Anmerkung von Tasha: Wieder eine „kleine"Story von mir, die mir helfen soll, meinen Kopf für „Gedanken"frei zu kriegen. Ich hoffe, ihr schreibt mir eure Meinung.


Zum Gedenken I:

Eine Stunde war vergangen, seit er sich hierher gesetzt hatte, und nun begutachtete er sein Werk. Er legte die Feder zur Seite und rückte näher an die Kerze, da ansonsten in dem Schummerlicht des Raumes, das nur von Kerzen ausging, kaum zu lesen war. Schwer war es ihm gefallen, die richtigen Worte für dieses Dokument zu finden, doch die Zeit dafür war gekommen und nach einer Stunde Arbeit las er es noch ein letztes Mal, um sich des Fehlens von Missverständnissen zu vergewissern.

Snowrock-Castle, 26. Juli 2025

Testament

Hiermit verfüge ich, dass nach meinem Tod oder der Erklärung meines Todes mein gesamter Besitz sowie alle erblichen Ämter undTitel auf meinen Sohn William Alexander und meine Tochter Elisabeth übertragen werden. Ebenso wird ihnen und ausschließlich ihnen in diesem Fall das Recht gegeben, mit dem in meinem privaten Schreibtisch befindlichen Schlüssel das Gringotts-Verlies Nummer 478 zu öffnen und die dort befindlichen Dinge an sich zu nehmen.

Im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte bestimme ich dies zu meinem letzten Willen.

Ein Seuftzen quittierte die Richtigkeit des Geschriebenen. Der Mann strich sich eine Strähne seines ellenbogenlangen, mit grauen Strähnen durchzogenen Haares aus dem Gesicht und sah in die Flamme der Schreibtischkerze. Hier saß er: 65 Jahre alt und verfasste sein Testament zum Auftakt seiner letzten Mission.

„So sei es.", flüsterte er und unterzeichnete das Schriftstück.

Severus Snape

Er verzichtete auf alle Titel und das, was die Leute allgemein noch darunter zu schreiben meinten. Die Menschen, die dies lesen würden, wussten, wer er war.

Sorgsam faltete er das Pergament zusammen, steckte es in den bereits mit „Testament" gekennzeichneten Umschlag und versiegelte diesen mit dem Familienwappen der Familie Snape. Dann lehnte er sich im Stuhl zurück und dachte daran, was man ihm wohl sagen würde, wenn man ihn hier unten fand, im Kerker des Schlosses bei Schummerbeleuchtung. Als Erster kam ihm da sein behandelnder Arzt Dr. John Rash in den Sinn.

„Professor Snape, ich muss doch sehr bitten! Dass Sie sehr rüstig und hart im Nehmen sind, weiß ich, sonst hätten Sie Ihren Lebensstil so nicht führen können, aber in der Kälte dieses Kerkers holen Sie sich eines Tages den Tod! Abgesehen davon, was Ihre Augen zu diesem ewigen Dämmerlicht sagen."

Severus lächelte. Dr. Rash war noch reichlich jung, aber in einer gewissen Weise erinnerte er ihn an Poppy Pomfrey.

‚Gott hab sie seelig.'

Mit diesem Gedanken an die ehemalige Ärztin von Hogwarts legte er das Testament in ein Kästchen, das im Regal wie ein Buch aussah und von dessen Existenz ausschließlich er und seine beiden Kinder wussten. Dann griff er nach seinem Stock, erhob sich und ging so gut eben möglich zum Bücherregal, wo er das Kästchen wieder an seinen ursprünglichen Platz stellte. Einen letzten Blick warf Severus noch durch sein kleines, privates Büro, bevor er nach einem kleinen Beutel, der vor dem Regal stand, griff, zur Tür ging, das Licht mit einem Spruch löschte und sich die Treppen zum Wohnzimmer hochkämpfte.

