Camping Trip oder Interessanter als Fungus-Infektionen

"Warum sind wir eigentlich hier?", fragte Peter missmutig und fuchtelte mit den Armen vor seinem Gesicht herum. Mücken umschwärmten ihn wie Motten das Licht.

James, der hinter ihm durchs Unterholz trottete, einen grauen Rucksack auf dem Rücken und mit schweißnassen, an der Stirn klebenden Haaren, schnaubte vor Anstrengung. „Frag Sirius, das alles war seine glorreiche Idee."

Sirius schaute empört zu ihnen hinüber. „Stellt euch nicht so an." Er kletterte über einen umgestürzten Baumstamm. „Was gibt es besseres als einen Wochenendausflug in die Walisische Wildnis? Ohne Frauen, fließend Wasser und jegliche Zivilisation?"

Remus zog die Augenbrauen hoch. „Einen Tagesausflug in den Park. Mit fließend Wasser und jeder Menge Zivilisation." Er stolperte über eine Baumwurzel. Verdammt, nun hatte er sich sein T-Shirt an einem Ast aufgerissen.

„Und Frauen!", rief Peter, der sich seinen Rucksack auf den Kopf gesetzt hatte und ihn nun mit einer Hand festhielt, während er mit der anderen ungestüm um seinen Kopf herum wedelte.

Remus warf einen Blick auf ihre kleine Gruppe. Sie waren alle durchgeschwitzt von ihrem Marsch durch das Dickicht des Waldes. Nur in Sirius´ Gesicht saß ein breites Grinsen, dass entgegen aller biologischen Wahrscheinlichkeit noch breiter wurde, als er Remus Blick bemerkte. James und Peter hatten beide äußerst qualverzerrte und selbstmitleidige Mienen aufgesetzt. Er war sich ziemlich sicher, dass er genauso dreinblickte. Es war fast subtropisch heiß, seine Kleidung klebte an ihm wie eine zweite Haut und Sirius besaß tatsächlich die Unverschämtheit, ihn anzugrinsen. „Warum noch mal konnten wir nicht einfach zum See apparieren?", fragte er schlecht gelaunt.

„Wo bleibt denn da der Spaß?", sagte Sirius und sein Grinsen wurde noch breiter. Es gehörte verboten.

„Das hier nennst du Spaß?", fragte Peter und schüttelte sich. „Ich werde von irgendwelchen Insekten-Viechern zerfleischt und du nennst das Spaß."

„Solange es nur Mücken sind, geht es ja noch." James sah sich misstrauisch um. Das Dickicht bot wenig freie Sicht, wie Remus feststellte.

James marschierte weiter. „Mir gefällt es hier nicht.", sagte er.

„Ich glaube kaum, dass es hier wilde Bären gibt.", sagte Remus amüsiert und prallte fast gegen Sirius, der stehen geblieben war, um ihm einen Ast aus dem Weg zu halten. Anstatt sich zu bedanken, funkelte Remus ihn an und war äußerst zufrieden als Sirius´ Grinsen seitwärts aus seinem Gesicht rutschte.

„Das hat mein Großonkel Rufus auch gesagt.", antwortete James. Er zog dramatisch Luft durch seine Zähne. „Zwei Minuten bevor ihn ein Bär fraß."

Remus verdrehte die Augen.

„Wie lange noch?", jaulte Peter an der Spitze ihrer kleinen Kolonne. „Wann sind wir denn endlich da?"

„Es kann sich nur noch um Stunden handeln.", grummelte Sirius.

Remus warf ihm einen bösen Blick zu, doch Sirius ignorierte ihn.

„Ja, ja, schon gut. Wie müssten gleich da sein. Wer hat denn die Karte…"

Remus verbannte Sirius´ Stimme aus seinem Kopf und versuchte sich ganz auf den schmalen Pfad vor sich zu konzentrieren.

„…ich dachte du hast die Karte?" James.

Remus verfluchte sich innerlich. Warum hatte er sich darauf eingelassen? Sirius und James brillante Ideen hatten sie schon zu Schulzeiten in höchst interessante Situationen gebracht, nur um diese Fähigkeit in ihrer Auroren-Ausbildung endgültig zu perfektionieren.

