicken. Wenn ich es habe, bekommt ihr die
versprochene Belohnung für eure Mühen."
In diesem Moment merkte Harry, was ihn so an Sebastian irritierte.
"Sag mal - sind deine Eltern vielleicht Muggel?"
"Was? Wie kommst du darauf?" Sebastian schaute Harry fragend an.
"Na dein Name! Sebastian ... klingt so... so... so unmagisch."
"Harry!" Hermine trat ihm so heftig auf den Fuß, dass er einen
schmerzvollen Aufschrei gerade noch unterdrücken konnte.
"Entschuldige bitte!", murmelte Hermine, "Er hat es nicht so gemeint. Es
hat ihn nur gewundert..."
"Ist schon gut," Sebastian grinste Harry an, "aber wenn du es wissen
willst, mein Großvater war Muggel und nach ihm wurde ich benannt... Aber
jetzt muss ich gehen. Also, schickt mir eine Eule, wenn ihr mir
weiterhelfen könnt." Er zog wieder seine Kapuze über den Kopf, drehte sich
um und verschwand.
"Was sollte das?", äußerte Harry wütend, wobei er seinen schmerzenden Fuß
ununterbrochen rieb.
"Das gehört sich nicht," antwortete Hermine nicht weniger aufgebracht.
"Was?"
"Na, einen Fremden zu fragen, ob seine Eltern Muggel sind!", belehrte ihn
Hermine.
"Hast du das etwa in deinen schlauen Büchern gelesen?" entgegnete Harry
aggressiv. Doch bevor die beiden ihr Streitgespräch fortsetzen konnten,
mischte sich Ron ein.
"Also, was meint ihr? Soll'n wir ihm eine Schale besorgen oder nicht? Wir
könnten ja erstmal Hagrid fragen oder sollen wir gleich eine Eule zu
Charlie schicken?"
Hermine warf Harry noch einen wütenden Blick zu, packte ihre Bücher
zusammen und stand auf. "Hagrid!", sagte sie knapp und ging ohne ein
weiteres Wort nach draußen.
"Oh Mann! Jetzt spielt sie wieder die Beleidigte. Vielleicht solltest du
dich bei ihr entschuldigen, Harry?" Auch Ron machte sich Aufbruch bereit.
"Wie? Für was denn bitte schön?" entgegnete Harry scharf.
"Hey! Jetzt sei du nicht auch noch eingeschnappt, ja? Sag ihr einfach, dass
es nicht wieder vorkommt und die Sache ist erledigt."
"Warum sollte ich? Was ist denn so schlimm daran, jemanden nach seinen
Eltern zu fragen?" Harrys Groll begann, sich gegen Ron zu richten.
"Es ist nicht schlimm, nach den Eltern zu fragen, sondern zu fragen, ob sie
Muggel sind. Es ist so eine ähnlich Beleidigung wie Schlammblut, nur nicht
ganz so direkt. Und jetzt komm endlich!" Ein paar Sekunden später standen
die beiden vor den Drei Besen, aber Hermine war nirgendwo zu sehen.
"Sie ist wohl schon gegangen," stellte Harry mit einem Anflug von
Erleichterung fest.
"Nein! Ist sie nicht," kam plötzlich Hermines Stimme aus dem Nichts. "Ich
musste lediglich noch was nachschauen und jetzt beeilt euch!" Hoch
erhobenen Hauptes stolzierte sie an ihren beiden Freunden vorbei in
Richtung Hogwarts.
"Hermine! Ich wusste nicht...es tut mir...", stammelte Harry.
Auch Hermine wollte sich nicht länger streiten, und winkte ab. "Is schon
gut!"
Eine halbe Stunde später erreichten sie Hagrids Hütte und wurden dort
sofort mit Tee und selbstgebackenen Keksen überhäuft, wobei sie die
steinharten Kekse so weit wie möglich mieden.
"Du, Hagrid...? - Könntest du uns einen kleinen Gefallen tun?", begann
Hermine schließlich vorsichtig.
"Wenn's wirklich nur'n kleiner is... aber bei euch bin ich mir da meist
nich so sicher," schmunzelte Hagrid.
"Du hast doch Norbert damals in einem Ei bekommen, nicht wahr?" fragte
Harry so sanft wie möglich, weil er befürchtete, dass der Gedanke an
Norbert Hagrid in Tränen ausbrechen lassen könnte.
"Hmm!", murmelte Hagrid und in seine eben noch fröhlichen Augen trat ein
Anflug von Traurigkeit.
"Wir bräuchten ein Stück von der Eierschale. Hast du die noch?", fragte Ron
frei heraus.
