Disclaimer: Nicht meins - leider.

Eine überarbeitete Version. Saidicam hatte nach einer englischen Übersetzung gefragt. Selek hat das ganze korrigiert und mir zahlreiche wertvolle Tipps gegeben.

Somit geht besonderer Dank an:

Saidicam für die Frage nach einer englischen Version

TSia für das erste Feedback und dafür, dass sie mir Mut gemacht hat, Selek zu kontaktieren

Selek fürs "beta- reading"

Außerdem nochmal Danke an meine allerersten beiden Reviewer Amicelli und Annike Zimmermann

Heimkehr

Sarek blickte auf und hob fragend eine Augenbraue, auf als sein Sekretär das Büro betrat.

Der jüngere Vulkanier nickte, als könne er die Frage seines Vorgesetzten erahnen. Und vielleicht verhielt es sich in der Tat so – oft genug gestellt worden war sie ihm heute, von den unterschiedlichsten Personen bei den unterschiedlichsten Gelegenheiten. Auch das war nicht weiter verwunderlich. „Ja, Sir. Die Geiseln befinden sich auf freiem Fuß und werden noch heute abend in der Botschaft eintreffen. Augenblicklich fehlen uns noch detaillierte Information, aber man hat uns davon in Kenntnis gesetzt, dass es keine Schwerverletzten hat."

Ein kaum wahrnehmbarer Ausdruck von Erleichterung huschte über Sareks Gesicht. Unmittelbar darauf hatte er sich jedoch wieder unter Kontrolle. Seine Stimme klang ruhig und vollkommen emotionslos, als er seinem Attaché für die Information dankte und ihn entließ.

Am Abend des selben Tages standen der hochgewachsene Vulkanier sowie ein Großteil der anderen Botschaftsangehörigen im weitläufigen Foyer der Botschaft. Sarek stand in seiner üblichen Haltung – sehr aufrecht, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, regungslos und mit ausdrucksloser Miene, so als habe man seine Gesichtszüge aus Stein gemeißelt. Als die Sicherheitsbeamten die befreiten Geiseln hereinbegleiteten, löste er sich aus der Gruppe und ging den Zurückkehrenden entgegen. Er sprach mit jedem von ihnen kurz, fand mit Leichtigkeit und einer gewissen Wärme hier die richtigen Worte, dort einen knappen Zuspruch. Von der ganz allmählich um ihn herum aufkommenden Unruhe blieb er unberührt.

Man sollte später sagen, es sei aller anfänglichen Kritik zum Trotz die richtige Entscheidung gewesen, den jungen Sarek in das Amt des Botschafters zu berufen. Einem sehr guten Beobachter jedoch mochte es so erscheinen, als erwarte der Diplomat jemanden bestimmtes. Sein Blick schweifte suchend umher, um schließlich auf einer jungen menschlichen Frau zu verweilen, die ein wenig verloren abseits stand. Zielstrebig, doch immer noch ohne Hast und Eile bahnte er sich seinen Weg durch die Menge. Erst als er sie fast erreicht hatte, sah sie auf. Dunkle Ringe lagen unter ihren Augen und ließen ihr anmutiges Gesicht beinah kalkweiß erscheinen. Zögernd trat sie ihm entgegen. Ihre Bewegungen waren ein wenig steif und ungelenk, wie es häufig der Fall ist, wenn der Betreffende unter Schock steht. Schließlich standen sich die beiden gegenüber.

„Amanda." Seine schwarzen Augen schienen zu lächeln. Sichtlich bewegt nickte die junge Frau. Tränen standen ihr in den Augen. Sie wagte es nicht zu sprechen, als traue sie ihrer Stimme nicht. „Es ist erfreulich, Sie unverletzt zu sehen." Sarek sprach leise, als sei dieses Gespräch nicht für fremde Ohren bestimmt. Amanda Grayson biss sich auf die Lippen, um die Tränen in Schach zu halten. Ihre schmalen Schultern bebten vor Anspannung.

Der Botschafter musterte die mit leicht zur Seite geneigtem Kopf und trat noch einen Schritt näher an sie heran. Und plötzlich brach es mit unvermittelter Heftigkeit aus ihr heraus. Mit einer impulsiven Bewegung, die keinen der Umstehenden überraschte – man kannte Amanda Grayson und war an ihren ungezwungenen Umgang mit dem vulkanischen Botschafter gewöhnt -, fiel sie Sarek um den Hals.

