Titel Fanfiktion: Staub auf alten Träumen

Autor: Meera
Fandom: Harry Potter
Rating: P16
Genre: Drama
Pairing: Daphne/Draco; Astoria/Draco
Updates: Jeden Sonntag im Laufe des Nachmittags, da ich aus einer anderen Zeitzone schreibe
Anmerkung: Meine erste FF zu diesem Pairing :) Ich liebe die Beiden einfach. So herrlich sehnsuchtsvoll und traurig, das Pairing. Okay, *räusper* zurück zum Offiziellen: Ich versuche, so nah am Canon wie möglich zu bleiben. Leider habe ich das Buch nicht hier, und kann deswegen nicht alles hundertprozentig wörtlich schreiben. Auch wenn mir die liebe C und B oft mit Zitaten weitergeholfen haben.
Zusätzlich: Ich bin zu dem Pairing schon vor einer Weile gekommen, als ich für den Vier-Jahreszeiten-Wettbewerb einen Draphne-Oneshot geschrieben habe. Der spielt sowohl vor, als auch während, als auch nach dieser FF. Manches wird aber geändert, also, wenn ihr ihn lesen wollt, wundert euch danach nicht ;-)
Danke an: Regina Spektor für ihre inspirierende Musik! Und, wie schon gesagt, ClariFari & Bery-Prong.

Songtipp für dieses Kapitel: Regina Spektor, Samson

Kapitel 1
Die Liste

Als die Blätter vom Herbst bunt gefärbt wurden, musste Daphne in die Schule zurückkehren.
Sie stand am Bahnhof, die dicken Locken mit einem mokkafarbenem Haarband zurückgehalten, und versuchte über die Köpfe der anderen Schüler hinwegzuspähen. Wo steckte nur Draco?
Astoria, die mit den großen blauen Augen und dem herzförmigen Gesicht alle Blicke auf sich zog, unterhielt sich gerade leise mit ihrer Mutter. Daphne erhaschte einige Wortfetzen, in denen ihre kleine Schwester eindringlich ermahnt wurde, sich gerade zu halten. Als wäre das nötig, dachte Daphne bitter. Früher hatte ihre Mutter die Hauselfen Besenstiele an ihren Rücken binden lassen, und beim Essen musste sie ein Buch auf dem Kopf balancieren. Das alles dem Stammbaum und der Angesehenheit der Familie wegen.
Daphne seufzte leise, und ließ den Blick dann erneut über die schnatternde Schar der Hogwartsschüler wandern.

Da war er. (Ihr Herz klopfte schneller).
Draco starrte ausdruckslos auf die dampfende Lock, während Daphne sich mit den Ellenbogen einen Weg zu ihm bahnte.
„Hallo!," sagte sie atemlos, und lächelte ihn an. „Hallo," antwortete er, die Hände tief in den Taschen vergraben.
„Wie waren deine Ferien?" Ihre Stimme klang so schrecklich hoch, jedes Wort schien falsch zu sein.
Er zuckte zusammen und schwieg. Daphne biss auf ihre Unterlippe, zwirbelte an ihrem Ärmel und schimpfte sich selbst in Gedanken für ihre Dummheit. Sein Vater war nach Askaban gebracht worden, wie sollte sein Sommer schon gewesen sein... zudem diente das Anwesen der Malfoys temporär als Residenz des Dunklen Lords. „Es tut mir Leid, ich hatte ganz –"
„Vergiss es einfach, ja?", antwortete er mürrisch.
Sie zuckte zusammen. „Gehen... gehen wir schon rein? Wir können uns ein leeres Abteil suchen."
„Geh du doch schon mal vor. Ich warte noch auf Blaise und Pansy."
Daphne nickte leicht, griff nach ihrer Tasche und bahnte sich, die Tränen zurückhaltend, ihren Weg durch den überfüllten Bahnsteig. Sie waren beste Freunde gewesen.
Einmal.

