### An dieser Stelle ein Dank an alle unsere Leser und HAPPY NEW YEAR!!!

Allen, die für das letzte Kapitel zu „Kreuzwege" noch reviewt haben, ein ganz besonderes Danke! Ihr seid der beste Ansporn! Macht weiter so im neuen Jahr!!!

*** Black Pearl: Danke für deine Komplimente! Wir haben schon versucht, schlüssig zu schreiben und jede Kleinigkeit von verschiedenen Seiten zu betrachten, um keine Logikfehler zu fabrizieren. Natürlich sind auch wir nur Menschen und keine Elben und somit nicht perfekt *grins*. Aber wir tun unser Bestes. Bei unserem letzten Telefonat haben wir beispielsweise fast 3 Stunden über die nächste Story geredet, bis wir endlich den richtigen Weg für unsere Jungs gefunden hatten...

*** hoellenwauwau: Ja, ja, wärst du gleich vom ersten Kapitel an dran geblieben, hättest du dir nicht die Nacht um die Ohren schlagen müssen! *grins* Hey, bei manchen Storys wünschten wir uns allerdings auch, wir hätten mit dem Lesen gewartet, bis alle Kapitel vorhanden wären. Dann müssten wir nicht unvollendeten Storys nachweinen, von denen wir nie wissen werden, wie sie enden...

*** Evala: Wir sind sozusagen Betaleser auf Gegenseitigkeit. Das ist das Schöne, wenn man zu zweit schreibt. Jeder korrigiert den Teil des anderen. Freut uns, dass wir dir keinen Grund zum Kopfschütteln gegeben haben!

*** Nili: Tja, Romanzen wird es bei uns bis auf weiteres nicht geben. Vielleicht versuchen wir uns mal an einer Story mit etwas größerem Kuschelfaktor, wenn ihr versteht, was wir meinen. Aber diese Story wird dann außerhalb unserer Serie stehen, die kein Slash enthalten wird. Du wünschst dir also, dass wir Legolas und Aragorn etwas härter rannehmen??? Das lässt sich machen. Wir werden in der dritten Story versuchen, diesbezüglich etwas aufzudrehen!

*** Kadda: Arwen wird vorerst nicht in unseren Storys auftauchen. Die Anhänge haben wir auch schon studiert und uns unsere Köpfe zerbrochen. Wir sind in unseren Geschichten einfach mal davon ausgegangen, dass Arwen und Aragorn sich zwar schon kennengelernt, aber sich noch nicht so richtig ineinander verliebt haben und Arwen somit zur Zeit keine Erwähnung in den Storys bedarf. Steht ja nirgendwo geschrieben, dass es Liebe auf den ersten Blick gewesen ist, oder?! Vielleicht brauchen wir Arwen irgendwann doch, damit eine Story funktioniert. Es ist alles möglich!

*** Mira Meliandra: Danke für den Tipp. Beim nächsten Besuch im CD-Shop werden wir mal in eine CD von Qntal reinhören. Musiktipps gegenüber sind wir stets aufgeschlossen. Wir brauchen schließlich gute Hintergrundmusik zum Schreiben!


### Seid ihr hungrig auf neue Abenteuer? Wollt ihr mehr über Aragorns und Legolas' vergessene Abenteuer lesen? Dann haltet euch fest und ab geht's! Reviewt bitte, wenn es Euch gefällt! Jede Review ist Ambrosia für unsere (arg verwöhnten und unglaublich empfindlichen) Musen!

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Hauch des Lebens

von:
ManuKu und Salara

FanFiction zu anderen Serien und genehmigte FanFic Übersetzungen findet ihr auf:
http://mitglied.lycos.de/manuku/

Disclaimer:
Die bekannten Charaktere gehören nicht uns, sondern Tolkien. Wir ließen uns lediglich von seiner Phantasie inspirieren.

