Hallo und herzlich willkommen zu meinen verschiedenen „Momentaufnahmen"!
„Momentaufnahmen" ist eine Kurzgeschichtensammlung mit vielen, verschiedenen Pairings und vielen, verschiedenen Kapiteln. Die meisten der Oneshots sind jemandem gewidmet, der ein bestimmtes Pairing sehr gerne mag. Jedes Kapitel ist anders als das vorherige und es wird zu den allermeisten keine Fortsetzung geben, es sei denn, ich habe eine ganz wahnsinnig gute Idee und will sie unbedingt schreiben.
Ich hoffe, euch gefallen die verschiedenen Ideen. Den Anfang machen Lucius und Severus. In diesem Oneshot werden keine Namen genannt, aber ich habe an die beiden gedacht, während ich das hier geschrieben habe.
Summary: Ein lauer Sommerabend im August. Ein Junge, der nach Glück sucht und gleichzeitig weiß, dass er es nicht bekommen wird. Und der diesem Glück in jener Nacht dennoch so nahe kommt wie niemals zuvor.
Disclaimer: Das gesamte Harry-Potter-Universum gehört J.K.Rowling. Ich leihe mir nur die Charaktere aus und schreibe dazu meine eigenen Ideen. Ich verdiene hiermit keinen Cent. Reviews wären allerdings fein.
Widmung: Das hier ist für Koko. Weil sie Lucius/Sev liebt und sich immer Happy Endings wünscht.
Warnings: Slash, angedeutet
Viel Spaß beim Lesen und hoffentlich bis bald,
Maia
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Sommernachtsglück
Die wenigen Wolken am Himmel sehen aus, als hätte jemand ein ganzes Tintenfass über sie geschüttet und würde nun lächelnd zusehen, wie die dunkle Flüssigkeit einsickert, das Weiß verblassen lässt und alles grau einfärbt. Vor dem pechschwarzen Hintergrund wirken sie dennoch hell und nun wird auch deutlich, wie schnell sie vorüberziehen, so schnell, dass der Junge, der sie von einer kleinen Holzbank mitten in einem riesigen Park aus beobachtet, zu dem Schluss kommt, dass es wohl noch regnen wird an diesem lauen Sommerabend im August.
Vereinzelt trägt der warme Wind Stimmen herbei, Gelächter ertönt aus dem nahe gelegenen Landhaus, zu dem das gesamte Gebiet herum gehört. Der Junge zuckt kurz zusammen, als er es hört, die Erinnerung holt ihn ein und führt ihm vor Augen, dass er vor zwei Stunden vor eben jener fröhlichen Gesellschaft geflohen ist, die nun die köstliche Stille zerstört. Leise seufzt er auf, lässt den Kopf sinken und sofort verdecken seine dunklen, halblangen Haare sein Gesicht, das zuvor wie ein mondblasser Tupfer gewirkt hat.
Er weiß nicht, was er hier soll. Weiß nicht, weshalb er eine Einladung erhalten hat, wo doch wirklich jedem der anderen Gäste und natürlich auch dem Gastgeber hätte klar sein müssen, dass er sich vollkommen fehl am Platz fühlen würde. Und er tut es. Sicher, er ist gekommen, da ihm klar gewesen ist, dass es unhöflich gewesen wäre, abzusagen. Aber er langweilt sich, wie er sich auf allen Partys gelangweilt hat, die er in seinem jungen Leben bisher besucht hat.
Nur mit dem winzigen Unterschied, dass man es ihm noch nie so leicht gemacht hat, von einer derartigen Veranstaltung wegzukommen. An diesem Abend hat er einfach das Haus verlassen und ist in den menschenleeren Garten spaziert, hat das Gras gerochen und es sich irgendwann auf der Holzbank bequem gemacht, auf der er auch jetzt noch sitzt. Nur selten hat er den Blick auf die Ansammlung an Lichtern gerichtet, die ihm zeigt, dass dort drüben die Party weitergeht, offenbar ohne dass jemand gemerkt hat, wie er sich still und heimlich davon geschlichen hat.