"´türlich! Was denkste denn? Bin doch kein Unmensch..." Jetzt war Hagrid
wirklich den Tränen nah. Harry und Hermine schauten Ron böse an, diesem
wurde gerade klar, was er für einen Fehler begangen hatte.
"Tut mir leid! Ich wollte doch nicht... ich meinte doch nicht," stotterte
er.
"Schon Ok!" Hagrid schnaufte in sein riesiges Taschentuch. "Wozu braucht
ihr'se denn? Is für mich nämlich ziemlich wertvoll, wisst ihr..."
"Also... ähm... sie ist nicht für uns, sondern für einen unserer Freunde.
Der braucht die Schale unbedingt und wir würden ihm einen riesigen Gefallen
tun, wenn wir ihm ein Stück besorgen könnten," erklärte Harry und fühlte
sich dabei ziemlich unwohl in seiner Haut. Er hätte nicht gedacht, dass
Norberts Schale für seinen großen Freund so wichtig ist. Mit einem Blick
auf Hermines und Rons Gesichtern stellte er fest, dass sie wahrscheinlich
die selben Gedanken hatten.
"Hm... aber nur ein ganz kleines Stück - und nur, weil ihr es seid..."
Hagrid erhob sich, ging zu seinem Bett und schob es beiseite. Darunter
wurde eine kleine Falltür sichtbar. Er beugte sich zu ihr hinunter, öffnete
sie und griff hinein. Mit einer goldenen Kiste in der Hand drehte er sich
dann wieder zu Ihnen um. Er stellte die Kiste auf den Tisch, entsiegelte
den Deckel mit Alohomora und klappte ihn auf. In ihrem Innern sahen sie
verschieden große Schalenstücke. Nach kurzem Betrachten angelte Hagrid
vorsichtig das kleinste heraus.
"Hier!" Er legte es so behutsam, als ob es ein Baby wäre, auf den Tisch und
schnaufte noch mal kräftig in sein Taschentuch. "Wollt ihr noch einen
Keks?" Er reichte den dreien die Schüssel. Hermine und Harry griffen sofort
beherzt zu und warfen nochmals Ron böse Blicke zu, als dieser Anstalten
machte abzulehnen. Mit einem für Hagrid unmerklichen Seufzer nahm er sich
schnell auch ein paar Kekse und stopfte sich diese in den Mund, wobei er
versuchte - so gut es ging - dabei ein zufriedenes Gesicht zu machen.
Nach ein paar Minuten sprach Harry das aus, was die anderen beiden dachten:
"Wir müssen jetzt leider gehen, Hagrid! Vielen Dank für die Schale und mach
dir keine Sorgen. Charlie hat uns in seinem letzten Brief geschrieben, wie
gut es Norbert geht." Das war zwar eine Lüge, aber sie bewirkte ein kleines
Wunder. Sofort sah Hagrid wieder glücklicher aus und er umarmte Harry
heftig.
"Danke für euren Besuch! Wir sehn uns.." Er winkte den Dreien zu, als diese
Richtung Schloss gingen.
"Jetzt müssen wir nur noch Hedwig schicken! Ich bin mal gespannt, was das
für ein Geschenk ist..." In Rons Augen trat ein eigenartiges Leuchten.
"Du kannst von Glück sagen, dass uns Hagrid ein Stück Schale gegeben hat.
Du bist ein richtiger Ignorant," bemerkte Hermine erbost. Rons Ohren liefen
rot an und er sagte bis zum Schloss kein Wort mehr.

Fast eine ganze Woche mussten sie auf Hedwigs Rückkehr warten. Als sie
eines Morgens in der Großen Halle beim Frühstück saßen, hielt Ron es nicht
mehr aus und sagte wütend: "Dieser Sebastian hat uns über den Tisch
gezogen. Wer weiß, was er mit der armen Hedwig angestellt hat..."
"Sei doch nicht so pessimistisch." Hermine war im Gegensatz zu Ron richtig
gelassen. Harry war jedoch derselben Meinung wie Ron, sprach es nur nicht
laut aus. In diesem Moment hörten sie ein lautes Geflatter über ihren
Köpfen und der allmorgentliche Schwarm Eulen stieß zu den Schülern herab,
um seine Post los zu werden. Alle drei warfen ihnen hoffnungsvolle Blicke
zu, doch Hedwig konnten sie nirgendwo entdecken. Als sie ihre Köpfe schon
enttäuscht sinken ließen, hörte Harry ein wohlbekanntes Schu-hu und einen
Augenblick später landete Hedwig auch schon mit einem länglichen Paket
direkt auf Harrys Teller. Vorsichtig befreite er Hedwig von ihrer Last und
gab ihr zur Belohnung ein paar Stücke Toast von seinem Frühstück.
