Die Geschichte ist, dank meiner lieben Leser, unter den Nominierten des Fanfiction Oscars 2006 - Kategorie: Bester Erzählstil und errang dabei den 2. Platz
Ein wahnsinns "hannon le" an alle! Was soll ich sagen... ist das etwa auch "nur ein Traum"? ;-)


Autor: Elbendrache

Titel: Nur ein Traum

Inhaltsangabe:
Die Biologin Alena hat für zwei Jahre einen Forschungsjob in einem irischen Nationalpark angenommen, wo sie eines nachts einen verletzten Mann findet. Er kann sich an nichts mehr erinnern und kennt auch seine Herkunft nicht mehr. Für einige Zeit teilt sie sein Schicksal und dies bringt sie nach und nach zu den verborgenen Mythen und Legenden von Irlands Elben, welche heute noch dort leben sollen...
Die Geschichte könnte sich somit jederzeit heute oder irgendwann in Irland so zugetragen haben, wenn man an ein bisschen Zauber glaubt... :-)

Diese Geschichte ist mit einem eigenen Charakter an Tolkiens Elben und Irlands Elfen angelehnt. Wer sich gerne etwas verzaubern lässt, die Natur liebt und es ein bisschen romantisch mag, dem wird meine Geschichte vielleicht gefallen...
(Keine "Mary Sue" und keine typische "Real-Life meets Middle-earth")

Rating: T, ab 13 Jahren

Genre: Fantasy: Romance / Drama und auch etwas Action
AU (alternatives Universum), OC (eigener Character)
Die komplette Geschichte wurde als WIP (laufende Bearbeitung) geschrieben.

Kapitelübersicht:
1. Der Fremde
2. Hannon le
3. Du bist so anders
4. Du bist ein Elb
5. Im meldin
6. So darf es nicht enden
7. Sternenmond
8. Nur ein Traum
9. Das Flüstern der Bäume

Beta, inhaltlich: LadyDragonfire

Copyright, Disclaimer und Bemerkung:
Die Elben, einige weitere Namen und Begriffe und ein paar Worte Elbisch (Sindarin) habe ich mir ehrfürchtig von J.R.R. Tolkien und Peter Jackson geborgt. Weiters habe ich einige Dinge aus den irischen Elfensagen entnommen, die mich schon lange faszinierten.
Die restliche Geschichte und Charaktere gehören jedoch mir (c) copyright by Elbendrache 2005. Geld verdiene ich damit natürlich keines, war auch nie mein Ziel – ich nehme jedoch sehr gerne lebensnotwendige ‚Feedbacks' entgegen :-)
Alle Ortsangaben sind frei erfunden, aber an realen Gebieten Irlands angelehnt. Die Helden von ‚Herr der Ringe' kommen hier nicht direkt vor, eher deren Erbe. Ich berufe mich darauf, dass Tolkien Mittelerde mit dem frühen Europa/Asien des Mittelalters verglich und im Grunde eine Mythologie für England schreiben wollte. Ich dehne dies nun in meiner Fantasie auf Irland aus :-)

Die Worte in „Sindarin" waren nur unter Mithilfe des „grünen" Buches „Elbisch" von Helmut W. Pesch möglich, dem ich hiermit meinen hochachtungsvollsten und tiefsten Dank für seine mühevolle Arbeit darbringen will! Ich kann jedoch fürdie Richtigkeit meiner Sätze nicht bürgen, aber es macht einfach sehr viel Spaß!

... und jetzt habt Gnade, denn es ist meine erste FF.

--
NUR EIN TRAUM

Prolog

Fast geräuschlos bewegten sich die Pferde am Ufer des großen Sees entlang, strebten langsam auf ihrem Rückweg den schmalen Pfad zum Aufstieg des Hügels an. Die herrschende Dunkelheit gab nur wenig von ihrem seidigglänzenden Fell preis und ihre schlanken Reiter hüllten sich in ihre schützenden Umhänge, tauschten nur gelegentlich Blicke aus, als sich die dichten Wolken endlich aufzulösen schienen und den Mond freigaben. In der geöffneten Hand des führenden Reiters blitze ein Funke auf, der in ein zartblaues Strahlen übergehend, sein Gesicht erhellte und die gequälten Züge sichtbar werden ließ.

