Amicus certus in re incerta cernitur
In der Not erkennst du den wahren Freund
Rating: PG
Season: 3
Kategorie: Friendship
Spoiler: Sunday, First Strike
Inhalt: Als Atlantis gerettet ist, entschließt sich Elizabeth zu einem schweren Schritt. Aber nicht nur Rodney versucht sie vom Gegenteil zu überzeugen.
Anmerkung: Eine Story über die drei liebenswertesten Charaktere von Atlantis. Ich weiß, dass es später mal nicht so ausgehen wird. Aber man wird ja wohl noch träumen dürfen ;)
Stille lag über den verlassenen Gängen der Stadt. Seit Tagen waren Menschen durch sie hindurchgewuselt, wie Impulse, die durch die Nervenbahnen schossen. Man hätte meinen können die Bedrohung und die nahe Vernichtung, der sie nur knapp entgangen waren, hätten die Bewohner dieser Stadt betäubt. Stattdessen waren sie völlig planlos herumgeirrt. Tag und Nacht, als glaubten sie entkommen zu können, wenn sie nur nicht einschliefen.
Aber nun, da sie einen sicheren Hafen erreicht hatten und ihr Leben wieder zur Normalität zurückkehrte, beruhigten sie sich wieder und kehrten nachts in ihre Quartiere zurück.
So war das einzige Geräusch, das Rodney hörte, seine leisen Schritte, die durch den Gang hallten. Auch er hatte in den letzten Tagen kaum ein Auge zugemacht. Er hatte hart dafür gearbeitet, dass sie diesen Planeten sicher erreichten. Bis heute war ihm nicht ganz klar, wie ihm das gelungen war. Vermutlich hatte eine gehörige Portion Glück dazugehört.
Er konnte nicht leugnen, dass er erschöpft war. Alle anderen, die sich mit ihm den Kopf zerbrochen hatten, schliefen sicher längst. Aber Rodney konnte nicht schlafen. Ob sie nun sicher waren oder nicht, eine innere Unruhe ließ ihn einfach nicht los. Er würde kein Auge zubekommen, solange er sich nicht Gewissheit verschafft hatte.
Sein Ziel war klar definiert. Er machte keinen Umweg; hielt auch nicht an. Erst als ihm der vertraute Geruch von Medizin in die Nase stieg, wurden seine Schritte plötzlich langsamer. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ihn auf einmal Zweifel packen könnten.
Lautlos durchquerte er die Räume der Krankenstation, die ebenfalls ungewöhnlich still zu sein schienen. Irgendetwas schreckte ihn ab. In seinem Inneren spürte er den Drang, umzukehren und davonzulaufen.
Aber er ging tapfer weiter, bis er endlich den Raum betrat, in dem nur ein einziges Bett stand. Unsicher blieb er im Eingang stehen. Er musste daran denken, wie er sie das letzte Mal gesehen hatte. Damals, als er selbst geglaubt hatte, dem Tod ins Auge blicken zu müssen, als alles um ihn herum erfüllt war von Feuer und splitterndem Glas.
Er hatte Glück gehabt. Andere hatten es nicht.
Es hatte ihm die Luft zum Atmen genommen, als er sie dort liegen gesehen hatte. Regungslos und blutüberströmt.
Wenn er heute daran dachte, hätte er sich ohrfeigen können, dass er ihr dort nicht geholfen hatte. Zugegeben, er wusste nicht, was er hätte tun können, aber er war einfach nur dagestanden, hatte zugesehen wie das Notfallteam sie abtransportiert hatte.
Ihm war nicht bewusst, dass er schon eine ganze Weile bewegungslos in der offenen Tür verharrt hatte. Erst, als sie ihn plötzlich entdeckte und ihm sogar ein zaghaftes Lächeln zuwarf, löste er sich von seinen Gedanken.
„Hey", rief ihm Elizabeth leise zu und schien sogar den Eindruck zu erwecken, sich zu freuen ihn zu sehen.
„Hey", entgegnete er zögerlich und kam vorsichtig näher.
Es war noch immer ein Anblick, der ihm Angst machte. Ausgerechnet Elizabeth Weir, die Frau, die immer so viel Stärke und Entschlossenheit ausgestrahlt hatte, lag nun an Monitoren angeschlossen in einem Krankenbett.