Er weiß nicht einmal, was gefeiert wird. Kein Schulabschluss diesmal, keine Todesserweihe, auch die Verlobung steht noch bevor. Vermutlich ist es wieder eines jener rauschenden Sommerfeste, die auf diesem Anwesen abgehalten werden, seitdem er denken kann. Obwohl er damals nicht ahnen konnte, dass er jemals als Gast zugegen sein und es hassen würde. Manchmal hasst er es, wenn sich Kinderträume erfüllen und die Wirklichkeit ganz anders aussieht, als man es sich vorgestellt hat. Dann verschwindet wieder ein Stück des Mosaiks, das für ihn einmal das perfekte Leben symbolisiert hat.
Manchmal versteht er die Welt nicht und sich selbst am allerwenigsten. Das sind die Momente, in denen er sich entschließt, etwas zu tun, was er eigentlich nicht will. Denn vielleicht, so denkt er, findet er sich ja doch irgendwo, zufällig, während er gerade dabei ist, etwas vollkommen anderes zu tun. In solchen Augenblicken sehnt er sich nach der Fähigkeit, jemandem nicht gleich beim ersten Begegnen zu misstrauen, sondern offen zu sein. Etwas, das er nie gelernt und ab und zu vermisst hat. Etwas, das er gut verschweigen kann.
Langsam hebt er seinen Kopf erneut, zieht gleichzeitig die Beine hoch und legt sich auf den Rücken, das harte Holz der Bank ignorierend. Die dunklen Augen gleiten rastlos über den mittlerweile pechschwarzen Himmel, suchen ihn nach einigen gleißendhellen Sternen ab und verharren an den wenigen Stellen, an denen die Lichtpunkte zum Vorschein kommen und nicht von Wolken verborgen sind. Sachte spiegeln sie sich in seinen Augen wieder, in dem verzweifelten Versuch, die mitternachtsschwarze Iris weicher zu gestalten.
Einige verirrte Haarsträhnen, die in ihrer Farbe der von glänzenden Rabenschwingen in nichts nachstehen, sorgen für eine Unterbrechung in der klaren Linie seiner Stirn, machen den Kontrast deutlich zwischen Hell und Dunkel, das er seltsamerweise zugleich verkörpert. Und doch weiß er nichts von der Faszination, die von ihm auszugehen scheint. Er ist sich seiner Ausstrahlung nicht im Geringsten bewusst, ahnt nicht einmal, dass ihn gerade das noch anziehender macht.
Dichte Augenbrauen ziehen sich zusammen, als sich oben am Himmel die Wolken wundersamerweise vermehren und die Sterne verdecken, die er soeben betrachten wollte. Blasse, fein geschwungene Lippen verengen sich zu einem schmalen Strich, als er hört, wie jemand über den ordentlich gestutzten Rasen auf ihn zukommt. Er ahnt, wer es ist, denn die Auswahl ist nicht unermesslich groß. Nicht viele würden merken, dass er fehlt. Und noch weniger von diesen würden wissen, wo er sich aller Wahrscheinlichkeit nach befinden würde. Dennoch macht er keinerlei Anstalten, sich aufzusetzen oder irgendwie zu verstehen zu geben, dass er die andere Person wahrgenommen hat.
Andererseits weiß er, dass es das Besondere der Situation ist, das ihn so reagieren lässt. Zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort wären die Plätze wohl vertauscht und er wäre derjenige, der suchen würde. Suchen nach einem Zuhörer, nach einem vertrauten Gesicht, nach jemandem, der weiß, wann er schweigen und wann er reden muss, um dem Anderen die Situation zu erleichtern. Doch in dieser besonderen Nacht ist seine Aufgabe eine andere. Es geschieht nicht oft, nur ab und zu, und dabei dennoch oft genug, dass auch er die Kunst des Zuhörens gelernt hat.
