Titel: Jura
Autor: Aisling
Personen: Rodney McKay, John Sheppard, Ronon, Teyla
Kategorie: Action, Drama
Wörter: ca.15 000
Inhalt: Ein fremder Planet mit noch fremdartigeren Tieren.
Disclaimer: Ich weiß nicht, wem Atlantis gehört. Mir jedenfalls nicht. Ich spiele nur ein wenig mit den Charakteren und gebe sie anschließend zurück.
Kommentar: Dass die Story von ‚Primeval' inspiriert worden ist, brauche ich wohl nicht großartig zu erwähnen.
Beta: Birgit und Antares
Für: Shodan, zum Wicheln bei storywelten. com
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MT5-X17 war auf den ersten Blick ein idyllischer, friedlicher Planet mit Farnwäldern und einem subtropischem Klima. Aber es gab auf dem Planteten auch noch einen verlassenen Antikeraußenposten, der MT5X17 nicht nur Biologen sondern auch für Rodney McKay interessant machte. Dieser Gebäudekomplex lag mitten im Wald, knapp zwanzig Kilometer vom Stargate entfernt.
‚Eine perfekte Mission, um sich zu erinnern, dass die Pegasusgalaxie mehr ist als die Weidegründe der Wraith.'
Das war Rodneys erster Gedanke, als er den Planeten betrat. Allerdings machte es die dichte Vegetation unmöglich, den Puddlejumper in unmittelbarer Nähe zum Außenposten zu landen, und so war bei der Missionsbesprechung entschieden worden, dass sie eine längere Wanderung machen mussten. Es war zwar warm und sonnig, aber glücklicherweise spendeten die Bäume genug Schatten, um das Klima angenehm zu machen. Das Unterholz war dicht, aber nicht undurchdringlich. Wozu gab es Ronon und John im Team? Sie waren für das Grobe – in diesem Fall das Abhacken des Unterholzes – zuständig.
Rodney hatte genug Zeit, um sich über die Mückenhorden aufzuregen und zu überlegen, wie er die Langstreckensensoren in Atlantis zeitsparend warten könnte.
Als Elizabeth sie - wie vereinbart - nach vier Stunden anfunkte, waren alle guter Laune.
„Hallo, Elizabeth! Schön, Ihre Stimme zu hören!" John war stehen geblieben, um mit ihr zu sprechen.
„Hallo zusammen. Ich hoffe, bei Ihnen ist alles in Ordnung!"
„Wir haben zwar recht viele Mücken hier, aber da sie sich bisher auf Rodney gestürzt haben, kann ich mich nicht beschweren."
Rodney zog eine Grimasse, das war ja mal wieder typisch. Seine Hand zuckte zum Ohr und berührte das Headset. „Ich weiß es sehr zu schätzen, wie besorgt hier alle um mich sind. Danke, vielen herzlichen Dank. Warum hat niemand daran gedacht, uns etwas gegen die Mückenbisse mitzugeben? Schickt Lorne mit dem Puddlejumper her, damit er für mich drei Flaschen abwirft." Er warf einen Blick in die lächelnde Runde. „Und ich werde niemandem etwas abgeben."
„John?" Elizabeth verhinderte, dass das Wortgeplänkel ausartete.
„Ja, bitte?"
„Wie läuft es, wann werden Sie den Außenposten etwa erreichen?"
„Heute nicht mehr, das Gelände ist hügeliger als erwartet. Wir werden morgen im Laufe des Vormittags ankommen."
„Dann werde ich morgen um 07:00 die nächste Verbindung aufbauen. Oder soll ich mich heute Abend noch einmal melden?"
Das Stargate von MT5-X17 lag in einer anderen Zeitzone. Auf Atlantis war schon später Abend, wogegen hier erst früher Nachmittag war, deswegen wunderte sich Rodney nicht, als John den Kopf schüttelte.
„Um uns ein Schlaflied zu singen? Das werden die Mücken erledigen. Wir sprechen uns morgen, Sheppard Ende."
„Bis morgen. Lasst euch nicht zerbeißen, Atlantis Ende."