Im Zug setzte Daphne sich mit zitternden Fingern ihre Brille mit dem dicken Hornrand auf, die sie zum Lesen brauchte, und öffnete den schweren Einband. Wenn es etwas gab, dass sie liebte und Astoria verabscheute, dann waren es Bücher- alles, was ihre Schwester kümmerte, war ihr Aussehen, ihre Freunde und neuerdings auch Männer. Den Kopf schüttelnd, vergrub Daphne die Nase in ihrem weichen Kaschmir-Schal und begann zu lesen.
Sie schreckte auf, als Regentropfen leise gegen die Scheiben klopften. Wie immer hatte sie beim Lesen die Zeit verloren- die Landschaft, die vor dem Fenster vorbeiraste, war schon in ein mattes Dämmerlicht gehüllt.
Daphne schräg gegenüber unterhielt sich Draco gerade leise mit Blaise Zabini und Pansy Parkinson.
Sie erhaschte einige Wortfetzen- er sprach davon, dass die Ausbildung nicht mehr wichtig wäre, wenn der Dunkle Lord die Macht ergriffen hatte, sondern nur noch der Grad der Ergebenheit, die man ihm entgegen brachte...
Daphne schüttelte traurig den Kopf, und in diesem Moment traf sein Blick den ihren. Er zuckte merklich zusammen, stockte kurz und wandte sich ab.
Früher hatten sie noch zusammen gelacht, über die fanatische Begeisterung ihrer Familien. Nicht, dass Daphne deren Mentalität nicht teilte- sie war davon überzeugt, dass ihre Stellung weit über derer der Squibs, Muggel, Schlamm- und Halbblüter war. Ebenso hatte Draco immer gedacht, so und nicht weiter. Doch als sie ihn so reden hörte, sah Daphne etwas von Lucius in ihrem früheren besten Freund, und das schmerzte sie.
Die Fahrt ging schnell vorüber. Ehe sie sich versah, hielt der scharlachrote Zug in Hogsmeade, und langsam packte Daphne ihre Sachen zusammen, als sie bemerkte, dass sich auch Draco Zeit ließ. „Kommst du?", fragte sie schließlich, während sie in ihre Jacke schlüpfte. „Sonst verpassen wir noch das Festessen."
Dracos Blick ruhte auf dem Gepäcknetz. „Geh du schon mal vor", sagte er abwesend. „Ich komme gleich nach."
„Gut." Daphne zuckte mit den Schultern.

Sie stieg alleine in eine Kutsche. Keine fünf Meter weiter stand eine giggelnde Astoria, umhüllt von einer Traube Freunde und Verehrern. Ihre kleine Schwester hatte nie Probleme damit gehabt, Freunde zu finden, dachte Daphne, halb neidisch, halb wütend. Im nächsten Moment hätte sie sich dafür schlagen können- wann war sie so verbittert geworden? Was war geschehen?
Doch noch während sie sich die Frage stellte, tauchte die Antwort vor ihr auf, und ließ sich ihr gegenüber auf die harte Lederbank fallen.
„Hey." Dracos weißblonde Haare waren verstrubbelt, sein Atem ging stoßweise,
Daphne lächelte ihn an, während ihr Herz schnell und ungeschickt flatterte wie ein Vogeljunges. „Hallo."