Anmerkung: Wir wissen, dass Aragorn laut Tolkien Arwen schon kennengelernt hat. Doch in unseren Geschichten wird Arwen vorerst keine Rolle spielen. Sorry an alle Arwen und Romantik-Fans!!! Wir schreiben zwar KEINE Slash-Stories, aber Frauen haben in unseren Geschichten trotzdem nicht viel verloren (dafür sind wir viel zu eifersüchtig).
vorhergehende Storys in dieser Serie:
Kreuzwege
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~TEIL 1~

Aragorn sah den Ausdruck auf Legolas' Gesicht und hoffte verzweifelt, dass dies alles nicht wirklich geschah. Der Elbe schaute ihn überrascht und ungläubig an. Der Blick des Menschen glitt hinab zu Legolas' Brust und auf den Pfeil, der sich dort durch den silbrigen Stoff seiner Tunika gebohrt hatte und das Gewebe mit einem schnell größer werdenden roten Fleck entstellte. Das gleiche Rot glänzte nass an der Pfeilspitze.

„Nein..."

Aragorn wusste nicht, ob er geflüstert oder geschrieen hatte, doch als stünde er unter einem Bann, musste er mitansehen, wie sein Freund ihn hilflos anstarrte, ehe er unwirklich langsam zu Boden fiel.

„Legolas!"

Plötzlich vermochte er sich wieder zu bewegen und so lief er schnell zu seinem Freund und fiel neben ihm auf die Knie. Der Elbe sah bleich aus und alles Leben schien bereits aus ihm gewichen zu sein. Verzweifelt suchte Aragorn nach einem Puls, doch er fand keinen.

„Das kann nicht sein..." Aragorn war fassungslos.

Legolas lag reglos im Gras und die Welt um sie beide herum schien erbarmungslos unbeeindruckt von diesem schrecklichen Ereignis zu sein. Schließlich ergriff er die Hand des Elben und presste sie an sein Herz.

„Ich werde dich nie vergessen, Legolas, mein Freund!" flüsterte er und tat dann etwas, was er schon seit einigen Jahren nicht mehr getan hatte.

Er weinte...

***

Elladan war im Begriff, nach unten in die Halle zu gehen, um zu frühstücken. Der Rest seiner Familie war bestimmt schon anwesend, nur er kam wie immer zu spät. Als er am Zimmer seines menschlichen Bruders vorbeiging, hörte er ein schwaches Geräusch. Er blieb stehen.

War Estel etwa auch noch nicht beim Frühstück?

Elladan klopfte leise an die Tür und trat ein, als er keine Antwort erhielt. Sein menschlicher Bruder lag noch im Bett und Elladan entschied sich, sich diskret wieder zurückzuziehen. Es war für Aragorn zwar ungewöhnlich, dass er so lange schlief, doch manchmal brauchten die Menschen eben längere Erholungsphasen als die Elben.

Plötzlich hörte er einen gequälten Laut. Überrascht blieb er stehen, warf einen Blick zurück und trat schließlich näher an Estels Bett heran, um seinen Bruder besorgt zu betrachten.

Estel warf den Kopf unruhig von einer Seite auf die andere und auf seiner Stirn glänzte ein leichter Schweißfilm. Was Elladan jedoch am meisten beunruhigte waren die Tränen, die dem Menschen langsam übers Gesicht liefen. Er schien in einem Albtraum fest zu stecken.

Elladan überlegte nicht lange, sondern berührte Estel an der Schulter und schüttelte ihn sacht.

Der Mensch war augenblicklich wach, so als hätte er nur darauf gewartet, aus diesem Traum erlöst zu werden. Er schreckte hoch und griff dabei nach dem Arm, der ihn festhielt. Als würde sein Leben davon abhängen, klammerte er sich an Elladan.

„Legolas!" Aragorn, noch in den Fängen seines Traumes gefangen, schien ihn nicht zu erkennen.

„Ganz ruhig, Estel," versuchte Elladan ihn mit sanfter Stimme zu beschwichtigen. „Ich bin's, Elladan, dein Bruder. Wach auf."

Endlich schien er zu ihm durchzudringen, denn Estel sah ihn verwundert an, während sein Bewusstsein langsam in die Wirklichkeit zurückkehrte.

„Ich muss wohl schlecht geträumt haben," murmelte er, ließ seinen Bruder los, schlug die zerwühlte Bettdecke zurück und setzte sich auf die Kante seines Bettes. Im nächsten Augenblick verbarg er sein Gesicht kurz in den Handflächen, als er sich an jedes Detail seines Traumes erinnerte.

Es war nur ein Traum, versuchte sich Aragorn zu beruhigen und schüttelte den Kopf, um den Albtraum hinter sich zu lassen. Dann sah er seinen Bruder an.

„Alles in Ordnung?" fragte Elladan, der immer noch besorgt aussah.

