Entscheidung

Wie ist dein Name?"

Erik."

Erik..."

Gerade in diesem Moment hörte Cobra sie. Zwei Ratsmitglieder, die hier waren, um die neue Oracion Seis abermals hinter Gitter zu bringen. Doch sie hatten ihn nicht entdeckt. Noch nicht, jedenfalls... Doch wenn sie Cubelios bei ihm entdecken würden, würde sie sicher als Komplizin angesehen werden, somit würde auch sie ins Gefängnis gebracht werden. Und das war das letzte, was Cobra wollte. Sie hatte nichts mehr mit Oracion Seis zu tun!

Er musste sich ergeben... damit sie frei bleiben konnte.

„Du musst weg", sagte deshalb der Giftdragonslayer während er auf die Beine sprang. Doch das Lilahaarige Mädchen sah ihn einfach erschrocken an. Sie verstand nicht, warum er das sagte. Sie wollte nicht ohne ihn gehen... ohne auf sein plötzlich heftig schlagendes Herz zu achten sprach er weiter: „Zwei Mitglieder vom Rat sind gleich da. Sie werden mich verhaften. Wenn die beiden dich mit mir sehen, werden sie dich ebenfalls gefangen nehmen, als Komplizin. Du musst weg, Cubelios!"

„Mein wahrer Name ist Kinana. Und nein, Erik! Ich kann nicht weggehen und will es auch nicht! Wir haben uns doch erst wieder gefunden! Du warst doch der, der mich gerufen hat, oder? Weisst du, wie lange ich darauf gewartet habe, die Person kennen zu lernen, deren Stimme ich in meinen Gedanke höre? Sieben Jahre! Seit sieben Jahren lebe ich ohne jegliche Erinnerungen an meinem früheren Leben! Ich erinnere mich nur an eine Stimme und an ein Versprechen mit einer Sternschnuppe. Es ist deine Stimme, die ich immer wieder hörte. Bitte Erik! Erzähl mir von meinem früheren Leben, was wir füreinander waren. Seit sieben Jahren leide ich unter meiner Amnesie! Ich versuchte immer mich damit abzufinden und ein neues Leben zu beginnen. Doch ich kann es nicht. Immer hatte ich das Gefühl, dass ich zerrissen bin, nicht da zu sein wo ich hin gehöre. Aber seit ich mit dir bin, habe ich dieses Gefühl gar nicht mehr! Bitte, ich will dich wieder kennen lernen, ich will wissen, was zwischen uns war!"

Gegen Ende wurde sie schrill und schliesslich sackte sie keuchend zusammen. Tränen liefen ihr über die blassen Wangen runter. Cobra konnte sie nur verblüfft anstarren. Seit sieben Jahren litt sie unter einer Amnesie? Seit sie getrennt waren! Sie erinnerte sich nicht an all die Momente, die sie geteilt hatten. Doch wie kam es dazu? Wieso trug sie einen komplett anderen Namen? Und warum war Cubelios überhaupt ein Mensch wie er? Eine junge Frau... eine wunderschöne, zärtliche junge Frau...

Nun fing sie leicht zu wimmern an. Verdammt, warum stach es ihm ins Herz sie so zu sehen? Warum nur? Cobra wusste nicht mehr, was er tun sollte. Einerseits wollte er, dass sie flieh, damit nur er hinter Gitter kam. Schliesslich war sie unschuldig an der ganzen Angelegenheit, doch er wusste nur zu gut, wie stark der Rat misstrauisch werden konnte. Wenn sie Kinana mit ihm sehen würden, würde sie sicher auch festgenommen werden und für Cobra war diese Vorstellung noch schrecklicher als selber wieder in diesem schrecklichen Gefängnis zu kommen.

Andererseits brachte er es einfach nicht übers Herz Kinana wieder hinter sich zu lassen. Verdammt, welchen Weg sollte er nun nehmen?

Kinana war nun aufgestanden und hatte seine Hand genommen. Diese schlichte Berührung verbreitete ein warmes, unbekanntes Gefühl in ihm. Schlagartig hörte er, wie die beiden Ratsmitglieder sich wieder entfernten. Er hörte, dass sie dachten, er wäre bei seinem Sturz vom Infinity Castle umgekommen. Das war seine Chance. Entschlossen drückte er Kinanas Hand und ging mit ihr zielstrebig aus dem Krater in Richtung Berge. Ihm war schon klar, dass dies sicher nicht die richtige Entscheidung war, dass er sich selber und Kinana in Gefahr brachte.

Doch trotzdem hörte er nicht auf seinem Verstand. Sein Herz sagte ihm weiter zu gehen...

Xxx

„Man hat seine Leiche also nicht gefunden?", fragte Erza schuldbewusst, als Makarov ihr die Nachricht übergeben hatte. Mirajane legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter.

„Du musst dich nicht schuldig fühlen, mein Kind", sagte Makarov milde. „Auch wenn ich zugeben muss, dass es schade ist, dass Cobra nun tot ist. Er hatte wirklich Potential und ich hatte das Gefühl, dass man wenigstens aus ihm noch die Gute Seite rausbekommen hätte können. Du hast mir doch gesagt, dass sich an uns nicht wegen der Niederlage rächen wollte, sondern weil wir ihn von seinem besten und einzigen Freund gerissen haben. Das kann ich irgendwie nachvollziehen, trotz seinen zahlreichen Verbrechen."

