Disclaimer: Mir gehört nur meine Fantasie und diese Story. Die Figuren und Orte gehören JKR oder WB oder wem auch immer...^^
Ich sags gleich, das wird keine "schöne" Geschichte, denn es ist die Geschichte eines Mannes, der erst mühsam seinen Weg zurück ins Leben finden muss. Dass es dabei auch Sackgassen und falsche Abzweigungen gibt, ist nur zu erwarten...
Ungewollte Rettung
Ein unverständliches Flüstern, ein Rascheln von Kleidung und dann das Zuschlagen einer Tür nahm er als erstes wahr, als er zu sich kam, dann wurde es wieder still um ihn herum.
Er lag auf etwas Hartem und fühlte sich ziemlich tot. Allerdings musste dieses Gefühl falsch sein, denn erstens reizte ein ekelerregender, metallischer Geruch nach Blut seine empfindliche Nase und zweitens könnte er im Falle seines tatsächlichen Totseins wohl nicht den penetranten Geschmack von diversen Heiltränken auf seiner verquollenen Zunge wahrnehmen.
Moment...Heiltränke? Er selbst war nach dem Angriff der Schlange mit Sicherheit nicht mehr in der Lage gewesen, irgendwelche Heiltränke einzunehmen. Das bedeutete, dass jemand ihm mindestens das Gegengift gegeben und die Wunde geschlossen haben musste, andernfalls wäre er entweder an dem Gift oder dem Blutverlust gestorben. Hätte er genug Kraft dazu gehabt, dann hätte er jetzt ausgiebig geflucht. Er hatte den Tod schon viel zu lange herbeigesehnt, aber auch dieses heiß ersehnte Geschenk schien ihm wie immer verwehrt worden zu sein.
Wieder wollte ihn die Schwärze der Ohnmacht überrollen, aber er kämpfte dagegen an. Etwas in seinem Hinterkopf wollte ihn mit aller Macht auf einen wichtigen Umstand hinweisen, doch noch konnte er es nicht greifen. Seine Gedanken trudelten zeitweise wie Herbstblätter im Wind und es war schwierig einen davon lange genug zu betrachten, doch der mahnende Ton in seinem Hinterkopf blieb. Er konzentrierte sich angestrengt, denn er war schon viel zu lange darauf angewiesen auf seine Intuitionen zu hören, damit er überleben konnte, um diesen Ton einfach ignorieren zu können. Sein Hals schmerzte, was, wenn man die Ursache betrachtete, jedoch zu vernachlässigen war, da es immer weniger wurde in dem Maße, wie sein Kopf klarer zu werden begann.
Da irgendjemand entschieden hatte, dass er weiterzuleben habe, musste er sich mit diesem Umstand nun intensiver auseinandersetzen. Er versuchte die Augen zu öffnen und es gelang. Draußen war es mittlerweile wohl Nacht, denn außer einem schmalen Streifen silbrigen Mondlichtes war es stockdunkel. Als er sich zu bewegen versuchte, stellte er fest, dass er in einer klebrigen Flüssigkeit lag. Dem Geruch nach musste es Blut sein und es schien sehr wahrscheinlich, dass es sein eigenes war.
Nach und nach kehrten die Bilder der letzten Stunden in seinen Geist zurück, soweit er diese Stunden noch bewusst wahrgenommen hatte. Den riesigen Schlangenrachen, der sich mit geifernden, langen und spitzen Zähnen auf ihn stürzte, der rasende Schmerz, als ihm diese Zähne die Kehle aufrissen, das Gefühl, dass mit jedem Herzschlag das Leben weiter aus ihm herausgetrieben wurde, die erschrockenen Augen von Potter und Granger, das Gefühl des kalten Glases der Phiole an seiner Haut, mit der Potter seine Erinnerungen aufgefangen hatte. Er hatte es geschafft. Im vermeintlich letzten Moment hatte er seine größte und letzte Aufgabe erfüllen können, nämlich Potter die wichtigen letzten Informationen zu geben, die es dem Auserwählten ermöglichen würden, die Welt von Voldemort zu befreien.
Seine Aufgabe war erfüllt. Doch er hatte Potter sogar mehr Erinnerungen gegeben als nötig gewesen wären. Warum er das getan hatte, war ihm auch jetzt nicht klar. Vielleicht hatte er sich gewünscht, dass wenigstens Potter einen Teil der Wahrheit über ihn wusste...