„Hey, darf ein einfacher Mensch in diesen Räumen denn nicht einmal einen Albtraum haben?" grummelte er müde und stand auf.

Elladan erkannte, dass Estel über den Traum nicht reden wollte, und versuchte die Stimmung etwas zu lockern.

„Natürlich, ein einfacher Mensch wie du darf alles in diesem Haus. Du kannst Albträume haben, soviel du willst. Du darfst dich auch im Dunkeln vor dem Monster unter dem Bett fürchten. Selbst wenn du noch ins Bett machst, würde uns das nicht wundern. Schließlich bist du nach elbischen Maßstäben noch ein Kind..." Elladan kam nicht weiter, denn ein Kissen landete direkt in seinem Gesicht und ließ ihn nach hinten stolpern.

„Raus aus meinem Zimmer." Aragorn lachte und Elladan sah, dass ein Teil des dunklen Traums schon von ihm abgefallen war und seinen Schrecken verloren hatte. Erleichtert wandte er sich ab und verließ das Zimmer seines Bruders, der ihm nachsah und sich dann die Augen rieb.

'Es war doch nur ein Traum...'

***

Der Elbe näherte sich lautlos dem Thronsaal. Seine linke Hand hielt eine Fackel, die das Dunkel des schmalen Ganges erhellte, während die rechte den Bogen umklammerte, der für ihn zu einem Anker geworden war. Dieser Anker würde ihn daran erinnern, sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. König Thranduil durfte nicht weiterleben, während er selbst vor Kummer langsam dem Wahnsinn verfiel und keinen anderen klaren Gedanken mehr fassen konnte als einzig und allein den der Rache. Der König von Düsterwald musste sterben!

Der Geheimgang, durch den er gerade zum Thronsaal schlich, war staubig und lange nicht mehr genutzt worden. Nur wenige kannten noch die Zugänge zu den versteckten Kammern und Gängen, die – anders als die sonst eher luftigen, fragil wirkenden Bauten von Elben – massiv waren und sich beinahe durch den gesamten Komplex des Königssitzes zogen. Dank des Spions, dem er diese Information verdankte, konnte er alle Wachen meiden, die ihn sonst auf dem Weg zum König aufgehalten und nach seinem Begehren gefragt hätten. Er wollte gar nicht wissen, woher sein Informant sein Wissen hatte. Das war nicht mehr wichtig.

Erneut fühlte er den düsteren Schatten, der nach seiner Seele verlangte und seinen Geist verdunkelte. So nah war er seinem Ziel, dass das Herz in seiner Brust zu zerspringen drohte und die Hände, die den Bogen hielten, zitterten. Um sich zu sammeln, blieb er schließlich stehen.

Er hätte nicht gedacht, dass es ihm so schwer fallen würde, sich zu beherrschen. Am liebsten wäre er schreiend in die königlichen Hallen gerannt und hätte jeden, der sich ihm in den Weg gestellt hätte, niedergemacht. Doch der direkte Weg blieb ihm versperrt, das wusste er trotz seines verwirrten Geistes noch.

Thranduil indirekt zu treffen und seinen Sohn Legolas zu entführen, ohne das er je erfahren hätte, was aus ihm geworden wäre, hatte zu seinem Bedauern nicht funktioniert. Die Zwerge, die er für diesen Fall angeheuert hatte, hatten versagt. Sie waren Verstoßene ihres Volkes gewesen, die skrupellosesten Langbärte, die er finden konnte. Sie hatten ihr Schlechtestes gegeben, doch letztendlich waren sie einfach zu gut gewesen, um wirklich schlecht zu sein. So sehr sie Elben auch verachten mochten – so etwas lag einfach nicht in ihrer Art. Ihnen fehlte die richtige Motivation!

Der Griff des Elben um seinen Bogen wurde wieder fester. Er musste die Sache nun also selber in die Hand nehmen. Im Grunde hatte er es sich immer gewünscht. Es war das einzig Richtige! König Thranduil und sein Schicksal waren seit Jahrtausenden miteinander verbunden.

'Hier und heute werde ich diese Verbindung zerreißen!'

***

Legolas saß nun schon seit Stunden in der königlichen Bibliothek und durchforstete die schweren alten Bücher nach einem Hinweis auf das Zeichen, das er in Rivars Hütte gesehen hatte. Vielleicht konnte er so den Fremden wiederfinden. Legolas hasste ungelöste Rätsel und dieser fremde Mensch war genau das – ein absolutes Rätsel. Es war eine Herausforderung für den Prinzen von Düsterwald, es zu lösen.