Er sagt keinen Ton, blinzelt nur und zieht seine Beine näher heran, sodass sich der Andere zu ihm auf die Bank setzen kann. Schweigend bleibt er liegen, spürt eine Berührung an seinen Unterschenkeln und weiß, dass er nun auf keinen Fall mehr alleine ist. Er genießt die ersten paar Minuten, die sie in Stille verbringen, wie immer. Irgendwann hört er ein Räuspern und weiß, dass bald die Worte kommen werden. Die Worte, wegen denen der Andere die Party verlassen hat, um ihn im Park zu suchen. Die Worte, die nur für sie beide bestimmt sind. Die Worte, die niemand hören soll.
„Wieso sitzt du hier draußen in der Kälte?", will der Andere wissen, der Ältere der zwei jungen Männer. Ein leises Lachen folgt seiner Frage, halb amüsiert, halb spöttisch, als hätte er die Antwort schon zu oft gegeben. „Das weißt du genau.", erwidert er daher und verzieht die schmalen Lippen zu einem Lächeln. „Solchen Veranstaltungen bin ich nicht gewachsen. Ich wundere mich sowieso, dass du mich erneut eingeladen hast, obwohl es deine Eltern bereits beim letzten Mal schockiert hat, dass ich den Abend lieber hier im Park statt in ihrer Gegenwart verbringe."
Langsam stützt er sich auf seinen Ellbogen auf, schwingt beide Beine nach vorne und lehnt sich mit dem Rücken an die Lehne der Bank, so nah bei dem Anderen, dass sich ihre Schultern berühren und er spüren kann, dass sie beide zu dünn bekleidet sind für den kalten Wind, der langsam aufkommt und ihn erschaudern lässt. Gänsehaut kriecht seine Beine hinauf, erfasst auch den Rest seines Körpers und unwillkürlich stemmt er seine Beine auf die Bank, umfasst sie mit den Armen, in dem verzweifelten Versuch, sich zu wärmen.
Er würde vorschlagen, sich in irgendeinen Raum des großen Hauses zurückzuziehen, um dort zu reden, doch er weiß, dass der Andere ablehnen würde und es niemals zu dem Gespräch käme, das er führen will. „Weshalb bist du nach draußen gekommen?", erkundigt er sich nun und wirft einen kurzen Blick zur Seite, erhascht den Ansatz eines Lächelns und fühlt sich einen Moment lang glücklich. Dann dreht er seinen Kopf wieder und starrt in die Ferne, die ihm dunkel entgegenstiert, schweigend und geheimnisvoll.
Die Gegenfrage, die er erhält, trifft ihn überrascht und unvorbereitet. Sie lässt ihn sekundenlang erstarren, bevor er seine Fassung wieder erlangt. „Was denkst du über die Liebe?" Immer und immer wieder schwirrt der Satz in seinem Kopf herum, spöttisch, verächtlich wiederholt eine leise Stimme die Worte, bis er sich schließlich zusammenreißt und zu einer Antwort ansetzt. „Diese Frage aus deinem Mund?", hört er sich erwidern und bemerkt selbst, wie hilflos es klingt. Unmöglich, dass der Andere es nicht ebenfalls erkennt.
„Kannst oder willst du nichts zu diesem Thema sagen?", brummt der Andere missmutig und seine hellen Augen blitzen kurz auf. „Ich weiß schlicht und ergreifend kaum etwas über die Liebe.", beeilt er sich zu murmeln und hofft inständig, dass der Andere nicht weiter bohrt. „Wie kann es sein, dass sich Menschen einfach so ineinander verlieben?", überlegt der Andere nun halblaut und merkt nicht, wie ihn dunkle Augen verzweifelt ansehen. „Ich weiß es nicht…", gibt er langsam zu und schließt die Augen, in der Hoffnung, dass sich etwas in ihm beruhigt, wenn er den Anderen nicht mehr betrachten kann.