Sie waren eine der letzten, als sie die Große Halle betraten. Die Einteilungszeremonie war schon beendet, und als Daphne die strafenden Blicke Professor McGonnagalls im Rücken spürte, senkte sie den Kopf. Zusammen mit Draco setzte sie sich an den Slytherintisch. Er wandte sich fast sofort von ihr ab, redete leise mit Blaise, zeigte auf seine Nase und lachte.
Keine zehn Minuten später kam Harry Potter in die Halle gestolpert, sein Gesicht voll Blut, und Daphne ahnte plötzlich, weswegen Draco länger gebraucht hatte. Sie seufzte und stocherte mit der Gabel im Brokkoli herum. Wenn ihre Mutter sie jetzt sehen würde... – die Haltung! Erschrocken fuhr Daphne auf, aber Astoria, die den Fehler ihrer großen Schwester sicher gerne mit der nächsten Eule an Mutter weitergeleitet hätte, unterhielt sich lachend mit einer Handvoll Freundinnen.
„Hey, ist alles okay?" Sally-Anne war in ihrem Jahrgang, und sah sie nun mit schiefgelegtem Kopf an. Mit ihr verstand sich Daphne am besten, denn Pansy und Tracey bildeten so etwas wie eine eingeschworene Gemeinschaft, und Millicent, die Fünfte im Schlafsaal, wurde nicht nur aus ästhetischen Gründen ausgeschlossen, sondern auch ihrer Herkunft wegen. Ihre Mutter, eine Hexe reinen Blutes, hatte einen Muggel geheiratet.
Sally-Anne hingegen hatte einen bemerkenswerten Stammbaum, stammte aber im Gegensatz zu Daphne und der überwiegenden Mehrheit der Slytherin-Schüler aus einem verarmten Haushalt. Trotzdem mochte Daphne sie, schließlich waren die Perks in der Oberschicht nicht nur toleriert, sondern auch geschätzt.
„Alles gut", sagte sie also nur, schob den Teller mit dem malträtierten Brokkoli von sich und starrte auf ihre Hände, die sie im Schoß knetete. „Du weißt schon. Das Übliche."
Das Übliche bedeutete meistens Ärger mit ihrer Familie. Daphne hatte schon immer ihre Probleme gehabt sich anzupassen- zumindest, seitdem es Astoria gab. „Schau nur, Liebes, wie Astoria das schon wieder hingekriegt hat! Warum kannst du nicht ein bisschen mehr so sein wie deine kleine Schwester?" war der Satz, den Daphne in ihrer Kindheit am meisten zu hören gekriegt hatte.
„Oh, okay. Wie waren deine Ferien? Habt ihr ... habt ihr irgendwelche Probleme gekriegt, wegen des Zwischenfalls im Ministerium?"
„Nein", antwortete Daphne, sichtlich erleichtert über den Themenwechsel. „Mein Vater war zum Glück nicht dabei. Er hatte einen Auftrag im Ausland, und der Dunkle Lord selbst hat ihm erlaubt, ihn auszuführen. Es war wichtig für seine Tarnung."
„Wie geht es Draco damit?"
„Du meinst, weil sein Vater nach Askaban geschickt wurde?" Daphne warf einen Blick auf ihren besten Freund, der gerade mit hasserfüllter Miene zum Gryffindortisch hinüberblickte. „Ich denke, er gibt Potter die Schuld für alles – nun, er hat Recht, aber was soll er schon tun, hier in der Schule?" Doch sie erinnerte sich an den Zwischenfall im Zug, Potters blutige Nase, und schluckte. „Naja, er wird sich schon zurückzuhalten wissen."
Sally-Anne beugte sich nah an Daphne, und flüsterte in ihr Ohr: „Ich habe gehört, er hat jetzt das Dunkle Mal."
„Nein!"
„Mein Bruder sagt, der Dunkle Lord hat es ihm in den Ferien eingebrannt."
„Das... das kann nicht sein."
„Das ist nur, was ich gehört habe."
Daphnes Herz schlug schneller, sie atmete tief ein, hob mit zitternden Fingern das Wasserglas an ihren Mund und trank gierig, als würde sie damit ihre Probleme wegspülen können. Härter als nötig stellte sie es wieder auf den Tisch, stand auf und lächelte Sally-Anne noch schnell zu. „Ich denke, ich lege mich schon mal hin, es war ein anstrengender Tag."
Um Haltung bemüht, eilte sie aus der Halle. Sie bemerkte nicht, dass Draco ihr nachsah.

Was tat es gut, wieder in einem der weichen Himmelbetten zu liegen. Den vertrauten Duft vom Staub der Jahrhunderte, frischem Waschmittel und Pansys aufdringlichem Parfum einzuatmen... Sie versuchte, keinen einzigen Gedanken mehr an Draco zu verschwenden, aber es gelang ihr nicht. Die Minuten allein mit ihm in der Kutsche waren fast so schön gewesen wie damals. Damals...
Daphne lächelte, kuschelte sich in ihr Kissen und schlief ein.

Sie war zu spät.
Der Regen tropfte ihr auf den Umhang, und Schlamm schmatzte unter ihren Schuhsohlen, als sie hastig über den Hof rannte.
Atemlos und mit zerzausten Haaren klopfte sie schließlich an die Tür des Zaubertränke-Klassenzimmers.
„Herein?"
Die Stimme klang viel freundlicher als Daphne es erwartet hatte, doch da erinnerte sie sich, dass ein neuer Lehrer jetzt Zaubertränke unterrichtete. Salghorn?
„Entschuldigung, Professor", nuschelte sie in ihren grün-silber gestreiften Schal, und stellte sich neben die Slytherins.
„Das macht doch nichts, Miss Greengrass!", antwortete der dicke Lehrer jovial, und strahlte sie an. „Ich wollte sowieso noch mit Ihnen sprechen. Richten Sie Willhelm doch bitte aus, dass ich seine kleine Aufmerksamkeit zu meiner Rückkehr an die Schule sehr genossen habe. Kandierte Ananas, der Mann hat ein fabelhaftes Gedächtnis!"
Daphne versuchte, ihre Überraschung zu verbergen, und nickte. „Ich werde es Vater ausrichten."
In diesem Augenblick wurde die Tür erneut aufgestoßen, und Harry Potter und Ron Weasley stolperten in den Raum. Sie murmelten eine leise Entschuldigung und stellten sich neben Hermine Granger und einen Huffelpuff, von dem Daphne den Namen nicht kannte.
„Nun denn, nun denn, nun denn. Bitte alle Waagen und Trankzutaten hervorholen, und vergessen Sie Zaubertränke für Fortgeschrittene nicht - "
„Sir?" fragte Potter, und sah unangenehm berührt aus.