Vor ihm lag die Zeichnung, die er noch in Bruchtal angefertigt hatte, bevor er eine Woche später wieder nach Düsterwald aufgebrochen war. Er studierte sie ein weiteres Mal, obgleich er sie mittlerweile schon im Schlaf hätte anfertigen können.

In einem rot schattierten runden Zeichen führten vier geschlängelte Wege noch oben und trafen sich in einem gemeinsamen Pfad. Unterhalb eines großen Sterns prangten rechts und links dieser Wege insgesamt sechs kleinere Sterne. Die Sterne erinnerten Legolas an Wurfsterne, wie er sie mal bei den Menschen gesehen hatte. Trotzdem wirkte das Symbol nicht kriegerisch. Es erschien vielmehr wie die Versinnbildlichung eines friedlichen und kraftvollen Willens...

„Entschuldigt die Störung, mein Prinz."

Die Stimme eines Dieners riss Legolas aus seinen Gedanken. Er sah auf. „Was gibt es?"

„Euer Vater wünscht Euch im Thronsaal zu sehen."

Legolas runzelte die Stirn. „Hat er gesagt, um was es geht?"

„Nein, mein Prinz." Der Diener verneigte sich würdevoll und zog sich zurück.

Leicht missmutig schob der Elbe den Wälzer, den er gerade durchgesehen hatte, auf das schmale Tischchen und legte die Zeichnung zwischen die offenen Seiten, dann schlug er das Buch zu und erhob sich. Was auch immer sein Vater von ihm wollte – es würde vielleicht  nicht so lange dauern, und dann konnte er die Suche an dieser Stelle wieder aufnehmen.

Mit einem Achselzucken wandte er sich ab, durchquerte mit leichten Schritten die Bibliothek und trat auf den Wandelgang hinaus, der ihn an seinem Ende direkt zum Thronsaal führen würde.

***

Der Elbe war endlich am Ende des geheimen Ganges angekommen. Er steckte die Fackel in eine Halterung an der Wand, dann suchte er sorgfältig nach dem Mechanismus, der die geheime Tür zum Thronsaal öffnete. Er war sich ganz sicher, dass Thranduil in Moment dort war. Das war an jedem Tag um diese Zeit der Fall – eine Angewohnheit, die jeder kannte, der sich eine Weile in der Nähe des Herrschers aufhielt. Der König von Düsterwald zählte zu den ältesten Elben in Mittelerde, und die Ewigkeit der zurückliegenden Jahrtausende hatten ihm den Stempel fester Tagesgewohnheiten aufgeprägt.

'Es ist gut, sich doch immer noch auf etwas verlassen zu können...'  

Wäre der Elbe in diesem Moment beobachtet worden, so hätte man Zorn und Trauer wie die Vorboten des Unheils in seinem Antlitz entdecken können. Er war jedoch allein, und er hatte gelernt, diese Einsamkeit als seinen besten Verbündeten zu schätzen.

Wie lange schon hatte sich sein Informant in Thranduils unmittelbarer Umgebung aufgehalten, hatte ihn beobachtet, seine Gewohnheiten studiert, in Gesprächen mit ihm dessen Denkmuster erkundet? Der Elbe war dankbar für diese Informationen, ermöglichten sie ihm jetzt doch seine Rache. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor – insbesondere seit jenem Tag, an dem seine über alles geliebte Schwester vor Gram über die Zurückweisung des Königs gestorben war. Es war allein Thranduils Schuld und jetzt sollte er dafür bezahlen!

Nach einigem Hin- und Hertasten fand er schließlich den schmalen Riegel, von dem sein Informant gesprochen hatte.

Er nahm seinen Bogen, legte den Pfeil, den er extra für diesen Moment vorbereitet hatte, an die Sehne und hielt ihn dort mit der Bogenhand fest, während die andere nach einem letzten, angespannten Durchatmen schließlich vorsichtig den Riegel zurückschob.