"Er ist noch am Leben", flüsterte sein Begleiter.

Der Angesprochene nickte nur, schloss seine Hand und bewahrte das Schmuckstück nahe an seinem Herzen auf und, noch einmal in den nun dunklen, tiefen Wald zurückblickend, flüsterte er: „Wir kommen wieder zurück und werden dich finden. Das verspreche ich."

Dann spornten sie die Pferde an, tauchten in verborgene Wege, bestritten den Aufstieg und wurden mit gedämpft freudigen Worten empfangen, während auf den Hügeln über dem See die bläuchlichen Lichter langsam verloschen und wieder die Stimmen der Nacht den Wald übernahmen.

--
Kapitel 1: Der Fremde
--

Mittsommertag in Irland...
... in dem Land, wo Sagen, Mythen und Legenden noch lebendig sind...

Alena war bereits seit dem frühen Morgen mit ihrem Pferd ‚Goath Dheas', einem wunderschönen, schwarzen Irish Draught Horsehengst, im Wald unterwegs. Als Biologin verwaltete sie eine kleine Forschungsstation am Rande eines sehr alten Waldes. Mitten in den grünen Hügeln des ‚Oakwood Nationalparks' beobachtete sie die Auswirkung der Umweltverschmutzung auf die Eichenbestände und die dort lebenden Tiere. Vor allem das Rotwild und bedrohte Vogelarten, für welche der Park berühmt war, standen unter ihrer steten Beobachtung.

Hier draußen in der Stille, in meinem friedlichen Land, wo noch die Einhörner und Elben leben, so bezeichnete sie es immer, wenn Freunde sie nach ihrem Wohnort fragten.

Wobei, alles Gute hatte auch immer etwas Trauriges. Sie musste ‚ihre' Welt in einem halben Jahr verlassen, denn dann waren die Forschungen abgeschlossen und sie kehrte wieder zurück... zurück in die Betonburgen.

Mit einer Handbewegung unterbrach sie ihre Gedanken.

„Was soll das? Wieso mache ich mich immer so fertig?", schallt sie sich selbst laut.

Sie liebte dieses Leben, hatte jahrelang darauf hingearbeitet und wusste von Anfang an, dass es nur für zwei Jahre sein würde.Bei der Auswahl ihrer Jobs legte sie besonderen Wert auf Veränderung, nur hatte sie damals keine Ahnung, dass diese hier ihr Glück sein würde... ihre Erfüllung.

Sie lenkte Dheas auf den Heimweg und rings um ragten die alten Eichen wie große Wächterempor. Süßlich war der Duft des frühsommerlichen Waldes in dem es rundum blühte und summte, wie sonst nie. Der Juni brachte die schönste Jahreszeit und Alena liebte diesen berauschenden Geruch im ruhigen Wald. Von Platz zu Platz veränderte er sich, ständig wechselnd und immer überraschend.

Angst? Ob sie Angst alleine hätte? Dies war die Standardfrage ihrer Bekannten, wenn sie etwas über ihre Arbeit erzählte. Alena lachte sie danach nur aus. Wer sollte sich dorthin schon verirren? Dieses Fleckchen kannte keiner, der Weg dorthin war schon sehr beschwerlich und noch dazu lag es mitten in einem Naturschutzgebiet, das selbst für die Besucher weitestgehend gesperrt war. Neben Dheas gab es auch noch Giant, ihren Irish Wolfhound, einer der sanftesten Riesen unter dem Hundevolk. Aber wehe, irgendjemand würde auch nur ein bedrohlich klingendes Wort gegen sie richten. Er würde sie bis in den Tod verteidigen.

