Eine Nacht in einem Jahr
Kapitel 1
Derlei Tage hasste er zutiefst.
Tage, die bereits in aller Frühe mit Terminen begannen, deren Teilnehmer zuhöchst unzufrieden und leidlich waren, und nur darauf aus waren, mit ihren Beschwerden und ihrem Genörgel seine kostbare Zeit zu stehlen. Tage, an denen er froh sein konnte, wenn sein Lunch noch nicht unter die Zimmertemperatur gerutscht war, bevor er, zumeist hastig und in aller Eile, ein paar Bissen zu sich nehmen konnte. Tage, die einfach nicht enden wollten und sich zäh mit Terminen bis spät in den Abend hineinzogen, so dass er gegen Mitternacht wahrlich überlegte, ob er tatsächlich nachhause fliegen sollte, oder doch einfach in die angrenzende Suite hinübergehen könnte, um dort tot ins Relaxabett zu fallen, in der Hoffnung nach ein paar kostbaren Minuten Schlaf.
Derlei Tage traten nicht einzeln, sondern in der Regel geballt auf und ihre Wiederholung häufte sich seit einigen Monaten zusehens.
Mit dem Amt des Obersten Kanzlers waren natürlich vielfältige Aufgaben verbunden. Allerdings nahm seit geraumer Zeit niemand auch nur ansatzweise Rücksicht auf ein etwaiges Privatleben seinerseits.
Er war unverheiratet und offiziell nicht liiert. Diese Information reichte den meisten Senatoren und Bittstellern aus, um ihn auch am späten Abend oder gar am Wochenende zu stören. Nicht einmal in der Oper oder im Theater konnte er in Ruhe die Vorstellung genießen.
Neulich abend hatte er Sate Pestage, seinen Berater und Privatsekretär gebeten, ihm den Rücken freizuhalten, da sein Alterego Darth Sidious, angeblich, wichtige Gespräche zu führen hatte. Dann war er hinab in das Kommunikationszentrum tief unten in Republica 500 gefahren und hatte sich dort mit einem Sessel in eine Ecke zurückgezogen, wo er kurz darauf in einen kurzen, erholsamen Schlaf gefallen war. Zumindest solange, bis Pestage ihn via Com daran erinnert hatte, dass er noch eine Verabredung mit den Senatoren Organa und Moe zum Dinner habe.
Heute war ein vergleichsweise ruhiger Tag. Er hatte sogar Chancen, noch bei Tageslicht in seiner Residenz anzukommen; eine perfekte Gelegenheit für einen kleinen Spaziergang durch seinen Garten. Es gab nicht viele private Gärten auf Coruscant und er hatte vor einigen Jahren das unsagbare Glück gehabt, eine weitläufige Wohung inklusive Garten in Republica 500 zu ergattern. Sein Vormieter, ein Medienmogul, hatte den Freitod gewählt, da er in irgendwelche dubiosen Geschäfte verwickelt gewesen war, die ihm letztlich Ansehen, Geld und dann das Leben gekostet hatten.
Natürlich war der Garten nicht mit dem Garten seines Stadthauses in Theed auf Naboo vergleichbar, aber er genoß gerne diese Oase der vorgetäuschten Ruhe inmitten des unruhigen Stadtgewimmels.
Er warf einen Blick zur Uhr. Sein Herz machte unfreiwillig einen kleinen Sprung der Vorfreude.
Noch ein Termin! Nur noch ein einziger Termin trennte ihn von seinem Spaziergang im Garten und ein paar ruhigen Momenten ganz für sich allein, ohne „Kanzler hier" und „Kanzler da".
Er erwartete die neue Senatorin von Naboo, seinem Heimatplaneten.
Senatorin Padme Amidala, ehemals Königin von Naboo.
Die junge Frau hatte nach Beendigung ihrer zweiten Amtsperiode diverse Weiterbildungsmaßnahmen in der interplanetaren Politik belegt und war infolge dessen schließlich von der neuen Königin zur Senatorin ernannt worden. Mit knapp 22 Jahren. Er selbst war bei seiner Ernennung jenseits der 30 gewesen und hatte Erfahrung als Assistänt von Senator Kim mitgebracht, dessen Nachfolge er angetreten hatte. Padme Amidala betrat mehr oder weniger jungfräulich die Kampfarena des Senats.
Es gab Geschichten, die berichteten, wie blutige Neulinge von anderen Senatoren bei ihrer Eingangsrede oder bei ihren ersten Diskussionsbeiträgen verbal in Stücke gerissen wurden.
Pestage meldete just in diesem Moment die Senatorin an.
„Schick' sie herein, Sate", langsam erhob er sich von seinem Sessel und wandte seinen Blick aus dem Fenster auf das spätnachmittagliche Coruscant. Anhand des vermehrten Verkehrsaufkommens, schätzte er, dass die Rushhour bereits eingesetzt haben musste.
Wie lange war es jetzt her, dass er Amidala nicht persönlich gesehen hatte? Sie hatten sich aus den Augen verloren, kurzzeitig, nachdem sie aus dem Amt der Königin geschieden war. Fast vier Jahre? Eine lange Zeit...
Eine junge, wohltonierte Stimme riß ihn aus seinen Gedanken.
„Guten Abend, Oberster Kanzler."
„Ich freue mich, Euch hier auf Coruscant begrüßen zu dürfen, Senatorin Amidala."
Als er sich zu ihr drehte, erstarrte er. Aus dem Mädchen schien in den letzten Jahren eine junge Frau herangereift zu sein. Eine erwachsene Frau, und eine Schönheit noch dazu. Sie hatte ihre Naivität verloren, zumindest wies nichts Äußeres mehr darauf hin.
Palpatine hatte nicht mit solch einer Erscheinung gerechnet. Für ihn war Padme Amidala nochimmer die junge Königin von Naboo; er hatte die verflogene Zeit gänzlich vergessen.