Als die dünne Steinplatte, der gegenüber er sich aufgebaut hatte, kurz darauf beinahe unhörbar einen Spalt breit nach innen aufschwang, musste der Elbe sich sehr zusammennehmen, um sein stärker werdendes Triumphgefühl nicht laut werden zu lassen. In seinem Inneren jedoch tobte eine Vorfreude, die er kaum noch zügeln konnte. Lediglich die Furcht, dass dieser eine, so sorgsam präparierte Pfeil durch seine Aufregung das Ziel – Thranduil – verfehlen könnte, ließ ihn sich auch weiterhin noch konzentrieren.

Mit der noch freien Hand schob er die Platte ein kleines Stück weiter nach innen, dann presste er sich an die so entstandene Lücke und spähte vorsichtig in den Thronsaal.

'Na bitte, ich wusste es doch...'

Selbst seine Gedanken waren von der Erregung gefärbt, die ihn beim Anblick Thranduils erfasste.

Der König von Düsterwald stand an einem der seitlichen Fenster, hatte sich mit einer Schulter gegen den geschwungenen Rahmen gelehnt und sah ins Freie, wobei er dem im Versteck stehenden Elben den Rücken zuwandte.

'Eine bessere Gelegenheit kann ich mir gar nicht wünschen,' dachte der Elbe erfreut und zwängte sich durch den entstandenen Spalt. Der Ausgang des Geheimgangs befand sich in einer versteckten Ecke des Thronsaales. Trotzdem hätten die feinen Sinne eines Elben die Geräusche vernehmen können, die beim Öffnen des Geheimganges entstanden. Doch Thranduil war durch irgendetwas abgelenkt und sah weiter nach draußen.

Der Attentäter hatte sein Ziel bereits fest im Blick, als sich die Tür zum Thronsaal unvermittelt öffnete. Der Elbe zuckte zusammen. 'Nicht jetzt...'

***

„Guten Morgen, Vater."

Legolas betrat den Thronsaal ohne besondere Aufforderung. Ihm stand neben seinem Vater als Kronprinz dieses Privileg zu und der junge Elbe nutzte es auch.

„Komm herein, mein Sohn."

Thranduil wandte ihm kurz den Kopf zu und winkte ihn näher zu sich heran, sah dann jedoch wieder nachdenklich aus dem Fenster. Ohne die geringste Ahnung zu haben, wieso die Stimmung seines Vaters so bedrückt zu sein schien, setzte Legolas sich wieder in Bewegung und ging auf ihn zu.

***

'Ja, gut so... Noch einen Moment...'

Der Elbe war entschlossen, seinen Plan trotzdem auszuführen. Dass sich der Prinz ausgerechnet in diesem Augenblick hier aufhalten musste, war wohl Schicksal. Sollte er den Anschlag auf seinen Vaters ruhig mitansehen – und sollte sich dieser mit der Erinnerung an das Entsetzen im Gesicht seines Sohnes den Tod schon bald inständig herbeiwünschen...

Er hob den Bogen, zog den Pfeil zurück und visierte sein Ziel ein weiteres Mal an.

***

Legolas hatte seinen Vater fast erreicht. Nur eine Armeslänge trennte sie noch.

Es war genau dieser Moment, in welchem Legolas aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm.

Noch im Laufen drehte er seinen Kopf, um einen genaueren Blick in diese Richtung zu werfen – und sah den gespannten Bogen mit dem Pfeil, dessen Spitze auf den Rücken seines Vaters gerichtet war.

Die Fassungslosigkeit, in die ihn dieser Anblick stürzte, dauerte gerade lange genug, damit sein Verstand registrieren konnte, dass es Damodin, ein entfernter Verwandter, war, der auf Thranduil zielte.

Legolas' Gedanken begannen zu rasen und innerhalb eines Herzschlages wusste der Prinz, dass ihm nicht mehr genug Zeit blieb, seinen ahnungslosen Vater zu warnen. Bis dieser ihn begriffen und sich aus der Schusslinie gebracht hatte, war es längst zu spät.

Rein instinktiv warf er sich nach vorn, um den Rücken seines Vaters mit seinem Körper zu schützen – in eben jenem Moment, in dem der Pfeil sich von der Sehne löste und mit kalkulierter Präzision sein Ziel ansteuerte.

Wie in Zeitlupe sah Legolas, dass die Heftigkeit seiner Vorwärtsbewegung seinen Vater nach vorn und damit aus der Schussrichtung beförderte und für den Bruchteil einer Sekunde empfand der junge Prinz noch so etwas wie Freude über das Gelingen seines Plans.

