1.Kapitel

Nach der Schlacht

Er hatte den Blick starr auf das Schloss gerichtet. Die Last in seinen Armen war schwerer, als Harry es für möglich gehalten hatte. Seine Beine drohten einzuknicken, sein Körper brannte. Das Mädchen, welches Harry trug, zitterte. Harry wusste nicht, von welchen Flüchen sie getroffen wurde, aber er wusste, dass sie schnell Hilfe benötigte. Er spürte, wie Ihre Muskeln erneut anfingen, sich zu verkrampfen. Und schon schüttelte sich der kleine Körper des Mädchens. „Sie war höchstens 15 Jahre alt", dachte Harry. Sie war ganz zufällig in das Kampfgeschehen hineingeraten.

Am helllichten Tage hatte Voldemort, mit seiner Armee aus Todessern, die Schule für Zauberei angegriffen.

Nun dämmerte es, der Tag ging über zur Nacht.

Der Kampf tobte fast den ganzen Tag lang und als es endete breitete sich eine ohrenbetäubende Stille über dem Schlachtfeld aus.

Man sah Zauberer mitten im Kampf in sich zusammen sinken, wie wiederum andere auf die erschöpften, im niedergetretenem Gras liegenden Zauberer zugingen, ihnen die Hand reichten und ihnen auf die Beine halfen.

Nun verließen sie die Schlossgründe, auf denen der Kampf stattgefunden hatte. Viele der Überlebenden wandten sich dem Schloß zu, einige Auroren und Ordensmitglieder nahmen die Hand ihrer verletzten Freunde und Kollegen und disapparierten von dem Schlachtfeld. Andere disapparierten, die Leichen von bekannten oder befreundeten Zauberern an sich gedrückt, um sie zu ihren Familien zu bringen.

Harrys erster Gedanke war es, das Schlachtfeld nach seinen Freunden und den Mitgliedern von Dumbledores Armee abzusuchen. Doch neben Ihm lag dieses Mädchen, es schien unsagbare Schmerzen zu haben und er wiederstand dem Wunsch seine Freunde zu suchen, hob die Kleine auf und trug sie Richtung Schloß.

Nebel hingen über den verwüsteten Schlossgründen. Von Hagrids einstmals gemütlicher Hütte standen nur noch die Grundmauern.

Harry spürte kaum mehr seine Beine, seine rechte Schulter bereitete ihm Höllenqualen und er hatte das Gefühl seine Eingeweide würden brennen. Er hatte mehrfach den Cruciatus-Fluch abbekommen und genauso oft hatte er ihn Todessern auf den Hals gejagt. Die Bilder der Schlacht rasten immer wieder aufs Neue durch seine Gedanken. Er hatte Menschen getötet und gesehen wie Menschen die er mochte getötet wurden. Bei diesen Gedanken schreckte er zusammen. Er fühlte nichts, nur das Brennen seiner Eingeweide. Die Gedanken an die Schlacht ließen ihn kalt.

Er schleppte sich immer weiter, schon erkannte er die Lichter vom Schloß und sah wie viele Leute vor dem Portal hin und her liefen. Harry hoffte nur, dass vor dem Schlossportal nicht auch noch eine Schlacht tobte.

Voldemort schien vernichtet zu sein, aber nicht etwa durch Harrys Hand. Es war ein außergewöhnlicher Kampf. Der dunkle Lord hatte sich den falschen Ort ausgesucht, um die größte Schlacht in seiner bisherigen Zeit als Herrscher der schwarzen Magie zu schlagen. Es hätte genügt, wenn er sich nur ein einziges Mal „Die Geschichte von Hogwarts" durchgelesen hätte. Auf Ländereien, den Schlossgründen und dem Schloss selbst liegen mächtige Schutzzauber, die von keinen anderen als Godric Gryffindor, Helga Hufflepuff und Rowena Ravenclaw ausgesprochen wurden. So sah sich Voldemort in der heutigen Schlacht nicht Harry gegenüber, sondern den Gründern Hogwarts selbst. Als Voldemort geschlagen war, regnete es rote, gelbe und blaue Funken über dem Feld und es breitete sich ein Gefühl von Frieden und Freiheit in den Kämpfenden aus.

