Als Yuki das Zimmer des Rektors betrat, erblickte sie als aller Erstes ein Mädchen mit langen, braunen Haaren, das in eine Decke gewickelt war und eine Tasse in der Hand hielt. „Ah… Yuki! Das ist…", kam der Rektor nicht weit, denn das Mädchen stand auf und wandte sich ihr zu: „Du musst Yuki Kurosu sein!" Ihre eisblauen Augen lächelten sie förmlich an und Yuki erkannte, dass die Fremde ein Vampir war. „Wer bist du?", fragte Yuki vorsichtig. Der Rektor schaltete sich ein: „Das ist ja das Problem. Sie weiß es nicht! Deswegen kommt sie vorerst auf unsere Cross Academy und DU wirst sie gleich herumführen!" Zeit zum Widersprechen war nicht, denn die ‚Neue' ging schon voraus. Yuki folgte ihr so schnell sie konnte, aber sie ließ es sich nicht nehmen, dem Rektor einen bösen Blick zuzuwerfen. Als sie das Mädchen einholte, waren sie gerade am Haus ‚Mond' angekommen. Die Türflügel öffneten sich und Kaname Kuran trat ins Mondlicht. Er schien nicht überrascht, die beiden zu sehen und begrüßte sie. Nachdem Yuki die Fremde Kaname übergeben hatte, machte sie sich aus dem Staub.
Als Kaname zusammen mit ihr das Haus betrat, waren fast alle versammelt. Kaname stellte ihr alle vor und erzählte den Schülern der ‚NightClass', was es mit der Fremden auf sich hatte, dann zog er sich zurück. Sie stand verloren dreinblickend im Foyer und wusste nicht, was sie tun sollte. Sie merkte erst als er sie antippte, dass Shiki mit ihr redete: „Weißt du, so du hin musst?" Sie antwortete mit einem knappen „Nein" und ließ sich nach oben führen. Shiki war nett zu ihr und sie gestand sich ein, dass sie ihn mochte. Auch er schien sie zu mögen. Er führte sie an den Zimmern der Anderen vorbei in einen langen Korridor. Ihr Zimmer lag am anderen Ende und Kanames Zimmer war direkt neben ihrem. Shiki verabschiedete sich lächelnd von ihr und sie betrat ihr zukünftiges Zimmer. Es war ein geräumiges Zimmer mit Dachschräge. Sie hatte ein großes Bett mit vielen weichen Kissen. Einige der Kissen legte sie unter ein Dachfenster und schloss die Rollläden. Vor diese neugeschaffene ‚Ecke' hang sie einen dunkelroten Samtvorhang. Sie musste mit Kaname reden. Sie wusste, was die anderen Bewohner dachten und außerdem dachte sie , er habe mit ihrer Vergangenheit zu tun. Sie klopfte an und trat ein. Kaname stand mit dem Rücken zu ihr. „Kaname…", ihre Stimme zitterte, „…ich glaube, du weißt, wer ich bin, oder? Kannst du es mir denn sagen?" Kaname schien wenig erstaunt und drehte sich um. Sie merkte kaum den kühlen Luftzug, als er plötzlich hinter ihr stand. Leise begann er zu sprechen: „Du stammst aus einer berühmten Reinblüterfamilie, ähnlich den Kuran. Leider geschah ein großes Unglück und du bist die einzige Überlebende, Kumo Yata. Dein Blut hat selbst für einen Reinblüter beachtliche Kräfte… Erlaube mir, dein Blut zu nehmen!" Schon biss er zu. Sie spürte seine Reißzähne, die sich in ihren Hals bohrte. Nein, das wollte sie nicht! Sie riss sich los und rannte davon. Vorbei an verdutzten Mitschülern, durch die Türen des Hauses ‚Mond' und zurück zum Tor.
Sie nahm einen Pfad rechts vom Tor und stand schließlich vor einem Durchgang, der von einem alten Schild versperrt wurde, das an einer vorrosteten Kette hing. Hinter dem Schild lag ein dichter Wald. Kumo betrachtete das Schild genauer. Bei dem Schriftzug fehlten zwar ein paar Buchstaben, aber man konnte noch ‚Kein Zutritt' entziffern, danach war das Schild zu verrostet, um es zu lesen. Sie fragte sich, ob Kaname Kuran hiervon wusste. Kaum hatte sie an den Hausvorstand des Hauses ‚Mond' gedacht, liefen ihr die Tränen über die Wangen. Sie rannte weiter, immer tiefer in den nur allzu dunklen Wald. Sie sprang in die Krone einer Buche und verweilte dort. So saß sie eine Weile in einer Astgabel und mit der Zeit versiegten ihre Tränen. Völlig grundlose Tränen, wie sie fand, denn sie wusste nicht, warum sie sie vergossen hatte. Langsam beruhigte sie sich und Kumo wurde klar, dass die Anderen sie wohl suchen würden. Sie rannte im schnellen Tempo in Richtung Haus ‚Mond'. Als sie schwer atmend vor den Toren ankam, zwang sie sich, so ruhig auszusehen wie nur möglich, obwohl ihr Herz hämmerte, als wollte es herausspringen.
Sie wollte gerade die Türen aufstoßen, doch sie hörte hinter sich ein Rascheln. „Yata-sama, da seid Ihr ja!", keuchte Senri Shiki. Aha, dachte sie, Kaname hatte sie schon informiert. Sie seufzte. „Wir haben Euch schon gesucht, Yata-sama!" Senri folgte ihr ins Haus und zum zweiten Mal an diesem Abend sah sie alle versammelt. „Ich habe sie gefunden!", lächelte Senri. Alle knieten nieder. Ihr war es unangenehm, so besonders behandelt zu werden und so sagte sie seufzend: „Ach Leute, ich bin zwar reinblütig, aber ihr müsst euch doch nicht vor mir auf den Boden werfen." Unter erstaunten Blicken stieg sie die Treppe hoch. Sie bat Senri noch, ihr zu helfen, sich zurechtzufinden in den labyrinthartigen Gängen des Wohnheims und er antwortete: „Sehr wohl, Yata-sama!". Zwischendurch wurde die Stille von einem „Hier entlang, Yata-sama" oder „Yata-sama? Folgt mir" unterbrochen. Als sie vor Kumos Zimmer ankamen, fragte Senri, ob sie noch etwas bräuchte. Nachdenklich sagte sie: „Ich hab´ gehört, Ichijo-san liest Mangas. Bitte ihn mal um eine möglichst vollständige Serie. Ach und hör´ auf, mich Yata-sama zu nennen! Kumo ist doch okay!" „Sehr wohl, Yata-sa… äh, Kumo-san!" Im Hineingehen sagte sie noch: „Lass´ bitte diese Förmlichkeit." Dann ließ sie die Tür hinter sich zufallen.