Dann, im nächsten Moment, waren alle Gedanken und selbst seine Empfindungen wie ausgelöscht, als der brennendste Schmerz, den er je gespürt hatte, sich von seinem Rücken her rasend schnell durch seinen Körper ausbreitete und alles überlagerte.

Er wollte schmerzgepeinigt aufschreien, doch eine eiserne Faust schien Legolas die Kehle zusammenzudrücken. Nicht mehr als ein leises Röcheln entrang sich ihm, als er den Blick schließlich senkte und mit verständnislosen Augen auf die Pfeilspitze starrte, die durch den sich schnell rötlich färbenden hellblauen Stoff seiner Tunika aus seiner Schulter ragte.

Im nächsten Augenblick spürte er, wie seine Beine unter ihm nachgaben.

Die Welt, begann sich langsam und erbarmungslos um ihn herum zu drehen. Der Malstrom, der ihn in seine Mitte zog, schob zuerst das entsetzte Gesicht seines Vaters an ihm vorbei, der sich soeben zu ihm umwandte, ersetzte es dann durch die prunkvolle Wandtäfelung des Thronsaales, um zuletzt wie zum Abschied den beinahe wolkenlosen blauen Himmel in sein Sichtfeld zu bringen.

Mit dem sonnenüberglänzten Himmel vor Augen fiel Legolas und spürte nicht mehr, wie er kurz darauf auf dem Boden aufschlug. Er registrierte nur, dass die Welt um ihn herum endlich zum Stillstand kam und anscheinend bereit war, seinem Körper jenen stillen Frieden zu gewähren, in dem sich sein Verstand bereits verlor. Mit der Verwunderung, wie still es noch immer war, trieb Legolas' Bewusstsein schließlich in die Dunkelheit.

***

Der Stoß, der den in Gedanken verlorene Thranduil unvermittelt nach vorn beförderte, kam für den König völlig überraschend.

„Was...?"

Ein wenig ärgerlich drehte er sich zu seinem Sohn um, doch das Bild, das sich ihm bot, war zu schrecklich, um sofort von seinem Verstand begriffen zu werden.

„Legolas?"

Sein Sohn lag am Boden und aus seiner Schulter ragte ein Pfeil. Ungläubig sah Thranduil sich um und entdeckte Damodin, einen entfernten Cousin, der in der dunkelsten Ecke des Thronsaales stand und mit dem Ausdruck völligen Unglaubens auf die sich ihm bietende Szenerie starrte. Das gab dem König Gelegenheit, rasch zu reagieren. Er rief nach den Wachen, die auch sofort den Saal betraten.

Thranduil wies auf Damodin, der immer noch wie erstarrt in der Ecke stand und das Scheitern seines Angriffs nicht fassen konnte.

Er hatte nur diesen einen Pfeil vorbereitet und geglaubt, er wäre ausreichend, um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Seit dem Tod seiner Schwester hatte er ihn bei sich getragen und immer wieder von jenem Augenblick geträumt, in dem er Thranduil Verderben bringen würde. Nun, wo sich das Schicksal erneut gegen ihn verschworen zu haben schien, wünschte er sich jedoch, er hätte einen ganzen Köcher dieser Pfeile. Noch während sein zorniger Blick auf der am Boden liegenden Gestalt des Prinzen ruhte, malte Damodin sich aus, wie er mit jener den Elben eigenen Schnelligkeit einen Pfeil nach dem anderen auf seinen verhassten Verwandten abgeschossen hätte...

'Zu spät!'

„Ergreift ihn!"

Thranduils Stimme drang nur langsam zu ihm vor und das gab den Wachen ausreichend Zeit, blitzschnell zu reagieren und Damodin zu überwältigen. Viel zu spät fiel dessen Erstarrung nun von ihm ab und ein Teil von ihm wusste, dass es vergeblich sein würde, sich zu wehren. Er tat es dennoch, gewillt, sich so teuer wie möglich zu verkaufen. Niemand bemerkte in dem nun entstehenden Tumult, dass es Damodin gelang, sich die Scherbe einer bei der Rangelei zu Bruch gehenden Vase in die Ärmelmanschette seiner Tunika zu schieben. Kurz darauf kamen weitere Wachen hinzu und zwangen den Rasenden schließlich zu Boden.

„Bringt ihn..."