"Nun mach schon auf!", drängte Ron. Und auch von Hermines Gelassenheit und
Ruhe war nichts mehr zu spüren.
"Ja, ja! Ich mach ja schon!" Harry drehte das Paket hin und her, um die
geeignetste Stelle zum Öffnen zu finden, als er eine kleine Nachricht auf
den Papier entdeckte.
"Schaut mal! - Hier steht: Öffnet es nicht in der Großen Halle, sondern an
einem Ort, wo ihr alleine seit! Warum wohl?", wunderte sich Harry.
"Na, wenn wir hier sitzen bleiben, werden wir es nie rausfinden. Am besten
holen wir den Tarnumhang deines Vaters und gehen in das Versteck der
Peitschenden Weide."
Hermine war - zu Harrys großem Erstaunen - sofort Feuer und Flamme. "Das
ist eine gute Idee! Los komm, Harry!"
Bevor er sich versah, befand er sich zusammen mit Hermine und Ron unter dem
Tarnumhang. Als sie vor der Peitschenden Weide standen, fing diese an mit
ihren Ästen wie wild um sich zu schlagen.
"Sieht jemand von euch ´nen Stein oder so was?", fragte Harry. Aber bevor
einer seiner Freunde antworten konnte, hatte sich Hedwig, die ihnen
unbeachtet gefolgt war, auf den Geheimschalter gesetzt und die Peitschende
Weide erstarrte in ihrer Bewegung.
"Jetzt schnell! Sonst sieht uns noch jemand!" Harry ließ den Tarnumhang
fallen und rannte in das Loch im Stamm der Peitschenden Weide. Kurz darauf
kamen auch Ron und Hermine, die den Tarnumhang in der Hand hatte,
hinterher.
"Hast du schon vergessen, was letztes Mal passiert ist, als du den hier
hast liegen lassen?", fragte sie mit strafendem Blick. Harry grinste
unschuldig und lief schnell den dunklen Gang entlang.
Als sie das Zimmer am Ende des Tunnels erreicht hatten, hielt Harry inne.
Die Erinnerung an das, was damals hier geschehen war, hinterließ ein
komisches Gefühl in seiner Magengegend.
"Träum nicht, sondern öffne das Paket!" riss Ron ihn aus seinen Gedanken.
Harry gab ein Geräusch der Zustimmung von sich und wickelte vorsichtig das
Papier ab. Zum Vorschein kam ein kleiner Karton, der eine Art Teleskop
enthielt.
"Was sollen wir denn mit einem Teleskop?", meinte Ron enttäuscht.
"Das ist überhaupt kein Teleskop! Das ist ... das ist ja einfach ...
unglaublich." Hermines weit aufgerissene Augen glänzten vor Aufregung, als
sie Harry das Geschenk aus den Händen nahm und betrachtete.
"Du weißt, was es ist?", fragten Harry und Ron gleichzeitig.
"Ich hab davon gelesen ... in dem Buch, das ich mir neulich erst in
Hogsmeade gekauft habe. Wisst ihr noch?" Harry und Ron sahen sie nur
sprachlos an und Hermine durchwühlte ihre Erinnerungen. "Mist! Mir will
einfach nicht einfallen, wie das Ding heißt und wie es funktioniert, und
dabei habe ich es doch gestern Abend erst gelesen..."
"Oh Miss Superschlau weiß einmal etwas nicht," spöttelte Ron, worauf
Hermine ihn verächtlich ansah.
"Ich kann das Buch ja schnell holen," schlug sie voller Eifer vor und wandt
sich schon Richtung Tür.
"Nein! Warte!", hielt Harry sie auf. "Wir haben doch genügend Zeit. Es ist
Sonntag ... Wir waren fast vor einem Jahr das erste Mal hier..."
"Jetzt wird er melancholisch," flüsterte Ron Hermine zu, die ihn jedoch
keines Blickes würdigte.
"Ich wünschte...,"fuhr Harry fort und spielte dabei mit dem teleskopartigen
Gerät, "Ich wünschte, ich könnte in die Vergangenheit reisen und meine
Eltern während ihrer Schulzeit treffen." Hermine und Ron sahen Harry
betroffen an - und erstarrten einen kurzen Augenblick später.
Das Zimmer wurde von einem gleißenden blauen Licht durchflutet, das von dem
mysteriösen Geschenk ausging. Alle drei schlugen sich die Hände vor die
Augen, um nicht geblendet zu werden. Der Fußboden fing an zu beben und
innerhalb eines Sekundenbruchteils wurden sie gewaltsam von den Füßen
gerissen. Einer nach dem anderen verlor das Bewusstsein.