„Was denn? Nicht einmal du als Wissenschaftler findest eine Erklärung für dieses Phänomen?" Er kann den Spott in der Stimme hören, jener seidenweichen Stimme, die er nun schon so viele Jahre kennt, von der er weiß, wie sie sich anhört, wenn ihr Besitzer wütend ist, wenn er zufrieden ist oder gar gut gelaunt, ohne Rückhalte. Sie sind selten, diese Momente. Selten und kostbar. Zu kostbar, um sie mit einer bissigen Erwiderung zu zerstören, denn er weiß genau, dass solche Momente niemals wiederkehren.
„Nein. Nicht einmal ich finde eine Erklärung.", antwortet er daher ruhig und fügt leise hinzu: „Wahrscheinlich ist genau das der Zauber, meinst du nicht?" Und es ist der Zauber des Augenblicks, der ihn dazu veranlasst, das auszusprechen, was er fühlt. Er fühlt den überraschten Blick des Anderen auf sich ruhen, bevor sich dessen Gesichtszüge entspannen und beide sich daran erinnern, dass ihre nächtlichen Gespräche etwas darstellen, das keiner Norm unterworfen ist. Und etwas, worüber sie schweigen, beständig.
„Ist es eine besondere Eigenschaft von Slytherins, der Liebe nicht zu trauen?" Beinahe hätte er die Frage überhört, so leise war sie gestellt worden. Überrascht blickt er auf, sieht seine eigenen Gedanken in den Augen des Anderen und kann die Antwort nicht geben. Sachte schüttelt er den Kopf. „Ich weiß es nicht. Vielleicht haben wir verlernt, anderen vorbehaltlos zu vertrauen. Man muss sich fallenlassen können, um sein Herz zu verlieren." Er ist selbst verblüfft, dass er diese Sätze laut ausgesprochen hat und senkt, leicht verlegen, den Kopf.
„Meinst du?" Der Andere klingt seltsam unsicher, so anders als sonst. Und er weiß, was das bedeutet, denn er kennt den Anderen seit Jahren, hat gelernt, damit umzugehen, dass der Andere mehrere Gesichter hat und sie offenbar nach Belieben auswechseln kann. Manchmal beneidet er den Anderen um dieses Talent, wünscht sich in schwachen Momenten, dass er selbst auch entscheiden kann, charmant zu sein, anstatt nur wie üblich schweigsam und unnahbar zu wirken, was er jedoch, wie er zugeben muss, tatsächlich ist. Doch er stellt sich gerne vor, dass das Leben leichter wäre, wenn er nur ein wenig mehr wie der Andere wäre.
Langsam erinnert er sich daran, dass ihm der Andere eine Frage gestellt hat und so schüttelt er behutsam den Kopf. „Ich weiß es nicht.", gibt er ehrlich zurück und ist verblüfft, dass der Andere sofort antwortet. „Es gibt Augenblicke, da denke ich, ich weiß nichts von der Liebe…" Beinahe trägt der Nachtwind die Worte davon, bevor er sie ganz begreifen kann. Und plötzlich kann er, so klar wie niemals zuvor, in die Seele des Anderen schauen. Und beginnt zu verstehen. „Niemand weiß etwas Bestimmtes über sie.", versucht er zu erklären und ist sich doch vollkommen der Tatsache bewusst, dass er den Anderen nicht aufheitern kann.
„Was ist die Liebe schon?", braust der Andere nun auf. „Nur ein verrücktes Gefühl, das uns vorgaukelt, gewisse Menschen wären anbetungswürdiger als sie in Wirklichkeit sind. Etwas, das die Realität verschleiert und uns in tiefe Träume zieht. Vielleicht ist die Liebe selbst nur ein Trugbild, etwas, das erfunden wurde, um uns Menschen das Leben zu versüßen und angenehmer zu gestalten. Um uns vergessen zu lassen, dass wir eines Tages sterben werden und dass uns bis dahin Elend umfangen wird." Der Andere redet schnell und hastig- wie immer, wenn seine Selbstsicherheit schwindet und ihn für kurze Zeit verlässt.