Ein leises Knacken zeigte Rodney, dass das Gespräch beendet war.
„Toll, und woher bekomme ich jetzt meine Mückenschutzmittel?"
Teyla hatte ihren Rucksack abgesetzt und holte einen Tiegel heraus, den sie Rodney reichte.
„Ich weiß nicht, ob die hiesigen Tiere darauf reagieren, aber auf Athos und Atlantis wirkt die Creme."
Rodney nahm den Topf, öffnete ihn und wich entsetzt zurück.
„Das stinkt bestialisch. Damit soll ich mich einreiben!"
„Nein, du isst es und danach hast du für den Rest deines Lebens Ruhe vor Annäherungen jeglicher Art." John grinste.
„Danke, Kirk. Am besten, du isst davon, und wir haben nie wieder Probleme mit Priesterinnen, göttlichen Wesen und anderen Frauen, die sonst hinter dir her sind."
Rodney verteilte vorsichtig etwas Creme auf seinen Handgelenken. Er konnte sich jedoch nicht überwinden, das Zeug in sein Gesicht zu schmieren. Es reichte jedoch, um die meisten Mücken abzuhalten.
Auch die nächste Stunde lief alles perfekt.
Bis die Tiere auftauchten. Es war eine Herde von mindestens zwanzig Exemplaren und sie waren groß. Größer als alle Tiere, die Rodney bisher in der Pegasusgalaxie gesehen hatte: Über zwei Meter hoch und etwa sechs Meter lang. Und sie gingen aufrecht. Sie erinnerten Rodney an Saurier.
Als die Tiere das Team witterten, ergriffen sie nicht die Flucht, sondern bezogen in einem Halbkreis Stellung und beäugten die Eindringlinge argwöhnisch.
„Ich habe so was noch nie gesehen. Es scheinen Jäger zu sein." Ronon hatte seine Waffe gezückt und zielte auf das am nächsten stehende Tier, bereit abzudrücken, falls es angreifen sollte.
„Warte", hielt John ihn zurück. „Es sind zu viele und noch verhalten sie sich ruhig. Ich habe keine Lust, von einer Stampede überrannt zu werden, weil sie in Panik geraten."
Zuerst erkannte Rodney sie nicht – es war zu lange her, dass er sich im Schulunterricht mit ihnen beschäftigt hatte, und im Film hatte man sie komplett falsch dargestellt, aber nach ein paar Minuten stieg eine böser Verdacht in ihm hoch.
„John, das könnte eine Herde Dilophosaurier sein!" John starrte ihn verständnislos an. „Dinosaurier. Im Rudel jagende Fleischfresser, für die ein Mensch eine akzeptable Mahlzeit wäre. Die Umgebung passt jedenfalls. Erinnere dich an ‚Jurassic Park'! Nur hat man sie dort nicht entsprechend der Forschung dargestellt. Das, was wir hier vor uns haben, kommt den Skelettfunden sehr nahe. Ich habe erst neulich einen Artikel darüber gelesen."
Solche Tiere waren in seinen bisherigen Albträumen noch nicht aufgetaucht. Nicht, dass Rodney sie vermisst hätte.
Ein T-Rex wäre angenehmer gewesen. Ein, zwei Schüsse aus Ronons Waffe und der große Dinosaurier wäre Geschichte gewesen, aber nein, es mussten natürlich die Wesen sein, die schon den ‚Jurassic Park' unsicher gemacht und ihr Gift verspritzt hatten.
Rodney hoffte, dass sie – wenn sie schon der Filmversion äußerlich recht wenig ähnelten – auch keine Giftdrüsen hatten, obwohl es in den Grabungsfunden weder für noch gegen das Gift Belege gab. Skelette gab es genug, aber Organe hatten die Jahrmillionen nicht überstanden.
„Dann können wir nicht weiter", stellte John fest. „Und ich will gar nicht wissen, was für Dinos noch auftauchen. Wir gehen zurück."