Ein Verband war um ihren Kopf gewickelt worden. Der Rest ihrer Verletzungen war unter der Decke nicht zu sehen. Auch wenn sie sich darum bemühte sich nichts anmerken zu lassen, wirkte sie dennoch müde und schwach.
Sie war auch nicht in der Lage sich aufzusetzen, auch wenn Rodney erkannte, dass sie es für einen kurzen Moment versuchte, aber dann schnell wieder aufgab. Es war noch nicht lange her, dass sie wieder zu sich gekommen war. Sie hatte das Glück gehabt, all die Aufregung über den Verbleib der Stadt und ihrer Bewohner nicht mitbekommen zu haben, auch wenn ihr jemand zweifellos bereits davon erzählt hatte.
Rodney zögerte einen Moment, bis er sich kurzerhand entschloss einen Stuhl heranzuziehen und sich neben ihr Bett zu setzen.
„Wie geht es Ihnen?", fragte Elizabeth, kaum dass sie sicher war seine Aufmerksamkeit zu haben. Er starrte sie nur überrascht an. War das nicht eigentlich seine Frage gewesen?
Immerhin war sie diejenige die auf der Krankenstation lag.
Dann wurde ihm aber schnell bewusst, dass man die Kratzer in seinem Gesicht kaum übersehen konnte. Zwar waren sie inzwischen weitgehend verheilt, aber sie erinnerten ihn dennoch jeden Morgen daran, wie knapp er damals dem Tod entkommen war; jedes Mal, wenn er in den Spiegel schaute.
„Das ist nur halb so wild", erklärte er vergeblich darum bemüht lässig zu klingen. „Es wird wohl keine Narben geben."
Irgendwann würden sie auch diesen Vorfall abhaken. So wie sich den Sturm hinter sich gelassen hatten oder den Angriff der Wraiths.
„Das ist gut", meinte Elizabeth nur und lächelte ihn weiterhin an.
Er war erleichtert sie wieder auf dem Wege der Besserung zu sehen, nachdem sie lange nicht wussten, ob sie es überhaupt schaffen würde.
„Und Sie?", fragte er deshalb vorsichtig.
„Oh, soweit so gut", gab sie ruhig zurück. „Dr. Kelly meinte, ich hätte nochmal Glück im Unglück gehabt. Es hätte schlimmer ausgehen können."
Elizabeth entging nicht, wie Rodney bei der Erwähnung von Kellys Namen leicht zusammenzuckte. Das Verhältnis der beiden war recht angespannt, nachdem Rodney erst vor kurzem der Ärztin ein paar kränkende Worte an den Kopf geworfen hatte.
Elizabeth kannte den genauen Auslöser des Streits nicht, aber sie konnte sich denken, wo der Grund lag.
Der Kanadier weigerte sich, Kelly als neue Leiterin der Krankenstation zu akzeptieren. Und das nicht, weil sie irgendeinen Fehler gemacht hätte oder in seinen Augen nicht kompetent genug gewesen wäre. Es hatte vielmehr mit der Tatsache zu tun, dass sie den Posten übernommen hatte, der so lange Carson Beckett gehört hatte.
Elizabeth registrierte ein mulmiges Gefühl in der Magengegend, wenn sie daran dachte, dass es noch gar nicht lange her war, dass sie Carson verloren hatten.
Für sie alle war sein Tod ein schwerer Verlust gewesen. Er hatte viele Freunde auf Atlantis gehabt und es gab keinen, der wirklich etwas Schlechtes über ihn sagen konnte.
Dass er Rodneys bester Freund gewesen war, war ihr erst jetzt klar geworden. Für den Astrophysiker war es weit schwerer hinzunehmen, dass Carson nicht mehr da war, als für viele andere. Und es war wohl seine Methode, die Trauer dadurch zu kompensieren, indem er einen inneren Groll gegen diejenigen aufbaute, die versuchten Carsons Platz einzunehmen.
Es war klar, dass keiner den Schotten ersetzen wollte, aber die medizinische Abteilung brauchte nun mal eine Leitung. Und Kelly war eine hervorragende Ärztin, die Rodneys Abneigung sicher nicht verdient hatte. Dennoch ließ sich daran im Moment wohl nicht viel ändern.
„Warum sind Sie hier?", fragte Elizabeth plötzlich, worauf er sie etwas erstaunt anblickte.
„Ich wollte Sie besuchen. Darf ich das nicht? Soll ich…soll ich wieder gehen?"