„…du wolltest sie doch einstecken!" Sirius.

Remus stolperte über eine weitere Baumwurzel und fluchte lautstark.

„Ich? Nein, du!"

Tief Luftholen. Ein- und Ausatmen. Gleich konnten sie das Zelt aufbauen und ein erfrischendes Bad im See nehmen. Vorausgesetzt sie würden ihn noch in diesem Sommer finden.

James und Sirius wühlten beide wie verrückt in ihren Rucksäcken.

„Wo ist denn Peter hin?", fragte Remus.

James blickte sich suchend um.

„Er war grade noch genau vor uns.", sagte Sirius tonlos mit einem Achselzucken.

„Ich sage nur ein Wort.", sagte James. „Bären!"

Sirius schnaubte.

„Leute!" Peters Stimme drang von ziemlicher Entfernung an Remus Ohr. „Hier! Der See, ich hab ihn gefunden!" Ein rotes Signal stieg in einiger Entfernung über den Bäumen empor.

„Wenigstens dazu ist er zu gebrauchen.", murmelte Sirius und marschierte ohne sich noch einmal umzudrehen davon. James und Remus teilten einen genervten Blick und schlossen sich ihm an.

Sie folgten dem roten Licht das letzte Stück des schmalen Pfades entlang, der schließlich in eine kleine halbrunde Lichtung am Ufer eines Sees mündete, an dem Peter auf seinem Rucksack hockte, den Zauberstab auf den Knien.

* * *

„Gut, das wäre erledigt.", zufrieden betrachtete Remus sein Werk. Das Zelt war aufgebaut, ihre Rucksäcke verstaut und der See lockte mit seiner in der Abendsonne funkelnden Oberfläche.

„Wenn bloß die Mücken nicht wären.", sagte Peter und schenkte ihm ein wehleidiges Lächeln. „Es sind einfach zu viele Mücken. Horden, nein, Nationen von Mücken, die uns umkreisen und Rache an uns für all ihre ermordeten Brüder und Schwestern planen."

„Toll...", murmelte Sirius. „Er wird uns mit seinem Gerede zu Tode langweilen, als wenn wir mit Voldemort nicht genug zu tun hätten."

Peter zuckte zusammen und drängte sich hastig an ihm vorbei ins Zelt. Sirius ignorierte ihn und blickte nur kurz zu Remus, dann kehrte er ihm den Rücken zu.

Remus seufzte. Immer diese ständige Provokationen. Er war kein großes Geheimnis, dass Peter und Sirius nicht von einander begeistert waren, ohne James hatten sie so gut wie überhaupt keine Gemeinsamkeiten. Das Kräfteverhältnis innerhalb der Gruppe hatte sich verschoben. Er wusste nur noch nicht, in welche Richtung.

James kam nur mit einer Badehose bekleidet aus dem Inneren ihres magisch vergrößerten Zeltes.

„Wer zuletzt im Wasser ist, muss Feuerholz sammeln! Ohne Magie!", rief er und sprintete auf das Ufer zu, eine verschwommene Gestalt mit schwarzen Haarschopf und grell-grüner Badehose.

Remus seufzte. Sie waren doch keine 14 mehr. Im selben Augenblick stürmte ein halbnackter Peter mit einem lauten „Aus dem Weg!" auf ihn zu, prallte gegen ihn, fing sich wieder und plantschte in das seichte Uferwasser. Remus schüttelte den Kopf.

Sirius schmiss seinen Rucksack ins Zelt, zog sich sein T-Shirt über den Kopf, stolperte auf einem Bein hinkend aus seiner Hose und rannte ihm heftig mit den Armen rudernd nach.

Er ging in das von stickiger Nachmittagsluft erfüllte Zelt und kramte in seiner Tasche auf einem der Betten nach seiner alten Badehose. Sorgfältig legte er seine Kleidung zusammen und zog sich um.

Am Seeufer streckte er vorsichtig einen Zeh ins Wasser. Brrr… Trotzig trottete er ins kalte Wasser und tauchte so bald wie möglich ab, bis nur noch sein Kopf aus dem Wasser lugte.

