Kate war nicht mehr hier. Die Klarheit machte sich ganz langsam in Neals Bewusstsein breit. Es gab keine Spur mehr. Alles endete hier; im Apartment, das sie gemeinsam so lange zusammen bewohnt hatten. Mit der Flasche, aus der sie so oft zusammen Wein getrunken hatten. Sie hatte ihn verlassen.
Neal seufzte und langsam wurde ihm klar, was das für ihn bedeuten würde. Er war verloren. In seinem Körper schrie alles nach Flucht, doch er rührt sich nicht vom Fleck. Wo sollte er auch hin gehen. Nach vier Jahren im Gefängnis hatte er niemanden mehr. Alle seine ehemaligen Freunde waren irgendwo in der Welt verstreut. Ja, er hatte Mozzie, auf ihn könnte er zählen. Aber er wollte dieses Leben nicht mehr. Er wollte mit Kate zusammen altern, sesshaft werden und vielleicht sogar eine Familie gründen.
Das Geräusch von Fussschritten riss ihn aus seinen Gedanken. Er wollte rennen, doch sein Körper blieb einfach sitzen und sein Blick starr weiter auf die Flasche in seinen Händen gerichtet.
„Wie ich sehe ist Kate ausgezogen?" tönte es hinter seinem Rücken hervor. Neal machte sich nicht die Mühe sich umzudrehen, er erkannte die Stimme sofort. Peter Burke. Wer auch sonst? Er seufzte laut heraus und realisierte langsam, dass es wirklich vorbei war. Er würde zurück ins Gefängnis gehen und das nicht nur für die restlichen drei Monate.
„Hat sie dir darin eine Nachricht darin hinterlassen?"
„Die Flasche ist die Nachricht"
„Es ist lange her"
„Ja, ein paar Jahre würde ich sagen. Mehr oder weniger."
„Bist du bewaffnet?"
„Du weisst, dass ich Waffen nicht mag."
„Die haben mich gefragt, warum ein kluger Typ flieht, wenn er nur noch drei Monate absitzen muss"
„Ich nehme an, du hast es herausgefunden"
„Kate sagt zu dir im Gefängnis Adios und verschwindet. Die Spur endet hier. Aber das weisst du ja bereits. „
„Ich kam zwei Tage zu spät."
„Und dennoch, du hast nur eineinhalb Monate gebraucht um aus dem Gefängnis auszubrechen. Verdammt beeindruckend"
Neal lachte ab dieser Bemerkung. Als würde es jetzt noch irgendetwas bedeuten. Peter hebte das Funkgerät und meldet: „ Es ist alles klar. Der Zielperson ist identifiziert und unbewaffnet."
Das zog Neals Interesse auf sich. Ein letztes Fünkchen von einem Fluchtversuch regte sich in Neal, auch wenn er noch so kläglich war. „Sind wir umzingelt?"
Peter nickte nur.
„Wie viele?
„Inklusive meine Agenten und Marshals, ziemlich alle.
Neal nahm die Information mit Resignation auf. An Flucht war jetzt definitiv nicht mehr zu denken. Es war endgültig vorbei.
„Wie heisst die Botschaft?"
„Leb wohl"
Peter lachte verächtlich auf. „Frauen"
„Die geben dir dafür noch einmal vier Jahre. Weisst du das?"
„Ist mir egal"
Peter schaute ihn ungläubig an. Neal drehte langsam den Kopf in seine Richtung und begann sein schelmisches Lächeln zu zeigen.
„Den Anzug hast du auch schon angehabt als du mich das letzte Mal verhaftet hast."
„Klassiker geraten nie aus der Mode"
Neal lächelte und stand auf. Langsam ging er auf Peter zu, als etwas auf seinem Anzug seinen Blick auf sich zog. Bedächtig um Peter nicht nervös zu machen, fasste er auf seine Schulter und zupfte eine kleine Faser vom Anzug.
„Weisst du was das ist?"
„Keine Ahnung. Das stammt von einem Fall, an dem ich gearbeitet habe, bevor ich mich mit dir beschäftigen musste."
„Wirst du ihn schnappen?"
Peter schüttelte den Kopf. „Ich weiss nicht. Er ist gut. Vielleicht so gut wie du."
Eine Idee zuckte durch Neals Kopf. Eine Chance, die er packen würde. „Was ist es dir Wert zu erfahren, was das hier ist? Ein Besuch im Gefängnis?"
„Wovon sprichst du?"
„Wenn ich dir sage, was das hier ist. Und zwar jetzt gleich, kommst du dann in einer Woche zu mir ins Gefängnis? Nur ein Besuch?"
„Okay"
„Das ist der Sicherheitsstreifen für den neuen kanadischen Hunderter"
Plötzlich hörte man die Türe mit einem lauten Knall aufspringen und die Schreie von Polizisten. Sofort streckte Neal seine Hände über den Kopf in der Erwartung festgenommen zu werden. Peter starrte ihn währenddessen nur ungläubig an. Die FBI- Agenten erreichten ihn, drückten seine Arme hinter den Rücken und fesselten ihn mit Handschellen.