Bei seinem Vorhaben, so hoffte er, würde ihn sein Bein wohl nicht so behindern. Wie Dr. Rash sagte, war Severus für sein Alter ein sehr rüstiger Mann geblieben. Er brauchte keine Brille, war geistig topfit und auch sonst nicht auf Hilfe angewiesen. Nur sein linkes Bein nagte an seinem Selbstbewusstsein. Im Kampf gegen Voldemort, der nun schon fast 30 Jahre her war, hatte eine seltsame Fluchkombination das linke Knie getroffen und zertrümmert. Jede Möglichkeit, den Fluch aufzuheben und das Knie magisch zu heilen, war ausprobiert worden und fehlgeschlagen, das Knie würde für immer steif bleiben. Doch damit hatte Severus gut umgehen gelernt, auch der kunstvoll gefertigte Stock störte ihn kaum, wirklich schlecht ging es ihm bei den mitleidigen Blicken anderer Leute, die ihn als „teilbehindert"ansahen.

Oben im Wohnzimmer, das schon eher ein Saal war, angekommen, blieb Severus im Türrahmen stehen und beobachtete das heitere Geschehen. Am langen Tisch, an dem für gewöhnlich gegessen wurde, saßen Samantha und Kassandra, seine 16-jährigen Enkelinnen, und arbeiteten Severus' geschultem Lehrerblick zufolge an einem Aufsatz. Vor dem Kamin balgten sich die Katzen der Familie. Langsam aber trotz des steifen Knies recht gleichmäßig trat Severus an seine Enkelinnen heran.

„So fleißig?", fragte er. „Was gibt es denn, dass so interessant ist, dass sogar Ferien warten können?"

„Großvater!", rief Samantha überrascht. „Wir haben dich gar nicht kommen hören."

„Das habe ich gemerkt. Was gibt es denn nun so Aufregendes?"

„Es soll eine Vorarbeit für Professor Granger werden.", antwortete Kassandra. „Sie wird mit uns im nächsten Jahr die Werwölfe behandeln und wir haben jetzt erstmal Quellen gelesen, wie das früher war, als es noch Werwölfe gab."

„Na, dann macht mal weiter."

Ganz in Gedanken ging Severus zu seinem Kaminsessel und überließ die beiden eifrigen Mädchen ihren Studien. Soviel hatte sich verändert: Er hatte seinen Wolfsbanntrank solange perfektioniert, bis er die Verwandlung vollständig verhinderte. Remus hatte ihm bis zum Schluss als „Testobjekt"zur Verfügung gestanden.

‚So ist er wenigstens nicht als Werwolf gestorben.'

Auch Harry Potter, Hermine Granger und Ron Weasley hatten ihre Karriere gemacht. Mittlerweile waren sie alle schon 44 Jahre. Hermine Granger hatte das typische Lehrerlos gezogen. Sie war Single geblieben, hatte ihren Professorentitel gemacht und unterrichtete nun schon seit Jahren Verteidigung gegen die dunklen Künste in Hogwarts. Ron Weasley hatte sich als Auror im Ministerium hochgearbeitet und war nun in einer Position, die ihm ermöglichte, sogar auf den Zaubereiminister Einfluss zu nehmen. Desweiteren war er mit einer Französin verheiratet und hatte 4 Kinder mit ihr. Harry Potter war heute ebenfalls verheiratet. Cho Chang war die Glückliche gewesen, die ihm auch zwei Kinder geschenkt hatte. Nachdem Harry Voldemort besiegt hatte, sorgte er mit seiner Aussage dafür, dass Severus für seinen Einsatz im Kampf gewürdigt wurde. Damals hatte Severus für sich beschlossen, Harry Potter nicht mehr zu hassen. Sein Freund würde er nie werden, aber das Hassen jetzt, wo alles vorbei war, wäre ihm auf die Dauer zu anstrengend geworden. Beruflich hatte Harry Potter sich zunächst, ohne Professorentitel, die Stelle mit Hermine Granger geteilt. Vor nun genau 15 Jahren war ihm dann der Professorentitel als eine Art Ehrung verliehen worden und Harry Potter war mit damals 29 Jahren der jüngste Direktor in der Geschichte von Hogwarts geworden.