Dheas wurde plötzlich nervös. Was war los? Überrascht blickte sie sich um, denn der Hengst wurde im Wald sonst nie nervös. In einiger Entfernung vernahm sie Giant am Boden schnuppernd und danach wieder die Stauden anwedelnd. Das machte er oft, als sähe er dort jemanden, aber er war auch mit seinen vier Jahren immer noch verspielt wie ein Welpe und sie schenkte dem Wedeln darum keine weitere Beachtung.

Neben ihr knackte es ziemlich laut und Dheas machte einen kleinen Hopp, der Alena ziemlich unsicher werden ließ. Abermals knackte es und diesmal stieg Dheas hoch und erschrocken griff sie in seine Mähne, doch entglitt ihr diese aus den Händen. Sie rutschte, Dheas stieg höher und ohne Halt, stürzte sie nun hart zu Boden.

„Au!"

Kaum Luft bekommend wurde ihr schwarz vor Augen und alles drehte sich um Alena, bevor sie das Bewusstsein verlor.

Etwas knabberte an ihr herum, etwas Warmes, Weiches, dann schmeckte sie Blut und als sie sich bewegte und die Augen aufschlug, fühlte sie den Schmerz. Stöhnend drehte sie sich um und Dheas schnaubte mit seinen Nüstern knapp an ihrem Gesicht.

„Iihhh", entrann es Alena angeekelt, aber der Schmerz lenkte sie wieder ab.

Ihr Kopf tat weh und ihr Rücken ebenso, dennoch versuchte sie sogleich sich aufzusetzen und stupste Dheas leicht von sich. Dieser stieß daraufhin einen leisen Laut aus und wich ein paar Schritte von ihr zurück. Alenas Kopf brummte und sie strich vorsichtig ihre langen, blonden Haare aus dem Gesicht, die jetzt ziemlich verschwitzt an ihr klebten.

Das war vielleicht ein Sturz, dachte Alena, denn schon lange war ihr so etwas nicht mehr passiert.

„Was ist bloß in dich gefahren? Mich so abzuwerfen!", maulte sie ihren stämmigen Rapphengst an.

Dieser schnaubte nur, während Alena langsam aufstand, zu ihm hinwackelte und wieder aufstieg. Hier waren sie ziemlich tief im Wald und in der Nähe lag ein großer See, teilweise von einem wunderbaren alten Eichenbestand umringt. Sie kam an diesem Ort öfter vorbei, aber jetzt wollte sie nur noch nach Hause, denn die Schmerzen wurden nun ziemlich stark.

Zu Hause angekommen, nahm sie gleich eine Tablette und schlief daraufhin einige Zeit.

Danach fühlte sie sich besser und setzte sich mit Lesestoff ausgestattet vor den Kamin. Kuschelig warm war es dort und eben gerade die letzten Seiten des Sagenbuchs beendet, machte ihre graugetigerte Katze Joy mit einem leichten Nasenstupser auf sich aufmerksam. Lautstark miauend forderte diese danach ihr noch nicht erhaltenes Abendmahl ein. Alena drehte ihren Kopf zur Seite, sah in ihre gelbgrünen Augen, die sie regelrecht zu durchbohren schienen.

„Okay, du hast gewonnen", seufzte sie und legte das Buch neben das Fell, auf welchem sie so gemütlich gesessen hatte.

In der Küche richtete sie alles her und Joy ließ es sich genüsslich schmecken. Ein danach erfolgter Blick auf die Uhr verriet ihr, dass die ‚Tierrunde' ohnedies schon längst überfällig war. Vorhin in dieses interessante Buch versunken, vergaß sie regelrecht die Zeit. Fernseher gab es hier keinen, weil sie sonst immer den verhassten Generator anwerfen müsste. Seufzend stand sie auf. Giant warf ihr nur ein müdes Auge zu, als sie an ihm vorbei ging.

„Okay, gehe ich eben alleine."