Was also sollte er jetzt noch hier in dieser Welt? Warum musste schon wieder jemand anders darüber entscheiden, ob er sterben durfte oder weiter leben musste? Ein Gefühl des Hasses gegen den Unbekannten stieg in ihm auf wie giftiges, brennendes Gas.
Doch wenn er schon weiterleben musste – Wo sollte er hin? Hier konnte er nicht bleiben. In der Welt, die er kannte, der magischen Welt, gab es keinen Platz für ihn. Darüber machte er sich keinerlei Illusionen. Die Todesser würden ihm nach dem Leben trachten, weil er sie und ihre verqueren Ideale verraten hatte. Sie würden ihn sofort auf Sicht töten. Und die andere Seite, die Seite des Lichtes, wäre für ihn um keinen Deut besser oder sicherer, galt er doch dort als überzeugter Todesser. Nicht einmal die Personen, die es besser hätten wissen müssen, würden ihn schützen wollen oder können.
Doch wer bei Merlin hatte ihn gefunden und mit den Heiltränken versorgt? Er hob mühsam eine Hand an seinen Hals und stellte fest, dass die Wunde geschlossen war. Bei schwarzmagischen Wunden war das nur mit Phönixtränen möglich. Und ein Phönix gab seine Tränen nicht jedem... Würde diese unbekannte Person wiederkommen? Welchem der beiden Lager würde sie angehören? Wollte er, dass sie ihn fanden? Bei dieser Frage angekommen, entschied er für sich, dass er von keiner der beiden Seiten gefunden werden wollte. Wenn er schon weiterleben musste, dann endlich zu seinen Bedingungen und mit seinen Entscheidungen.
Mühsam rappelte er sich auf und verzog angeekelt das Gesicht, als er in die große Blutlache fasste, in der er die letzten Stunden gelegen hatte. Dabei rutschte sein Umhang, von etwas Schwerem gezogen, fast von seinen Schultern. Er griff in die Umhangtasche und fand die mittelgroße Phiole seines speziellen Stärkungstranks, die bereits seit Monaten sein ständiger Begleiter war. Er hatte immer dafür gesorgt, dass die Flasche nachgefüllt wurde, weil er sicher war, dass er nicht mehr allzu lange würde durchhalten können. Nun kam ihm seine Voraussicht zugute. Er zog mit den Zähnen den Korken aus der Flasche, setzte sie an und goss den gesamten Inhalt hinunter. Er würde all seine Kraft brauchen, um so weit wie irgend möglich von hier wegzukommen. Doch der Trank wirkte nur etwa zwei Stunden. Diesen Trank bekam kein Schüler in Poppys Krankenstation. Den hatte er nur für sich modifiziert, um sicherzustellen, dass er genug Zeit hätte aus welcher Situation auch immer wegzukommen.
Als er danach aufstand, stellte er zufrieden fest, dass seine Beine ihn vorerst trugen und kaum zitterten. Er tastete nach seinem Zauberstab und als er ihn gefunden hatte, verstaute er ihn sorgfältig in der dafür vorgesehenen Umhangtasche.
Zuerst würde er nach Hogwarts gehen. In seinen Kerkern könnte er sich mit frischer Kleidung und den Tränken versorgen, die er für die nächsten Tage brauchen würde, bis die Folgen des Angriffs der Monsterschlange Voldemorts endgültig überwunden wären. Mit diesem Entschluss lief er los. Doch alle paar Schritte musste er stehenbleiben, weil ihn die Kraft verließ. Der Weg war nicht sehr weit und als er das Schloss endlich vor sich sehen konnte, blieb er wieder stehen. Das Schloss brannte! Er sah in dem Feuerschein mehrere Gestalten, die immer wieder große Bündel vom Boden aufhoben und ins Schloss trugen. Erst als er näherkam, konnte er erkennen, dass diese „Bündel" Menschen waren, entweder tot oder verletzt.
Er nahm sich nicht die Zeit zu überprüfen, welche Seite gesiegt hatte. In diesem Moment war das für ihn absolut unwichtig. Er wollte nur noch hier weg. Kurzentschlossen versuchte er in seine Kerker zu apparieren und es gelang. Offensichtlich war die Appariersperre rund um Hogwarts entweder zerstört oder aufgehoben. Zunächst betrat er sein Schlafzimmer und holte aus seinem Schrank eine mittelgroße Tasche. Er stopfte ein paar Hemden, Hosen und Unterwäsche hinein, dann ging er zurück in den Wohnraum.