Rodney war froh, dass sein Colonel ausnahmsweise vernünftig war. Er zückte das Ortungsgerät der Antiker, um festzustellen, wo die Dilophosaurier waren, damit sie sie umgehen konnten. Doch das Gerät reagierte nicht auf die Tiere. Es ortete Menschen, Antiker und Wraith, aber instinktgeleitete Wesen nur in Ausnahmefällen. Dies war keiner. Fluchend steckte Rodney das Gerät zurück in den Rucksack.
Inzwischen hatte die Herde den Kreis geschlossen und sie hatten keine andere Wahl, als sich den Weg freizuschießen.
Drei Tiere mussten sie töten – Ronon erlegte zwei -, bevor sie den Heimweg antreten konnten.
Zunächst schien alles glatt zu gehen.
Das Unglück geschah, als sie knapp sechs Kilometer vom Stargate entfernt waren. Ronon und Teyla hatten zwei weitere Dilophosaurier getötet, die sie von hinten angegriffen hatten.
Plötzlich änderten die Tiere die Taktik und brachen von allen Seiten durch das Unterholz. Sie bewegten sich viel zu schnell für ihre Größe, es war beängstigend. Meistens verschwanden sie aus der Sichtweite, bevor man wirklich auf sie zielen konnte. Aber nicht immer, direkt vor Ronon war ein Saurier erschienen und war erlegt worden. Auch Rodney hatte auf ein Tier geschossen. Er war sich sicher, den Dilophosaurier getroffen zu haben, doch getötet hatte er ihn nicht.
Wie das Tier es schaffte, plötzlich direkt neben John aufzutauchen, war unheimlich. John drehte sich um und wich einige Schritte zurück, um besser zielen zu können.
Dabei stolperte er über einen Ast und stürzte – es gelang ihm aber, auf den Saurier zu schießen.
Als Rodney John unter dem Tier zu Boden gehen sah, befürchtete er das Schlimmste – einen ätzenden Giftstrahl und einen elendigen Tod - und jagte eine Salve in das Raubtier. Er hörte erst auf, als das Magazin seiner P90 leer war.
„Hör verdammt noch mal auf! Du hast genug Löcher hinein geschossen! Ich liege direkt unter deinem Ziel und könnte getroffen werden! Hilf mir raus, McKay. Es reicht, das Vieh einmal zu töten!"
Das brachte Rodney zur Besinnung. Mit Ronons Unterstützung rollte er den Dilophosaurier mühsam zur Seite.
John lag am Boden, schien aber heil zu sein und - was noch viel besser war - er hatte kein Gift abbekommen.
„Alles in Ordnung?", fragte Rodney, um sicher zu gehen.
„Natürlich ist mir nichts passiert. Das Vieh ist auf mich gestürzt und hat das Gewicht einer Feder. Ich bin nur über meine eigenen Füße gestolpert."
„Die Federn, die eine Tonne wiegen, musst du mir mal zeigen." Rodney beunruhigte es, dass John bissige Kommentare von sich gab, sich aber nur sehr vorsichtig bewegte, als ob er seinem Körper nicht trauen würde.
Endlich versuchte er aufzustehen, sank aber - als er den rechten Fuß belastete - mit einem Stöhnen zurück auf den Boden und fluchte leise.
John hatte es tatsächlich geschafft, in den schweren Stiefeln umzuknicken.
Üble Verwünschungen ausstoßend zog er den rechten Stiefel aus, damit Teyla den verletzten Knöchel untersuchen konnte. Rodney malte sich in schillernden Farben aus, was als Nächstes passieren würde.
Umzingelt von wilden Bestien konnte ihnen diese an sich harmlose Verletzung zum Verhängnis werden. Sie würden als Mittagshappen in den Mägen der Dinosaurier landen. Womöglich jeden Biss spüren, da es ja kein Gift gab, das sie betäubte.
Ein lautes Krachen aus dem Unterholz lenkte Rodney von seinen Überlegungen ab. Bevor er die P90 nachladen konnte, hatte Ronon schon geschossen. Danach herrschte relative Stille - nichts ließ darauf schließen, ob der Dinosaurier getroffen worden war oder nicht.