Draußen im Stall von Dheas tummelten sich noch Maggy, die Ziege, drei Schafe, ein paar Gänse und etliche Hühner herum. Sie hatten alle schon ihre Schlafplätze eingenommen und Dheas brummelte, als Alena ihm das Futter gab. Der Stall war immer offen und er konnte somit auch in den jetzt lauen Sommernächten draußen auf der Koppel herumstreifen.

Nachdem sein Futternapf leer war, tat er dies auch sogleich. Irgendwie hatte der fast volle Mond und die laue Nachtluft heute etwas Magisches an sich und Alena, der es wieder gut ging, zog es förmlich hinaus. Ob das an dem Sagenbuch lag, welches sie zuvor gelesen hatte oder nur an der heutigen Mittsommernacht?

Sie begleitete Dheas auf die große Koppel, die teilweise von den alten Waldbäumen beschattet war. Durch eine baumlose Stelle traf das helle Mondlicht auf das bereits nachtfeuchte Gras.

Alena zog ihre Schuhe aus und es war ein herrliches Gefühl barfuss über das kühle Gras zu laufen. Dheas forderte sie zu einem Spiel auf und schüttelte wie verrückt den Kopf, ließ seine lange Mähne kräftig hin und her fliegen. Alena musste darauf hin immer versuchen ihn zu fangen, dass natürlich lächerlich war, aber es machte beiden großen Spaß.

Bei diesem Herumtollen bemerkte sie erst spät, dass außerhalb des Koppelzauns, welcher in Waldrichtung lag, auf einmal ein Pferd stand. Total verdutzt blieb Alena stehen. Nicht nur, wegen der Tatsache, dass hier plötzlich ein Pferd stand, sondern wegen diesem sonderbaren Glanz, der sein Fell überzog. Sein Körper strahlte metallisch-silbern, wie, wenn es den Mond eingefangen hätte. Etwas glitt von seinem Rücken, das Pferd stieg, wieherte hell und warf die Vorderhufe in die Luft. Alena lief sofort in seine Richtung los.

War dies sein Reiter, der da runtergefallen war?, schoss es durch ihre Gedanken.

Trotz des Mondlichtes konnte sie es nicht genau erkennen. Erkannt hatte sie jedoch, dass das Pferd weder Zaumzeug noch Sattel trug und nachdem es nochmals stieg, drehte es sich um und lief vor ihr davon. Sie hatte es verschreckt.

Schade, dachte sie.

Trotzdem lief sie weiter, denn da war eindeutig ein Schatten am Boden, es musste etwas heruntergefallen sein.

Dheas lief an ihr vorbei und stoppte, den Kopf genau über die Stelle haltend, wo das silberne Pferd gestanden hatte.

Endlich war auch Alena angekommen und total außer Atem erkannte sie, dass es ein Mensch war, der da vor ihr im Gras lag.

Sie kletterte durch den Holzzaun und spürte erst jetzt wie schrecklich aufgeregt sie war. Wie war das bei Erster Hilfe? Sie war noch nie in so einer Situation gewesen. Dheas begann nervös zu tänzeln, denn er spürte Alenas Aufregung und so oft bekamen sie hier auch keine anderen Menschen zu sehen, außer die Aufseher, die auf ihren Kontrollfahrten gerne bei ihr vorbei schauten.

Der Reiter lag mit dem Gesicht im Gras und war von einem dunklen Umhang bedeckt.

„Hallo. Geht es ihnen gut?"

Blöde Frage, schimpfte sie sich und drehte ihn auf die Seite, denn sie hatte im letzten Erste Hilfekurs die ‚stabile Seitenlage' geübt, welche man bei Bewusstlosen anwenden sollte.

Ein Problem war, dass sie ihr Handy nicht dabei hatte und so konnte sie nicht gleich jemanden um Hilfe rufen, wobei jede Hilfe zu diesen Abendstunden mindestens zwei Stunden hier her benötigen würde.

