Die Kraft zu Leben

Kapitel 1: Und so beginnt es...

Argus Filch stampfte wütend durch die große Halle und ließ eine seiner üblichen Schimpftiraden hören: "... steht einfach vor dem Tor und fragt, was das hier sei! Als hätte ich sonst nichts zu tun, als hier den Fremdenführer zu spielen!" Er schnaubte wütend und zerrte an dem Jackenärmel, den er fest mit der rechten Hand umklammert hielt. In der Jacke steckte eine Frau, die mühsam hinter ihm her stolperte und dabei versuchte, so viel wie möglich von ihrer Umgebung zu sehen. Sie war ungefähr Ende dreißig, hatte dunkelbraunes, lockiges Haar und schokoladenbraune Augen, die ihr fast aus dem Kopf gefallen wären, als sie die Decke der großen Halle bemerkt hatte.

Filch zerrte sie weiter durch Gänge und über Treppen, vorbei an neugierig schauenden Personen in Gemälden, die ihnen einige Gänge lang folgten. Die Frau starrte irritiert zu den Bildern und schüttelte heftig den Kopf, als wolle sie die Folgen einer Gehirnerschütterung vertreiben.

Der merkwürdige Mann knurrte irgendetwas darüber, daß es wenigstens ein Glück sei, daß gerade keine von diesen widerwärtigen, grässlichen Mistkröten, die sich Schüler nennten in den Gängen unterwegs wären, doch das nahm die Frau nur am Rande wahr.

Schließlich blieb der Hausmeister vor einem Wasserspeier stehen, murmelte ein Wort, das die Frau nicht verstehen konnte und trat in einen Gang, der sich hinter dem zur Seite schwingenden Wasserspeier auftat. Die Frau schluckte, und folgte dem Hausmeister in den Gang hinein. Eine Wahl hatte sie nicht, zu fest war sein Griff an ihrem Ärmel und ihre Jacke aufgeben wollte sie nicht. Wohin hätte sie auch fliehen sollen? In all den Gängen und Treppen die sie passiert hatten hätte sie sich ohnehin nur rettungslos verlaufen. Außerdem wurde sie bei allem Erschrecken auch immer neugieriger. Immerhin war ihr das Schloss schon so merkwürdig vorgekommen, als sie es auf dem Hügel gesehen hatte. Ein seltsames Gefühl im Bauch hatte sie beschlichen und sie wollte unbedingt herausfinden, was es damit auf sich hatte. Daß sie gleich am Eingang von diesem merkwürdigen Mann mit ausgesprochen schlechter Laune aufgegriffen wurde, war nicht unbedingt in ihrem Plan inbegriffen gewesen, aber nun wollte sie sehen, was das Abenteuer noch bringen würde.

Mittlerweile waren ihr ungnädiger Begleiter und sie vor einer massiven Holztür angekommen, gegen die er heftig mit der Faust hämmerte. Auf ein leises, raues "Herein" öffnete er die Tür und schob sie durch die Tür.

"Professor Dumbledore, diese... diese... Person habe ich entdeckt, als sie am Eingangstor herumschnüffelte." Knurrte er keuchend außer Atem.

Die dunkelhaarige Frau starrte den Angesprochenen erstaunt an. Ein uralter Mann mit langem weißem Bart und ebenso langen schneeweißen Haaren stand vor ihr und schaute sie mit gelinder Neugierde an. "Treten Sie doch näher" sagte er mit ruhiger, freundlicher Stimme.

Ehe sie einen Schritt machen konnte erhielt sie einen kräftigen Stoß zwischen ihre Schulterblätter, der sie auf den Schreibtisch zutaumeln ließ. Keuchend entfuhr ihren Lungen die Luft und sie schwankte kurz.

Der alte Mann schritt erstaunlich behände auf sie zu, griff nach ihrem Arm und schob sie sanft in einen Sessel vor seinem Schreibtisch.

