Gefahrenzone: Krankenhaus
Der Fußboden der fast leeren Eingangshalle des Princeton Plainsboro Krankenhauses war nass und rutschig. Die Folge eines verregneten Tages und vieler, vieler Patienten, die durch das anhaltende Mistwetter erkrankt und dann hier her gekommen waren. Wenn man der Wettervorhersage Glauben schenkte, würde das noch einige Tage so weiter gehen. Dr. Greg House trottete seufzend über den glitschigen Boden, grüßte im Vorbeigehen den Mann vom Wachdienst, der bereits die Schwester von der Anmeldung abgelöst hatte, und hinkte auf den Ausgang zu. Für heute hatte er Feierabend und er konnte es kaum erwarten, sich in gemütlichen Klamotten auf's heimische Sofa zu legen und irgendeinen Sportkanal zu gucken.
„Ach, so ein Mist!", ging es ihm dann plötzlich durch den Kopf. Er musste ja noch die dummen Bewertungsbogen ausfüllen, die Cuddy ihm vor einer Woche aufgebrummt hatte.
Eine super tolle Idee von ihr. Er sollte die Teile für seine drei Assistenten ausfüllen. Irgendwelche hohen Tiere wollten wissen, ob sich die ganzen jungen Ärzte bezahlt machten. Eine Woche hatte er für die Bewertungen Zeit gehabt und es bis zuletzt aufgeschoben. Heute Früh um 8.00 Uhr wäre der letzt mögliche Abgabetermin gewesen. House hatte es geschafft, seiner Chefin den ganzen Tag aus dem Weg zu gehen und sich so einen weiteren Tag erschummelt. Allerdings hatte sie ihm bei der Übergabe der Bogen letzte Woche gedroht, dass wenn er den Termin nicht einhalte, sie ihm zwei Monate lang sämtliche 80-jährige Patientinnen aufdrücken würde, die über Brustschmerzen und Knoten in den Brüsten klagten und diesbezüglich untersucht werden müssten. Er war cool geblieben und hatte gekontert: „Na und wenn schon."
„Wissen sie wie viele das pro Tag sind?", hatte Cuddy gefragt und er hatte gleichgültig den Kopf geschüttelt.
Die Zahl, die sie ihm nannte, beunruhigte ihn dann doch und der Gedanke an all die Untersuchungen hatte ihm ein Schaudern über den Rücken gejagt. Letztendlich hatte sie das Duell gewonnen und er sich die Bewertungsbogen geben lassen.
Draußen war es schon ganz schön dunkel, die Klinik war praktisch schon geschlossen und die meisten Mitarbeiter waren bereits zu Hause. Nur das Nachtpersonal war jetzt noch anwesend. Durch den Haupteingang kam man seit etwa zehn Minuten nur noch raus, aber nicht mehr rein. Wer dennoch rein wollte, was immer mal wieder vorkam, weil manche Leute erst so spät Zeit fanden ihre Angehörigen und Freunde zu besuchen, oder vielleicht etwas liegen lassen hatten, musste klingeln und wurde vom Nachtwächter hereingelassen. House hatte mit seinem Team Überstunden gemacht, da sie noch wegen eines Patienten zu tun hatten. Jetzt mussten sie nur noch dringende Laborergebnisse bekommen. Das schafften die drei aber auch ohne ihn. Das war der Vorteil, wenn man Leute unter sich arbeiten hatte. Foreman, Cameron und Chase würden sich die halbe Nacht um die Ohren schlagen müssen, während er seinen Schönheitsschlaf bekam. Ein schadenfrohes Lächeln huschte über sein Gesicht, als er soeben, zum Schutz vor dem prasselnden Regen, mit gesenktem Kopf durch die extra für ihn aufgleitenden Haupteingangstüren trat. Auf seinen Stock gestützt hinkte House voran, merkte wie sich die Nässe ihren Weg durch seine Kleidung bahnte, als er kurz vor der Tür von einem hochgewachsenen Mann in dunkelblauer, Regenjacke angerempelt wurde. Er wollte den Kerl schon anpöbeln, doch da war dieser bereits durch die Eingangstür, durch welche House gerade herausgekommen war, im Gebäude verschwunden. „Tja, so kann man es auch machen", dachte er bei sich und wünschte sich im selben Moment auch so eine Jacke mit genau so einer Kapuze. Denn dann würde er jetzt nicht so klitschnass werden auf dem Weg zu seinem Auto. So aber geschah genau das und der Nephrologe war reichlich genervt, als er endlich am Wagen ankam. Seit Tagen konnte er nun schon nicht mit dem Motorrad zur Arbeit kommen. Ohne große Eile schloss er die Fahrertür auf, viel nasser konnte er schließlich nicht werden, warf seinen Gehstock unsanft auf den Rücksitz, und stieg ins Auto. Mit einem lauten Rums schloss er die Tür und startete dann den Motor. Mick Jagger's Stimme ertönte einen Moment später aus dem Radio. Mitsingend fuhr er langsam an und vom Parkplatz. Der Diagnostiker kam ganze 25 Meter weit, bis ihm einfiel, dass er etwas vergessen hatte.