Seine Kleidung war zerrissen und schmutzig und roch fürchterlich, schon fast wie von einem toten Tier. Ein Stöhnen drang ihr entgegen und sie erschrak, als dunkle Augen ihr ebenso erschrocken entgegen blickten und sich sogleich wieder schlossen. Es war ein Mann und sein Gesicht wirkte unheimlich fahl und weiß zwischen dem Schmutz und etlichen Kratzern. Im Mondlicht erkannte sie einfach zu wenig und sog sie hart die Luft ein.

Mein Gott, dachte sie, ist er jetzt tot?

Sogleich tastete sie nach seinem Puls.

Gut, Puls und Atmung sind da, wenn auch beide sehr langsam.

Die Kleidung suchte sie so gut wie möglich nach Verletzungen ab und erschrak nochmals fürchterlich. Er hatte einen abgebrochenen Pfeil in seiner Brust bei der Schulter stecken.

Alena fuhr panisch in die Höhe.

„Bleib' ruhig. Bleib' ganz ruhig", flüsterte sie leise zu sich selbst.

Dheas stieg in der Koppel und galoppierte dann einige Male am Zaun auf und ab. Der Mann bewegte sich nochmals, stöhnte leise und sprach etwas, dass sie nicht verstand.

Endlich erwachte sie aus ihrer Starre, kletterte wieder in die Koppel und rannte zurück zum Haus. Sie musste ihr Handy holen, doch ohne Schuhe rutschte sie beinahe einmal aus, während ihre Gedanken nur so durch den Kopf rasten. In der Besucherstation des Parks war jetzt niemand mehr und der Eingang war zwar bewacht, aber man brauchte von dort gut zwei Stunden bis zu ihr hier her. Die nächste Stadt war dann nochmals eine Stunde entfernt und das nächste Krankenhaus? Sie stutzte. Wusste sie denn nach eineinhalb Jahren nicht einmal, wo das nächste Krankenhaus lag?

Die Haustüre riss sie kräftig auf, raste ins Wohnzimmer und...

„Mist", fluchte sie, das Handy war nicht auf seinem Platz. „Wo ist das verdammte Ding?"

Giant schreckte auf, fühlte sogleich ihre Nervosität und folgte ihr in die Küche, wo sie den Tisch absuchte.

Nichts, kein Handy.

Wo hatte sie es zuletzt verwendet?

Sie lief noch ins Bad und Schlafzimmer, fand es aber jetzt nicht. Nochmals zurück im Bad riss sie den Erste Hilfe-Kasten auf.

Mullbinden, Dreiecktuch, Schere.

Im Grunde hatte sie immer alles im Haus, aber wie bekam sie ihn hier her? Er sah nicht gerade klein aus. Zum ersten Mal verfluchte sie ihre Einsamkeit hier und alles fallen lassend lief sie hinters Haus.

Dort, gleich beim Stall, stand ihr Dienstfahrzeug, ein 'Land Rover'. Sie mochte das Auto nicht, denn sie hatte ja Dheas für ihre Walderkundigungen, aber zum Einkaufen war es schon praktisch.

Mittlerweile war es bereits nach Mitternacht.

Komisch, dachte sie, dass ich gerade heute auf die Tierrunde fast vergessen hatte.

Mit dem Auto musste sie die ganze Koppel umrunden, was bis zu dieser Stelle zum Glück möglich war, und hielt danach genau mit den Scheinwerfern auf den Verletzen gerichtet an. Er lag noch so da, wie sie ihn verlassen hatte. Dheas hielt den Kopf nach unten, als würde er auf ihn aufpassen.

Als Alena ausstieg tänzelte er wieder nervös auf der Stelle.

„So. Jetzt werden wir dich mal ins Haus schaffen."

Sie wusste, dass er sie nicht hören würde, aber ihre eigene Stimme beruhigte sie selbst und sie hoffte, dass er sich nichts gebrochen hatte, denn dann würden die Bewegungen alles noch verschlimmern. Sie ging hinter seinem Kopf, griff ihm unter die Arme, denn mit diesem Tragegriff sollte sie das eigentlich schaffen.

