Prolog
Zusammengekauert saß Luna in der einzigen Fensternische ihres Zimmers. Mit geschlossenen Augen, angezogenen Beinen und den Kopf auf den Knien saß sie an die kalte Fensterscheibe gelehnt. Von außen prasselte der Regen in Strömen gegen die Scheibe. Es blitzte; sie hob den Kopf und öffnete die Augen, dann ließ sie den Kopf langsam gegen die Scheibe sinken.
Zwei Jahre waren vergangen, seit zwei Jahren war sie hier eingeschlossen.
Sie hatte während dieser Zeit keinen einzigen Menschen gesehen, nicht einen…
Sie starrte auf das riesige Bett, das an einer der Seitenwände stand. Die schwarzen, leichten, seidenen Vorhänge waren zugezogen.
Sie blickte an sich hinab und betrachtete eingehend ihr Kleid, das aus festem, grobem Leinen war.
Früher hatte ihr das ständige allein sein etwas ausgemacht, heute sah sie es als angenehm und verbrachte die Zeit mit nachdenken, üben und lernen…
Sie wollte gerade ihren Gedanken nachhängen, als sie es an der Tür klopfen hörte. Wer konnte das bloß sein? Es war eine Art von Überraschung, sie hatte keine Angst und spürte auch kein Unbehagen, aber etwas irritierte sie; etwas Vertrautes…
Mit fester Stimme rief sie: "Herein."
Die Tür öffnete sich geräuschlos und hinter ihr wurde eine dunkle Gestalt sichtbar, die offenbar den Kopf gesenkt hielt. Wegen der Dunkelheit konnte Luna nichts Genaueres erkennen, war sich aber sicher dass… die Gestalt war eindeutig menschlich, doch...
Ihr stieg der Geruch von Nachtluft und Blut in die Nase. Langsam stellte sie sich auf den Sims aufrecht hin. Die ganze Zeit über wagte sie sich nicht, die Gastalt aus den Augen zu lassen. Anscheinend trug sie einen Mantel mit Kapuze, der bis zu den Knöcheln reichte. Sie glaubte außerdem zu erkennen, dass sie schwarze, geschnürte Stiefel trug, auch der Mantel schien schwarz zu sein.
Sie hatte sich gerade vollends aufgerichtet, als die die Gestalt leise und schadenfroh auflachte. Ein Schauder lief Luna über den Rücken, und sie sah, wie sie mit sicherem, stolzem und beanspruchendem Gang auf sie zukam, doch sie blieb ruhig stehen. Die Gestalt zögerte kurz und atmete hörbar röchelnd ein. Dann ging sie schnurstracks weiter und trat in den vom immer noch andauernden Gewitter spärlich erhellten Bereich. Er war jetzt soweit in den erhellten Bereich eingetreten, dass sie den Teil seines Gesichtes sehen konnte, der nicht von der Kapuze verdeckt worden war. Als sie Lunas Blick bemerkte, grinste sie verstohlen und setzte damit zwei lange, spitze Eckzähne frei.
Ein Dämon. Luna sah etwas überrascht aus.
„Na, begrüßt man den so einen guten Freund?"
Luna streckte eine Hand aus und schnipste mit den Fingern. Das Fenster, vor dem sie stand, zersprang in tausende von kleinen Scherben, die für einen Moment bewegungslos in der Luft verharrten. Über ihren Kopf hinweg bewegten sich die Splitter auf den Dämon zu und fingen an, sich um diesen zu drehen, erst langsam, dann immer schneller. Auf einmal hörte das Summen auf und die Splitter blieben in der Luft hängen. Alles war ganz ruhig, Luna hörte nur noch ihren Herzschlag, ruhig und regelmäßig pumpte ihr Herz warmes Blut durch ihren Körper, doch er blieb kalt und gefühllos. Langsam verschwamm die Gestalt vor ihren Augen, bis sie ganz in der Dunkelheit verschwunden war. Die Wände und das Bett entfernten sich immer weiter, bis sie ganz allein in einer bodenlosen Tiefe stand. Nur sie und die Splitter, die in einiger Entfernung vor ihr schwebten. Das alles kam ihr so vertraut vor. Sie hatte keine Angst. Die fast friedliche Stille umgab sie, und sie beobachtete die Splitter, welche auf sonderbare Weise glänzten. Nach einer Weile bewegten sie sich aufeinander zu und verschmolzen miteinander. Sie formten eine silberne Schlange mit Flügeln. Die Schlange glitt auf Luna zu. Sie streckte die Hand nach ihr aus. Das Reptil schlängelte sich an ihrem Arm weiter. Luna empfand die Berührung als angenehm, was sie aber nicht überraschte. Trotz des metallenen Aussehens war die Schlange äußerst beweglich und warm. Sie kam Luna so vertraut vor, als kenne sie sie schon ihr ganzes Leben lag, und weit darüber hinaus…
Sie lächelte und öffnete sie Augen. Ein Traum, ein Wunsch, nichts weiter. In dem Fenster sah sie ihr Gesicht. Die langen, roten Haare, die grünen Augen, ihre große, runde Brille und die Narbe an ihrer linken Wange…
Doch beachtete ihr Spiegelbild nicht, sie sah weiter, aus dem Turm, in die endlose Weite des verlorenen Waldes, an den sie für immer gefesselt werden sollte.
