Routine
Ein schwarzes Auto fuhr vor dem Haus vor. Um das zu erkennen, brauchte er nicht einmal von seinem Angestammten Platz, seinem Lieblings Sessel, aufstehen. Keine Sekunde später erklang das Läuten der Türklingel.
Was für eine typische und langweilige Routine.
Das Geräusch von Schritten drang in seine Ohren. Sie kam die Treppe hoch und würde gleich die Tür öffnen um ihn aus seiner Langeweile zu reißen.
Nicht wirklich interessant.
Mit einem leisen Krachen öffnete sich wirklich die Tür. Ganz sachte, als wolle sie ihn nicht bei einem seiner Experimente stören, denen er sonst immer nach ging wenn ihm langweilig war. Sie wusste, dass es ihm gerade so erging.
Wie freundlich von ihr!
„Mr. Holmes?"
Der Angesprochene reagierte nicht. Hatte keine Lust dazu und sie wusste warum. Er konnte, auch wenn er ein Holmes war, so berechenbar sein, wenn er denn nur wollte. Ein kleines Lächeln erschien auf ihren Lippen.
„Ja, natürlich. Entschuldigen Sie, das hatte ich ganz vergessen. Sherlock!"
Nun lächelte auch ein. Sein Lächeln sah so ganz anders aus als ihres. Ehr wie ein zufriedenes Grinsen. Ähnlich das eines Kindes, das seinen Willen bekommen hatte.
Das war ihr kleines Spiel, was sie trieben, wenn sie sich sahen. Daran hatte sie Spaß und wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass auch ihm es irgendwie amüsierte.
Endlich schaute er auf.
Noch immer lächelte sie ihn an. Ah, natürlich. Das hatte er fast vergessen!
„Guten Abend Anthea. Wie ich sehe ruft mein Bruder wieder nach mir. Dann werde ich wohl wieder springen müssen."
Ihr Lächeln wurde breiter, sanfter und liebevoller. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er es nicht wirklich ernst meinte. Wie immer wollte er ihr nur dieses eine Lächeln entlocken.
Auch ein Sherlock Holmes hatte seine eigene kleine Routine, in bestimmten Dingen.
„Sie müssen nichts, es ist nur eine Bitte, der Sie nachkommen sollen. Mehr nicht."
Eine Augenbraue hob sich. Zeigte, auf dem sonst so emotionslosen Gesicht eine kleine Regung.
Verwirrung.
„Und wenn ich nicht will, kommt er persönlich vorbei um mir eine Predigt zu halten?"
Auf diese Frage brauchte er keine Antwort. Es lang alles klar auf der Hand, das konnte er an ihrem, nun noch breitem, Lächeln ablesen.
Mit einem lauten Seufzten stand er auf. Streckte die langen Glieder, wie eine Katze es gerne tat. Fuhr sich mit einer Hand, durch sein ohnehin schon chaotisches Haare. Hatte er etwa schon wieder dort Stunden lang gesessen ohne etwas zu essen, fragte sie sich. Doch sagte nichts dazu. Sie musste ihn nicht fragen. Es war natürlich alles klar.
Das Lächeln auf ihren Lippen verschwand und sie wandte sich ihrem Black Berry zu.
Immerhin war ihm jetzt nicht mehr langweilig. Vielleicht hatte sein Bruder etwas Interessantes für ihn! Sollte er fragen?
Ein schwaches Grinsen erschien auf seinen Lippen. Ja, das könnte interessant werden. Fast schon lustig.
„Was will er von mir?"
Sie wandte ihren Blick von ihrem Handy ab.
Er stand direkt vor ihr. So nah, das es fast wie ein versehen wirkte, das er ihr so nah kam. Sie konnte die Zigaretten riechen, die er wahrscheinlich erst vor ein paar Minuten geraucht hatte. Sein Gesicht war nach vorne gebeugt, das er ihr genau in die Augen schauen konnte. Seine Hände, typisch für ihn, in seinen Jackentaschen verstaut.
Brach er etwa gerade durch seine Routine?
„Das müssen Sie ihn fragen. Ich bin nur seine Assistentin, nicht seine Postbotin!"
Mit seiner Antwort darauf, wartete er ab. Nutzte die Chance um ihre Anwesenheit zu genießen.
Wer brauchte schon Routine?
Ein kurzer Luftzug. Der Geruch ihres Perfumes stieg ihm in die Nase.
„Rosen?"
Ihre großen dunklen Augen leuchteten kurz auf. Sollte das etwa ein Zeichen sein? Eine stille Zustimmung, für das durchbrechen von Routine und Langeweile? Sie war nun mal auch nur eine einfache Frau. Doch das störte ihn nicht.
„Ja und Lilien."
Das Lächeln war wieder da. Dieses Mal sogar noch liebevoller als vorher. Fast schon ein Grinsen. Oh ja, was liebten sie dieses Spiel. So einfach und doch so verführerisch.
„Dann will ich mal nicht so sein."
Eigentlich wollte er sich umdrehen. Schuhe suchen, Mantel und Schal anziehen Doch wieder zurück in die Routine verfallen. Das Spiel war zu verlockend für ihn, daher musste er aufhören, konnte es jedoch nicht.
Etwas hielt ihn jedoch zurück. Dieser Drang ihr weiches Haar zu berühren, ihre zarte Haut unter seinen Fingern zu spüren.
Nur für einen Moment.
Ihre Lippen.
„Sherlock, Routine!"
Immer diese Spielverderber. Dabei war es fast interessant geworden. Aber was muss das musste nun mal.
„Routine ist langweilig!"