Was allerdings großes Aufsehen erregte, war Sareks Reaktion: er fasste sie sanft bei den Schultern und wollte eigentlich sie nach einem kurzen Augenblick sanft von sich schieben. Doch als bemerkte er, dass die junge Linguistin buchstäblich am ganzen Körper zitterte, legte er beide Arme um sie und zog sie eng zu sich heran. Für den Moment verlor alles andere an Bedeutung.

„Mein Gott, Sarek- ich dachte, es würde nie zu Ende gehen. Ich hatte solche Angst, dass ich Sie nie wieder sehen würde." Weinend verbarg sie ihr Gesicht an seiner Schulter.

Beschwichtigend strich Sarek ihr über den Rücken, sein Kinn ruhte auf ihrem Haupt. „Ich fühle mich durch Ihre Wertschätzung geehrt, Amanda. Und ich teile Ihre Erleichterung."

Lange verharrte das ungleiche Paar in der Umarmung. Schließlich straffte Amanda Grayson ihre schmächtige Gestalt und wich einen halben Schritt zurück. Aus rotgeränderten Augen sah sie auf. „Verzeihen Sie, Sarek. Ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen." Betreten senkte sie den Kopf, konnte sich aber eines Lächelns nicht ganz erwehren.

Der vulkanische Botschafter gestattete sich ein fast unsichtbares Beinah- Lächeln. Einige Dinge änderten sich wohl anscheinend nicht... „Das haben Sie nicht, Amanda. Und selbst wenn es sich so verhielte, wäre es das erste Mal, das Sie sich entschuldigten."

Amanda blickte verunsichert auf und bemerkte dann erleichtert das amüsierte Funkeln in seinen Augen. Sie hob beide Schultern und nickte. „Da haben Sie auch wieder recht."

Sarek schien ein Zeichen gegeben zu haben, indem er die junge Linguistin ganz losließ. Alle, die vor Erstaunen über ungewöhnliche Reaktion des sonst so reservierten Diplomaten wie erstarrt gestanden hatten, bewegten sich wieder, Gespräche wurden erneut aufgenommen. Man gewährte den beiden etwas Privatsphäre, indem man in allgemeinen Treiben nicht weiter auf sie achtete.

„Sie wirken erschöpft. Soll ich Sie nach Hause fahren?" Sarek nahm die junge Frau am Arm, als sie leicht schwankte. Aus glasigen Augen erwiderte sie den forschenden Blick des Vulkaniers. Ihrem Gesichtsausdruck war deutlich zu entnehmen, dass sie kein Wort verstanden hatte. Sie schüttelte den Kopf, um wieder einigermaßen klar denken zu können – und bereute ihre Entscheidung unmittelbar darauf. Buchstäblich alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. Sie sah aus, als würde sie jeden Moment ohnmächtig in sich zusammensinken.

„Amanda!" Sarek hob seine Stimme. Überrascht sah er, dass die junge Frau zusammenzuckte und sich aus seinem Griff befreien wollte. Instinktiv verstärke er seinen Griff um ihren Oberarm, um zu verhindern, dass sie das Gleichgewicht verlor. Ein leises Stöhnen entfuhr ihr. Schmerzerfüllt verzog sie das Gesicht. Sarek lockerte seinen Griff etwas und nahm sie anstatt dessen am Ellbogen. Durchdringend sah er sie durchdringend. „Sind Sie verletzt?"

Sie schüttelte den Kopf, dieses Mal vorsichtig und bedächtig.

Aus irgendeinem Grund war Sarek nicht überrascht. „Amanda..." Auch wenn er seine Stimme dieses Mal nicht hob, schwang in seinem Tonfall der Hauch einer Warnung mit. Er hatte die dunkle Ahnung, dass die junge Linguistin nicht ganz aufrichtig war.

Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Es ist nicht weiter schlimm. Wirklich nicht. Kein Grund sich Sorgen zu machen."

„Wenn Sie es sagen, Amanda. Aber wie dem auch sei: Sie sind ganz offensichtlich müde und sollten möglichst bald zu Bett gehen. Kommen Sie – ich fahre Sie nach Hause."