Severus selbst hatte direkt nach Ende des Kriegs sein Amt niedergelegt und Diana Foster, die Liebe seines Lebens, geheiratet. Gekannt hatten sich die beiden schon vor Severus' Lehrzeit, immer wieder hatten sie sich heimlich gesehen, doch die Zeiten waren zu gefährlich für eine offene Beziehung, besonders als er mit 27 sowie mit 36 Vater wurde. Er hatte dafür gesorgt, dass es ihnen gut ging und Diana hatte auf ihn gewartet. Alles hätte so schön sein können und war auch eine Zeit lang schön gewesen, doch dann kam die große Seuche von 2010.

Eine Art Gift hatte sich in den Grund gemischt und raffte die Menschen wie Eintagsfliegen dahin. Severus hatte Tag und Nacht gearbeitet, mit Unterstützung seines damals 23-jährigen Sohnes William Alexander, und schließlich hatten sie auch ein Heilmittel gefunden, was jedoch für viele zu spät kam. Massen hatten sie gerettet, doch einige Namen konnte sich Severus bis heute nicht verzeihen: Remus Lupin, Poppy Pomfrey, Draco Malfoy, der sich um die Eingliederung der Slytherin-Kinder besonders verdient gemacht hatte, und, für Severus am Unverzeihlichsten, seine Frau Diana. Den Kindern war die Mutter genommen und ihm einer der wenigen Menschen, die ihn je verstanden hatten, doch um seiner Kinder Willen hatte sich Severus gezwungen zu kämpfen und es auch in ein einigermaßen normales Leben zurück geschafft. Einzig seinen Stuhl als Studienprofessor hatte er abgegeben und experimentierte nur noch in seinen eigenen vier Wänden.

Ein heiteres Lachen vom Tisch lenkte Severus' Aufmerksamkeit wieder auf seine beiden Enkelinnen. Samantha und Kassandra waren seine beiden Engel. Die Zwillingsmädchen hatten beide blondes langes Haar und grün-graue Augen, doch in ihrem Wesen waren sie doch so unterschiedlich, dass sie es noch nie geschafft hatten, ihren Großvater zu täuschen. Samantha war die Robustere, die Durchsetzungsfähigere von beiden. Kassandra war eher still und bedacht, doch auch nicht zu bremsen, wenn etwas ihr Interesse geweckt hatte. Sein Sohn William hatte seine liebe Not mit den beiden Töchtern und ihrem Wissensdurst, Severus beobachtete diesen sehr zufrieden. Diese Familie war es wert, alles für eine bessere Zukunft zu tun.

„Oh, Severus, ich habe gar nicht gemerkt, dass du hier bist!"

Ebenfalls etwas erschrocken über die plötzliche Stimme sah Severus auf. Neben seinem Sessel stand seine Schwiegertochter Tara, die augenscheinlich gerade ihre Töchter aufgefordert hatte, den Tisch für's Essen freizuräumen. Severus schätzte seine Schwiegertochter sehr, da sie eine intelligente Frau war, trotzdem irgendwie häuslich und immer um das Wohl ihrer Mitmenschen besorgt.

„Ich war unten in meinem Büro.", erklärte er dann. „Es waren noch Dinge zu erledigen, die keinen Aufschub duldeten."

„Gut.", nickte Tara. „Will sagte, er würde gleich kommen und Liz ist soeben angekommen. Wir können dann gleich gemeinsam essen."

Damit verließ sie den Saal in Richtung Küche. Dies war ebenfalls eine Eigenschaft, die Severus an Tara schätzte. Sie gab sich mit seiner Antwort zufrieden, da sie wusste, ihr Schwiegervater sagte nur das, wovon er meinte, dass sein Gegenüber es wissen müsste und nicht mehr.

Auch während des Essens genoss Severus die heitere Stimmung. Samantha und Kassandra erzählten ganz aufgeregt von ihren Studien über die frühere Zeit der Werwölfe, wobei ihre Mutter ihnen aufmerksam zuhörte, ihr Vater William eher seufzte.

„Wie soll euch Professor Granger denn je etwas beibringen, wenn ihr alles schon hier zu Hause macht?"

„Oh, Will!", ermahnte Severus seinen Sohn. „Ich denke, du solltest dich, was das Thema Vorarbeit betrifft, nicht so weit aus dem Fenster lehnen."

„Vater!", kam es von William zurück, der sich dabei aber geschlagen durch sein leicht gelocktes, schwarzes Haar fuhr.