Die Todesser disapparierten eilends vom Schlossgelände; ihre gefallenen Freunde und Kameraden ließen sie einfach liegen.

Durch diesen Kampf wurden sämtliche Schutzzauber, die über dem Schloß und dessen Ländereien lagen aufgehoben. Hogwarts sollte als Zuflucht dienen, als ein sicherer Ort für jede Hexe und jeden Zauberer. Durch den vielen Hass und die vielen Morde, die heute auf Hogwarts geschehen waren, lösten sich sämtliche Zauberbanne auf und dies ermöglichte den Zauberern und Hexen zu apparieren und disapparieren.

Als Harry fast das Schlossportal erreicht hatte, hörte er hinter sich eine schwache Stimme. „Harry? Harry, bist Du das?"

Harry drehte sich um, im Dämmerlicht konnte er nur Umrisse erkennen, zumal auch seine Brille sehr schmutzig und die Gläser gesprungen waren. Er konnte erkennen, das sich eine große, kräftige Gestalt auf eine kleinere, zartere Gestalt stützte und kaum mehr bei Bewusstsein zu sein schien.

„Harry...", schluchzte die Stimme. In Harrys Ohren rauschte es, er hatte das Gefühl zu Schwanken. Neben dem ungleichen Paar erschien eine weitere Person aus dem Nebel, sie war um einiges größer und umfasste den Verwundeten um die Taille. Sie bewegten sich langsam vorwärts und standen nun fast vor Harry.

Harrys Atem ging schnell und flach, in seinem Kopf drehte sich alles. Seine Knie drohten nachzugeben, als neben ihm eine weitere Gestalt zum Vorschein kam und ihn stützte. Er drehte den Kopf leicht in die Richtung der Person neben ihm und erkannte Mr. Weasley.

„Mein Gott, Ihr lebt, ihr lebt alle.", Mr. Weasleys Stimme war nur ein Krächzen.

Harry drehte den Kopf in die Richtung, in der er die drei anderen Personen vermutete. Nun erkannte er, wer dort so schemenhaft vor ihm stand. Dort stand Remus Lupin, gestützt von Ron und Hermine.

Sie hatten den Kampf überlebt.

Harry fiel ein Stein vom Herzen und spürte wie endlich wieder etwas Kraft durch seinen Körper strömte. Seine Freunde lebten! Langsam bewegte sich die kleine Gruppe weiter. Immer mehr Zauberer schoben sich langsam den kurzen, aber steilen Weg zum Schloss hinauf. Die Meisten stützten Verwundete.

Harrys Aufmerksamkeit wurde auf eine zusammen gekauerte Person am Wegrand gelenkt. Es war Neville Longbottom, er hatte die Arme um die Knie geschlungen und klapperte unkontrollierbar mit den Zähnen. Harry machte Mr. Weasley auf Neville aufmerksam.

Mr. Weasley beugte sich zu Neville hinunter und legte seinen Arm um ihn. „Komm, mein Junge, es ist vorbei. Wir gehen zusammen zum Schloß." Völlig apathisch ließ Neville sich von Mr. Weasley aufhelfen.

Vor dem Schlossportal saßen viele Schüler. Einige hielten sich weinend, eng umschlungen, andere gingen rastlos auf und ab. Harry und seine Gefährten stiegen schwerfällig die Stufen zum Eingang des Schlosses empor.

Hier herrschte ein heilloses Durcheinander. Schüler, Lehrer und Mitglieder des Ordens liefen durcheinander. Namen wurden gerufen.

Neben ihnen stieß eine Frau einen spitzen Schrei aus. „Oh, Oh Du liebe Zeit. Arthur, Ihr seid hier. Dem Himmel sei Dank, ich dachte ich würde Euch nie wieder sehen.", Mrs. Weasley bahnte sich einen Weg durch das Gedränge und schloss sie nacheinander alle in die Arme. „Molly, Dir geht es gut. Ich bin so froh. Aber wir haben Verletzte. Remus hat es schwer erwischt und das Mädchen scheint in sehr schlechter Verfassung zu sein."