Ohne Widerspruch ließ sich Amanda von dem hochgewachsen Vulkanier in Richtung des Ausganges führen. Es fiel ihr merklich schwer, auf den Beinen zu bleiben. Im Gehen sah sich Sarek um und winkte seinen Stellvertreter zu sich.

Der ältere Vulkanier schloss zu ihnen auf und neigte respektvoll den Kopf. „Dr. Grayson. Es ist gut, Sie wieder hier zu haben. Botschafter, Sie wünschten, mich zu sprechen?" Er musterte das ungleiche Paar mit zurückhaltender Neugier. Sehlur hatte fast sein halbes Leben auf der Erde verbracht, und der Umgang mit den Menschen hatte ihn auf eigentümliche Weise verändert.

Sarek wusste, dass man ihn seiner heiteren, distanzierten und doch immer freundlichen Art wegen als einen Sonderling betrachtete. Er selbst jedoch hatte viel von ihm gelernt und sah einen Mentor in ihm. Nicht zuletzt deswegen fiel seine Antwort milder und ausführlicher aus, als es jemandem anders gegenüber der Fall gewesen wäre. „Ja. Dr. Grayson ist erschöpft. Ich werde Sie nach Hause begleiten und heute nicht zurückkommen. Ich vertraue darauf, dass Sie mich angemessen vertreten werden."

Sehlur neigte abermals den Kopf. „Seien Sie versichert, dass ich alles zu Ihrer Zufriedenheit regeln werde. – Botschafter. Dr. Grayson" Er wandte sich zum Gehen.

Aufatmend ließ sich Amanda auf den Beifahrersitz von Sareks Wagen sinken. Bevor er ihre Tür schloss, musterte Sarek die junge Frau. Sie zitterte nach wie vor am ganzen Körper. Nach einem kurzen Moment des Zögerns streifte Sarek seine schwere Robe ab und breitete sie über ihr aus. Als er ihr behutsam eine Haarsträhne aus dem Gesicht streichen wollte, zuckte sie heftig zusammen, als beabsichtigte er sie zu schlagen. Fragend hob er beide Augenbrauen, doch die menschliche Frau schüttelte abweisend den Kopf. Der Diplomat kannte sie zu gut und zu lange, als dass er hätte versuchen wollen, auf einer Antwort zu bestehen. Schweigend richtete er sich auf und warf die Beifahrertür ins Schloss. Dann nahm er hinter dem Steuer Platz und startete den Motor. Hin und wieder warf er seiner Begleiterin einen kurzen Seitenblick zu. Irgend etwas stimmte hier ganz und gar nicht. Er ließ es jedoch vorerst auf sich beruhen und konzentrierte sich auf die Strasse vor ihm. Heute abend würde Zeit genug sein, sich diesem Problem zu widmen.

Als er eine halbe Stunde später vor ihrer Wohnung hielt und zur Seite sah, lächelte er still in sich hinein. Amanda war eingeschlafen und rührte sich auch nicht, als er den Motor abschaltete. Er nahm sie an der Schulter. „Amanda! Aufwachen!"

Er hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass sie auf dem Schlaf auffuhr und im nächsten Moment soweit wie möglich zurückschreckte. Im schwachen Licht einer Straßenlaterne sah er, dass sie wie Espenlaub zitterte. Ihre Augen waren angstvoll geweitet – sie schien ihn gar nicht richtig wahrzunehmen.

„Amanda. Beruhigen Sie sich. Es geschieht Ihnen nichts. Amanda." Er nahm ihre Hände in die seinen und wiederholte ihren Namen. Leise und sehr ruhig, aber dennoch bestimmt. Ganz allmählich gewann sie ein gewisses Maß an Selbstbeherrschung zurück, ihr Atem beruhigte sich etwas. Sie drückte seine Hände.

„Ich möchte Sie in diesem Zustand nur ungern alleine wissen. Erlauben Sie mir bitte, Sie zu begleiten und zumindest noch einen Augenblick bei Ihnen zu bleiben." Schon bei seinem Gespräch mit Seluhr war dies seine Absicht gewesen. Zu seiner Verwunderung hatte die junge Frau seine Bemerkung zu diesem Zeitpunkt nicht kommentiert, doch er hatte angenommen, sie sei dazu zu erschöpft gewesen.