Er wandte sich an den Hausmeister und sagte: "Danke Mr. Filch, ich denke jetzt komme ich gut zurecht. Wenn sie bitte noch Professor McGonagall zu mir schicken würden, wäre ich ihnen sehr verbunden."

Filch nickte knapp und verließ den Raum.

Dumbledore ging hinter seinen Schreibtisch, setzte sich und zog seinen Zauberstab hervor. Mit einer kurzen präzisen Bewegung ließ er ein Tablett mit 3 Tassen und keiner dampfenden Teekanne in der Luft über dem Tisch erscheinen. Langsam senkte er das Tablett auf die Tischplatte, wandte sich an seine Besucherin und fragte mit sanfter Stimme: "Tee, meine Liebe?"

Die Frau sah ihn an, zögerte einen Moment und erwiderte dann mit leichter Ironie im Tonfall: "Nein danke, ich nehme prinzipiell nichts zu mir, was kurz zuvor vor meinen Augen schwebte."

Der alte Mann lächelte verschmitzt und murmelte:" Ein ausgesprochen kluger Grundsatz."

Er griff nach einer Tasse, goss sich Tee ein, nahm einen Schluck und lehnte sich zurück.

"Mein Name ist Albus Dumbledore und mit wem habe ich das Vergnügen?"

Die Frau hatte derweil die Wände des Büros entdeckt und musterte die Bücherregale und Gegenstände mit staunenden Blicken und murmelte nur geistesabwesend: "Carol. Carol Featherton."

Dumbledore griff nach einer Kristallschale auf seinem Schreibtisch und hielt sie in Richtung der Fremden. Sie enthielt kleine gelbe Bonbons.

"Ein Zitronenbonbon? Ich versichere ihnen, sie sind nicht geschwebt." sagte er schmunzelnd.

Carol drehte sich zu ihm, ihr Blick schweifte zwischen ihm und der Schale hin und her und schließlich sagte sie mit einem Lächeln: "Nein danke, aber ich weiß zu schätzen, daß es bei Ihnen auch flugunfähige Nahrungsmittel gibt."

Dumbledore begann zu kichern, als die Tür schwungvoll aufgerissen wurde und eine ältere Dame mit grauen, zu einem strengen Knoten gebundenen Haaren stürmte in das Büro. Sie trug eine Brille mit viereckigen Gläsern, die im Moment etwas windschief auf ihrer Nase saß.

"Sie ist ein Muggel und kann Hogwarts sehen?" fragte sie entsetzt in Richtung Dumbledore.

Carol sprang von ihrem Sessel auf. Ihr reichte es allmählich wirklich. Was immer hier los war, diese Leute waren entschieden zu schrullig für ihren Geschmack.

"Ich bin ein was? Wie haben sie mich genannt? Und wen habe ich gesehen?" fauchte sie aufgebracht.

Die ältere Dame drehte sich erschrocken zu ihr um, kniff die Augen zusammen und musterte sie einige Sekunden. Ihre Lippen bildeten einen Strich, als sie sagte: "Verzeihen sie, das war unhöflich von mir. Mein Name ist Minerva McGonagall. Ich habe sie einen "Muggel" genannt, so nennen wir Leute wie sie und Hogwarts ist nicht "wer" sondern "was", nämlich das Schloss hier."

Sie holte tief Luft, griff nach einer Teetasse und setzte sich in einen Sessel.

Carol setzte sich langsam wieder hin und wünschte sich, sie hätte auch eine Tasse, an der sie siech festhalten könnte.

Sie nickte in Richtung McGonagall und sagte betont ruhig: "Ich heiße Carol Featherton. Und was bitte sind Muggel, wer sind "Leute wie ich" und was für Leute

fassen Sie unter dem Begriff "wir" zusammen?".

Dumbledore seufzte.

"Da gibt es wohl für alle Seiten einiges zu erfragen. Aber zunächst würde ich gerne wissen, was Sie hierher geführt hat, Carol."