Der Dunkelhaarige schluckt verzweifelt, denn langsam merkt er, worauf der Andere hinaus will. Er soll dem Älteren versichern, dass die Liebe tatsächlich existiert und keineswegs ein Gerücht ist. Ausgerechnet er, der dieses wahnsinnige, verrückte Gefühl seit Monaten verflucht und versucht, es zu ignorieren, ausgerechnet er soll nun beteuern, dass die Liebe wahr ist und keine Lüge? Ein Lachen will sich seine Kehle hinaufdrängen, so ungläubig, dass er an sich halten muss, um es wieder hinunterzuschlucken. Keine Blöße zeigen. Nicht vor dem Anderen.
„Weshalb zweifelst du an der Liebe?", bringt er hervor und rückt gleichzeitig instinktiv etwas nach links, weiter weg von dem Anderen, in der unsinnigen Hoffnung, dass das Rauschen des Blutes in seinen Ohren leiser wird, wenn nur der Hautkontakt gebrochen wird. Der Andere zuckt mit den Achseln, beinahe hilflos wirkt die Geste, doch niemand ist da, der es bemerken könnte. Schließlich, nach langem Ringen und Suchen, findet er die Worte, die ihm passend erscheinen. „Du brauchst dir keine Gedanken zu machen. Es gibt keinen Grund, an der Liebe zu zweifeln."
„Wie kannst du dir so sicher sein?" Die Frage sprudelt hervor, kaum, dass er wieder die Lippen aufeinander gepresst hat. Leise seufzt er auf und legt nachdenklich den Kopf in den Nacken, schwarze Strähnen fallen aus der hellen Stirn und die dunklen Augen blicken auf die schweren, vorüberziehenden Wolken am Nachthimmel. Er weiß, was der Andere denkt in dieser Situation. Der Andere glaubt, er würde sich eine Antwort überlegen, dabei muss er das nicht. Die Antwort pocht in seinen Gedanken, wartet darauf, endlich ausgesprochen zu werden, während er nach einer Alternativantwort sucht.
Denn die Wahrheit kann er dem Anderen nicht zumuten. Nicht in diesem Moment und in irgendeinem späteren ebenfalls nicht. Wäre er ein Gryffindor, würde er sich feige schimpfen, doch als Slytherin muss er sich seinen Mut nicht beweisen und nicht zum ersten Mal ist er glücklich deswegen. Er kann einfach etwas erfinden und muss es nur glaubwürdig sagen- eine Aufgabe, die ihm schwierig genug erscheint. Besonders jetzt, da ihm, abgesehen von der Wahrheit, nichts einfällt. „Manches weiß man schlicht und ergreifend.", murmelt er und schüttelt gedanklich den Kopf über sich selbst.
Und weiß bereits in der Sekunde, da er es ausgesprochen hat, dass sich der Andere damit nie zufrieden geben wird. Dafür kennt er den Älteren zu gut. Und dafür kennt der Andere ihn zu gut. ‚Manches weiß man schlicht und ergreifend.' Kitschiger ging es für einen Slytherin kaum noch. Und damit war seine Aussage auch offensichtlich gelogen. Er wagt kaum zu atmen, in der verzweifelten Hoffnung, dass es der Andere vielleicht doch nicht gemerkt hat. Umsonst, selbstverständlich, wie ihm sofort klar wird, als er den Blick des Anderen auf sich spürt.
„Wenn ich etwas derart Profanes hätte hören wollen, hätte ich eines der Mädchen gefragt, die mir in Hogwarts ständig gefolgt sind und die andauernd über meine Haare geredet haben.", schnaubt der Andere und redet sofort weiter. „Von dir will ich eine ehrliche Meinung. Wenn auch von sonst niemandem, dann doch immerhin von dir!" Der Vorwurf, der in diesen Sätzen mitschwingt, bringt ihn zum Erröten und er verflucht sich selbst, weil er die Person anlügt, die ihm am nächsten steht. Anlügen muss, weil er weiß, dass es besser ist für sie beide.
