Kori no Kokoro [© by LadyKate / Chiyo May]
BUCH I: Das Erwachen // Prolog"Was sagt ihr, Meister? Spürt ihr schon etwas?" Cologne schaute nicht zu dem
alten, dürren Mann in der braunen Kutte herauf, als sie mit ihm sprach.
Stattdessen haftete ihr eisiger Blick wie auch seiner an einer kleinen
leuchtenden Kristallkugel, die mit ihrem grünlichen Schein die einzige
Lichtquelle in dem dunklen Hinterraum des Nekohanten bot. "Ist er... würdig?"
Der alte Mann faltete stumm seine Hände und stützte sein Kinn darauf. Das
Gesicht war in der Dunkelheit unter seiner Kapuze nicht zu erkennen. Nach einem
langen Moment antwortete er tonlos: "Ich spüre... Kraft." Er sprach langsam und
sehr leise. "Wir werden sehen."
Auf Colognes Stirn bildeten sich winzige Schweißperlen. Sie bemühte sich, ihre
Furcht zu unterdrücken. Eines der obersten Amazonengesetze lautete, niemals
seine Angst zu preiszugeben. Doch selbst 300 Jahre Lebenserfahrung halfen ihrer
Selbstbeherrschung nicht, als sie der finsteren Gestalt gegenübersaß und seine
emotionslose Stimme wie ein böser Geist in ihren Kopf drang.
"Du bist so ein Tollpatsch" hörte man Ranmas Stimme leise rufen, als käme sie
von weit entfernt. Sein Lachen ertönte blass. Dazwischen mischten sich wütende,
verfluchende Worte von Akane - dem Ton nach kräftig geschrieen, der Lautstärke
nach jedoch fast geflüstert. Helles Tageslicht fiel auf die schimmernde, kleine
Kugel als die Tür für einen kurzen Moment geöffnet wurde und jemand hereintrat.
Ein wenig erleichtert drehte Cologne sich mit einem schiefen Lächeln um. "Da
bist du ja, Shampoo. Hast du für alles gesorgt?"
Das blauhaarige Mädchen, blieb einen Moment im Türrahmen stehen und nickte
schließlich, als es zu ihrer Urgroßmutter und der fremden Person an den Tisch,
auf dem die Kugel platziert war, trat. "Urgroßmutter sicher, dass... ihm nichts
geschehen wird, ja?" fragte sie schließlich zögerlich und schaute in das
kristallene Bild, das Ranma zeigte, wie er lachend vor Akane davonlief,
während diese immer wieder erfolglos mit einem Holzschwert auf ihn einschlug.
"Du hast keinen Grund, besorgt zu sein", antwortete Cologne in einem
erschreckend scharfen Ton. "Er wird siegen." Sie schloss für einen Moment ihre
Augen und setzte in einem ruhigeren Ton fort: "Und wenn nicht, ist er dir nicht
würdig und somit nicht deiner Sorge wert."
Shampoo nickte wieder.
***
Ranma seufzte. "Ist das langweilig heute..." Im Schneidersitz saß er auf der
Terrasse und beobachtete die Goldfische im Teich. Es war ein sonniger, warmer
Tag. Das leuchtende Azur des Himmels, wirkte fast schon unecht. Kein Wölkchen
war zu sehen. Eigentlich sollte das ein Grund zur Freude sein, denn wenn Ranma
von etwas ganz bestimmt verfolgt wurde, dann war es Regen. Ominöserweise
zumindest seit er in Jusenkyo war und seitdem den Fluch mit sich tragen musste,
sich bei Berührung mit kaltem Wasser in ein Mädchen zu verwandeln.
Laut wie ein Löwe gähnte er und schmatzte.
"Halt dir doch wenigstens die Hand vor den Mund."
Ranma erschrak leicht und drehte sich zur Seite, um Akane neben sich stehen zu
sehen. Kichernd streckte ihm die Zunge raus. "Du hast echt keine Manieren!"
Mit einem frechen Grinsen ging an ihm vorbei in den Garten.
"Was hast du denn vor?" fragte er sie schließlich mit halbem Interesse.
Akane stöhnte. "Ist das nicht offensichtlich?" Sie deutete auf den vollen
Wäschekorb, den sie neben sich abstellte und befestigte die Wäscheleinen an den
Haken der Hauswand. "Es kann nicht jeder so faul sein wie du. Andere Leute
arbeiten hin und wieder."
Ranma öffnete seinen Mund, um zu kontern, schloss ihn dann jedoch wieder.
Irgendwie hatten sie es geschafft, die letzten 8 Tage nicht zu streiten. Das war
Rekordzeit. Dies wollte er nun nicht durch eine schnippische Bemerkung in die
Brüche gehen lassen. Es war wirklich schön, mit seiner 'Verlobten' zur
Abwechslung mal mehr oder weniger gut auszukommen. Ja, wirklich schön...
