Prolog.
Ruhig lag die Thousand Sunny auf dem Meer. Nur kleine Wellen schlugen ab und an gegen den Bug, kaum mehr als ein sanftes Schaukeln hervorrufend.
Es war eine kühle Nacht, eine ruhige Nacht, irgendwo auf der Grand Line.
Und nur in einem Zimmer brannte noch ein kleines, oranges Kerzenlicht.
Nami war noch nicht zu Bett gegangen. Sie wollte es ausnutzen, mal einen Moment nur für sich zu haben. Sorgfältig tunkte die Navigatorin mit den kupferfarbenen Haaren ihren Schreibkiel in das kleine Tintenfässchen und ebenso sorgfältig zog sie eine dünne Linie mit Hilfe eines Lineals über eine Karte, die vor ihr auf dem Tisch ausgebreitet lag.
Fertig!
Mit einem triumphierenden Lächeln lehnte sie sich in ihren Stuhl und betrachtete stolz ihr Werk. Wieder war ein kleiner Teil ihrer Traumes vollendet, wieder war sie einer Seekarte der ganzen Welt ein Stückchen näher gekommen. Um genau zu sein war dieses Stückchen eine äußert detaillierte und tatsächlich perfekt zu nennende Karte von Water Seven, Enies Lobby und den Gewässern um den beiden Inseln herum. Es war nun schon einige Wochen her, dass die Strohhüte diesen Teil der Grand Line verlassen hatten. Water Seven... während sie auf die Seekarte blickte, wurde ihr Lächeln sanfter, wenngleich sich ein dunkler Schatten der Trauer über ihre braunen Augen legte.
Ein Windzug, der durch das leicht geöffnete Fenster kam, riss Nami aus den Gedanken. Er ließ das Papier der Karte leise knistern und jagte ihr einen kurzen Schauer über den Rücken. Nami trug nur ein kurzes Tanktop und während der Arbeit hatte sie vergessen, wie kühl es nachts in diesen Gefilden war – zu vertieft war sie in das Zeichnen der Karte gewesen. Nach kurzem Überlegen erhob sich die Navigatorin von ihrem Arbeitsplatz, ging zu ihrem Kleiderschrank und zog sich eine Jacke an.
Als sie sich wieder auf ihren Stuhl setzte, stützte sie sich mit den Ellenbogen auf der Tischplatte ab und bettete ihren Kopf auf den Händen. Wieder lagen ihre Augen auf der Karte, doch sie blickte mehr durch sie hindurch anstatt sie wirklich anzuschauen.
Etwas lenkte sie von dem Hier und Jetzt ab, schlich sich in ihre Erinnerungen und weckte diese. Es war ein leichter Geruch von salziger Meeresluft, Holz und Zigarrenrauch und etwas viertem, welches ihr Herz für einige Momente lang schneller schlagen ließ.
Nami schloss die Augen, seufzte leise in sich hinein und strich mit der rechten Hand über ihren linken Arm. Es war selten, äußerst selten, dass sie diese Jacke anzog und wenn dann gewiss hier alleine in ihrem Zimmer, aber nie vor dem Rest der Crew. Ein Grund war der, dass ihr diese Jacke zu groß war, viel zu groß. Die Ärmel waren so lang, dass ihre zarten Hände nicht hervorschauen konnten und auch sonst sah sie in diesem Kleidungsstück aus wie in einem Sack. Der zweite Grund war jedoch bedeutsamer für sie.
Mit einem Schmunzeln öffnete die junge Frau die Augen wieder. Die blaue Jacke gehörte ihr, nur ihr allein. Sie war ihr Schatz und sie wollte sie mit niemandem teilen. Kaum auszudenken, wenn jemand der Strohhütte sie in die Hände bekam... vor ihrem inneren Auge sah sie Ruffy die Jacke klauen, weil er wissen wollte, ob es eine Möglichkeit gab, so verdammt viele Seile darunter zu verstecken. Oder Sanji, der sie wahrscheinlich mit wutentbranntem Gesicht ins Meer warf, sobald er erkennen würde, wem die blaue Jacke mit den Feuerzeichnungen an den Ärmelenden und den kleinen Laschen für Zigarren an der Brusttasche wirklich gehörte... dieser Gedanke, wie der Schiffskoch vor Eifersucht überkochte, ließ sie allerdings kurz leise kichern.
Und außerdem musste sie ein Versprechen einhalten.
Water Seven. Die Dinge, welche dort geschehen sind, waren gewiss nicht alle als erfreulich zu bezeichnen. Lysops Austritt aus der Piratencrew, Ruffys Kampf gegen ihn, Robins Attentat und ihre Gefangennahme, diese furchtbare CP9, der Kampf, den sie alle der Weltregierung erklärt hatten und nicht zu Letzt die Flying Lamb, von welcher sie sich hatten verabschieden müssen. Aber es war auch eine schöne Zeit gewesen, eine einmalig schöne Zeit.
Nami hängte die Karte vorsichtig an einer Wäscheleine auf (die nie für Wäsche benutzt wurde), damit die Tinte trocknen konnte. Sie schloss das Fenster, blies die Kerze aus und warf sich auf das Bett.
Zum ersten Mal seit Wochen erlaubte es sich Nami, in Erinnerungen zu schwimmen. Sie wusste, dass es schmerzen würde; weshalb sie es bisher vermieden hatte. Aber in dieser Nacht ergab sie sich diesen Erinnerungen und den Gefühlen, welche sie auslösten. Nami kuschelte sich in die Jacke, welche sie noch immer trug, zog die Beine an den Körper und schloss die Augen.