Rodney hatte jede Begeisterung für die Schatten spendenden Farne verloren: Sie standen unangenehm dicht und nah. Es gab keine Lichtung, um auf Abstand zu den Bestien zu gehen. Zudem waren die Baumstämme so dick, dass Rodney befürchtete, dass sich die Dinosaurier hinter ihnen verstecken konnten.
„Es tut mir leid, John, der Knöchel ist gebrochen, und er sticht ins Fleisch. Bevor ich den Bruch schienen kann, muss er eingerenkt werden", lautete Teylas niederschmetternde Diagnose. „Das Schlimmste ist, dass es angesichts der Bedrohung durch diese Tiere nicht sinnvoll ist, dich zu betäuben. Wir brauchen Ronon im Kampfeinsatz und nicht damit er dich trägt."
„Das ist doch Wahnsinn! Wie soll er diese Schmerzen aushalten?" Rodney wollte seinen Ohren nicht trauen.
„Halt den Mund, McKay. Du wirst froh sein, wenn ich nicht auf einer Trage liege, sondern eine Waffe halten kann. Teyla, kannst du das?"
„Es ist nicht das erste Mal, dass ich ein Mitglied eines Jagdtrupps versorgen muss. Jemand muss dich festhalten, damit du dich während der Behandlung nicht verletzt."
„McKay, das ist dein Job."
Rodney schluckte einen sarkastischen Kommentar hinunter, als er in Johns Gesicht sah. Es war ausdruckslos, aber Rodney kannte ihn gut genug, um zu erkennen, dass er starke Schmerzen hatte.
„Glaubst du nicht, dass Ronon besser geeignet ist? Ich bin nur ein Wissenschaftler, der keine Kraft in den Armen hat und froh ist, euer Tempo mithalten zu können. Wie soll ich dich ruhig stellen können?"
John schüttelte den Kopf. „Willst du lieber Wache schieben und die Dinos abschießen? Ich denke, dass wir noch fünf Verfolger haben."
„Es sind mindestens zehn", korrigierte Ronon die Schätzung.
Rodney schluckte. Er kannte seine Grenzen – beide Aufgaben gingen weit über sie hinaus, aber der eventuelle Schaden wäre geringer, wenn er keine Waffe in der Hand hielt.
„Wie soll ich ihn festhalten?", fragte er Teyla.
„Du umfasst seinen Oberschenkel und stützt dich mit deinem ganzen Gewicht darauf. Es wird nicht lange dauern."
Teyla war ruhig und gelassen. Damit gab sie Rodney die Kraft, die er brauchte, um es wirklich zu tun.
Er blickte John in die Augen und als dieser nickte, schnallte Rodney John die M-9 ab, legte seine Hände auf den rechten Oberschenkel und stützte sich mit seinem gesamten Gewicht darauf. Den Blick hielt er auf Johns Gesicht gerichtet und er zuckte nur leicht zusammen, als Ronons Waffe aufheulte. Das laute Rascheln des Farns und ein dumpfes Plumpsen ließen hoffen, dass ein weiterer Dilophosaurier sein Leben ausgehaucht hatte. Ronons zufriedenes Grunzen bestätigte Rodneys Vermutung.
Auch John war abgelenkt und drehte seinen Kopf, um zu sehen, was passiert war. Diesen Augenblick nutzte Teyla, um den Knochen wieder in seine ursprüngliche Position zu bringen.
Johns Aufstöhnen und Aufbäumen taten Rodney in der Seele weh, doch er hielt den Oberschenkel fest, so dass er sich nicht von der Stelle bewegte, und er lockerte den Griff erst, als Teyla den Knöchel geschient hatte.
Ronon hatte zwei weitere Schüsse abgegeben - nur der erste hatte einen Dilophosaurier zu Boden gezwungen - und kam dann zu ihnen.
„Wir müssen weg. Es sind inzwischen mindestens fünfzehn Tiere, die uns belauern."
„John!" Teylas Lächeln war besorgt. „Kannst du gehen, wenn Rodney dich stützt?"
„Ich muss, sonst sind wir Dinofutter. Teyla, du gehst vor und sicherst den Weg, Ronon, pass auf, dass sie nicht von der Seite oder von hinten kommen. Rodney, du kannst mein Bein jetzt loslassen und mir hochhelfen."