Kapitel-1
Ihm war komisch zu mute. Er gestand es sich nicht ein, aber er vermutete, es war Angst.
Draco stand am Rand des Verbotenen Waldes und überlegte fieberhaft, wieso er hier war. Er wollte seine Sinne schärfen und sich in schwarzer Magie üben. Ach ja, und sich beweisen, das er sich traute alleine da rein zu gehen, soweit war er schon mal. Alles schön und gut, dachte Draco, also warum bin ich dann noch nicht mitten im Wald? Er merkte, dass seine Knie zitterten und kam sich plötzlich reichlich dämlich vor. So ein Blödsinn, jetzt lügte er sich schon selber an! Aber er wollte sich immer noch nicht eingestehen, dass er diesen dummen Patronus nicht hinbekommen hatte. Das war nämlich gerade das Thema des Verteidigung gegen die dunklen Künste Unterrichts. Sein Zauberstab hatte zwar wie verrückt Funken gesprüht aber mehr auch nicht. Natürlich hatte er die Situation gemeistert („Tja, ich bin wahrscheinlich für weiße Magie einfach zu böse…"), aber er hasste es zu versagen. Wenigstens war Freitag und er hatte genug Zeit zum Üben, denn noch- mal wollte er sich wirklich nicht mit einem Silvester-Änlichem-Zauber vor die Klasse stellen.
Draco konnte sich nur zu gut an das letzte Mal erinnern, als er in den Verbotenen Wald gegangen war, und um ehrlich zu sein, er war nicht erpicht darauf, es wieder zu tun. Aber er war hier hin geschlichen und er würde da jetzt auch rein gehen. Also machte Draco sich auf den Weg. Er war vorher am Waldrand entlanggegangen und hatte nach einer Art Pfad oder ähnlichem gesucht und gefunden, und eben diesem folgte er jetzt. Draco versuchte, so leise wie möglich zu gehen und alles um ihn herum wahrzunehmen. Er hatte beschlossen, dass es sich wahrscheinlich als günstiger erweisen würde, wenn er nicht Lumos benutzte. Es dauerte zwar eine Zeit lang, aber bald hatten sich seine Augen an die Dunkelheit und an die Umgebung gewöhnt. Er suchte nach einem Ort, wo er ungestört üben konnte…
Draco hörte ein Geräusch, nicht weit entfernt von ihm. Rückartig blieb er stehen und sah sich um. Rechts von ihm bemerkte Draco eine Gestalt, die sich geräuschvoll ihren Weg durch den Wald planierte. Jetzt hatte er eine Gelegenheit zu üben. So unauffällig wie möglich verließ er den Pfad und bahnte sich einen Weg durch das Gestrüpp. Schon nach einiger Zeit hatte er völlig die Orientierung verloren, da er nicht mal den Himmel sehen konnte. Nicht das ihm die Sterne eine Hilfe gewesen wären, er hatte Astronomie nie für wichtig gehalten. Aber er war der Meinung, dass es ein Sternenbild geben sollte, das nach ihm benannt würde.
Während er durch den Wald ging, der Geräuschkulisse der Gestalt folgend, überlegte Draco wer (außer ihm) so spät noch etwas ihm Wald zu suchen hatte. Für Schüler war er verboten, die Lehrer mieden ihn, die Leute aus Hogsmeade erzählten sich Gruselgeschichten und Hagrid würde, trotz seiner beachtlichen Größe, nicht so durch den Wald trampeln.