Harry wollte sich einfach nur irgendwo hinsetzen, den Kopf an eine Wand lehnen und die Augen schließen. Er wollte Ruhe.

„Kommt in die Große Halle. Dort wurde eine Krankenstation eingerichtet. Harry, mein lieber Junge, lass Arthur das Mädchen tragen. Du fällst ja gleich um."

Neben Ihnen standen plötzlich zwei Zauberer, die Harry flüchtig aus dem Orden kannte. Einer von ihnen nahm Harry den inzwischen leblosen Körper des Mädchens ab; die Kleine war ohnmächtig geworden, während der andere Zauberer mit Hilfe von Mr. Weasley Remus Lupin stützte.

Harry, Ron, Hermine und Neville folgten den erwachsenen Zauberern in die Große Halle. Dort hatte man in Windeseile mehrere Dutzend Betten aufgestellt und unglaublich viele Heiler liefen zwischen den Bettreihen umher.

Harry, Ron, Neville und Hermine setzten sich in eine ruhige Ecke. Niemand konnte etwas sagen. Hermine schluchzte und ein Gemisch aus Tränen und Blut liefen über ihre Wangen. Sie hatte eine Platzwunde direkt über dem rechten Auge und versuchte sich mit dem Saum ihres zerrissenem Umhangs das Blut aus dem Auge zu wischen.

Ron hatte einen langen Schnitt am Bein schien aber ansonsten unverletzt.

Neville zitterte noch immer am ganzen Körper und Harry hoffte im Stillen, dass er doch endlich aufhören sollte, mit den Zähnen zu klappern.

Neville blickte Harry unverwandt, mit schreckensgeweiteten Augen an. „S..Sie...Sie h..hh..hat es ..es .. m..mi..mit mir auch machen wollen," Neville konnte kaum sprechen, „Sie sagte, dass sie mir zeigen will wie es für meine Eltern war." Hermine schluchzte laut auf. Ron und Harry warfen sich verwirrte Blicke zu.

„Neville, wer hat was gemacht?" Harrys Stimme klang ungeduldiger, als er es beabsichtigte. „D..Da...Dann hat sie...Luna wollte mir helfen... aber.. sie.. Sie hat den Avada Kedavra ..." Nevilles Stimme versagte. Hermine hatte den Kopf auf Ihre Knie gelegt und schaute Neville an, während ihr ein Strom von Tränen übers Gesicht lief, „Es war Bellatrix Lestrange, oder Neville? Hat Sie Luna getötet?"

Nevilles Zähne schlugen noch heftiger aufeinander und er wippte mit dem Oberkörper vor und zurück.

„Neville," Hermine legte ihre Hand auf Nevilles Arm," hat sie dir den Cruciatus-Fluch auf den Hals gejagt?"

Neville nickte leicht mit dem Kopf. „J..ja..aber nicht lange, dann kam Professor Lupin und wollte sie entwaffnen, glaub ich. Aber sie war schneller und hat Crucio gerufen und dann lag er am Boden und schrie und ich wusste nicht was ich machen soll. Ich hab eine Hand in meine Hosentasche gesteckt, ich weiß nicht warum, aber darin fand ich eines von den Kaugummipapieren, die mir meine Mutter immer schenkt. Und ich war mit einem mal so wütend und sie hat mich nicht mehr beachtet und da habe ich... ich habe.." Nevilles Körper zuckte unkontrolliert.

„Dann hast du sie getötet, nicht wahr Neville?", sagte Harry sehr leise, ohne jedwedes Zittern in der Stimme.

Neville wippte wieder mit dem Oberkörper vor und zurück. Hermine schloss die Augen und ein klägliches wimmern drang aus Ihrer Kehle.

Ron schaute mit leerem Blick an irgendeinen Punkt an der Decke, „Ich habe Ginny verloren. Sie war die ganze Zeit bei mir, wir haben einander Rückendeckung gegeben, aber plötzlich war sie weg.", murmelte Ron mit tonloser Stimme.