* * *

„Mann, hab ich einen Hunger!" James lag lang ausgestreckt auf dem Gras vor ihrem Zelt und ließ sich von den letzten direkten Sonnenstrahlen trocknen, die noch eben über den Baumwipfeln hervorschauten.

„Ich würde sogar einen Knallrümpfigen Kröter verdrücken, wenn man ihn mir vorsetzten würde.", sagte Sirius, der mit hinter dem Kopf verschränkten Armen neben James lag und träge gegen die Sonne anblinzelte.

Auf nichts ist so Verlass, wie auf die Gefräßigkeit meiner Freunde, dachte Remus.

Grmbl antwortete Peters Magen wie auf Kommando.

Fertig abgetrocknet und angezogen stand Remus auf. Er hatte noch keine zehn Schritte Richtung Wald gemacht, als er Sirius hinter sich herrufen hörte: „Hey, wo willst du hin?" Er war aufgestanden und griff nach seiner achtlos auf den Boden gefallenen Hose.

„Das war doch wohl ein Zeichen mit dem überdimensional großem Zaunpfahl fürs Feuerholz, oder?"

„Beeil dich! Es wird gleich dunkel und ich hab Hunger…" James wedelte müde mit seiner Hand durch die Luft.

„Ihr wisst schon, dass wir Zauberer sind?" Remus zog die Augenbrauen hoch.

„Bei einem richtigen Camping-Ausflug braucht man auch ein richtiges Feuer." Sirius zog sich sein T-Shirt über den Kopf. „Warte, ich komm mit und helf dir tragen."

Remus sah ihn belustigt an. Auf seiner Hose zeichneten sich dunkle nasse Flecken ab, das T-Shirt klebte ihm am Körper und seine Haare standen fast so wild ab, wie die von James. Remus drehte sich um und ging zielstrebig in das Unterholz des Schatten spendenden Waldes.

* * *

Schweigend stapften sie durch das Gehölz. Gelegentlich blieb einer von ihnen stehen und sammelte einen Ast auf. Die Sonne war mittlerweile hinter den Baumwipfeln verschwunden und Insekten schwirrten durch den dämmrigen Wald. Im Gebüsch raschelten fast unsichtbare Schatten.

„Scheiße!"

Hinter ihm gab es ein schmerzverheißendes Gepolter. Remus drehte sich um. Sirius lag der Länge nach auf dem Boden. Seine bereits gesammelten Äste bildeten einen interessanten Mikadohaufen um ihn herum. Ein großer Käfer krabbelte entsetzt davon.

„Ich bin über einen beschissenen Stein gestolpert."

Sirius rappelte sich mühselig hoch und rieb sich seinen Ellenbogen. Mit aller Wucht trat er gegen einen der herumliegenden Äste.

„Ahh!" Einen Schmerzensschrei später hüpfte Sirius mit qualverzerrtem Gesicht auf einem Bein umher. „Ich hab mir mindestens den Zeh gebrochen. Wenn nicht sogar den halben Fuß! Das wars! Aus. Ende. Schluss mit lustig. Es reicht."

Remus konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Wessen glorreiche Idee war der Ausflug noch mal gewesen?

„Was gibt's denn da zu grinsen?", schnappte Sirius. Er fluchte kaum hörbar.

„Nichts." Er senkte den Kopf und prustete laut und blechern hinter vorgehaltener Hand.

„War das etwa ein Lachen? Du kannst nicht so selbstmörderisch veranlagt sein und in dieser Situation lachen!"

„Nein, nein."

Remus versuchte ein paar der heruntergefallenen Äste mit auf seinen Stapel zu packen. „Komm, das reicht bestimmt. Mit so einer ernsthaften Verletzung ist nicht zu spaßen. Vielleicht muss dein Fuß amputiert werden." Sirius blickte in panisch an. Dann zog er eine seiner blasiertesten Mienen. „Hmpf.", war sein einziger Kommentar.

Remus grinste. „Kannst du gehen?"

Sirius setzte seinen Fuß vorsichtig auf und machte einen Schritt. Eine Triade eindeutig nicht jugendfreier Schimpfwörter folgte.

„Na gut." Remus sah sich um. „Hier, stütz dich auf diesen Stock. Genau. Und den anderen Arm kannst du um meine Schulter legen. Okay, ganz vorsichtig, sonst gibt's überhaupt kein Feuerholz mehr."