Wieder seufzte er. Schön langweilig, das ist es. Aufmerksam beobachtete er Akane, die
sorgfältig ein Hemd nach dem anderen an die Leine hängte. Die noch zu feuchten
Kleidungsstücke schüttelte sie es erst kräftig und kräuselte ihre Nase leicht
als die vielen kleinen Wasserperlen, die in der warmen Sonne glitzerten, in ihre
Gesicht spritzten. Nachdenklich wechselte Ranma seine Position und legte sich auf
die Seite, den Blick nicht von Akane lassend. Mit aufgestelltem Ellbogen stützte er seinen Kopf auf seine Hand, um ihr Treiben weiter zu verfolgen. Irgendwie hatte es etwas Elegantes, wie sie sich so drehte und streckte und sich zwischendurch die
kleinen Wasserspritzer aus dem Gesicht wischte. Und irgendwie sieht es auch
süß aus... stellte er in Gedanken fest. Dennoch stimmte etwas nicht. Er konnte
zunächst nicht genau sagen was es war. Aber etwas war definitiv falsch. Stirnrunzelnd
biss er sich auf die Unterlippe. Alles war ruhig und friedlich, es war keine seiner aufdringlichen Verlobten weit und breit, kein Erzfeind, noch war auch nur ein einzelner Regentropen in Sicht. Schöner hätte es eigentlich kaum sein
können. Aber dennoch... irgendetwas fehlte. Auf einmal überkam sein Gesicht ein
leichtes Grinsen. Ach was soll's. Verlobung hin oder her. Ich sterbe vor
Langeweile. Ein kleines 'Training' wird mir sicher ganz gut tun. Mit einem
Sprung richtete er sich auf und lief zu Akane hinüber.
"Yo, Akane!" rief er ihr mit lachenden Augen entgegen. Überrascht wandte sie ihr
Gesicht zu ihm. "Soll ich dir vielleicht etwas zur Hand gehen?"
Forschend zog Akane ihre Brauen hoch. "Ranma Saotome will mir freiwillig bei der
Hausarbeit helfen?" fragte sie übertrieben langsam und schaute ihn ungläubig an.
Sie blinzelte. Als sie kein neckisches "Reingefallen!" oder irgendetwas dergleichen hörte,
stockte sie. Plötzlich begannen ihre Mundwinkel ganz leicht zu zucken und bald darauf formte sich aus ihrem erdbeerroten Mund ein strahlendes Lächeln. "Aber gerne. Das wirklich nett von dir."
Lachend verschränkte Ranma verschränkte die Arme hinter dem Kopf. "Aber das ist doch selbstverständlich."
Sie errötete leicht, was er jedoch nicht mitbekam. Längst hatte er seinen Blick auf den
Wäschekorb gerichtet, als würde er etwas Bestimmtes suchen und fuhr fort: "Ich meine, schau dich doch mal an. Bei den Hüften müssen deine Liebestöter doch so riesig sein, dass du die nie alleine bis auf die Leine hinaufkriegen würdest." Stolz deutete er auf seinen angespannten Bizeps. "Da sind starke Männerhände gefragt."
Akanes Unterkiefer klappte herunter als ihr Lächeln abrupt verschwand. "W-wie
war das bitte?" stotterte sie erst unbeholfen, fand dann jedoch schnell ihr
Temperament wieder und schrie: "Du meinst also, du..."
Gelassen streckte Ranma seinen Arm in ihre Richtung aus und hielt ihr seine flache
Handfläche entgegen, als würde er ihre Worte damit abblocken können. "Keine Sorge,
keine Sorge", sagte er ruhig. "Du brauchst dich nicht zu genieren. Es wird
natürlich nicht sehr angenehm sein, deine Unterwäsche anzufassen, aber was soll
man machen?" Unschuldig zuckte er mit den Schultern.
Das war es. Damit hatte er es wieder einmal geschafft, Akane zur Weißglut zu
bringen.
"RAAAAAAAAANNNMAAAAAAAA!!!!!" Akanes Kampfschrei ließ den Boden unter ihren
Füßen erbeben. Vögel, die sich eben noch gemütlich auf den Ästen der Bäume in ihrem Garten gesonnt hatten, flogen panisch davon. Und zwischen den warmen Sonnenstrahlen, die sanft auf sie fielen, mischte sich urplötzlich eine
Gänsehaut einflößende, starke Energie.
Yeah, das ist es. Das war es, was mir gefehlt hat! Freudig riss Ranma seinen
Mund auf und schaute sie mit erwartungsvollen Augen an.
"Was gibt's da so blöd zu glotzen, du Trottel?" fauchte Akane ihn an und zog wie
aus dem Nichts ein Kendo-Schwert hervor. Mit viel Schwung holte sie aus und
schlug nach ihm, verfehlte ihn jedoch beim ersten Mal.