Thranduil verstummte unvermittelt. '...in den Kerker', hatte er sagen wollen, doch noch ehe ihm die Worte entschlüpfen konnten, verwarf er sie auch schon wieder. Bei allem, was Damodin getan hatte, durfte Thranduil nicht vergessen, dass er hier einen – wenn auch entfernten – Blutsverwandten vor sich hatte.

'Königliches Blut in den Verliesen von Düsterwald? Niemals!'

Er streifte den nun heftig keuchenden Elben mit einem unheilverkündenden Blick.

„Bringt ihn in meine privaten Gemächer, bewacht ihn und sorgt dafür, dass er kein Unheil mehr anrichten kann. Ich rede später mit ihm."

Thranduil achtete nicht weiter darauf, ob die Wachen seine Anordnungen befolgten, sondern wandte sich wieder seinem Sohn zu. Der Anblick seines blutenden Körpers zerriss ihm fast das Herz und mit der Langsamkeit eines Vaters, der begreifen muss, dass er sein Kind nicht beschützen konnte, kniete er sich schließlich neben ihn. Als er das Rot sah, das Legolas' Kleidung immer dunkler färbte, fühlte er sich plötzlich unsagbar hilflos.

„Holt meine Heiler! Schnell!" schrie er den herbeilaufenden Dienern zu. Dann nahm er seinen Sohn vorsichtig in den Arm, drehte ihn auf die Seite und betrachtete die Wunde. Als Legolas zu Boden gegangen und auf den Rücken gefallen war, hatte sein Aufprall den dort aus der Wunde ragenden Pfeilschaft abgebrochen. Langsam tropfte das Blut auf den Fußboden, wo sich bereits eine Lache zu bilden begann. Thranduil achtete nicht darauf, dass das Blut seines Sohnes nun auch an seiner Kleidung klebte, sondern setzte sich auf den kühlen Boden und zog Legolas zu sich empor.

„Wie konnte das nur geschehen, mein Sohn? Iluvitar, wie konnte das passieren?" flüsterte er und verlieh all den in seinem Geist umherwirbelnden Fragen Worte. „Wieso hat Damodin auf dich geschossen? Du hattest keinen Groll mit ihm. Er zürnte doch mir..."

Plötzlich fiel es Thranduil wie Schuppen von den Augen.

Er hatte sich geirrt. Damodin hatte nicht auf Legolas geschossen.

Damodin hatte ihn treffen wollen!

„Du hast dich schützend vor mich gestellt?" Fassungslos und vorsichtig drückte er seinen Sohn an sich. „Das hättest du nicht tun sollen! Es ist die Aufgabe des Vaters, sein Kind zu beschützen, und nicht andersherum. Ich habe doch schon so lange gelebt, Legolas!"

Er presste sein Gesicht an die Brust seines Sohnes und schloss die Augen, als ihn die Trauer zu überwältigen drohte. „Das hättest du nicht tun sollen!"

Als wäre Legolas noch ein kleines Kind, das einen Albtraum gehabt hatte, wiegte er seinen Sohn in den Armen, bis die Heiler eilig durch die Tür traten und sich ihrer Aufgabe zuwandten.

***

„Was soll das heißen, ihr könnt meinem Sohn nicht helfen?"

Thranduil war fassungslos. Nach stundenlangen Untersuchungen und Beratungen waren die Heiler schließlich vor ihn hingetreten und hatten ihm erklärt, dass sie nichts tun konnten.

„Es tut uns leid, mein König. Der Pfeil wurde mit einem Gift präpariert, das wir noch nicht identifizieren konnten. Es scheint keines der uns bekannten Gifte zu sein. Solange wir nicht wissen, was es ist, können wir dem Prinzen nicht helfen. Er ist am Leben, doch seine Seele hat keine Macht über seinen Körper. Vielleicht ist es nur eine außergewöhnlich tiefe Bewusstlosigkeit. Es kann jedoch auch sein, dass er alles um sich herum mitbekommt." Der oberste Heiler verbeugte sich tief. „Wir werden Kontakt mit der Lady Galadriel aufnehmen. Sie ist die Weiseste. Wenn sie uns nicht helfen kann..." Er ließ die weiteren Worte unausgesprochen.

„Schickt die schnellsten Boten zu ihr." Thranduil ließ sich schwer auf den Rand von Legolas' Lager sinken.