Mehr stolpernd und humpelnd als laufend machten sie ihren Weg durch den Wald. Die Äste kratzten an seinen Händen und Beinen, Sirius Arm lag schwer auf seiner Schulter und sein Atem streifte Remus' Hals. Die Gelegenheit war günstig.

„Sirius?"

„Hm."

Er holte tief Luft. „Ich wollte mir dir reden."

Sirius drehte ruckartig den Kopf.

„Ich weiß bescheid."

Sirius Mund stand offen. Wie ein Frosch auf Beutefang, dachte Remus.

„Du weißt…?"

„Natürlich, du kannst es nicht besonders gut verbergen."

Sirius Adamsapfel zitterte kaum merklich. Als er sprach, brach seine Stimme.

„Und du willst…, du willst mit mir darüber reden?"

„Ja.", er nahm seinen ganzen Mut zusammen. „Ich will mit dir über Peter reden."

Schweigen. Schweigen war gut, dachte Remus, wenigstens kein Gebrüll. Schweigen war sehr gut. Mit einem kurzen Seitenblick auf Sirius stellte er fest, dass Sirius ihn mit tellergroßen Augen anglotzte. Die verblüffende Ähnlichkeit mit einem Ochsenfrosch verstärkte sich. Remus konzentrierte sich ganz auf den Boden, teilweise um nicht zu stolpern und teilweise um Sirius nicht angucken zu müssen.

„Dein Verhalten ihm gegenüber ist … nicht gerade freundlich." Immer noch keine Explosion. Das hier war leichter, als er erwartet hatte. „Sein Selbstwertgefühl ist nicht das größte. Das war es noch nie. Ich weiß nicht, vielleicht liegt es daran, dass er nie eine Vaterfigur in seinem Leben hatte. Außer McGonagall." Etwas krabbelte in seinen Haaren und er wischte es fort. „Ich weiß selber, dass er nicht immer der schnellste ist. Aber er hat sich gebessert. Wirklich." Er behielt lieber für sich, dass es ihm wahrscheinlich ganz gut tat, aus Sirius' und James' Schatten getreten zu sein und sich nicht mehr ständig an ihnen messen zu müssen. Laut sagte er: "Und es würde ihm helfen, wenn du ihn ein wenig unterstützen könntest. Was sagst du dazu? Genug ist genug, meinst du nicht auch?", er drehte seinen Kopf und sah Sirius mit hochgezogenen Augenbrauen an.

Sirius starrte auf einen Punkt irgendwo zwischen seinem Ohr und seiner Nase. „Ja.", stimmte er ihm murmelnd zu. „Auf jeden Fall." Und dann: „Ähh, was ist genug?"

„Argh!" Das konnte nicht wahr sein. Remus warf frustriert die Hände in die Höhe, so dass die so sorgfältig gestapelten Äste links und rechts durch die Gegend flogen. „Sirius!" Er war stehen geblieben und presste seinen geballten Fäuste gegen sein Bein, um Sirius nicht hier auf der Stelle zu erwürgen. Oder seinen Kopf gegen einen Baum zu schlagen. Einen dicken Baum, mit besonders harter Rinde.

„Huh?"

Besser wäre noch ein Fels, ein mit giftigem Moos überzogener Fels. Er spürte wie Hitze in ihm hochstieg, wie Dampf aus einem kochenden Wasserkessel.

„Sirius, was in Merlins Namen ist los mit dir?" Er schnappte sich einen der heruntergefallenen Äste vom Boden und richtete ihn auf Sirius Brust.

„Du-"

Pieks.

„-benimmst dich schon den ganzen Tag-"

Pieks.

„-wie ein kompletter Vollidiot!"

Doppelpieks.

Sirius stolperte/hüpfte zwei Schritte zurück mit einem Ausdruck der Verblüffung im Gesicht, der Remus klar machte, dass er nichts von seinen gutgemeinten gruppentherapeutischen Schlichtungsversuchen mitbekommen hatte.

„Du bist unmöglich!" Ohne ein weiteres Wort stampfte er in Richtung des Lagerplatzes davon.

* * *