„Eine Woche", wiederholte er, während er langsam von drei Männer gleichzeitig rückwärts aus dem Raum gezerrt wurde. Draussen angekommen, wurde er von einem ganzen Heer von Autos, Polizisten und auch vereinzelten Schaulustigen in Empfang genommen. Und das alles nur für Ihn, den grossen Neal Caffrey, schmunzelte er vor sich hin. Unsanft wurde er gegen ein Auto gedrückt und von oben bis unten abgetastet. Das einzige was sie jedoch fanden waren die Hundert Dollar, die er am Flughafen bekommen hatte.
„Hey, seid nicht so grob zu ihm", tönte Peters Stimme von hinten. Neal versuchte seinen Kopf zu drehen um ihn anzusehen, da wurde er auch schon ins Auto hineingedrängt. Sobald die Türe zugeknallt worden war, fuhr es auch schon los. Er konnte nur noch einen kurzen Blick auf Peters Gesicht erhaschen, der dem Auto nachblickte.
Neal konnte nur hoffen, dass er sein Versprechen einhielt und ihn in einer Woche wirklich besuchen würde. Das war das einzige war ihm im Moment ein wenig Hoffnung gab.
Der Weg zurück zum Gefängnis verlief schweigend. Niemand sprach mit ihm und Neal hatte zur Abwechslung auch kein Bedürfnis die zwei Agenten bei Laune zuhalten. Sie passierten das Tor und bevor Neal sich versah, befand er sich auch schon wieder im Inneren des Gefängnis. Doch ausser zwei Gefängniswärter empfing ihn kein applaudierendes Begrüssungskomitee.
„Na Caffrey, warst aber nicht lange weg", begrüsste ihn der ältere der Beiden und nahm ihn in Empfang. „Wir haben deine Zelle zum Glück noch keinem anderen vergeben."
„Da hatte ich aber Glück. Nichts geht über mein bequemes Bett." feixte Neal zurück. Er würde ihn die Genugtuung nicht geben und zeigen, dass er betrübt war. Zusammen gingen sie den gleichen Weg noch einmal, den er vor fast vier Jahren schon gegangen war. Fotos machen, ausziehen, noch einmal durchsuchen lassen, duschen und ihn neue schöne Kleider wechseln.
Mit Handschellen wurden seine Hände wieder auf den Rücken gefesselt und er wurde ihn eine Wartezelle mit einer dicken Plexiglasscheibe gesperrt. Neal setzte sich auf die Bank und zerrte an den Fesseln. Doch bald gab er auf und sank ruhig in sich zusammen. Er hatte weder die Hilfsmittel noch die Energie um aus den Handschellen zu kommen. Und was sollte es schon bringen. Weit würde er so oder so nicht kommen. Es würde sich wohl einiges ändern. Hoffentlich kam er nicht ihn Isolationshaft, das würde er nicht aushalten.
Seine Gedanken kehrten sofort zu Kate zurück. Wo war sie hin und vor allem weshalb? Irgendetwas war faul an der Sache, da war sich Neal sicher. So oder so musste er Mozzie kontaktieren. Sein letzter verzweifelter Versuch hier herauszukommen. Neal war sich nicht sicher ob er ihm helfen würde. Mozzie hasste das Gefängnis überalles. Er hatte ihn über die Jahre nie besucht, was aber okay war für Neal. Er konnte es verstehen.
Er wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, als die Zellentür sich öffnete und ein Wärter erschien.
„Komm Neal, deine Zelle ist jetzt bereit".
Neal stand auf und folgte ihm. Als sie bei seiner Zelle angekommen waren, bemerkte er auch sofort, auf was er gewartet hatte. Seine Zelle war leer geräumt. Kein einziger Gegenstand war mehr zu sehen. Der Wärter schloss die Tür auf, nahm Neal die Fesseln ab und stiess ihn sanft ihn sein altes Zuhause rein.
„Hey, kann ich einen Teil meiner Sachen wieder irgendwie zurückbekommen?" Neal drehte sich zum Wärter um und ergriff verzweifelt die Gitterstäbe.
„Im Moment wird alles noch durchsucht und von der Gefängnisleitung geprüft. Einen Teil bekommst du sicher wieder zurück. Mehr kann ich dir bis jetzt nicht sagen. In ein paar Tagen wird das Justizdepartement deine Strafe bestimmen, bis dahin darfst du deine Zelle vorläufig nicht verlassen. Fluchtrisiko. Sorry Neal. Brauchst du noch was?"
„Nein danke. Ich weiss es zu schätzen." antwortete Neal höflich. Das konnte ja toll werden. Er brauchte seine Sachen. Er legte sich auf seine Pritsche, zog die Beine an und begann sich einen Plan auszudenken, wie er Peter davon überzeugen wollte, ihn aus dem Gefängnis zulassen.