Mit langen Schritten strebte er auf seinen Tränkeschrank zu, riss die Türen auf und überflog das darin befindliche Arsenal an Tränken. Zielsicher griff er sich etliche Phiolen und verstaute sie ebenfalls in der Tasche. Er ließ den blutgetränkten Umhang von seinen Schultern rutschen und nahm einen sauberen von einem der Haken neben seiner Tür. Doch als er sich diesen umlegte, ließ gerade die Wirkung des Stärkungstrankes nach. Er rief nach Winky, seiner persönlichen Elfe, doch es dauerte länger als gewöhnlich, bevor es ploppte und die kleine Elfe erschien. Sie betrachtete ihn mit großen Augen. „Master Snape lebt!" freute sie sich ehrlich.
„Ja, ich lebe, aber niemand darf das erfahren, hörst Du? Niemand!" knurrte Severus.
„Aber..." die kleine Elfe rang die Hände, „warum nicht?"
„Weil ich nicht hierbleiben werde um zu sehen, wie sie mich weiter verachten und hassen oder gar töten! Kannst Du mir etwas zu essen bringen, bitte?"
„Selbstverständlich, Master Snape, einen Augenblick, Winky ist gleich wieder da!" Mit einem Plopp verschwand die kleine Elfe, um wenig später mit einem vollen Tablett wieder zu erscheinen. Sie stellte das Tablett auf den Tisch vor seinem Sessel am Kamin. Erschöpft ließ sich Severus fallen.
Bevor er sich jedoch über das Essen hermachte, musste er noch eine Frage stellen.
„Ist Voldemort tot?"
Mit leuchtenden Augen nickte die Elfe. „Ja, Master Potter hat den bösen Magier besiegt!"
Erleichtert schloss er für einen Moment die Augen. Sein grausamer Meister war endlich und wirklich tot. Doch er, der so lange dafür gearbeitet und gelitten hatte, war nicht dabei gewesen. Er hatte dem Monster nicht all seinen Hass, seinen Verrat und seine wahre Loyalität in das durch die Dunklen Künste, die Voldemort praktiziert hatte, zerstörte Gesicht schleudern können. Dabei hatte oft allein dieser Wunsch ihn noch aufrecht gehalten. Noch etwas, das sich für ihn nun nie mehr erfüllen würde.
Resigniert wandte er sich dem Essen zu und stellte fest, dass er zwar noch Schwierigkeiten beim Schlucken hatte, diese aber geringer waren als zu erwarten gewesen wäre. Also ignorierte er sie und aß. Er war Schmerzen gewohnt und diese hier waren nicht einmal besonders stark. Er würde seine Kräfte brauchen für sein Vorhaben, so viel Entfernung wie möglich zwischen sich und Hogwarts zu bringen. Flüchtig kam ihm der Gedanke, dass es auch eine Flucht war. Eine Flucht vor seinen Erinnerungen an Schuld und Verbrechen.
Doch er wusste, dass er davor nirgendwohin fliehen konnte. Sie würden ihn verfolgen und quälen, wohin auch immer er ging. Oh, Albus Dumbledore hatte geglaubt, er würde Lily noch immer lieben. Doch was ihn all die Jahre wirklich gequält hatte, war keine unerfüllte Liebe, sondern ein Bild in seinem Kopf. Ein Kinderzimmer, ein Kinderbettchen, ein schluchzender kleiner Junge und eine tote Mutter. Und er trug eine Mitschuld an ihrem Tod. DAS war sein Antrieb gewesen in all den Jahren. Keine hoffnungslose Liebe würde so lange quälen. Nur Schuld quälte ewig...
Nachdem er sein Mahl beendet hatte, rief er wieder nach Winky. Als die winzige Elfe erneut erschien, befahl er ihr noch einmal, niemandem zu sagen, dass er noch lebte und auch nicht nach ihm zu suchen. Einen Moment überlegte er, denn es widerstrebte ihm, Winky darum zu bitten, doch er hatte nicht mehr die Kraft, allein nach Spinner's End zu kommen. Die Elfe nahm die Tasche ihres Masters in die eine Hand, mit der anderen griff sie nach Severus' Hand und zusammen verschwanden sie.
In Spinner's End angekommen schleppte sich Severus mit letzter Kraft hinauf in das winzige, verwinkelte Zimmer unter dem Dach, in dem er schon als kleiner Junge geschlafen hatte, und ließ sich erschöpft auf das Bett fallen. Eine dichte Staubwolke erhob sich, denn das Bett wie der ganze Rest des Hauses war schmutzig und heruntergekommen. Das beachtete er jedoch nicht, dazu fehlte ihm die Kraft. Winky hatte die Tasche ebenfalls heraufgebracht. Nun stand sie vor dem Bett und betrachtete ihren Master, der mit geschlossenen Augen auf dem Bett lag und aussah, als sei bereits alles Leben aus ihm gewichen.