Er wusste, dass bei Argumentation keine Chance gegen seinen Vater bestand.

„Mach dir nichts draus, Will!", grinste seine Schwester Elisabeth. „Wahrscheinlich ist das in dieser Familie einfach nur erblich."

Mit einem Nicken gab Severus seiner Tochter Recht. Elisabeth war nach ihrem Abschluss an der Uni in die Fußstapfen ihres Vaters getreten und unterrichtete nun auch schon seit 8 Jahren Zaubertränke in Hogwarts. Allgemein behaupteten viele, dass Elisabeth, trotz ihres naturfröhlichen Wesens, sehr nach ihrem Vater schlagen würde. Sie erwartete sehr viel von ihren Klassen und war als äußerst genau verschrien. Doch Severus vermutete, dass das daran lag, dass sie ihrem Bruder, der Zaubertränke an der Uni lehrte, nur die Besten schicken wollte. Er selbst sah in Elisabeth sehr viel von ihrer Mutter. Die Eleganz jeder Bewegung, das fröhliche Naturell, ihre unglaubliche Ausstrahlung und ihre tiefdunkelblauen Augen, alles Dinge, die Severus an seine Frau erinnerten.

Nach dem Essen hatte sich William nun doch breitschlagen lassen, seinen Töchtern von früher und den Werwölfen zu erzählen. Tara räumte den Tisch ab und die Küche auf, während Severus und Elisabeth sich noch unterhielten. Severus hatte noch immer den Wunsch genau zu wissen, was in Hogwarts vorging, und Elisabeth erzählte ihm lächelnd immer alles, was sie wusste. An diesem Abend warf Severus jedoch irgendwann einen Blick auf die Uhr.

„Entschuldige mich bitte, ich muss noch weg, etwas Wichtiges erledigen."

„Soll ich dich begleiten?", fragte sie und musterte ihren Vater genau.

„Nein, nicht nötig, nur eines..."

Severus war aufgestanden und an seine Tochter herangetreten.

„Mach dir keine Sorgen, Sissi, es wird alles gut werden."

„Papa...", flüsterte sie, doch Severus strich ihr nur kurz eine Locke ihres wunderschönen, pechschwarzen Haares aus dem Gesicht und machte sich auf den Weg in die Eingangshalle.

Während er dort seinen dicken, schwarzen Umhang umlegte, dachte er an den besorgten Blick seiner Tochter. ‚Sissi', er war der Einzige, der sie so nennen durfte und er tat es eigentlich nur dann, wenn er ihr etwas Wichtiges sagen wollte. Das wusste sie, das wusste er.

‚Es war auch sehr wichtig.', waren seine letzten Gedanken, als er raus auf den Innenhof und vor das Tor trat, um zu apparieren.

Sein erster Weg führte ihn zum Friedhof vor Hogsmeade und dort direkt zu dem Teil, auf dem die Opfer der Seuche von 2010 begraben lagen.

Poppy Pomfrey geb.: 19.8.1936 gestorben: 15.3.2010

Remus Lupin geb.: 22.4.1960 gestorben: 20.3.2010

Draco Malfoy geb.: 4.10.1981 gestorben: 21.3.2010

Regungslos stand Severus vor diesen zufällig nebeneinander liegenden Gräbern. Poppy Pomfrey, die Frau, die ihn selbst nach den schlimmsten von Voldemort zugefügten Verletzungen wieder auf die Beine gebracht hatte; Remus Lupin, ein Freund, den er leider viel zu spät erkannt hatte und dem er nur noch den Wunsch erfüllen konnte, amtlich anerkannt nicht als Werwolf zu sterben, und Draco Malfoy, einem Jungen, den er aus Voldemorts Klauen zurück auf den hellen Weg geführt hatte, der wie ein eigener Sohn für ihn war und den er auf solch eine Weise verlieren musste. Severus legte auf jedes Grab zwei schneeweiße Lillien, soviele Jahrgänge waren seit dem Tod dieser Menschen in Hogwarts ausgebildet worden.

„Ihr werdet sie erleben, dafür werde ich sorgen."

Severus ging den Weg durch die Seuchengrabstätten entlang, bis er an der für ihn wohl wichtigsten angelangt war.

