A/N: Das ist eine etwas... gewagte? intensive? ... naja, zumindest ungewohnte Charakterisierung, mich würde wirklich sehr interessieren wie sie Euch gefallen oder nicht gefallen hat.
Das erste Mal
"Oh, Severus. Schön, dass du
da bist, ich habe schon auf dich gewartet. Möchtest du
Wein?"
Die Geste des Ablehnens war sehr zurückhaltend
und wirkte respektvoll, er hatte sie lange geübt. Doch der
Dunkle Lord ignorierte sie und reichte dem Siebzehnjährigen ein
Kristallglas mit einer fast schwarzen Flüssigkeit.
"Trink.
Es ist ein hervorragender Wein und du wirst die Stärkung
brauchen."
Severus nickte unterwürfig und nahm das Glas
an. Wie aus einem Reflex heraus spulten sich in seinem Kopf
Zaubersprüche ab, die das Glas und seinen Inhalt in ihre
Bestandteile zerlegten, sie analysierten und zeigten, welche Gefahren
von der Flüssigkeit ausgehen konnten. Es fand sich nichts, also
hob er das Glas und trank. Der Wein schmeckte fast schon sauer, hatte
jedoch eine samtene Note, die darüber hinwegtäuschte.
"Kennst
du Kim Lickpau? Er hat gestern versucht, die Obersekretärin des
Ministers zu entführen. Wohlgemerkt, nur versucht."
"Wie
kann man an der Entführung einer achtzigjährigen Hexe
scheitern?", fragte Severus und gab seiner Stimme einen
überheblich ironischen Ton. Der lippenlose Mund seines
Gegenübers verzog sich zu etwas, was bei einem menschlichen
Wesen wohl ein Lächeln gewesen wäre.
"Eine
faszinierende Frage, nicht wahr? Bisher konnte sie auch niemand
zufriedenstellend beantworten. Vor allem, weil es der dritte
Fehltritt Lickpaus war, und das allein in diesem Monat."
Der
Plauderton versetzte Severus in Bereitschaft. Alle seine Sinne waren
nur auf IHN gerichtet, auf seine Gesten, seine Worte, auf seine
Gedanken.
"Was würdest du mit ihm machen, mein Junge?"
Voldemorts Stimme klang beiläufig, mit einer Spur Wohlwollen.
"Ihn töten." Die Antwort kam ohne Zögern. Im
perfekten Ton der Selbstverständlichkeit und Kälte. Während
in seinem Kopf weitere Mechanismen sein Innerstes verriegelten, das
Fühlen vom Denken brutal niedergeworfen wurde, verbannt in die
tiefsten Winkel seines Ichs.
Der Dunkle Lord verzog sein blasses
Gesicht zu einem diabolischen Grinsen und etwas wie Triumph flammte
in seinen Augen auf.
"Gut", zischte er und legte Severus
eine langgliedrige, weiße Hand auf die Schulter.
Wie er
wieder in den Schlafsaal gekommen war, wusste er nicht genau. Erst
als die Tür ins Schloss knallte, kam er wieder zu Bewusstsein.
Ihm war eisig kalt, doch trotzdem bildeten sich auf seinem Rücken
feine Schweißtropfen.
Er zitterte.
Unendliche viele
Gedanken rasten in seinem Kopf, doch er konnte keinen richtig fassen.
Der Raum schien sich zu drehen, vor seinen Augen flackerten schwarze
Punkte, und das Atmen fiel ihm schwer. Ihm wurde schwindelig und er
meinte schon, das Gleichgewicht zu verlieren, da hielt alles
an.
Wirklich alles. Der Raum drehte sich nicht mehr, sein Herz
schlug nicht mehr, seine Gedanken standen vor seinem inneren Auge
still und machten ihm klar, was passiert war.
Er hatte einen
Menschen getötet.
Er schaffte es gerade noch bis zu einem
Waschbecken, ehe er sich übergab. Er schmeckte bittere Galle und
den sauren Wein. Seine Knie gaben nach, und obwohl er versuchte, sich
am Becken festzuhalten, sank er auf den kalten Stein. Das Zittern
wurde schlimmer, kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn und
rann seinen Rücken herunter.
Noch einmal lief der Tag in
seinem Kopf ab. Er war erstaunt, wie viel er über Lickpau
wusste. Er hatte ihn doch nur zweimal gesehen; hatten sie sich je
unterhalten? Wie locker ihr Kontakt vorher auch gewesen sein mochte,
jetzt waren sie endgültig verbunden: Als Opfer und Mörder.
Mörder – wie merkwürdig dieses Wort klang.
Er
hatte schon länger gewusst, dass es irgendwann soweit sein
würde. Seitdem er sich den Todessern angeschlossen hatte, hatte
er gewusst, dass er irgendwann würde töten müssen. Und
eigentlich war es auch ganz leicht gewesen.
Wieder wurde ihm
schlecht.
Doch langsam kehrten seine Kräfte zurück. Er
zog sich hoch und atmete mehrmals durch, damit der Schwindel
vorbeiging. Ihm war immer noch übel, daher steckte er sich den
Finger in den Hals, um auch den Rest des Weins loszuwerden.