Huch, ist der schwer, dachte sie.

Er machte eher den Eindruck zwar groß, aber ziemlich zart gebaut zu sein. Leise stöhnte er wieder, schien sich gegen ihre Hilfe zu wehren, fiel aber dann wieder in die Bewusstlosigkeit.

Der Gestank ist ziemlich ekelig, durchfuhr es sie, aber irgendwie schaffte sie ihn auf den Rücksitz.

Alena war schon lange nicht mehr so außer Atem gewesen und fuhr bedächtig zurück, denn die Straße hatte viele Schlaglöcher und sie wollte seinen Zustand nicht noch verschlimmern.

Sie entschloss sich ihn auf die Couch im Wohnzimmer zu legen, denn darauf lag eine Decke und das wärmende Kaminfeuer war in der Nähe. An manchen Frühsommerabenden wurde es hier noch ziemlich kühl. Er stöhnte leise, als sie ihn hinlegte und Giant lief um sie herum, war total aufgeregt. Er schnupperte den Fremden überall ab und wedelte freudig.

„Lass' ihn in Ruhe, Giant!", bellte sie ihn an, denn es war jetzt keine Zeit dafür.

Komisch, dass er bei einem Fremden so wedelt, dachte sie noch.

Der große Hund legte sich gehorsam zum Fußende der Couch, hielt die Nase in seine Richtung und wedelte auf den Boden klopfend weiter.

Alena lief in den Schuppen um den Generator anzustellen, denn so konnte sie im Haus für besseres Licht sorgen.

Verdammt, wo ist nur das Handy?, durchzuckte sie es wieder.

Sie schimpfte sich, weil sie bereits viel Zeit hatte verstreichen lassen. Sie war eine schlechte ‚Erste Hilfe'.

„Was ist als nächstes zu tun?", fragte sie sich beruhigend.

Seine Pfeilwunde blutete nicht und sie kontrollierte nochmals Atmung und Puls, rollte ihn dann auf die Seite und versuchte, ihn von dem verschmutzten Umhang zu befreien. Der klebrige Dreck erwies sich bei Licht betrachtet als fast getrocknetes Blut und Alena konnte nicht anders, als dass ihr davor ein wenig ekelte. Davon stammte wohl auch der üble Geruch, denn das Blut war so ungewöhnlich dunkel, fast schon eher schwarz. Der Umhang war am Hals mit einer zierlichen Brosche verbunden, die sie fast nicht aufbekam. Sie schielte währenddessen auf sein Gesicht. Er schien mittleren Alters zu sein, sofern man dies unter diesem Dreck und den verkrusteten Kratzern richtig erkennen konnte. Es sah aus, als wäre er blind durch den Wald geritten, ohne auch nur einem Ast auszuweichen.

„Was hast du gemacht und wer hat dir das angetan?", fragte sie leise, ohne dabei auf Antwort hoffend.

Plötzlich umgarnte sie ein schrecklicher Gedanke. Was, wenn der Schütze hier noch herumlief? Sie ließ alles fallen, rannte zur Haustüre, die sie schnell versperrte und lugte dann mit großen Augen aus dem Fenster. Draußen sah sie nur Dheas, welcher in ihre Richtung blickte, als wollte er mitverfolgen, was hier herinnen geschah.

Sie schallt sich als ängstlich, machte weiter mit ihrem kläglichen Versuch ihn zu versorgen und warf den Umhang auf den Boden. Das nächste Kleidungsstück war so eine Art langes Hemd mit einem tiefen Schlitz im Schritt. Es war aus dunkelgrünem, dicken Stoff und mit einem fein geschwungenen Linienmuster verziert. Dies musste sie ein Stück aufschneiden um an die Pfeilwunde zu gelangen. Sie kontrollierte nochmals seinen Puls und Atmung, die beide in Ordnung waren. Während sie weiter am Hemd herumarbeitete, läutete ihr Handy.