Diana Snape geb.: 26.7.1963 gestorben: 9.12.2010

Das Heilmittel war damals schon fertig gewesen, doch Dianas Körper war von der Seuche schon zu sehr geschwächt worden und hatte so den Kampf gegen die Krankheit verloren.

„Alles Gute zum Geburtstag, mein Schatz.", flüsterte er, während er einen Strauß tiefroter Rosen auf dem Grab ablegte.

Er wusste, dass es sich vermutlich völlig verrückt anhörte, einer Toten zum Geburtstag zu gratulieren, aber Severus wusste, warum er das tat.

„Wenn ich keinen groben Fehler gemacht habe, werden wir ihn zusammen feiern. Außerdem musst du deine Enkelinnen kennen lernen. Du wirst sie lieben und ihnen Unwahrscheinliches geben, wie du es uns gegeben hast. Ich liebe dich."

Severus senkte den Kopf. Zwei einsame Tränen suchten ihren Weg über sein Gesicht, doch wenn er Recht hatte mit dem, was er glaubte, würde es nie soweit kommen.

Ein letztes Grab galt es noch zu besuchen. Dieses lag jedoch auf der anderen Seite des Friedhofs und war durch sein großes, prächtiges Monument nicht zu übersehen. Hier lag der größte Zauberer aller Zeiten und für Severus der von Grund auf beste Mensch der Welt begraben.

Professor Albus Dumbledore

geb.: 3.6.1906 gestorben: 14.10.1998

Der Kampf gegen Voldemort und der Sieg der guten Seite waren sein letztes Meisterstück gewesen. Im selben Jahr war er in Folge seines hohen Alters gestorben. Er war eingeschlafen und nie wieder aufgewacht. Für Severus, die Kollegen und engen Freunde war es zwar schwer gewesen, doch es gab ihnen Trost, dass eine solch beeindruckende und grundgütige Person einen solch schmerzlosen und würdevollen Tod hatte sterben dürfen.

„Mit dir kann ich darüber reden.", begann Severus und hatte das Gefühl, als säße er wie schon so oft dem alten Mentor gegenüber. „Du weißt, was ich vorhabe, denn das wusstest du immer. Und ich weiß, du würdest mir am liebsten vorwerfen, ich sei wieder mal zu temperamentvoll in dieser Sache und meine ‚jugendliche Unvernunft' würde mit mir durchgehen, aber es sind sehr viele Jahre vergangen. Die meisten haben sich mit den Geschehnissen der Zeit abgefunden, doch ich denke, dass es einen Weg gibt, den Leuten, die gelitten haben, eine neue Chance zu geben. Ich will nicht Gott spielen, ich weiß, was diese Mission für mich bedeutet, aber als letzter Kämpfer des Phönix-Ordens, denke ich, muss ich es versuchen."

Nun legte er den Strauß Gänseblümchen auf der Grabstätte ab.

„Deine Lieblingsblumen. Sie stehen für Aufrichtigkeit und Wahrheit. Ich will damit sagen: Du weißt, dass ich es aufrichtig meine und hoffe, dass sich meine Theorie als Wahrheit herausstellen wird. Als letztes lebendes Mitglied des Phönix-Ordens gebe ich mir diesen Auftrag und breche mit diesen letzten Worten an dich zu meiner letzten Mission auf. Ich bin sicher, du verstehst mich, denn das hast du letztendlich immer. Vielleicht auf bald, Albus."

Soweit es ihm sein Körper erlaubte, verbeugte sich Severus vor dem hohen Grabstein und verließ den Friedhof wieder. Von den Seelen, denen er sich verpflichtet fühlte, hatte er Abschied genommen, nun musste er nur noch einem Menschen Lebewohl sagen.

Zu seinem Glück traf er in St. Mungos auf eine Nachtschwester, die nicht sonderlich durchsetzungsfähig war und Severus nach einem kurzen Wortgefecht zu dem Zimmer brachte, zu dem er wollte.

„Danke,"kanzelte er die Schwester kurz angebunden ab, „von hier aus komme ich allein zurecht."