„Harry, mein Junge?"

„Ich habe kein Buch und keine Waage oder sonst was - und Ron auch nicht - wir wussten nicht, dass wir den UTZ doch machen können, verstehen Sie - "
Der Lehrer wedelte mit der Hand in die Richtung eines morsch aussehenden Wandschrankes und fuhr dann fort. „Nun denn, ich habe ein paar Zaubertränke für Sie vorbereitet, nur mal zum Anschauen, rein aus Interesse, verstehen Sie? Diese Art von Tränken sollten Sie herstellen können, wenn Sie ihren UTZ abgelegt haben. Auch wenn Sie sie noch nicht selbst gemacht haben, dürften Sie von ihnen gehört haben." Er wandte sich zu den Kesseln und schnupperte ausgiebig. Ein leichtes Lächeln legte sich auf sein Gesicht, als er den purpurfarbenen Dampf einatmete. Beim nächsten Kessel, der mit einer klaren, farblosen Flüssigkeit gefüllt war, sah er auf. „Kann mir jemand sagen, was das für einer ist?"
Hermine Granger konnte sie alle vier identifizieren, was Draco ein gereiztes Schnauben entlockte. Daphne fragte sich, ob er die Gryffindor mit den wirren braunen Haaren vielleicht mehr mochte, als es gut für ihn und sein Haus war.
„... flüssiges Glück."
Daphne sah auf. Glück... Der kleine Kessel auf dem Lehrerpult war ihr davor noch gar nicht aufgefallen- er schien etwas Goldenes, fast schon Lebendiges zu beinhalten, es hüpfte und sprudelte fröhlich hin und her.
„Also: Wie können Sie meinen sagenhaften Preis gewinnen?" Der Lehrer klatschte in die Hände, und sah sehr zufrieden mit sich aus. „Nun, indem Sie Seite zehn von Zaubertränke für Fortgeschrittene aufschlagen. Wir haben noch eine gute Stunde, das sollte Ihnen genügen, einen ordentlichen Versuch zu machen, den Sud des lebenden Todes hinzubekommen. Ich weiß, dass er komplizierter ist als alles, was Sie bisher in Angriff genommen haben, und ich erwarte von keinem einen perfekten Trank. Wer sich aber am geschicktesten anstellt, wird den kleinen Felix hier gewinnen. Und los geht's."
Flüssiges Glück. Flüssiges Glück. Flüssiges Glück.

Daphnes Blick flog zu Draco, der schon begeistert in seinem Buch blätterte, und mit der anderen Hand die Zutaten ordnete. Wenn es etwas gab, was sie und ihn glücklich machen konnte, dann war es dieser Trank. Und sie würde ihn gewinnen! Neben Daphne schnitt Tracey auf einer Grünwurzel herum, wog mit glitzernden Augen drei Gramm davon ab, und warf sie in den Kessel.
Daphne lächelte. Sie war sehr gut in Zaubertränke, einem ihrer Lieblingsfächer- man musste nur den geschriebenen Anweisungen folgen, dann konnte nichts schief gehen.
Fröhlich öffnete sie den Einband von Zaubertränke für Fortgeschrittene.

Sie hatte natürlich nicht gewonnen. Potter hatte den perfekten Trank abgeliefert, Slughorn hatte fast geweint vor Freude und Draco war wutentbrannt aus dem Klassenzimmer gestürmt.
Nachdenklich lief Daphne durch den Regen. Die nassen Haare hingen ihr ins Gesicht, ihre Schritte klatschten auf dem durchweichten Gras.
Sie setzte sich auf einen Felsen, kramte ein zerknittertes Stück Pergament aus der Tasche und eine alte Feder, an deren Spitze noch etwas Tinte klebte.
Auf der Rückseite des Pergaments stand in der ordentlich geschwungenen Handschrift ihrer Mutter Haltung!; sie hatte es früher geliebt, Zettel mit kleinen Ermahnungen überall zu verstecken. Daphne lächelte leise.
Es war Zeit für ihre Liste.

Schon seit ihrem ersten Jahr schrieb Daphne an ihrem ersten Schultag eine Liste, mit den Dingen, die sie in diesem Jahr erreichen wollte. Die hatte sie früher in ihr Tagebuch geklebt, heute bewahrte sie sie in einer kleinen Schachtel in ihrem Nachttisch auf.

Daphnes 6. Jahr
Liste

- Bringe Draco dazu, dich zu lieben. Wie du ihn liebst.

Glücklich seufzend faltete sie das Pergament ganz klein, und steckte es in eine Seitentasche ihres Umhangs.
Dann hielt sie das Gesicht in den Spätsommerregen.