Kapitel 1

Sie knallte die Tür zu ihrer Wohnung zu und schmiss ihr Abzeichen ins Zimmer hinein. Es traf die Wand und fiel mit einem Klirren auf den Boden. Sie lehnte sich gegen die Tür und sank schließlich zu Boden, mit dem Versuch sich zu beruhigen. Der Stress von der Arbeit hatte den Punkt erreicht, dass sie es nicht mehr aushielt. Sie war zu müde sich ständig und jeden Tag aufs Neue beweisen zu müssen. Doch wiederum war es nicht das was sie in den letzten 10 Jahren getan hatte? Hat sie das nicht bereits mit dem ersten Schritt den sie in Hogwarts gesetzt hatte getan?

Dennoch hatte sie alle vom Gegenteil überzeugt. Sie absolvierte als Klassenbeste mit den höchsten N.E.W.T. Punkten überhaupt. Sie wurde Aurorin trotz aller Bemerkungen, dass ihr ganzes Buchwissen nicht bedeutete, dass sie wusste wie man kämpft. Sie haben gesagt, sie hätte nicht den Kopf dazu und keine Koordination. Sie haben gesagt, sie könnte nie mit den männlichen Kontrahenten mithalten. Sie haben gesagt, sie würde keine Woche durchhalten. Tja, sie hatte eine Woche durchgehalten, sie hatte sogar ganze drei Jahre durchgehalten. Und sie war gut. Sie war sogar verdammt gut bei dem was sie tat. Doch egal wie gut sie war, sie fühlte sich nie richtig akzeptiert von den anderen.

Sie hatte das Gefühl perfekt sein zu müssen und das jeden einzelnen Tag. Es gab keinen Platz für Fehler. Da sie perfekt war, würden es die anderen lieben, sie versagen zu sehen. Sie hatte schnellere Fortschritte gemacht als alle anderen, mit denen sie angefangen hatte und sie waren eifersüchtig auf sie. Sie musste täglich mit ihren Kommentaren und Bemerkungen fertig werden. Es war so ähnlich wie damals in der Schule, als sie gequält wurde eine Besserwisserin zu sein.

Und dann war da noch die Arbeit selbst. Es war ein anstrengender Beruf. Ständig lauerte Gefahr und sie mussten immer wachsam sein. Einige Auroren drehten bereits sehr früh durch, andere hatten einen Weg gefunden um mit dem Stress zurechtzukommen. Doch sie war am Rande eines Zusammenbruchs. Sie fühlte wie sie die Kontrolle über ihre Magie Stück für Stück verlor. Sie konnte sie um sich herum knistern fühlen, jedoch außerhalb ihrer Macht sie zu beherrschen. Während eines Angriffs hatte sie ein Hund erschreckt und ihre Zauberkräfte sind plötzlich ausgebrochen. Ein grünes Licht ist aus ihrem Körper gekommen und hatte es getötet. Sie schauderte bei dem Gedanken. Wie lange würde das noch anhalten? Wie viel schlimmer würde es noch werden? Sie brachte damit die anderen in Gefahr. Man konnte nicht sagen, wann ihre Zauberkräfte instinktiv ausbrechen würden ohne ihre Erlaubnis. Sie gefährdete alle um sich herum.

Sie musste einen Weg finden um den erdrückenden Stress zu lindern. Mit der für sie typischen Strategie hatte sie das Problem natürlich untersucht. Alle Quellen die sie gefunden hatte meinten, dass es keine Möglichkeit gab mit Zauberei ihre Magie wieder unter Kontrolle zu bringen. In den Büchern stand, dass im Falle von sehr außergewöhnlich mächtigen Zauberern und Hexen, ihre Zauberkräfte mit ihrem Geist und ihren Emotionen verbunden waren und schwerwiegende geistige oder emotionale Instabilität zu einem Verlust der Kontrolle über die Zauberkräfte führen konnte. Je mächtiger eine Hexe oder ein Zauberer war, desto schwieriger wäre es ihre Magie zu kontrollieren.

Sie hatte ihren Kontrollverlust weder dem Ministerium noch dem Orden gemeldet. Sie würde suspendiert werden und sie durfte nicht suspendiert werden. Harry brauchte sie. Sie hatte niemandem von ihren Problemen erzählt. Sie fühlte sich so allein, doch wem konnte sie es anvertrauen? Natürlich waren da die Mitglieder des Ordens sowie Harry und Ron, aber sie alle erwarteten von ihr perfekt zu sein. Sie verließen sich auf ihre Perfektion und sie schaffte es nicht, dass sie sie in diesem Zustand sahen.

Harry und Ron waren mit den restlichen Leuten aus ihrer Staffel zum Trinken ausgegangen. Sie wurde, wie sollte es auch anders sein, nicht eingeladen. Es war nicht, dass sie sie nicht dabeihaben wollten, sondern dass niemand glaubte, dass die kleine Miss Perfect sich betrinken wollte. Auroren war es nicht erlaubt in der Öffentlichkeit zu Trinken, sogar außerhalb ihres Dienstes und vermutlich glaubten sie, dass sie es melden würde.

Sie wusste, dass die anderen Leute solche Nächte nutzten um sich zu betrinken und sich zu entspannen, den Stress der Arbeit zu lösen. Das war genau das was sie auch brauchte. Sie zog ihre Autorenuniform aus. Ihr schwarzes Shirt war hart von dem getrockneten Blut einer Frau, welche sie heute nicht geschafft hatte zu retten. Nach einer kurzen Dusche zog sie sich einen schwarzen Rock und Pullover an, ehe sie sich auf den Weg in die Diagon Alley machte. Dort gab es eine Bar am anderen Ende der Straße. Sie schien ihr zwar immer ein wenig seltsam, doch soweit sie wusste, kannte sie niemanden der dort hinging. Das war perfekt. Sie wollte sich einfach nur alleine betrinken können, ohne dass sie jemand erkennen würde. Sie wollte einfach nur eine Nacht frei haben, eine Nacht frei vom perfekt sein, vom verantwortungsbewusst und klug sein. Eine Nacht frei von Hermine Granger zu sein.