"Du bist so ein Tollpatsch!" lachte er und sprang auf die Mauer. "Du musst schon
schneller sein, um mich zu kriegen!" Mit einem Satz war er wieder unten und
tippte ihr mit dem Zeigefinger an die Nasenspitze.
Das brachte das Fass entgültig zum Überlaufen, wusste er. Wenn Akane eines
hasste, dann, wenn man sich über ihre Fähigkeiten als Martial Artist lustig
machte. Gut, es gab noch weitaus schlimmere Beleidigungen. Aber Ranma war stets
darauf bedacht, sie lediglich zu necken, nie wirklich zu verletzen.
Bebend schaute Akane ihn mit knirschenden Zähnen an. Plötzlich holte sie ein
weiteres Mal aus, verfehlte ihn jedoch wieder. Holte wieder aus. Wieder
verfehlt. In immer kürzeren Abständen schlug sie nach ihm und mit jedem Mal, das sie
ihn nicht traf, wuchs ihre Wut. "Ranma, du Trottel, Trottel, Trottel! Perverser! Zwitter! Bleib doch einfach für immer ein Mädchen! Wer will schon so einen Idioten wie dich heiraten!?"
Ranma hatte keine große Mühe, ihren langsamen, kraftlosen Schlägen auszuweichen.
Vergnügt lachte er als er vor ihr hin und her hopste. Die kleine Keilerei hatte ihm wirklich gut getan. Erst jetzt stellte er fest, dass es ihm in der
vergangenen Woche fast schon gefehlt hatte, sich mit ihr zu zanken.
...
Doch plötzlich...
"Halt!" rief er mit erhobener Hand als er abrupt stehen blieb und sich seine
Augen mit einer schrecklichen Vorahnung füllten.
POW!
Erbarmungslos traf Akanes Holzschwert endlich sein langersehntes Ziel: Ranmas Kopf.
"Hahaa... Wer ist hier zu langsam?" Voller Genugtuung blickte sie ihn stolz an
und nahm nach einigen verstrichenen Momenten ihr Schwert beiseite. Erst dann
bemerkte sie Ranmas ernsten Gesichtsausdruck, der weniger vom Schmerz durch
ihren Hieb, denn durch irgendetwas anderes entstanden zu sein schien.
"Akane, lass das jetzt", sagte Ranma hastig und machte eine abwinkende Geste.
"Spürst du das nicht?"
Auch sie beruhigte sich schnell und schaute ihn nun verwundert an. "Aber was
denn?"
"Hier ist irgendetwas", flüsterte er.
"Jemand will dich angreifen?" fragte sie verwirrt. Streng dreinblickend stützte sie ihre Hände in die Taillen. "Ranma, was hast du nun schon wieder angest--"
"Nicht 'jemand'..." fiel er ihr ins Wort. "Etwas!"
Ihr Gesicht wurde schlagartig blass. Wenn es dazu kam, dass Ranma nett zu ihr
war, wusste sie nie so recht, wie das zu deuten sein sollte, doch sie konnte
ganz sicher sagen, wann es besser war, ihm einfach blind zu vertrauen. Und aus seiner Tonlage ließ sich deutlich heraushören, dass er es nun mehr als ernst meinte. Mit einem aufkommenden unwohligen Gefühl schaute sie sich um.
Dann erkannte sie es plötzlich. Ein Zischen. Ein kleiner Windstoß. Ein leises
Gurren. Irgendetwas hatte sie beide gerade mit einem unwahrscheinlich hohen Tempo passiert. Aber es war so unmenschlich schnell, dass ihr Auge es nicht ganz erfassen konnte. Alles, was sie wahrnahm war ein großes, braunes Etwas. Und es stank... ganz fürchterlich. Ihre Augen weiteten sich.
"Ra-ranma... Was ist das?" flüsterte sie zitternd und trat einen Schritt zurück.
Vorsichtig presste sie ihren Rücken sanft an seinen, um die Sicherheit seiner
Nähe zu spüren.
Langsam schüttelte er seinen Kopf. "Ich weiß es nicht Akane." Sie drehte sich
kurz zu ihm um und bemerkte, dass er ebenfalls ratlos war. "Bleib erst mal
einfach dicht bei mir, dann kann dir nichts geschehen."
***
"Soo..." murmelte der alte Mann in der Kutte und rieb sich seine knochigen
Hände. Sein Aufmerksamkeit galt allein dem Treiben auf dem Tendo Anwesen, das er
durch die kristallene Kugel verfolgte. "Es wird jeden Moment losgehen. Mein
Diener hat ihr Fort bereits erreicht und passt nur noch den richtigen Augenblick
ab."