Jetzt allerdings war sie hellwach. Der Botschafter richtete sich auf eine längere Diskussion ein. Und in der Tat musterte die junge Linguistin den vulkanischen Diplomaten ein wenig missmutig. Als sie jedoch antwortete, umspielte der Hauch eines Lächelns ihre Lippen. Seichte Erheiterung lag in ihrer Stimme. „Nicht dass Sie mir wirklich eine Wahl ließen, Sarek?"

Ganz in der Manier ihrer alten Wortgefechte, den Tonfall der jungen Frau genau treffend, schüttelte Sarek den Kopf und verneinte. „Nein. Hatten Sie etwa angenommen, ich würde das tun?"

Zu müde, um zu streiten, bedeutete Amanda dem Vulkanier ihr zu folgen.

Sarek hob eine Augenbraue. Er hatte nicht erwartet, dass sie sich so leicht fügen würde. Wiederum sah er seinen Verdacht bestätigt. Er hielt sich etwas hinter ihr, dicht genug, um sie nötigenfalls zu stützen, weit genug entfernt, um erkennen zu können, dass ihr jede Bewegung Schmerzen zu bereiten schien. Vor ihrer Wohnungstür hielt Amanda verwirrt in der Bewegung inne. Mit Tränen in den Augen sah sie Sarek an. „Ich habe meinen Schlüssel verloren."

„Ich habe Ihren Zweitschlüssel hier, Amanda. Beruhigen Sie sich."

Als Amanda zu Beginn des Sommers für zwei Wochen verreist war, um einige alte Freunde zu besuchen, hatte sie Sarek den Zweitschlüssel zu ihrer Wohnung überlassen. Zuvor hatte sie dem Vulkanier das Versprechen abgerungen, dass er sich um ihre Pflanzen kümmern werde. Da er von einem Wüstenplaneten stammte, war er seiner Meinung nach nicht die Idealbesetzung für diese Aufgabe. Als er Amanda jedoch darauf hinwies, bedachte sie ihn lediglich mit einem strahlenden Lächeln und erklärte, sie habe vollstes Vertrauen in seine Fähigkeiten. Sarek hatte es bislang sorgfältig vermieden ihr von seiner Odyssee von einem Blumengeschäft zum andern zu berichten, als er am Nachmittag vor ihrer Rückkehr einige besonders seltene – und wie er hinzufügen könnte: teure – Exemplare ersetzen musste. Aus irgend einem Grund hatte sie den Ersatzschlüssel nie zurückverlangt.

Eigensinnig schüttelte sie den Kopf. Zum zweiten Mal an diesem Abend war sie dicht davor, in Tränen auszubrechen. „Sie verstehen nicht, Sarek. Wenn jemand ihn findet...", sie brach ab, als habe sie schon zu viel gesagt.

Sarek kniff die Augen zusammen. Langsam begann er zu verstehen. Behutsam, um sie nicht nochmals zu erschrecken, legte ihr Sarek eine Hand auf die Schulter. Es schien ihm sinnlos, die übliche Maske von starrer Zurückhaltung nach den heutigen Ereignissen aufrechtzuerhalten. „Seien Sie unbesorgt. Falls das Ihrem Wunsch entsprechen sollte, werde ich die Nacht hier verbringen. Und gleich morgen werde ich veranlassen, dass das Schloss ausgetauscht wird."

Der Botschafter öffnete die Tür und geleitete die junge Frau in die Küche. Gehorsam sank sie auf den Stuhl, den Sarek ihr hinschob. Mit einer fahrigen Geste strich sie sich über das Gesicht. Vage bekam sie mit, dass Sarek sich am Herd zu schaffen machte und mit ihr sprach. Sie fragte sich flüchtig, ob er eine Antwort erwartete, entschied dann aber dagegen. Sie war so müde, und sie fror erbärmlich. Wenig später erschien ein Becher mit heißem Tee vor ihr. Sarek zog sich ebenfalls einen Stuhl heran und nahm neben ihr Platz.

Versonnen lächelte Amanda. Der Tee war heiß, sehr stark und sehr süß. Selten genug, dass ihr der Vulkanier den Zucker ohne seinen üblichen Vortrag über das „raffinierte Gift" zugestand. Allmählich kehrten ihre Lebensgeister zurück. Amanda Grayson fühlte Sareks nachdenklichen Blick auf sich ruhen, brachte es aber nicht gleich fertig, ihm ins Gesicht zu sehen. Sie wusste nur zu gut, wie präzise Sarek zu beobachten pflegte, und wie unweigerlich zutreffend seine Schlussfolgerungen für gewöhnlich waren. Doch letztendlich sammelte sie ihren ganzen Mut und blickte auf. „Wir wissen beide, wie Ihre nächste Frage lauten wird, nicht wahr?"