Er wartete noch, bis die junge Frau um die Ecke verschwunden war, dann öffnete er vorsichtig die Tür. Tausende von Kerzen erhellten das Zimmer trotz tiefster Nachtzeit und gerade ein paar Zentimeter über die Tischplatte gebeugt, saß die Frau, die Severus suchte, am Schreibtisch. Mit einem Räuspern kündigte Severus sich an.

„Ich hoffe, ich störe nicht."

Die Frau wandte sich um und musterte ihn misstrauisch durch ihre typische, wenn auch jetzt extrem verstärkte Brille. Nach einer Weile entspannten sich ihre Gesichtszüge.

„Severus! Es ist schön, dass du mich besuchen kommst."

Auf ihren Stock gestützt kam sie auf ihn zu und umarmte ihn.

„Es ist auch schön, dich zu sehen, Minerva."

Doch das Lächeln musste Severus sich aufzwingen. Diese Frau war nur noch ein Schatten derer, die Severus als Lehrerin, Kollegin und Direktorin von Hogwarts gekannt hatte. Sicher hatten ihr die Jahre mit mittlerweile 96 zugesetzt, doch schlimm war für Severus der Geisteszustand, in dem sich die Frau, die für ihn fast wie eine Mutter gewesen war befand.

„Setz dich.", forderte sie ihn auf und setzte nach, als Severus sich mit seinem steifen Knie zum Bett bewegte: „Eine Verletzung, Severus?"

„Ja, ein Unfall, aber nicht weiter tragisch."

„Ist ja auch egal. Warum kommst du mich besuchen? Was gibt es zu erzählen? Hier sagt man mir ja nichts!"

„Ich bin gekommen,"begann Severus direkt, „weil ich dir sagen muss, dass ich fortgehen werde."

Minerva McGonagall nickte, ließ ihn aber weitersprechen.

„Ich muss eine wichtige Reise machen, die unsere Situation extrem beeinflussen wird. Du musst wissen, ich..."

„Natürlich!", fuhr sie ihm nun dazwischen. „Wir müssen endlich etwas unternehmen. Mich halten sie ja hier fest, aber du kannst etwas tun, Junge! Ihr schafft das schon und wenn mich einer fragen sollte, was sowieso keiner tut, weiß ich von nichts."

„Danke, Minerva. Das ist gut zu wissen."

„Ach, was! Wie geht es eigentlich Albus? Und Diana und den Kindern?"

Severus bewahrte sein äußerliches Lächeln, doch genau dies war es, was ihn bei McGongalls Anblick so traurig machte. Auch sie war damals an der Seuche erkrankt gewesen, hatte zwar überlebt, doch ihre Zurechnungsfähigkeit hatte sehr gelitten. Es gab Tage, an denen war sie völlig normal und dann wieder Stunden wie diese, in denen sie nicht mehr wusste, dass Albus seit 27 Jahren tot war, sein Knie damals gegen Voldemort zerschmettert worden war und auch Diana seit 15 Jahren nicht mehr lebte. Es war schlimm für ihn, mitanzusehen, was aus seiner so geschätzten Kollegin und Freundin geworden war.

„Es geht ihnen allen gut und ich soll dich von ihnen grüßen."

„Danke. Richte ihnen auch schöne Grüße aus, wenn du sie siehst. Und wenn du Albus siehst..."

McGonagall erhob sich mit großer Mühe vom Bett und bewegte sich zum schreibtisch hinüber.

„...gib ihm bitte diese Briefe. Die Ärzte und Schwestern hier weigern sich, sie abzuschicken."

„Mach ich.", versprach Severus und steckte die Briefe in den Beutel, den er aus seinem Büro zu Hause mitgenommen hatte.

Er warf einen Blick auf die Uhr. Die Zeit war bald gekommen.

„Ich muss gehen, Minerva."

„Gut, Junge, geh nur. Ich lege mich auch gleich schlafen."

„Gute Nacht!"

„Ebenfalls. Und bis zum nächsten Mal dann."

„Ja, bis zum nächsten Mal."

Einen letzten Blick warf Severus noch auf die alte Frau.

„Leb wohl.", flüsterte er dann und verließ das Krankenhaus, um zu seiner letzten Mission aufzubrechen.