„Ich hätte ihn niemals von hinten angreifen sollen. Wie konnte ich nur so tief sinken? Er war ein Verbrecher, doch er hatte es nicht verdient so zu sterben", zischte Erza.

„Was geschehen ist, ist geschehen. Cobra hat trotz allem unseren Respekt verdient", sagte Makarov einfach, bevor er sich an Mirajane wandte. „Und, wurde Kinana gefunden."

„Leider nein, Master", sagte Mirajane traurig. „Alle Suchtrupps sind mit leeren Händen zurückgekommen. Kinana ist einfach... unauffindbar..."

„Das ist wirklich besorgniserregend", murmelte Makarov betrübt. „Mit ihrer Amnesie und den Zusammenbrüche in den letzten Tagen ist es gefährlich für sie, alleine dort draussen zu sein. Ich frage mich wirklich, ob dies mit den Stimmen in ihrem Kopf zu tun hat. Ich habe sie wohl unterschätzt, anscheinend sind sie wirklich die einzige Lösung um Kinana zu helfen..."

„Was meinen sie damit, Master? Was ist denn mit Kinana los?", fragte Erza, während sie sich die Tränen von ihrem Gesicht wischte.

„Stimmt Erza, du weisst es ja gar nicht. Aber besser solltest du das auch erfahren. Als ich Kinana gefunden hatte, war sie eine Schlange gewesen. Auf dem ersten Blick bemerkte man es nicht sofort, doch wenn man Fluche kennt, sticht es einem ins Auge. Man hatte sie in eine Schlange verwandelt. Ich habe sie zurück zu einem Menschen verwandelt, doch leider war ich etwas voreilig. Sie wurde zwar wieder zu einem Menschen, doch leider bewirkte dies, dass sie sich an rein gar nichts mehr an ihrem früheren Leben erinnern konnte. Ausser den Stimmen und einem Versprechen von einem Freund. Irgendetwas mit einer Sternschnuppe. Wie dem auch sei, ausser Mirajane wussten nur Macao und Wakaba von Kinanas Fluch. Zuerst dachte ich, die Stimmen in ihrem Kopf könnten gefährlich für sie sein, darum wollte ich nur, dass sie einen kompletten Neuanfang machte. Doch nach gründlicher Beobachtung und durch den Bericht, die mir Macao und Wakaba über diese sieben Jahre gemacht haben, kam ich zum Schluss, dass es doch nicht das Richtige für Kinana gewesen war. Niemand hat es sicher einfach so bemerkt, doch wenn man sie ganz genau beobachtet, sieht man ein wenig, dass sie nicht ganz glücklich ist in Fairy Tail, dass sie das Gefühl hat irgendwo anders wirklich hinzugehören. Ich konnte mir bisher keinen Reim daraus machen. Doch die Erklärung muss irgendwo bei diesen Stimmen sein, da bin ich mir ganz sicher."

Erza nickte bloss, als Makarov seinen Vortrag geendet hatte. Sie hatte nichts von Kinanas Geschichte gewusst. Die Lilahaarige war nur ein schüchternes Mädchen gewesen, dass einfach Mirajane aushalf. Doch diese Erzählung brachte Kinanas Leben zu einem tragischen Aspekt. Man hatte sie also in eine Schlange verwandelt? Erza erinnerte sich, dass einige Kinder im Tower of Heaven ebenfalls Tierverwandlungen als Strafe überstehen mussten. Danach wurden sie im Tower in den Gängen losgelassen. Das war vielleicht mit Kinana passiert. Plötzlich kam ihr ein Gedanke! Cobra hatte doch seine Schlange ebenfalls auf dem Tower of Heaven gefunden... und beim Kampf gegen die Allianz hatte er Cubelios doch wieder verloren! Könnte es sein, dass... Kinana seine Schlange gewesen war?

„Master, wie hat Kinana als Schlange ausgesehen?", fragte die Rüstungsmagierin, ihre Stimme wurde fast schrill vor lauter Panik.

„Sie war eine riesige violette Schlange. Warum fragst du?", fragte Makarov irritiert. Auch Mirajane betrachtete ihre Freundin überrascht.

Erza liess den Kopf senken und flüsterte atemlos: „Ich denke... ich kann mich vorstellen, wie Kinanas früheres Leben gewesen war..."

Xxx

Kinana weinte sich auf seiner Schulter aus, während Cobra hilflos ihren Rücken streichelte. Sie hatten Stunden gebraucht um bis zum Nebelgebirge zu kommen, dem wohl wildesten und unbewohnbarsten Gebiet von ganz Fiore. Zudem hatte es zu regnen begonnen, doch der Dragonslayer hatte es geschafft diese Höhle im Wald zu finden, bevor er und seine Gefährtin vollkommen durchnässt waren.