Seine Reaktion machte ihr schnell klar, dass sie auf dem richtigen Weg war. Ihn beschäftigte etwas, nur er wollte nicht recht mit der Sprache rausrücken.
„Du meine Güte, nein", hielt sie ihn sofort auf. „Aber ich merke doch, dass Ihnen noch etwas auf dem Herzen liegt. Also, was ist los?"
Er zögerte. Elizabeth beobachtete, wie seine Augen unruhig hin und her huschen. Ein eindeutiges Zeichen, dass es ihm schwer fiel anzufangen. Es musste also etwas Ernstes sein, sonst wäre er nicht so nervös gewesen.
„Ich habe mit Teyla gesprochen", begann er dann endlich.
Elizabeth hielt unbewusst den Atem an, ehe sie sich abwandte. Er brauchte nicht weiterzureden, um ihr klar zu machen, worum es ging. Sie ahnte bereits, was als nächstes kommen würde.
„Sie…sie hat da etwas erwähnt,…dass Sie gemeint hätten, Sie würden vielleicht…Ihren Posten als Expeditionsleiterin aufgeben."
Jetzt war es also raus. Sie hatte eigentlich gehofft, dass es nicht so schnell die Runde machen würde, aber solche Sachen verbreiteten sich meist wie ein Lauffeuer. Sie verdächtigte Teyla keinesfalls getratscht zu haben, aber Rodney war nicht dumm. Er verstand es durchaus zwischen den Zeilen zu lesen.
Elizabeth wusste nicht recht, was sie entgegnen sollte, also schwieg sie. Doch Rodney fuhr ohnehin eilig fort, als wolle er ihr nicht einmal die Gelegenheit geben, dass sie seinen Verdacht bestätigte.
„Aber das war ein Missverständnis, richtig?", fragte er aufgeregt. „Das haben Sie nicht ernst gemeint."
Elizabeth blickte noch immer stumm an die gegenüberliegende Wand. Sie hätte jetzt einfach Ja sagen können, dann wäre die ganze Sache erledigt gewesen. So, wie sie nur eine Randbemerkung bei Teyla abgegeben hatte, würde ihr Rodney sofort glauben. Er wollte es ja auch glauben. Aber es lag nicht in ihrer Art Menschen so dreist anzulügen.
„Rodney, ich…", begann sie leise, ehe sie tief Luft holte und ihn wieder ansah. „…ich habe schon lange bevor wir in dieser Situation waren darüber nachgedacht."
Man hätte meinen können, die nahe Vernichtung hätte sie in jenem Moment einfach schwarzsehen lassen. Doch ihre Zweifel waren schon lange vorher da gewesen.
„Aber…", fing Rodney an, wurde jedoch sofort von ihr unterbrochen.
„Ich bin einfach der Meinung, dass die Expedition eine Führung verdient, die über mehr Rückhalt verfügt."
Rodney starrte sie fassungslos an. Die Bestätigung für seine Vermutung zu bekommen, musste wie ein Schlag ins Gesicht für ihn sein.
„Aber jedes Mitglied steht vollkommen hinter Ihnen und das wissen Sie", protestiert er, nachdem er seine Sprache wieder gefunden hatte. Allerdings fügte er auch kleinlaut hinzu: „Naja…mal abgesehen von Kavanagh vielleicht."
Seltsam, aber für einen kurzen Moment musste Elizabeth grinsen. Diese Randbemerkung war mit Sicherheit ein Weg, um die Lage etwas aufzulockern. Aber sie war nun mal zu ernst. Natürlich war ihr bewusst, dass nahezu jedes Mitglied dieser Expedition zu ihr hielt. Aber das allein reichte nun mal nicht.
„Sehen Sie sich meine Bilanz doch mal an!", fuhr sie mit ernster Mine fort. Sie sprach ruhig und geduldig, auch wenn es in ihr ganz anders aussah. Aber sie kannte Rodneys oft hektische Art und versuchte ihm gegenüber als Ruhepol zu wirken.
„Wir haben die Wraiths geweckt, uns mit den Genii angelegt und uns einen Feind mit den Replikatoren geschaffen."
Zählte man dies alles in einem Satz auf, klang das natürlich nicht sonderlich aufmunternd. Zu ihrer Erleichterung stellte sie fest, dass Rodney zuerst nachdachte, anstatt sofort mit seiner Meinung herauszuplatzen, wie er es so oft tat. Sie merkte förmlich, wie er einem Gedankengang folgte, bis er schließlich fragte: „Es geht Ihnen um die IOA, richtig?"