Ein
leerer Magen tat gut, auch wenn es das Zittern verschlimmerte.
Mit
einem unsicheren Schlenker des Zauberstabes reinigte er das
Waschbecken und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser. Seine
Gedanken wälzten noch immer die Ereignisse der vergangenen
Stunden, doch sein Körper schien den Schwächeanfall langsam
zu überwinden.
Er rief sich frische Kleider aus seinem
Schrank. Den Umhang, den er ausgezogen hatte, legte er gewohnt
ordentlich auf einem Hocker zusammen, doch dann erfasste ihn ein
merkwürdiger Ekel und er ließ das Kleidungsstück in
Flammen aufgehen.
Das Duschwasser war zu heiß, doch er
merkte es erst, als ein erneuter Schwindel ihn wieder zu Boden zwang.
Gegen die Fliesen gelehnt, auf dem Boden sitzend, ging es ihm besser.
Nur der Krampf, der sich in seiner Brust zusammenzog, wurde immer
schlimmer. Ein unbeschreibliches und unerträgliches Gefühl
von Schuld und Ekel, zu einem gigantischen Stein verdichtet, der ihn
zu erdrücken schien.
Das heiße Wasser tat seinem
Zauberstab nicht gut, die Politur blätterte schon ab, doch
gerade heute war ihm das völlig egal. Mit der Spitze des
Zauberstabes fuhr er den linken Arm entlang. Diesen Zauber hatte er
inzwischen perfektioniert. Er durchtrennte keine Sehnen, keine
Muskeln, öffnete nur die Haut, schnitt in Blutgefässe und
entzündete die Nervenstränge. Das Blut bildete schon
Schlieren am Abfluss der Dusche, da erreichte ihn der Schmerz erst.
Er stöhnte leise und verzog das Gesicht; sein Arm brannte wie
Feuer, doch der Krampf in seiner Brust löste sich einfach nicht.
Er versuchte sich ganz auf den körperlichen Schmerz zu
konzentrieren. Doch es reichte nicht. Immer noch pochte dieser eine
Satz, dieses eine Wort in seinem Kopf, immer noch zog sich der Knoten
in ihm immer fester, wurde immer schwerer, immer drückender. Dem
Blut zuzusehen half diesmal einfach nicht.
Er hatte einen anderen
Menschen getötet, das war schlimmer als alles andere
bisher.
Obwohl es kein unschuldiger Mensch war, es war ein Mann,
der selbst ein mehrfacher Mörder gewesen war, der es mehr als
einmal verdient hatte zu sterben. Doch wie sehr er sich das auch
einredete, es wurde einfach nicht besser, im Gegenteil, in seinem
Kopf entstand ein schlimmeres Bild: Was würde er tun, wenn man
von ihm verlangte, einen unschuldigen Menschen zu töten?
Vielleicht sogar einen Freund? Wieder verkrampfte sich sein Magen
unter einem Brechreiz. Doch er konnte sich nicht mehr übergeben.
Er sank endgültig zusammen. Die Wunde an seinem Arm schloss sich
wieder, ohne dass es ihm besser ging. Zusammengerollt lag er auf dem
Boden des Duschraums, in den Ohren das Rauschen des abfließenden
Wassers. Die mit Wasserdampf gesättigte Luft machte ihm das
Atmen schwer. Aber wenigstens war ihm wieder warm.
Seine Gedanken
wurden langsam unscharf, als würde er das Bewusstsein verlieren,
nur ein Zauberspruch blieb ganz klar. Bot sich geradezu an, war so
verführerisch, so einfach. Eine Lösung, eine Lösung
für alles. Er beherrschte den Zauber, das wusste er jetzt. Und
obwohl gerade seine erstmalige Anwendung ihn an diesen Punkt gebracht
hatte, bot nur die Wiederholung einen Ausweg. Doch würde es
funktionieren? Wirkte es auf einen selbst? Er konnte es ja mal
versuchen, wie er alles Mögliche ausprobiert hatte. Er richtete
den Zauberstab auf sich selbst, die Konzentration fiel ihm etwas
schwer, doch er fand den Fokus, fand das Ziel...
Ein
unbeschreiblicher Schmerz durchfuhr ihn. Fühlte es sich so an?
Doch er hatte den Zauber noch nicht ausgesprochen, nicht mal gedacht.
Er hörte sich selbst schreien und dieser Schrei machte ihm klar,
dass er nicht starb, obwohl es sich so anfühlte.
Kurzfristig
wurde sein Kopf wieder klar. In der Tür des Duschraums stand
Regulus, er hatte den Zauberstab noch immer auf ihn gerichtet und
seine Augen funkelten wütend.
"Glaubst du tatsächlich,
dass du dich so einfach davonmachen kannst? Dass es keine
Konsequenzen hätte? So egoistisch und dumm kannst du doch nicht
sein!", schrie er Severus an.
"Komm wieder zu dir",
ergänzte er leiser und warf ihm ein Handtuch zu.