Rodney stellte erstaunt fest, dass er John immer noch berührte, obwohl er genau wusste, dass dieser es nicht besonders mochte. Er ließ los, stand auf und reichte John seine Hand.
Der Colonel schlug ein und zog sich hoch. Als er den rechten Fuß belastete, stöhnte er auf. Nur Rodneys Eingreifen bewahrte ihn davor, erneut zu stürzen.
„Damit kannst du noch nicht mal humpeln. Nach drei Schritten kippst du um und ziehst mich mit. Wäre es nicht sinnvoller, wenn wir Ronon schicken, um Hilfe zu holen? Es sind doch nur sechs Kilometer. Wir könnten uns währenddessen verschanzen."
John lachte auf. Ohne jeden Humor.
„Glaubst du ernsthaft, dass wir ohne Ronon eine Überlebenschance haben? Das Unterholz gibt uns nicht genug Deckung, und es gibt bestimmt noch andere Dinos, die uns für eine leckere Beute halten." John zog sich hoch und legte seinen Arm um Rodneys Schulter. „Alleine wäre Ronon schneller, aber wer hält ihm den Rücken frei? Wenn er es angesichts dieser aggressiven Jäger schaffen sollte, das Stargate zu erreichen, wäre es eine Wahnsinnsleistung."
„Ich schaffe es, Sheppard." Ronons Stimme war ein tiefes Grollen.
Bevor Rodney etwas sagen konnte, schaltete Teyla sich ein.
„Zusammen sind unser Chancen größer. John hat Recht. Lasst uns gehen, bevor seine restliche Energie mit einer unsinnigen Diskussion erschöpft wird."
Rodney versuchte nachzurechnen, wie viele Dilophosaurier Ronon bisher erlegt hatte, und kam zu dem Schluss, dass er leider keine exakte Zahl hatte. Es war aber bestimmt ein Dutzend gewesen. Doch nach dem Rascheln der Farne zu urteilen, warteten noch etliche der Biester auf ihre Chance.
Die Aussicht, nicht länger als unbedingt notwendig in dieser grünen Vorhölle bleiben zu müssen, überzeugte Rodney.
„Wie ihr wollt." Er schlang seinen linken Arm um Johns Hüfte.
Die ersten Schritte klappte es auch, weil John hüpfte und seinen Fuß nicht belastete. So ging es langsam vorwärts – viel zu langsam.
Immer wieder mussten sie eine Pause einlegen, weil John nicht mehr konnte. Sie schafften jedes Mal nur kurze Strecken.
Johns Gesicht war schon nach kurzer Zeit kalkweiß und nach der zweiten Pause hatte er sich die Lippen blutig gebissen.
Beim nächsten Mal klappte John nach knapp zehn Schritten zusammen. So wie Rodney es von Anfang an befürchtet hatte. Zumindest gelang es ihm, John sanft zu Boden gleiten zu lassen, statt mit ihm hinzufallen.
Von den sechs Kilometern hatten sie etwas über zwei geschafft.
Rodney nahm seine Wasserflasche und schüttete eine kleine Menge in das Gesicht seines Freundes.
John schlug die Augen auf. „Was ist passiert?"
In dem Moment heulte Ronons Waffe mal wieder auf, gleichzeitig schoss Teyla auf einen Dinosaurier, der bedrohlich nah durch das Unterholz brach.
„Das Übliche. Hungrige Dilophosaurier, die von Ronon und Teyla dezimiert werden. Ich frage mich, wie viele Biester noch da draußen sind." Als John sich aufrappeln wollte, hielt Rodney ihn fest. „Du bist zusammengebrochen, also bleibst du erst mal liegen. Lass die beiden etwas aufräumen, danach geht es weiter. Es ist nicht mehr weit bis zum Stargate."
Nur noch vier Kilometer, die John unmöglich laufen konnte. Statt sich zurückzulehnen und Kraft zu schöpfen, versuchte der Colonel, sich aufzusetzen.
„Sie brauchen meine Hilfe! Ich kann nicht sitzen bleiben."