„Nun, deine Haare sind auch wirklich etwas ganz Besonderes…", bemüht er sich noch, die Situation ins Lächerliche zu ziehen und bemerkt, wie er sich langsam, aber sicher um Kopf und Kragen redet. Blut schießt ihm in die Wangen und ihm drängt sich die Erkenntnis auf, dass er dem Anderen die Wahrheit nicht mehr besonders lange wird verschweigen können. Alles um ihn herum dreht sich und er will weglaufen, will nicht erfahren, wie es sein wird, wenn seine Welt aus den Fugen gerät und nichts mehr ist, wie es einst war. Will nicht mutig sein und dem Anderen gegenüber treten, ihm in die Augen schauen, wenn er die Worte ausspricht, die ihm auf der Zunge liegen.
Schließlich fügt er sich in sein Schicksal und fixiert den Anderen für einen Moment stumm. Betrachtet die hellen Augen, umrahmt von goldenen Wimpern, die selbst des Nachts seltsamerweise nicht dunkel wirken. Er verschränkt seine Arme vor seinem Oberkörper, muss sich auf die Lippen beißen, um nicht eine Hand auszustrecken und das mondscheinfarbene Haar des Anderen zu berühren. Zu verführerisch schimmert es im blassen Licht, hebt sich kaum von der hellen Haut ab und erinnert ihn wieder daran, was ‚perfekt' für ihn bedeutet.
„Ich weiß, dass es die Liebe gibt, weil ich sie bereits erlebt habe." Die Stille, die dieser Offenbarung folgt, fühlt sich für ihn ohrenbetäubend an und eigentlich will er den Kopf senken, doch seine Augen klammern sich an den grauen des Anderen fest und weigern sich beharrlich loszulassen. Er kann sie nicht lesen, diese silbrigen Diamanten, die ihn nun mustern, unergründlich und plötzlich, unerwartet, wirken sie neugierig, beinahe eifersüchtig und dann spürt er regelrecht, wie der Andere nach einer Maske sucht und sich darunter verbirgt.
„Und das von einem Zyniker wie dir?", spottet der Andere und in ihm zieht sich alles zusammen. Der Zauber des Augenblicks ist längst vorüber und noch immer hofft er auf etwas, das ihm zeigt, dass der Andere ihn ernst genommen hat und sie das Gespräch weiterführen können, ohne verletzende Kommentare, die ihm nur zeigen würden, dass es falsch war, die Wahrheit preiszugeben. Denn daran mag er nicht glauben. Will nicht merken, dass er nicht der richtigen Person sein Vertrauen geschenkt hat. Will nicht spüren, wie seine Träume zerplatzen.
Er weiß nicht, was geschieht, fühlt nur auf einmal seidigweiche Haare unter seinen Fingern und bemerkt irritiert, dass er scheinbar eine Hand erhoben hat und nun eine Strähne des Anderen berührt. „Ja.", erwidert er, seltsam gelassen und gleichzeitig innerlich in Flammen stehend. Es ist ihm, als habe er nichts mehr zu verlieren. Den größten Teil seines Innersten hat er bereits offenbart, was kann es da schaden, den Rest ebenfalls darzulegen? „Ausgerechnet von einem Zyniker wie mir. Gegen die Liebe ist niemand gefeit.", fährt er fort und beobachtet, wie die Lider des Anderen unruhig flattern.