Cobra war sich sicher, dass niemand nach ihm suchen würde, wo er doch offiziell als tot angesehen wurde. Trotzdem wollte er es nicht riskieren, dass jemand ihn entdeckte. Er wusste sehr gut, wo genau in den Bergen des Nebels er unterkommen könnte.

Doch bei Kinana war dies ein anderer Fall. Schliesslich war sie keine Verbrecherin, sie hatte nichts mit den neuen Oracion Seis zu tun gehabt. Wahrscheinlich hatte sie in den letzten sieben Jahren ein richtiges Zuhause bekommen und Menschen, die sich nun Sorgen um ihr machten. Cobra hoffte es jedenfalls, dass sie irgendwo zurückkehren konnten.

Verdammt, was war bloss in ihm gefahren, sie auf seiner Flucht mitzunehmen? Der Rothaarige wusste nur zu gut, dass es nicht die richtige Entscheidung war Kinana bei sich zu behalten. Während ihrem Marsch zum Nebelgebirge hatte er mehrmals versucht ihr zu fragen, wo er sie bringen sollte. Doch sobald Cobra diese zierliche junge Frau ansah, wie sie sich an seinem Arm festklammerte, schaffte er nicht ein einziges Wort über seine Lippen. Normalerweise hörte er eher auf seinen Verstand und auf seinem Instinkt, aber dieses Mal hatte er einfach auf sein Herz gehört und sein Instinkt hatte sich dementsprechend angepasst. Das war sich noch nie passiert, fast schämte er sich dafür.

Kinana war sehr ruhig während der Flucht geblieben, doch Cobra hatte ihre unsicheren, ängstlichen Gedanken gehört. Doch kaum hatten sie sich in der Höhle zurückgezogen um sich vom Regen zu beschützen, war sie weinend auf den steinigen Boden zusammen gebrochen. Es war wohl zu viel für sie. Cobra wusste überhaupt nicht wie man mit weinenden Menschen umging, vor allem Mädchen. Angel hatte auch nie geheult, selbst nicht bei ihrer ersten Gefangennahme oder bei ihrer Niederlage gegen Lucy Heartfillia. Im letzteren Fall hatte sie stattdessen eine Woche lang einen Tobsuchtsanfall bekommen, dass selbst die ungnädigen Gefängniswächter alles getan hatten um sie zu beruhigen.

Cobra hatte dann allein das getan, was ihm für richtig erschienen war. Er hatte sich zu ihr runter gekniet und sie in den Arm genommen. Schliesslich war Kinana ja Cubelios gewesen und nur mit seiner Schlange war er jemals zärtlich umgegangen. Doch obwohl Kinana und Cubelios ein und dasselbe Wesen waren, so machte es doch einen riesigen Unterschied eine Schlange zu streicheln und eine Frau tröstend zu umarmen. Einen gewaltigen Unterschied.

Cobra schwieg einfach, weil er sowieso keine passenden Worte finden konnte um Kinana zu trösten. Dass sein Herz dabei noch schneller anfing zu klopfen als das Racer rennen konnte und dass sein Bauch kribbelndes Gefühl bekam, half ihm auch nicht gerade.

Mit der Zeit beruhigte sich Kinana immer mehr, bis sie nur noch schniefte und müde aufseufzte. Welche Erleichterung für Cobra als sie sich schliesslich etwas von ihm löste. Allerdings liess sie ihn gar nicht los, sondern klammerte sich noch an ihm.

„Es tut mir Leid, Erik. Es ist einfach alles zu viel auf einmal gewesen in so wenigen Tagen", murmelte sie mit roten Wangen, während sie auf den steinigen Boden starrte. So betrachtet sah die Lilahaarige wirklich niedlich aus…

Schnell schüttelte Cobra den Kopf. Was dachte er da bloss? Das war nicht irgendein Mädchen oder eine anonyme Hure in einem Bordell. Das war Kinana, er durfte nicht so von ihr denken. Stattdessen murmelte er einfach: „Schon okay, ist ja auch verständlich."

„Wohin gehen wir jetzt, Erik?", fragte die Lilahaarige schliesslich und sah ihn schlussendlich an. Cobra musste sich bemühen seine Überraschung zu verbergen. Uns? Wollte sie etwa noch weiter mit ihm fliehen? Eigentlich hatte er sie fragen wollen, wo er sie bringen sollte, schliesslich konnte sie nicht mit ihm bleiben. Das Leben als versteckter Flüchtling wollte er ihr nicht antun, sie war ihm dafür viel zu wertvoll. Doch bei ihrem vorherigen Zusammenbruch war es wohl besser, dass die Lilahaarige sich zuerst vollständig ausruhen konnte, zumindest für die kommende Nacht.

„Wir werden irgendwo hin gehen, wo du dich ausruhen kannst", murmelte er einfach. Die Wäldern vom Nebelgebirge waren so dicht und wild, dass nicht mal dunkle Gilden diesen Ort als Versteck für ihren Wohnsitz haben wollten. Ausser Oracion Seis. Und Cobra wusste genau wo Kinana und er übernachten würden. Das Hauptquartier der alten Oracion Seis, Brains Landschloss…