„Das Handy!" rief sie, sprang auf, warf noch einen schnellen Blick auf den Patienten und lief in die Richtung, aus der das Klingeln stammte. Es kam aus der Küche.

Dunkle Augen beobachteten ihre hektischen Bewegungen.

„Da ist es!", rief Alena erfreut und fummelte es unter dem Stapel Post hervor. Peter, ihr Tierarzt, rief sie an.

„Peter! Gott sei Dank, rufst du an. Kannst du schnell kommen? Ich brauche deine Hilfe", flehte sie, ohne ihn auch nur ein ‚Hallo' sagen zu lassen.

Sie kehre wieder ins Wohnzimmer zurück, wo er noch genauso da lag wie vorher. Nervös lief sie auf und ab und ging dann abermals in die Küche.

„Ist etwas mit Dheas? Was hat er?", fragte Peter besorgt.

„Nein, es ist nicht Dheas, ich habe einen verletzten Obdachlosen oder so jemanden hier gefunden. Und Dr. Barry, der nächstgelegene Arzt hier, ist auf Urlaub und sonst wohnt keiner in meiner Nähe, der mir schnell helfen kann."

Schweigen war auf der anderen Leitung.

„Ich weiß, dass du das nicht machen darfst, aber wenn ich jetzt auch ins Spital fahre... wo ist das Nächste hier überhaupt?"

„Dreieinhalb Autostunden von dir entfernt."

„Siehst du, das dauert zu lange und in ihm steckt doch ein abgebrochener Pfeil!", rief sie schon fast hysterisch.

„Ein was, bitte schön?"

„Ja, du hast richtig gehört, ein Pfeil steckt in seiner Brust."

„Blutet die Wunde noch? Fasse den Pfeil ja nicht an. Lass' ihn stecken, hast du gehört?"

„Ja, ich werde mal nur die Erstversorgung machen. Kommst du?"

Das Freisignal war zu hören.

„Peter?"

Sie warf das Handy beiseite. Peter kam, sie konnte sich auf ihn verlassen.

Giant hatte in der Zwischenzeit seinen Kopf unter die Hand des Verletzten geschoben und winselte.

„Gehst du weg da!", rief Alena lautstark und er wich gebückt rückwärts zum Couchende, ohne die Augen von ihm zu lassen.

Sie betrachtete die jetzt freigelegte Pfeilwunde genauer und entschloss sich gar nichts zu machen, denn Peter war hierfür besser geeignet. Sie gab Desinfektionsmittel auf ein Tuch und begann die Verwundungen im Gesicht zu reinigen.

„Na, du hast ja einiges abbekommen", murmelte sie.

Plötzlich zuckte er leicht zusammen und öffnete die Augen, sah geradewegs in ihre erschrockenen, großen Augen.

Blau... seine Augen... so ein tiefes, dunkles Blau, durchfuhr es sie gebannt.

Leise murmelte er Worte, die sie wieder nicht verstand und er schien abermals, nur für einen kurzen Moment, das Bewusstsein gefunden zu haben.

Sie erwachte von ihrem Schreck und griff nach an seinem Hals um den Puls zu messen. Jedes Mal, wenn er das Bewusstsein verlor, hatte sie Angst, er wäre tot, aber sie konnte ihn noch fühlen und sein Atem ging auch wieder gleichmäßig ruhig.

Alena hatte bald die letzte Wunde in seinem Gesicht versorgt und versuchte nun die gröbsten Schmutzstellen aus seinem Haar rund um das Gesicht zu entfernen. Die Wunden daneben sollten sauber bleiben und unter all dem Schmutz und den Haarfilzen kamen lange, blonde Strähnen zum Vorschein.

Nach einer Stunde wieherte Dheas laut, als ein Auto die Einfahrt hoch fuhr. Giant bellte sofort los, was auch sonst nicht die Art seiner Rasse war. Peter war gekommen. Endlich!