'Mein Sohn wird nicht mehr aufwachen und für ewig in diesem Zustand verharren...'

„Und ihr könnt gehen," sagte er fast tonlos und achtete nicht darauf, dass die Gelehrten den Raum bedrückt verließen. Wenige Augenblicke später war er allein mit seinem Sohn.

Legolas lag auf seinem Bett, die Hände lagen gerade neben seinem Körper. Die Heiler hatten seine Wunde zwar nach bestem Wissen versorgt und verbunden, doch für einen flüchtigen Beobachter sah er trotzdem so aus, als wäre er tot. Es waren seine Augen, die diesen Eindruck hervorriefen. Obgleich sie geöffnet und unverwandt an die Zimmerdecke gerichtet waren, ertrug Thranduil es nur schwer, in sie hineinzublicken, denn er sah in diesen Augen keinen Funken Leben, keine Reaktion mehr.

***

Legolas' Rückkehr in die reale Welt geschah übergangslos. Von einem Augenblick auf den anderen gab ihn die Schwärze der Bewusstlosigkeit frei und wie bei einer Explosion strömten Licht, Geräusche und das Gefühl unerträglichen Schmerzes gleichzeitig in seine Sinne.

Noch während sein Verstand registrierte, dass die Zimmerdecke, an die er starrte, die seines Raumes war, brachte der Schmerz, der in seinem Oberkörper tobte, dem Prinzen die Erinnerung an das Geschehene zurück.

'Vater?'

Der Gedanke an das Schicksal seines Vaters, das ihm die Bewusstlosigkeit vorenthalten hatte, bewog Legolas dazu, alle Kräfte zusammenzunehmen, um sich nach ihm umzusehen. 'Wenn er nur unversehrt geblieben ist...'

Zu seinem Entsetzen musste er jedoch feststellen, dass es bei dem bloßen Gedanken blieb. Trotz aller Anstrengungen sah er sich nicht in der Lage, den Kopf auch nur um Haaresbreite zur Seite zu bewegen. Starr und unverwandt war sein Blick nach wie vor auf die Decke gerichtet.

'Was ist hier los?'

Erneut versuchte er sich zur Seite zu drehen, doch es gelang ihm ebenso wenig, wie er seinen Blick durch den Raum schweifen lassen konnte.

'Was ist mit mir? Warum kann ich mich nicht bewegen? Bin ich denn so schwer verletzt?'

Legolas' Gedanken drehten sich immer schneller um diese eine Frage, auf die eine Antwort zu finden es ihn drängte.

In einem Anflug von Verzweiflung versuchte er den Mund zu öffnen, um sich wenigstens durch ein Flüstern bemerkbar zu machen, doch auch hier versagte ihm sein Körper den Dienst. Nicht einmal die Lippen konnte er bewegen.

In diesem einen, kurzen Augenblick, in dem er trotz aller Anstrengungen nicht einmal den kleinsten Laut von sich zu geben imstande war, ahnte Legolas plötzlich, wie es um ihn stand.

'Oh, Iluvitar, nein... Bitte, ich ertrage es nicht, in meinem eigenen Körper gefangen zu sein.'

Noch ehe die Aussichtlosigkeit dieses Gedankens vollends von ihm Besitz ergreifen konnte, schob sich plötzlich das von Kummer gezeichnete Gesicht seines Vaters in sein Blickfeld.

'Vater, sieh mich an. Ich bin wach, am Leben...', schickte er seine Gedanken in den Raum und litt darunter, dass Thranduil ihn nicht hören konnte.

Verbissen versuchte Legolas, seinen Körper zum Gehorsam zu zwingen, den Kopf zu bewegen oder seinen Augen zumindest ein Blinzeln abzuringen, doch alle seine Bemühungen waren vergeblich. Er blieb so reglos wie eine steinerne Statue.

Es zerriss ihm fast das Herz, als er im nächsten Moment spürte, dass die Hand seines Vaters wie tröstend über sein Haar und die Stirn glitt, um dann auf seinem Brustkorb liegen zu bleiben.

'Ja, kannst du es fühlen? Mein Herz schlägt noch. Es schlägt, Vater! Ich lebe. Gib mich nicht auf...'

Legolas hoffte gegen jedes bessere Wissen, dass zumindest einer seiner Gedanken das Bewusstsein seines Vaters erreichte...

***

wird fortgesetzt