Seine freundlichen, warmen Augen blickten sie auffordernd an, und so lehnte sie sich im Sessel vor und sagte ruhig: "Ich sah das Schloss wie im Nebel liegen, es sah so geheimnisvoll aus." Sie stockte, "meine Neugierde war geweckt und ich beschloss nachzusehen, was es damit auf sich hat."

McGonagall warf ihr einen irritierten Blick zu: "Sie sahen das Schloss wie im Nebel liegen?" Sie wandte sich an Dumbledore: "Sind alle... äähh... Vorkehrungen intakt?" Sie blickte Dumbledore eindringlich an und formte mit den Lippen das Wort „Schutzzauber".

Er nickte leicht und wandte sich dann wieder an Carol: "Und das Schloss selber? Empfinden sie es als beunruhigend?". Leichte Neugier lag in seiner Stimme.

Sie legte den Kopf etwas schräg und überlegte: "Beunruhigend? Nein, eher... stark."

"Stark?"

"Ja, mächtig. Als läge hier die Quelle großer Stärke. Großer Macht. Ich weiss nicht, wie ich es beschreiben soll... als hätte man zufällig den Fuß auf die Insel Avalon gesetzt." Sie stockte. "Das klingt verrückt, oder?"

"Nicht verrückter als das, was sie noch erfahren werden" sagte Dumbledore mit einem milden Lächeln.

McGonagall sog zischend die Luft ein und fragte leise "Was in Merlins Namen willst Du ihr denn erzählen?"

"Soviel, daß sie versteht, warum wir alle etwas eigenwillig auf ihre Anwesenheit reagieren."

Carol hob langsam eine Augenbraue und sog die Atmosphäre des Raumes in sich auf. Nach einigen Minuten sagte sie leise: "Darf ich fragen, was das hier für ein Ort ist? Eine Bibliothek? Ein Tempel?"

"Hogwarts ist eine Schule."

"Ah... ja, ein Hort des Wissens. Großes Wissen verleiht große Macht, das ergibt einen Sinn." sinnierte Carol leise.

Dumbledore und McGonagall tauschten rasche Blicke.

Der Schulleiter holte tief Luft und begann zu sprechen.

Einige Stunden und diverse Tassen Tee später beendete er seine Erzählung und sah die staunend dreinblickende Carol an.

"Ähh... ja..." sie hustete verlegen, "ich glaube, ich muss das erst mal verarbeiten" sagte sie mit einem leichten Zittern in der Stimme.

McGonagall fragte leise "Und was machen wir nun mit ihr?"

"Ich werde sie erstmal am Grimmauldplatz unterbringen", sagte Dumbledore "dort sind im Moment Remus und Harry, sie wird dort gut aufgehoben sein."

Er griff in eine Schublade, holte einen Bleistiftanspitzer hervor, berührte ihn mit der Spitze seines Zauberstabs und murmelte ein leises Wort. Dann wandte er sich an die noch immer völlig ungläubig dreinschauende Frau und sagte sanft: "Noch einen weiteren kleinen Schock kann ich Ihnen nicht ersparen. Sie lernen nun noch eine unserer Reisemethoden kennen. Es könnte etwas erschreckend sein, aber keine Sorge, ich bleibe bei Ihnen."

Minuten später erschienen Dumbledore und Carol im Hauptquartier des Phoenix-Ordens und Lupin und Harry bekamen eine ausgesprochen ungewöhnliche Geschichte erzählt.

Eine ganze Weile herrschte Schweigen um den großen Küchentisch.

Dann prasselten Fragen aus allen Richtungen auf Dumbledore und Carol ein und es wurde ein sehr langer Abend in dessen Verlauf Carol testweise vor die Tür des Hauses Nummer 12 geführt wurde. Erstaunlicherweise konnte sie auch dieses Gebäude sehen, allerdings lag auch hier eine Art Nebel in ihrer Sicht.