Mit einem humorvollen Funkeln in den Augen nickte Sarek. „Zweifellos. Und wir wissen auch beide, wie Ihre Entgegnung ausfallen wird. Nämlich, dass es nicht der Rede wert sei." Übergangslos wurde er ernst. Er beugte sich ein wenig vor, um ihren Blick festzuhalten. „Amanda, ich sehe, dass Sie sich vor Schmerzen kaum noch bewegen können. Ich sehe, dass Sie vor jeder Berührung erschrecken. Es ist nur logisch zu schlussfolgern, dass man Sie misshandelt hat. Ich werde die Verletzungen versorgen." Nicht ganz eine Frage, nicht ganz eine Bitte – nüchterne Feststellungen.

Wie in Trance nickte die junge Frau, ließ sich von Sarek auf die Beine helfen und folgte ihm ins Bad. Mit zitternden Knie stand sie vor dem hochgewachsenen Vulkanier, als er ihr behutsam half, sich zu entkleiden. Sie wollte nicht, dass sie jemand in diesem Zustand sah. Am allerwenigsten Sarek. In den letzten Stunden hatte sie viel darüber nachgedacht, ob es besser gewesen wäre, sich nicht zu wehren, still zu halten. Vielleicht wäre es die bessere Entscheidung gewesen, vielleicht hätte es auch nichts geändert. Ob Sarek sie darauf hinweisen würde? Würde er so denken?

Sarek versuchte für einen kurzen Moment die Amanda Grayson, die er kannte in der jungen verängstigten Frau vor ihm wiederzuerkennen – und scheiterte. Er schätzte sie sehr – nicht zu guter Letzt ihres Mutes wegen, stets das zu tun und zu sagen, was sie für angebracht hielt. Beizeiten hatte sie ihn damit schon in Verlegenheit gebracht und hin und wieder auch verärgert. Er konnte sich noch gut an das erste Mal erinnern, als Amanda ihn ohne einleitende Vorrede darauf hingewiesen hatte, dass sein mühevoll ausgearbeitetes Handelsabkommen scheitern werde. Die Angehörigen seines Stabes hatten wie erstarrt da gesessen: niemand widersprach dem Botschafter, zumindest nicht in aller Öffentlichkeit und nicht auf diese Art und Weise – nun, niemand außer der Leiterin der linguistischen Abteilung. Aber Amanda hatte recht behalten; und häufig erwies sich ihre Perspektive als erfrischend und inspirativ. Seiner Muttersprache fehlte ein entsprechender Ausdruck, aber Sarek fühlte sich in Amandas Gegenwart wohl. Selbst unter den Angehörigen seines Volkes gab es kaum jemanden, der ihn so gut verstand. Es hatte eine Weile gedauert, bis sich Sarek daran gewöhnt hatte, dass ihn die junge Frau so mühelos zu durchschauen schien, ganz gleichgültig, wie sehr er sich bemühte seine Gedanken und Gefühle zu verbergen. Mittlerweile jedoch genoss er die Freiheit ganz er selbst sein zu können. Keine Notwendigkeit, sich zu erklären oder in eine Rolle zu schlüpfen. Und Sarek wollte glauben, dass es sich umgekehrt genauso verhielt.

Der vulkanische Botschafter erbleichte, als er die zahllosen Blutergüsse und Prellungen sah, die man ihr zugefügt hatte. Glücklichweise schien keine der Verletzungen ernsthafter Natur zu sein. „Amanda?" Seine Stimme war sanft, als er ihr ganz leicht eine Hand auf die Schulter legte. „Drehen Sie sich bitte um?"

Sie wagte, es die Augen zu öffnen, mied aber seinen Blick, als sie langsam wie in Zeitlupe seiner Aufforderung nachkam. Sie konnte seine Befangenheit fast körperlich spüren. Vor nicht allzu langer Zeit wäre es ein willkommener Anlass gewesen, ihn ein wenig zu necken. Diese Zeiten jedoch waren vorbei.

