In einem Land weit, weit weg lebte einst eine Prinzessin, die im ganzen Land und weit über dessen Grenzen hinaus nur als "liebreizende Lisa" bekannt war. Man erzählte sich all überall von ihrer besonderen Schönheit, ihrem lieblichen Charakter und ihrem zarten Gesang. Genau so bekannt war jedoch ihre Abneigung gegen die Heirat. Prinzessin Lisa war eine dieser Prinzessinnen, die auf einen ganz bestimmten Märchenprinzen warteten und nicht den erst besten zum Manne nehmen wollten. Auch die Einwände ihres Vaters König Bernd VII, sie solle sich doch bitte doch bald binden, schließlich würden er und Königin Helga auch nicht jünger, schlug sie allabendlich aus. Nein, die Prinzessin wollte nicht heiraten!

König Bernd wäre jedoch nicht König Bernd gewesen, wenn er so schnell aufgegeben hätte. Es war ein sonniger Nachmittag im Frühling, als er erhaben auf seine Tochter zuschritt, die gerade auf einer kleinen Bank unter einem schneeweiß blühenden Kirschbaum saß.

"Lisa!", weckte er sie aus ihren Tagträumen, die sie für gewöhnlich in ein Königreich nicht all zu weit weg entführten.

"Ja, Papa?", seufzte Lisa und richtete sich schnell auf. Mit großen Augen sah sie ihn an und wartete darauf, was er ihr zu sagen hatte.

"Nun, Kleene, du weeßt ja: ick werd nich jünga, wa. Und da ha'm deine Mama und ich jedacht: die Lisa, die muss heiraten." Nervös fuhr er sich mit der rechten Hand durch seine schulterlangen, königlichen Haare und blickte auf seine königlichen Schnallenschuhe. Er war sich sehr bewusst, dass die Bediensteten schon hinter vorgehaltener Hand über die unverheiratete Prinzessin tuschelten. "Ja, und deswegen... Lisa, versteh doch, wir wollen nur det beste für dich. Wir werden einen Ball geben, alle Prinzen unserer Nachbarstaaten einladen. Da sind janz schnieke dabei. Da findste bestimmt einen, den du dann-"

"Was?!"

Der König hatte mit dieser Reaktion gerechnet. Denn so oder ähnlich war bisher jedes Gespräch, das die baldige Vermählung der Prinzessin zum Thema gehabt hatte, verlaufen.

„Heiraten!" Bernd sah seine Tochter ernst an. „Wir woll'n Dich doch versorcht wissen, wenn die Mama und ich mal nimmer sind. Du sollst es doch jut ham, Lisa. Und unter den Prinzen und unverheirateten Königen sind janz passable dabei. Das wirst Du dann schon seh'n."

Lisa hatte sich von ihm abgewendet und schmollend die Arme vor der Brust verschränkt. Sie wusste, dass ihre Eltern nur das Beste für sie wollten, aber sie konnte einfach nicht irgendjemanden heiraten, nur weil ihre Eltern das so wollten. Denn der nach dem sie sich so sehr sehnte, würde nicht auf dem Ball erscheinen, da ihre Eltern und seine eine alte Feindschaft verband, die in eine Zeit vor Lisas Geburt zurückreichte. Sie kannte nicht die ganze Geschichte, aber alles musste wohl mit einem Streit zwischen ihrem Vater und König Friedrich XI, dem Vater ihrer heimlichen Liebe Prinz Augenbraue, begonnen haben. Ihre Mutter hatte ihr einmal erzählt, dass Friedrich Bernd einen Gärtner genannt hatte und dass zu der Feindschaft geführt hatte.

Damals hatte sie dem Streit nicht viel Bedeutung beigemessen. Erst als sie bei einem Besuch in einem anderen Königreich dem Prinzen begegnete, sich unsterblich in seine Teddyaugen verliebte und sich dann ihrer Mutter anvertraute, erfuhr sie, dass ihr Prinz der Sohn Friedrichs war und somit eine Hochzeit ausgeschlossen. Da fasste sie den Entschluss niemals zu heiraten. Das war ihr bisher auch gelungen und sie fand an jedem Kandidaten, den ihre Eltern anschleppten, etwas auszusetzen. Nur leider hatte sie das Gefühl, dass ihre Eltern langsam wirklich die Geduld verloren.

„Diesmal wird Dir Dein Schmollen nischt nützen, Schnattchen!" Bernd hatte sich erhoben und sah seine Tochter verärgert an. „Du wirst Dir auf dem Ball einen Gemahl aussuchen, sonst…, sonst…Ach, das weiß ich noch nicht, aber Du wirst es sicher bereuen!" Bernd drehte sich auf dem Absatz herum und lief zurück ins Schloss.

Lisa sah ihm trotzig nach. Sie würde sich keinen Mann aussuchen und wenn ihr Vater ihr noch so schlimme Sachen androhte. Sie wusste genau, dass er sie viel zu sehr liebte, um ihr etwas wirklich Schlimmes antun zu können.

Und so begab sich Prinzessin Lisa einige Abende darauf seufzend, aber in ihrem schönsten Kleid, zum Ball, der extra für sie ausgerichtet wurde. Alle Augen ruhten auf ihr, als sie den Ballsaal betrat und sich auf den Thron neben ihren Vater setzte. Ihre kleine Krone war etwas auf ihrem Kopf verrutscht und auch die Brille saß ihr leicht schief auf der Nase. Doch die Prinzen störte das wenig: hier wartete eine Prinzessin mit großer Aussteuer auf sie. Solch ein Mädchen durfte man sich nicht entgehen lassen - auch nicht als Prinz mit ordentlichem Vermögen.

Prinzessin Lisa rümpfte ihre Nase. Nein, von den Anwesenden wollte sie keinen heiraten. Als der erste hervortrat, schickte sie ihn mit den Worten "Zu.. zu klein!" weg. Der nächste war ihr zu groß, dieser zu stattlich, jener zu schmächtig. König Bernd rutschte bereits unruhig auf seinem Thron hin und her, einige flüchtige Beruhigungsversuche seiner Angetrauten, Königin Helga, abwehrend, als der letzte der Kandidaten hervortrat. Er bewegte sich mit wenigen, elganten Schritten nach vorn und verbeugte sich tief, ehe er seine dunklen, funklenden Augen auf die Prinzessin richtete und sich als König Pfauengefieder vorstellte. Königin Helga lächelte erst dem jungen König, dann der Prinzessin aufmunternd zu. Alle warteten darauf, was die Prinzessin nun zu sagen hätte. Die kaute allerdings noch auf ihrer Unterlippe, bevor sie zu sprechen ansetzte. "So, so, Pfauengefieder! Welch passender Name!" giftete sie. "Einen Paradiesvogel wie sie, mit ihrem roten Gewand und dem blau-gelben Hut - nein! So einen wie Sie will ich nicht zum Mann!"

König Bernd scherte sich nun nicht um guten Ton oder Anstand, als er plötzlich lospolterte: "Du wirst morgen den ersten Bettler heiraten, der am Schloss vorbeikommt! Ich habe genug von deinen Zierereien!"

"Aber Papa!"

"Nichts Papa! Das ist mein letztes Wort!" Und mit Blick auf die Ballgäste, die die Auseinandersetzung zwischen König und Prinzessin mit großen Augen verfolgt hatten, fügte er hinzu: "Lasst es alle wissen, verkündet es im ganzen Land! Prinzessin Lisa wird morgen heiraten! Und zwar den ersten, der sie haben will!"

Wütend fuhr die Prinzessin von ihrem Platz auf und eilte aus dem Saal. Das hatte sie nun nicht erwartet.