Langsam reichte es Rodney. Wieso hatte John diesen Heldenkomplex? Konnte er nicht einmal zulassen, dass andere ihm halfen?
„Indem du zu ihnen kriechst und dich von den Dinos vernaschen lässt? Vergiss es. Wir finden schon eine Lösung."
Doch Rodney hatte nicht den blassesten Schimmer, wie sie auch nur ein Schritt weiter kommen sollten. Ob vier Kilometer oder hundert machte eigentlich keinen Unterschied.
„Rodney, hast du noch Munition?"
Lautlos wie ein Schatten war Teyla neben ihm aufgetaucht.
Kommentarlos suchte Rodney aus dem Rucksack seine drei Ersatzmagazine heraus und gab sie ihr.
Sie bedankte sich mit einem Nicken und ging einige Schritte zur Seite, wo keine Zweige ihre Bewegungen behinderten.
Auch John kramte in seinen Sachen, bis er die Munition griffbereit hatte. Es war wirklich kein gutes Zeichen, dass sie schon auf ihre Reserven zurückgreifen mussten. Sie brauchten einen Plan. Dringend.
„Was hältst du davon, wenn ich das Morphium raushole, damit Ronon dich zum Stargate trägt?" Auf anderen Planeten hatte es immer geholfen, wenn sie schneller rennen konnten als ihre Verfolger.
„Wenn du mir verrätst, wer dann die Dinos in Schach hält, gerne. Die Viecher haben uns umzingelt, da hilft wegrennen überhaupt nicht. Dir ist es vielleicht noch nicht aufgefallen, aber Ronon hat wesentlich mehr Tiere erlegt als Teyla!"
Rodney blickte zu den beiden. Sie standen lauschend nebeneinander. Kein Dolphosaurier tauchte auf und versuchte, sie zum Abendessen zu vernaschen, nur das Kreischen der verletzten Bestien war zu hören. Und sein eigener Herzschlag hallte in seinen Ohren wieder. Langsam und dumpf.
Seltsam. Müsste es nicht eigentlich rasen? Erst als das Geräusch immer lauter wurde, kam ihm der Verdacht, dass es vielleicht gar nicht sein Herzschlag war, den er wahrnahm, sondern etwas Gigantisches, das die Erde zum Vibrieren brachte.
„Hörst du das auch, Sheppard?"
John nickte.
„Dieses Dröhnen ist unheimlich. Je lauter es wird, umso leiser wird alles andere."
John hatte Recht. Es war still geworden. Selbst die verletzten Tiere gaben keinen Ton mehr von sich. Auch die anderen Lebewesen des Urwaldes waren ruhig – es war wie ein kollektives Luft anhalten. Dann tauchte Ronon auf.
„Wir müssen hier weg. Was auch immer sich nähert, hat unsere Angreifer vertrieben und ich brauch uns nicht mehr zu verteidigen. Sheppard, ich trag dich."
Johns Proteste ignorierte Ronon. Er packte den Colonel und warf ihn sich wie einen Mehlsack über die Schulter.
„McKay, halt die Augen offen, und wenn sich etwas bewegt, schießt du!" Er drückte Rodney seine Waffe in die Finger.
Als Ronon loslief, folgte Rodney, doch das rhythmische Dröhnen wurde nicht leiser, eher lauter.
Dank seiner Last war Ronon langsam genug, dass Rodney mühelos Schritt halten konnte.
Weit kamen sie nicht. Nach etwa fünfzig Metern lag ein verletzter Dilophosaurier in der von ihnen auf dem Hinweg geschlagenen Schneise und sie mussten ins Unterholz.
Obwohl Ronon John trug, schaffte er es, mit seiner Machete einen weiteren Weg zu schlagen. Rodney wollte helfen, wurde aber von Ronon mit einer ungeduldigen Handbewegung verscheucht.
Rodney ließ sich einige Schritte zurückfallen, um Ronon genügend Platz zu lassen.
Insgesamt hatten sie vielleicht einen Kilometer zurückgelegt, als Ronon eine Pause machen musste, um Atem zu schöpfen. Er lehnte Sheppard gegen den Stamm eines Farns und nahm einen Schluck aus der Wasserflasche.