Warmer Atem streift seine blassen Wangen, als er sich bedächtig nach vorne beugt und seine Lippen für den Bruchteil eines Moments auf der weichen Haut des Anderen ruhen. Er hält die Luft an, schließt seine Augen und genießt die Nähe, die sie beide in diesem Augenblick teilen. Es kostet ihn viel, vielleicht zu viel, sich wieder zurückzuziehen und direkt in das Gesicht zu blicken, das seit Monaten seine Gedanken und Träume beherrscht. Jenes Gesicht, das ihm so unvergleichbar schön erscheint, das er am liebsten auf ewig ansehen würde. Manchmal wünscht er sich auch, es mit seinen Fingern zu erkunden, um herauszufinden, ob es Haut ist oder Marmor, woraus es besteht.
„Die Liebe", beginnt er, „ist das, was uns am Leben hält. Immer sind wir auf der Suche nach ihr, manchmal laufen wir auch vor ihr davon. Wir brauchen sie, wie wir die Luft zum Atmen brauchen. Einige verleugnen sie und sagen, sie wäre nur ein Märchen, das man kleinen Kindern erzählt. Andere lächeln darüber, denn sie kennen die Wahrheit. Die Liebe kann Wunder vollbringen und sie kann uns zu Taten treiben, die wir niemals wagen würden. Sie ist das, was uns fröhlich und tieftraurig macht und gleichzeitig beweist, dass wir Menschen sind, die die Fähigkeit zu lieben noch nicht verloren haben."
Er schluckt schwer und das Mondlicht bricht sich in seinen dunklen Augen. „Ich weiß nichts über die Liebe.", wispert er leise, „Niemand weiß etwas über sie. Es sind nur Worte, die nicht beschreiben können, was sie wirklich ist." „Und dennoch sagst du, dass du sie erlebt hast.", unterbricht ihn der Andere und plötzlich fällt ihm auf, dass sich die Hand des Anderen an seiner Wange befindet, sie sachte streichelt und er es nicht einmal bemerkt hat. Sachte nickt er. Blinzelt dem Anderen kurz zu. Beugt sich nach vorne und spürt, sekundenlang, die weichen Lippen des Anderen auf seinen eigenen.
Bis er sich löst und hastig aufsteht. „Vielleicht hast du heute Nacht die Antworten gefunden, die du gesucht hast." Seine Stimme verrät, dass er auf ein stummes ‚Ja' hofft und dennoch dreht er sich nicht mehr um, als er sich langsam von der Holzbank entfernt und festen Schrittes auf das beleuchtete Haus zugeht. Er weiß auch so, was er dort sehen wird, spürt den brennende Blick des Anderen in seinem Rücken und muss sich zwingen, den Kopf erhoben zu lassen und nach vorne zu schauen. Wie es weitergeht liegt nicht in seiner Hand.
Wehmütig denkt er an den Menschen, der für ihn perfekt ist. Kein Weiß und Schwarz wie er selbst, sondern nur eine Seite der Farbpalette. Marmorweiße Haut, Haare von der Farbe fließenden Honigs und Augen, so hell, dass er meistens vergisst, dass sie grau sind und stattdessen an Silber denkt. Blasse, kaum gerötete Lippen, die einen köstlichen, kostbaren Augenblick lang nur ihm gehörten. Fein geschwungene, helle Augenbrauen über einer schmalen, klassischen Nase. Manchmal denkt er, dass es all den Schmerz wert war. Dann hat er keinerlei Zweifel mehr. Es war die richtige Entscheidung, das weiß er nun. Zu lange, viel zu lange schon hat er seine Gefühle verborgen.
Nachdenklich blickt er in den pechschwarzen Nachthimmel. Es wird niemals eine Zukunft geben für sie beide, selbst, wenn der Andere so ähnlich empfinden würde wie er selbst. Er ist zufrieden damit, es dem Anderen gesagt zu haben. Und noch immer hat er die Hoffnung, dass der Andere das Wunder Liebe nun vielleicht ein wenig besser verstehen wird. Ein Lächeln huscht über sein blasses Gesicht. Manchmal, aber nur manchmal ist er beinahe glücklich. Und in dieser Nacht war er näher daran als jemals zuvor.
OoOoOoO
Fin