Elizabeth biss sich unmerklich auf die Unterlippe. Rodneys Tonfall wurde jedoch immer aufgeregter.
„Die haben doch gar keine Ahnung! Die wissen nicht, welchen Kampf wir hier draußen führen. Sie haben genug Einfluss, um denen die Hände zu binden. Sie dürfen nur nicht aufgeben!"
„Genau das ist es ja!", unterbrach sie ihn und konnte nicht verhindern ebenfalls lauter zu werden. „Seit der Kontakt zur Erde wieder besteht, tue ich nichts anderes, als mich zu rechtfertigen und um meinen Posten zu kämpfen. Und auch wenn es mir schwer fällt das zu sagen…"
Sie zögerte einen Moment. Der Ausdruck in seinen Augen war schon erstaunt genug. Aber auch wenn es ihr leid tat, sie konnte ihm die Wahrheit nicht ersparen.
„…ich kann einfach nicht mehr", beendete sie schließlich tonlos den Satz.
Sie konnte genau beobachten, wie sich etwas in Rodneys Augen veränderte. Das was sie sah war kein überraschter Ausdruck mehr. Er war schockiert, eher schon enttäuscht. Sie wusste welches Bild sie gerade zerstört hatte. Sie war nicht mehr die starke Anführerin, die niemals aufgab. Sie war nichts weiter als eine resignierte Frau, die ihr Schicksal hinnahm.
Es tat weh diese Enttäuschung in seinem Blick zu sehen, als er stumm den Kopf senkte. Aber alles, was sie zustande brachte war ein mitfühlendes: „Es tut mir leid, Rodney."
Es kam keine Antwort. Ihr war es nicht möglich ihm ins Gesicht zu sehen, da er stur auf den Boden vor sich hinabblickte. Dabei hätte sie jetzt gern eine Reaktion gesehen.
Sie wusste nicht, was sie erwartete. Vermutlich einfach irgendetwas, das ihr sagte, was in seinem Kopf vorging. Egal ob Verständnis oder Wut. Hauptsache nicht diese Stille.
„Das wars dann, ja?", sagte er plötzlich erschreckend leise und Elizabeth spürte, wie sich etwas tief in ihr zusammenzog, als sie das Zittern in seiner Stimme heraushörte.
„Einfach den Kopf in den Sand stecken."
Er schüttelte leicht den Kopf und als er wieder aufsah erschrak Elizabeth über das, was sie sah.
„Sie können mich doch nicht auch noch allein lassen", stammelte er mit Tränen in den Augen.
Noch nie zuvor hatte sie ihn so verzweifelt gesehen. Selbst in den aussichtslosesten Situationen hatte er niemals seine Gefühle dermaßen anderen offenbart. Zwar hatte sie damit gerechnet, dass ihr Entschluss einige Leute hart treffen würde, aber dass es ausgerechnet Rodney so mitnahm, hätte sie nicht gedacht.
„Sie sind nicht allein", versuchte sie ihn zu beruhigen. „Sie haben hier Freunde; ein Team."
Ein verbittertes Lächeln huschte über sein Gesicht.
„Und wie lange noch?"
Elizabeth wurde es elend zumute. Sie begriff, was er damit andeuten wollte. Seit drei Jahren lebten sie nun schon hier. Trotz seiner manchmal unerträglichen Art hatte er Freunde hier gefunden, mit denen er fest zusammenhielt. Sheppard, Teyla, Ronon, Radek…aber sein engster Vertrauter war Carson gewesen. Ihn hatte er bereits verloren. Und nun wollte sie auch noch gehen?
Trotzdem änderte es nichts an der Tatsache, dass sie Konsequenzen aus ihrer Lage ziehen musste.
„Es tut mir leid", wiederholte sie leise, obwohl es ihr schwer fiel, ihm jetzt noch die letzte Hoffnung zu nehmen, dass sie es sich womöglich anders überlegen könnte.
„Ja…", murmelte er, während er sich kurz über die Augen fuhr, um die Tränen wegzuwischen, die ihm auf einmal peinlich waren. Er schluckte hart, ehe er aufstand und nickte.
„…mir auch", fügte er tonlos hinzu, wandte sich schließlich um und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer.