Normalerweise lag es nicht in ihrer Natur eigene Entscheidungen zu treffen, doch sie liebte ihren Master. Nie war er unfreundlich zu ihr oder hatte sie gar geschlagen, wie es ihr bei ihrem früheren Herrn Barty Crouch ergangen war. Auch hatte Master Snape ihr strikt verboten sich selbst zu bestrafen. Und als sie nun seinen Zustand sah, beschloss sie einzugreifen. Sie hob ihre kleinen Hände, konzentrierte sich und wirkte einen Elfenheilzauber über ihren bereits schlafenden Master. Das würde ihm seine Kraft zurückgeben, damit er am nächsten Tag tun konnte, was immer er sich vorgenommen hatte. Er würde zwar noch einige Zeit brauchen, bis er alle Folgen seiner Verletzung überwunden hätte, aber fürs erste würde er auch ohne sie zurechtkommen. Mit einem leisen Plopp verschwand sie.
Als Severus nach etlichen Stunden erwachte, fühlte er sich besser. Er erhob sich, duschte und zog sich frische Kleidung an. Er bat die herbeigerufene Winky ihm etwas zum Frühstück zu bringen und aß. Nach zwei Bechern Kaffee fühlte er sich bereits wesentlich besser und überlegte, wie er weiter vorgehen sollte. Da er in England nicht bleiben konnte und der europäische Kontinent für seinen Geschmack noch viel zu nah war, beschloss er, sich einen Portschlüssel zu schaffen. Das Reisen mit einem Portschlüssel war wesentlich kräfteschonender als apparieren oder flohen.
Normalerweise musste man einen solchen Portschlüssel im Ministerium beantragen und registrieren lassen. Das war jedoch das Allerletzte, das er tun würde. Was das Ministerium nicht wusste, konnte es auch nicht nachprüfen. Abgesehen davon glaubte er auch nicht, dass sich derzeit im Ministerium irgendjemand um solche Unwichtigkeiten kümmern würde.
Noch einmal rief er Winky und bat sie, den blutigen Umhang, den er in seinen Räumen in Hogwarts auf dem Boden liegengelassen hatte, zu beseitigen und schickte sie fort.
Dann stieg er die steile Stiege wieder hinunter und begab sich in das ehemalige Wohnzimmer seiner Eltern. Suchend sah er sich um und griff dann nach dem Schürhaken, der neben dem Kamin hing. Daraus würde er sich den Portschlüssel schaffen. Doch zunächst ging er zu dem großen, drehbaren Globus, der der ganze Stolz seines Vaters gewesen war. Da das Geld nie auch nur zum Leben reichte, hatte der Vater in seinen früheren Zeiten oft vor dem Globus gestanden und sich die fernen, unerreichbaren Länder angesehen. Später, als seine Tage nur noch durch den Alkohol bestimmt waren, hatte ihn der Anblick von Zielen, die er doch nie erreichen würde, eher wütend gemacht und einmal hatte Severus' Mutter den Globus sogar heimlich magisch reparieren müssen, weil sein Vater ihn im Rausch quer durch das Zimmer gegen die Wand geschmettert hatte.
Sich aus seinen Gedanken an seine trostlose Vergangenheit reißend drehte er den Globus nachdenklich langsam immer weiter, bis er den großen Kontinent Amerika vor sich sah. Dieses Ziel wäre weit genug weg von Europa. Es gab weite, fast unbewohnte Landstriche, vor allem im Westen. Riesige Wälder, in denen er sich erholen könnte und ihn niemand finden würde.
Er holte die Tasche, die Winky gestern Abend noch in seine Dachkammer gebracht hatte und stieg wieder hinunter. Er legte den Schürhaken auf den großen Tisch im Wohnzimmer, dann bewegte er seine Hand in einer komplizierten Figur über dem Schürhaken, der daraufhin bläulich aufleuchtete, bevor er wieder wie ein gewöhnliches Werkzeug zum Feuermachen aussah. In der einen Hand die Tasche, griff er mit der anderen Hand nach dem Portschlüssel und spürte, wie er scheinbar an seinem Bauchnabel fortgerissen wurde.
tbc?