„Verdammt!", fluchte er lauthals. „Die Bewertungsbogen."
Die Dinger lagen noch auf seinem Schreibtisch, wo er sie letzte Woche hingelegt hatte.
Verärgert über seine eigene Vergesslichkeit, legte er den Rückwärtsgang ein und fuhr wieder zurück. Kurz darauf war Mick Jagger wieder still.
Im selben schlendernden Tempo, wie auf dem Weg aus dem Krankenhaus heraus, ging er jetzt wieder darauf zu. Dieses Mal gingen die Türen natürlich nicht für ihn auf. Verzweifelt versuchte er durch die Türen etwas zu erkennen. Er glaubte, eine Bewegung wahrzunehmen, war sich aber im nächsten Moment nicht mehr so sicher. Probeweise klopfte er mit seinem Stock gegen das Glas, doch es schien niemand in der Nähe zu sein, um ihm auf zu machen. Wo war der Nachtwächter bloß? Eben war er doch noch da gewesen. Vielleicht musste er austreten. Mal wieder typisch. Wenn man die Kerle brauchte, waren sie nicht da. Zum Glück hatten Mitarbeiter wie er für solche Fälle ja eine Karte, mit der man jederzeit die Klinik betreten konnte. Dazu musste er sie aber natürlich erst mal finden. Unbarmherzig goss der Regen von oben herab und erschwerte ihm jegliche Handlung. Langsam begann er zu frieren. Er war immerhin schon völlig durchgeweicht. House holte sein Portemonnaie aus der Hosentasche und suchte darin nach der besagten Karte. Er hatte sie in der ganzen Zeit, die er hier arbeitete, noch nicht ein Mal benutzt. In einem der vielen Fächer musste sie doch aber sein. Vielleicht sollte er die Bogen einfach liegen lassen und sich morgen darum kümmern. Aber das würde zwei Monate Brüste abtasten bei über 80 Jährigen nach sich ziehen. Einen weiteren Tag würde er Cuddy sicher nicht aus dem Weg gehen können. Ungeduldig suchte House weiter nach der Karte und fand sie endlich. Mit vor Kälte zittrigen Händen, zog er die Mitarbeiterkarte durch die dafür vorgesehene Vorrichtung neben der Eingangstür und beobachtete beeindruckt, wie die Tür daraufhin auf ging. Angenehme Wärme schlug ihm entgegen. Mit einem großen Schritt trat er ein und steuerte direkt auf den Fahrstuhl zu. Jetzt schnell hoch ins Büro und dann ab nach Hause. Am Fahrstuhl angekommen, drückte er ungeduldig mehrere Male den Rufknopf, als würde das die Fahrt des Lifts beschleunigen.
„Hey sie da", vernahm er plötzlich eine Stimme hinter sich. Langsam drehte er sich um. Auf der gegenüberliegenden Seite der Eingangshalle stand der Nachtwächter. Hinter ihm der Mann mit der dunkelblauen Regenjacke - und er hatte eine Waffe. Genau diese richtete er jetzt auf House, welcher wie angewachsen da stand und sich nicht rührte. Hinter ihm ging soeben der Fahrstuhl auf.
„Keine Bewegung!", warnte ihn der mit der Waffe.
„Schon gut, ich tue ja gar nichts", rief House zurück.
„Was wollen sie hier?"
„Ich habe was im Büro vergessen. Ich möchte nur schnell ein paar Unterlagen holen, dann bin ich sofort wieder weg", sagte der Arzt ernst, wofür er vom Nachtwächter, welcher dem Angreifer offenbar als Geisel diente, einen fassungslosen Blick kassierte.
„Tja das nenne ich Pech. Wären sie nur nach Hause gefahren, dann wäre alles gut geworden. Aber jetzt müssen sie leider hier bleiben. Nehmen sie die Hände hoch und kommen sie hier rüber!"