Cologne schaute nun erstmals seitdem er über das runde Glas gehaucht hatte und
sich dadurch in ihrem grünlichen Schein Bilder und Klänge von ihrem
Schwiegersohn zeigten, zu ihm herauf. Die Tatsache, dass es ihr durch das fahle
Licht nicht möglich war, seine Gedanken von seinen Gesichtszügen abzulesen,
verunsicherte sie ein wenig. Nicht zuletzt, weil sie genau wusste, mit welcher
Person eines weitaus höheren Rangs sie es hier zu tun hatte.
"Wenn Airen Kampf gewinnt" ertönte Shampoos piepsige Stimme, die trotz ihrer
Ruhe so grausam klang wie selten zuvor. "Dann ganz Shampoos, ja?"
Cologne setzte zu nicken an, doch der Fremde wandte sich an Shampoo und fuhr sie an: "Törichtes Kind. Dieser Kampf wird erst der Anfang eines langen Wegs sein.
Gewinnt er ihn, so bin ich bereit, euch für die weiteren Schritte zur Verfügung
zu stehen. Sieht es allerdings so aus, als würde er verlieren, dann ist er
meiner Macht nicht würdig." Für einen langen Moment war er still und wanderte mit seinem Blick zurück auf das Geschehen auf dem Tendo Anwesen. "Er scheint ein guter Kämpfer zu sein. Aber das ist mein Diener auch. Sollte es dazu kommen, dass dein Verlobter ihm unterliegt, so werde ich meinen Untertanen zurückrufen." Er schnaufte. "Selbiges kann ich nicht für dieses Mädchen versprechen. Sie ist
langsam. Zu langsam, als dass ich eingreifen könnte, wenn es zum Angriff auf sie
kommt."
"Akane", hauchte Shampoo. Ihr huschte ein diabolisches Grinsen übers Gesicht.
"Ihr euch keine Sorgen, großer Meister. Dann Shampoo eher geholfen."
Vorsichtig und so unauffällig wie möglich, zog Cologne leicht an Shampoos Ärmel
und lehnte sich zu ihr hinüber, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern.
"Kind, ich habe dich mehrmals gewarnt. Die Kräfte mit denen du dich hier einlässt, reichen weit über deine Erfahrungen hinaus. Du musst bedachter handeln."
Unschuldig schaute das junge Mädchen sie an. "Aiya, Shampoo alles geplant. Du
dir keine Sorgen machst Urgroßmutter." Ihre Miene verfinsterte sich plötzlich.
"Ranma verletzt hat Amazonen-Stolz. Und alles Schuld von Akane." Wieder legte sie den Schleier eines süßen Blicks über ihr Gesicht und fuhr fort. "Ist guter Plan. Ranma kann schützen Akane vor anderen Menschen, aber Ranma kann brutales Mädchen nicht mehr schützen, wenn ins Spiel kommt Macht, die fast 4000 Jahre alt ist."
Sie wollte weiter sprechen, wurde aber von dem Fremden unterbrochen, der einen
zufriedenen Seufzer ausatmete. "Aaah... Ich wusste doch, er ist gut. Eine schöne
Rohmasse." Ihm entfuhr ein leichtes, heiseres Lachen. Dann wandte er sich wieder
an Shampoo. "Du erhältst die Schriftrollen."
Shampoo warf einen verwirrten Blick an ihm vorbei auf die Kristallkugel. "Aber",
sie runzelte die Stirn, "Kampf noch nicht vorbei."
"Das macht nichts", hauchte der Fremde. "Ich habe mich bereits entschieden." Aus dem Augenwinkel warf er nochmals einen kurzen Blick auf den Jungen mit dem schwarzen Pferdeschwanz, der in seinem roten, chinesischen Hemd jedem Angriff des Dämonen bisher geschickt ausweichen konnte und es sogar schaffte, zu einigen kräftigen Gegenschlägen auszuholen. Langsam nahm der alte Mann die Kapuze seiner Kutte ab. Ruhig suchte er den Blickkontakt mit den zwei
anwesenden Damen und fand ihn schnell. An ihren Augen konnte er deutlich ihre Angst ablesen, als sie zum ersten Mal sein Gesicht sahen. Grinsend leckte er sich seine dünnen Lippen - zwei zarte Striche, die einen tiefen, dunklen Schlitz auf grünlich-bleicher, faltiger Haut umgaben. Er sprach langsam: "Er ist
würdig."
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Damit fängt die Geschichte an. Nicht viel. Noch nicht. Mit diesem Prolog wollte
ich nur so etwas wie einen Starschuss geben. Habe schon ein Kapitel fertig, das
muss aber dringend noch überarbeitet werden, denn ich hoffe, dass diese Story
richtig gut wird. Bitte kommentiert - auch wenn's noch nicht viel zu kommentieren
gibt.