Sarek strich sich über das Kinn. „Können Sie sagen, wer sie so zu gerichtet hat?" Solange er zurückdenken konnte: Noch niemals zuvor hatte er solche Wut verspürt. Als Vulkanier sollte er über eine eiserne Selbstdisziplin verfügen, doch im Augenblick ließen ihn seine Beherrschung und seine Logik im Stich. Er betrachtete die blauen Flecken an ihren Oberarmen und auf ihren Oberschenkeln und befürchtete das Schlimmste. Mochte Surak verhindern, dass er jemals den Verantwortlichen zu fassen bekam.

„Ich weiß es nicht. Sie trugen Masken. Sie waren alle in etwa gleich groß und haben nie gesprochen."

„Ist das alles?" Immer noch die gleiche eiskalte Wut in seiner Stimme, gemischt mit einem Hauch von Verachtung und etwas anderem, das sie nicht zu identifizieren vermochte.

Amanda erschrak nicht wenig vor dem Zorn in seiner Stimme. Noch niemals zuvor hatte sie ihn – den stoischen Vulkanier – so gesehen. Eine Aura kaum verhülltenZorns umgab ihn. Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, dass es ganz und gar nicht ratsam sein konnte, Sarek in die Quere zu kommen. Es war lächerlich, das wusste sie: Sarek würde sie im Leben nicht verletzen. Doch die Erlebnisse der letzten Tage hatten tiefen Spuren hinterlassen. Unwillkürlich wich sie zurück. Sie schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid. Ich würde Ihnen gerne mehr sagen können."

Als er sah, welche Wirkung sein harscher Tonfall auf die junge Frau gehabt hatte, gewann Sarek seine Selbstkontrolle augenblicklich zurück. „Verzeihen Sie, mein Tonfall ebenso wie meine Wortwahl waren unangemessen. Und offensichtlich habe ich mich missverständlich ausgedrückt." Er zögerte kaum merklich. Seine schwarzen Augen blieben unverwandt auf ihr Gesicht gerichtet. Nun konnte sie den Kummer, den er ihretwegen empfand, deutlich darin lesen. „Was ich meinte, war – sind Sie von Ihnen... hat man Ihnen Gewalt angetan oder es versucht?"

Amanda schüttelte den Kopf. Der Kloß, der in ihrer Kehle saß, war fast zu groß, um etwas sagen zu können.

Der Vulkanier ließ seinen angehaltenen Atem langsam entweichen. „Ausgezeichnet. Ich werde mich beeilen, Ihre Verletzungen zu versorgen. Sie benötigen dringend Ruhe."

Ein Grinsen stahl sich auf ihr Gesicht. „Wollen Sie mir etwa für den Rest meines Lebens vorschreiben, was ich zu tun habe?" Alle Anspannung war aus ihr gewichen. Sie konnte fühlen, wie ihre Knie butterweich wurden.

Sarek hob beide Augenbrauen bis dicht unter den Haaransatz. „Nur so lange, bis Sie genügend ausgeruht sind und wieder ohne fremde Hilfe stehen können." Er dirigierte sie mit sanfter Gewalt zu einem Hocker und half ihr, Platz zu nehmen. Sarek griff nach einem kleinen Hautregenerator und arbeitete zügig.

Nach wenigen Minuten war von den meisten Verletzungen nur noch ein angenehmes Prickeln zu spüren. Amanda seufzte. Zum ersten Mal seit Tagen konnte sie sich ohne Schmerzen bewegen. Aber plötzlich war sie buchstäblich zu Tode erschöpft. Mit einer gewaltigen Anstrengung kam sie auf die Füße und zog sich wieder an.

Der Vulkanier schloss eine Hand um ihren Oberarm, als sie das Gleichgewicht zu verlieren drohte. „Ich werde in dreißig Minuten nach Ihnen sehen. Und dann sollten Sie schlafend in Ihrem Bett liegen."

Verstimmt zog Amanda eine Augenbraue in die Höhe. Doch das amüsierte Funkeln in ihren Augen verriet sie. Offensichtlich ging es ihr schon wieder gut genug, um zu widersprechen. „Ich hatte Sie charmanter in Erinnerung."