Das Dröhnen war immer lauter geworden und hatte sich in ein unrhythmisches Stampfen verwandelt. Als Rodney anfing, sich Sorgen um sein Trommelfell zu machen, stampfte plötzlich ein gigantisches, stinkendes, mit Algen bedecktes Bein neben ihm auf dem Boden auf. Er blickte hoch und sah, etwa zehn Meter über sich, den verhältnismäßig winzigen Kopf eines Brachiosaurier.
„Runter!" zu brüllen und sich selbst auf den Boden zu werfen, rettete ihm das Leben, als der Schwanz des Dinos nur wenige Zentimeter über ihm durch die Luft peitschte.
Rodney zählte langsam bis zehn, dann hob er den Kopf und blickte sich um.
Was er sah, ließ ihn beinahe vor Panik erstarren: Ein weiterer Brachiosaurier war im Anmarsch. Nur eine blitzschnelle Drehung und ein Sprung ins Unterholz verhinderten, dass Rodney unter einem Fuß zermatscht wurde – noch eine Todesart, die es in seinen Albträumen bisher nicht gegeben hatte. Nach seinem Herzklopfen zu urteilen, würde es in der nächsten Zeit zu seinen häufigsten Gründen von Schlaflosigkeit werden, vielleicht noch vor seinem Favoriten: ‚von einem Wraith vernascht zu werden.
Diese Gedanken waren jedoch nur nebensächlich. Seine Konzentration richtete sich aufs Überleben.
Wie groß die Herde war, wusste Rodney nicht. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, während der er den Riesen ausweichen musste. Es spielte auch keine Rolle, dass er wusste, dass sie reine Planzenfresser waren, ihre bloße Masse reichte, einen Menschen zu töten – selbst wenn das nicht ihre Absicht war.
Bei einem besonders gewagten Sprung zur Seite verlor Rodney sein Headset im Unterholz. Bevor er es aus dem Zweig fischen konnte, musste er einem Schwanz ausweichen – danach konnte er es nicht mehr sehen.
Als die Herde sie passiert hatte, konnte Rodney es erst gar nicht glauben. Er blieb noch einen Moment in dem Schlammloch liegen, in das er gefallen war, dann hob er vorsichtig den Kopf und sah sich um.
Wo ein prächtiger Wald mit Farnen als dichtes Unterholz gestanden hatte, war jetzt eine Schneise der Verwüstung. Nicht breiter als zweihundert Meter, aber das Stargate stand auf der anderen Seite. Es würde ihre Heimkehr verzögern – besonders mit einem Verletzten in ihren Reihen.
„Rodney!" Ronon konnte nicht weit weg sein, da Rodney sein Rufen klar und deutlich verstand, vielleicht waren sie zweihundert Meter entfernt.
„Ich bin mitten im Chaos und habe so gerade eben überlebt. Ist bei euch alles in Ordnung?"
Der Gedanke, dass John womöglich von den Kolossen zermalmt worden war, weil ihn sein Fuß behinderte, bescherte Rodney ein flaues Gefühl im Magen und einen mittleren Panikanfall.
„Wir leben noch! Sieh zu, dass du zu uns kommst, bevor die Dilophosaurier merken, dass wir jetzt eine leichte Beute sind."
Es tat gut, Johns Stimme zu hören, auch wenn er wesentlich leiser war als Ronon. Schwächer.
Rodney erinnerte sich an das Antikergerät, das ihm vielleicht jetzt weiterhelfen konnte.
Er wühlte in seinem Rucksack, bis er es gefunden hatte.
„Hast du noch meine Waffe, McKay? Ich brauche sie!", rief Ronon.
Wie zur Bestätigung hörte Rodney Schüsse. Er starrte auf seine Hände und überlegte, wann er Ronons Heiligtum zuletzt gehalten hatte. Es war eins der vielen Ausweichmanöver gewesen. Um nicht mit dem Gesicht im Dreck zu landen, hatte er die Waffe fallen gelassen. Doch wo war das gewesen?
