Weltenfremd

Disclaimer: Tintenherz gehört Cornelia Funke.

Inhalt: Nur eine kleine Geschichte über Staubfinger. Etwas kleines.


Nur an diesem Ort. Nur hier war er seiner Heimat ein Stückchen näher. Ein klitzekleines Stückchen Glück. Er mochte diese Mittelalter-Spektakel. In den Altstädten, in Burghöfen, wenn die Stände aufgebaut waren, wenn mannigfaltig Volk aufgeputzt seine Waren anpries oder Schausteller ihr Können zeigten.Inmitten alt-vertrauter Klänge von Flöten, Leiern und Schalmeien, Menschen in Ritterrüstungen, in altertümlichen Gewändern, der Geruch von über offenem Feuer gebratenem Essen, die Nähe von den vielen Tieren hier. Etwas vertrauter.

Hier passte er her. Hier fiel er nicht auf. Nicht so wie da draussen. Hier sahen ihn die Leute bewundernd an, nicht mit schiefen, verdächtigenden Blicken, musterten ihn nicht wie einen Irren, einen Verbrecher gar. Dort draussen war er ein seltsamer Zeitgenosse, der Welt stets entrückt, wie ein ausgewurzelter Baum den man nicht wieder ins Erdreich gepflanzt hatte. Wie ein Haar gegen den Strich, wie ein Tropfen Wasser, der gegen den Strom schwamm. Etwas passte nicht.

Hier war er nur ein Gaukler; ein lustiger Jongleur, ein Feuerspucker, ein kleiner Narr unter vielen.

Als er die bunten Bälle in die Luft warf, staunten die Leute und ihnen blieb der Mund offen stehen. Keine Verachtung mehr, jetzt war es Verehrung und Wunder was er in den Kinderaugen sah. Immer mehr und mehr bunte Bälle flogen in die Luft, in seine Hände zurück, um wieder in die Lüfte emporgeworfen zu werden. Jonglieren war schön, aber nicht vollkommen. Etwas fehlte.

Und das Feuer...die Fackeln waren vorbereitet. Der Wind würde günstig sein...

Das Feuer sprach zu ihm, in fremder Zunge die ihm vertrauter war als seine Muttersprache, die Flammen leckten über seine Haut und streichelten ihn, eine Wärme breitete sich von seinem Herzen aus, er wünschte er könnte in ihnen vergehen. Die Funken stoben in die klare Nachtluft, unter dem Sternenzelt wirbelte ein brennendes Licht, der Feuertänzer Staubfinger. Wehmut und Trauer rissen sein Herz entzwei. Mit jeder Sekunde die verstrich, fühlte er sich dem Feuer mehr und mehr verbunden, der Welt immer mehr entrückt. Etwas glücklicher.

Einer fremden, kalten Welt aus Stein und Eisen und Glas, die zu laut, zu schnell, zu grell, zu stechend für ihn war. Aber nur diesen Augenblick konnte er stehlen...inmitten des Feuers, umrundet von Fackeln, Flammen und der Nacht konnte ihm nichts anhaben. Ein kurzer Moment des Glücks, auch wenn er ihm gestohlen schien. Etwas Fremdartiges.

Er hatte Sehnsucht, solche Sehnsucht...nur das Feuer konnte es lindern. Nur das Flammenmeer und das flackernde Leuchten seiner Fackeln in zarten Wind.

Er wurde immer schneller, tanzte seinen Feuertanz, spie Feuerbälle in die Nachtluft, als könnte er ein Loch in diese Welt reissen und nach Hause gehen.

In den lodernden Flammen war er Zuhause.

Wenn er nun die Augen schloss, war er beinahe daheim. Fast fühlte es sich an wie Zuhause

Fast, aber nie ganz. Etwas fehlte.

Und aus dem hell-brennenden Feuer wurde glimmende Asche, die von Wind in alle Welt zerweht wurde.

Bis der letzte Funke erloschen war.


Autorenintension: Ich weiß, dass es traurig ist. Aber Staubfinger ist für mich die traurigste Romanfigur, die ich je gelesen habe. Ich wünsche ihm Glück für sein weiteres Leben, aber ich fürchte, dass dem nicht so sein wird. (Tintenblut habe ich noch nicht gelesen.)