Betont würdevoll richtete sich Sarek zu seiner vollen Größe auf. Der Effekt war beinah körperlich zu spüren: es war nicht mehr einfach nur Sarek, der neben ihr stand, sondern Gesandter Sarek, Föderationsbotschafter und Vertreter Vulkans im Rat der Vereinten Planeten – die Würde in Person. „Man hat mich schon mehrmals darüber in Kenntnis gesetzt, dass mein Auftreten stets von Charme geprägt ist, von ausgesprochen viel Charme, um genau zu sein. Und nun ins Bett mit Ihnen!"

Die junge Frau rollte mit de Augen. „Ja, in der Tat ausgesprochen charmant", murmelte sie lakonisch, fügte sich aber in ihr Schicksal. Irgendwann in der letzten halben Stunde hatten sie zu ihrem normalen Konversationston zurückgefunden: offen, unbefangen und ohne Platz für Missverständnisse. Beide wussten es und wussten es zu schätzen.

Wie angekündigt betrat Sarek eine halbe Stunde später ihr Schlafzimmer. Die junge Frau hatte sich zwar umgezogen, saß nun aber steif und unbeweglich auf der Bettkante und starrte ins Leere. Sie gab durch nichts zu erkennen, dass sie Sareks Eintreten bemerkt hatte.

Sarek musterte sie aufmerksam. „Es entbehrt jeglicher Logik, dass Sie hier so sitzen. Ich meinte es vorhin, als ich es sagte: Sie benötigen dringend Ruhe und gehören ins Bett." Sareks leichter heiterer Tonfall täuschte nicht über seine Sorge hinweg.

Nichts. Die junge Frau hatte sich wieder weit in sich selbst zurückgezogen.

„Amanda." Sarek berührte sie leicht an der Schulter.

Sie schien ihre Gedanken fast mit Gewalt in die Gegenwart zwingen zu müssen. Sie kam ein wenig unsicher zum Stehen. „Sie haben ärgerlicherweise wie immer recht, Sarek. Ich kann mich nicht darin erinnern, wann ich zuletzt geschlafen habe. Steht Ihr Angebot noch?" Ihre Stimme klang erstaunlich ruhig, aber Sarek vermeinte einen Unterton von Furcht darin zu vernehmen. Tränen standen ihr in den Augen, aber sie schien fest entschlossen, nicht zu weinen.

Der Vulkanier nickte. „Selbstverständlich. Seien Sie unbesorgt. Niemand wird Ihnen etwas tun." Seine freundlicher, verständnisvoller Tonfall ließ etwas in ihr zerbrechen. Tränen liefen ihr über das Gesicht, sie hatte nicht mehr genug Kraft und Stolz, sie zurückzuhalten. „Entschuldigen Sie, Sarek. Ich hatte mir fest vorgenommen, Ihnen das nicht noch einmal anzutun", brachte sie unter Tränen hervor.

„Der Anlass ist Grund genug. Jetzt gehen Sie schlafen. Ich werde ganz in der Nähe bleiben. Sie sind vollkommen sicher." Sarek schlug die Bettdecke zurück und half ihr, sich hinzulegen. Dann nahm er auf der Bettkante Platz und strich die Decke glatt.

Die junge Frau sah ihn beinah flehend an. „Sarek, würde es Ihnen sehr viel ausmachen..." Sie brach ab, nicht sicher, ob sie fortfahren sollte. Auf Sareks aufmunterndes Nicken hin, sprach sie weiter. So leise und so hastig, dass selbst der Vulkanier mit seinem scharfen Gehör Schwierigkeiten hatte, sie zu verstehen. Er beugte sich ein wenig vor. „Ich hoffe, ich trete Ihnen nicht zu nah. Und wenn doch, dann betrachten Sie die Frage als nicht gestellt. Aber könnten Sie mich einen Moment festhalten? Wirklich nur einen Moment, bis ich eingeschlafen bin."

Zum ersten Mal in seinem Leben lächelte der hochgewachsene Diplomat ganz offen. „Passende Gelegenheiten", murmelte er halblaut. Dann aber bedeutete er der jungen Frau mit einem kurzen Wink, ein Stück zur Seite zu rutschen. Anfangs hielt er sie ein wenig befangen im Arm. Doch als bald darauf ihre regelmäßigen Atemzüge verrieten, dass sie eingeschlafen war, blieb er an ihrer Seite liegen. Und nicht viel später glitt auch der Vulkanier in einen tiefen erholsamen Schlaf.

So das war´s fürs erste: irgendwelche Ideen, ob - und wenn ja, wie - es weiter gehen soll?