Ohne die Waffe konnte er gleich Selbstmord begehen. Ronon war bestimmt sehr erfinderisch, wie er ihn zu Tode foltern würde.
„Rodney!" Teyla schien nicht so weit weg zu sein – das Antikergerät zeigte einen Punkt etwa auf der Mitte des Weges.
„Ich komme! Ich muss nur meine Sachen zusammensuchen."
Es waren Ronons, aber auf solche Details wollte Rodney nicht eingehen, während der Satedaner mithören konnte.
Auf den ersten Blick war nichts zu sehen außer Ästen, Stämmen, Blättern, Farnen und aufgewühlter Erde. Verzweifelt stolperte Rodney über die Bäume. Er hatte die Hoffnung schon aufgegeben, als er etwas im Schatten eines Farnes glitzern sah. Er musste über einen Stamm klettern, dann hatte er es erreicht. Es war Ronons Waffe.
Den Anzeigen des Detektors folgend, machte Rodney sich auf den Weg zu seinem Team. Er kletterte über umgestürzte Bäume und einmal musste er umkehren, weil es unmöglich war, das Gestrüpp aus Farnen und Stämmen zu überqueren.
Für eine Strecke von noch nicht einmal hundert Meter brauchte er fast eine halbe Stunde.
Ziemlich erschöpft erreichte er schließlich Teyla, die ihm am nächsten war.
Doch eine Atempause gönnte Rodney sich nicht. Er trank nur einen Schluck Wasser, dann drängte er Teyla, ihn zu John und Ronon zu führen.
Da sie jetzt die Schneise der Verwüstung verlassen konnten, dauerte es keine zehn Minuten, bis das Team wieder vereint war.
Während Rodney durch sein Bemühen, den zermalmenden Füßen und peitschenden Schwänzen zu entkommen, immer weiter in die Herde hineingestolpert war, hatte Ronon es geschafft, John in Sicherheit zu bringen.
Statt sein Pech zu beklagen, freute sich Rodney, dass sein Team dieses Abenteuer ohne weiteren Schaden überstanden hatte.
„Hier ist sie!"
Rodney reichte Ronon seine Waffe und setzte sich dann neben John auf den Boden und lehnte sich an den Baumstamm.
Nur eine Minute die Augen schließen, eine Minute an nichts denken…
„Du kannst jetzt nicht einschlafen." John sah schrecklich aus. Sein Gesicht war schmerzverzerrt und seine ganze Haltung war verkrampft. Er versuchte zu lächeln, doch es wurde zu einer Grimasse.
„Ich will mich nur einen Moment ausruhen. Was ist mit dir passiert?"
„Ich musste selber laufen, um einem gigantischen Fuß zu entgehen. Bin dabei gestolpert, die Schiene ist verrutscht und der Knochen hat sich durch die Haut gebohrt."
Rodney sah sich das Bein an und wünschte sich sofort, es gelassen zu haben. Die Wunde sah gar nicht gut aus.
„Oh-oh. Und wie geht es weiter?"
„Teyla hat mir ein Schmerzmittel gegeben, sobald es wirkt, wird alles wieder gerichtet. Ich dachte eigentlich, dass es auch ohne geht."
Das Ganze wurde von einem schmerzhaften Seufzer begleitet. Absolut untypisch für den Colonel und ein sicheres Zeichen, dass er große Schmerzen hatte. Unsicher, wie er John behandeln soll, tätschelte Rodney seine Hand.
In den nächsten Minuten konnte er sehen, wie die Schmerzmittel zu wirken begannen. Johns Miene entspannte sich.
Als Teyla sich zu John hockte, war er high. Rodney fragte sich, wie hoch die Dosis gewesen war, sagte aber nichts. Er interpretierte Teylas Blick als Aufforderung, Johns Bein festzuhalten, damit sie den Knochen erneut in die richtige Position schieben konnte.
Es funktionierte reibungslos. John schien gar nicht mitzubekommen, dass Teyla an seinem Bein arbeitete, und nachdem eine neue Schiene angebracht worden war, schlief er ein.
Auch Rodney lehnte sich erschöpft an den Baum und schloss die Augen.