Plötzlich wurde es still um ihn herum und er verharrte einen Moment lang. Draco überlegte aber nicht großartig, sondern ging schließlich in derselben Richtung weiter. Seine Umgebung veränderte sich; die Bäume standen weiter auseinander und es wurde heller unter den Baumkronen. Ab und zu warf der Mond seine Strahlen durch das Geäst. Irgendwie hat dieser Wald etwas Magisches, ging es Draco durch den Kopf. Dann konnte er kaum 15 Meter vor sich eine Lichtung erkennen. Draco ging langsam weiter und versteckte sich am Rand der Lichtung zwischen zwei Dornenbüschen. Von dort aus hatte er einen guten Blick über die Lichtung, in deren Mitte die Gestalt stand. Er sah genauer sich die in einen schwarzen Mantel gehüllte Gestalt genauer an, während diese mithilfe einer Art Staub etwas auf den Boden zeichnete. Der Statur und dem Gang nach war es eindeutig ein Mann. Irgendwie kam er Draco bekannt vor. Die genau platzierten Handbewegungen, die Art wie er seine Kapuze zurückschlug, das hellblonde lange Haar,… Hellblondes langes Haar??? Es ist Dad!
„Oh, bin ich froh dass die Woche vorbei ist! Wenn ich mir noch einen dämlichen Spruch von Snape gefallen lassen muss, flippe ich aus!" Ron trat vor das Bild der fetten Dame, grummelte: „Phönixfeder", stieg durch das Loch, das sich bildete, als die Dame mitsamt Bild zur Seite schwang, und ließ sich ziemlich unelegant in einen der großen roten Sessel im leeren Gemeinschaffsraum der Griffindors plumpsen. Er vergrub das Gesicht in den Händen, stöhnte theaterisch und hob seine Füße auf den großen Eichenholztisch. Hermione, die nach ihm durch das Loch gestiegen war, wollte etwas sagen, verkniff sich aber ihre Bemerkung, als sie sah, wie Harry, der ihr gefolgt war, sich hinter Ron schlich, sie verschwörerisch angrinste und den Finger auf die Lippen legte. Dann zog er seinen Zauberstab aus der Tasche seines Umhangs und murmelte etwas. Als er mit dem Stab Ron´s Haare berührte, färbten sie sich nach und nach grün. Hermione legte eine Hand auf den Mund, um nicht laut loszulachen, und setzte sich Ron gegenüber auf einen Sessel. Harry hatte ihr zwar erzählt dass er sich für den Abführmittelschokofrosch von Ron rächen würde (eine Story mit einem nicht gerade appetitlichem Ende), doch wenn man bedenkt, dass Harry eigentlich jegliche Art von Streichen verabscheut, übertraf er sich nun gerade zu in seiner Grausamkeit. Als Harry wieder den Stab hoch hob, etwas murmelte und nun mit vielen übertriebenen Gesten lila Punkte auf die grünen Haare platzierte, während Ron immer noch theaterisch stöhnte, konnte sie sich nicht mehr halten und prustete los. Hermione lachte so plötzlich, das Ron erschrocken hochfuhr und sie total entrüstet ansah. Als er auch hinter sich Lachen hörte, drehte er sich um und sah Harry, der grölend über den Fußboden rollte. Langsam dämmerte es ihm, dass sie über ihn lachten, und irgendwie gefiel ihm das so gar nicht. Sein Gesicht lief rot an und bildete damit den noch fehlenden Kontrast zu seinem lila gesprenkelten, grünen Haar. Ron verschränkte die Arme und setzte sich zurück in den Sessel. Hermione hatte sich etwas beruhigt und wischte sich mit einem Ärmel die Lachtränen aus dem Gesicht. Sie setzte auf die Lehne seines Sessels und legte versöhnlich die Arme um seinen Hals. „Ron, stell dich nicht so an, wir lachen nicht über dich, wir lachen mit dir! Hier, schau mal!" Sie zog einen kleinen Spiegel aus der Tasche ihres Umhangs und hielt ihn Ron vors Gesicht. Auch Harry hatte sich jetzt etwas beruhigt und stand nun hinterm Sessel, eine Hand auf Hermiones Schulter gelegt. Ron sah sein Siegelbild neugierig an. Erst erschrak er, dann musste er grinsen und versuchte gleichzeitig, seine beleidigte Visage zu behalten. Das sah so affig aus, dass alle gleichzeitig losprusteten, und es dauerte lange, bis sie sich alle beruhigt hatten und erschöpft auf den Sesseln einnickten.
Draco hätte fast laut aufgeschrieen. Er hatte seinen Vater nicht mehr gesehen, nachdem er verhaftet wurde. Was machte er hier? Erstmal war er immer noch dabei, etwas auf den Boden zu zeichnen. Inzwischen konnte Draco einen Kreis mit 5 Meter Radius erkennen. In der Mitte des Kreises war ein Pentagramm. Um dieses waren aber Zeichen, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Was wollte sein Vater hier? Draco konnte sich nur schwer vorstellen, das man ihn freigelassen hatte nach der Story während des Trimagischen Turniers. Anscheinend war Lucius Molfoy jetzt fertig, denn er stellte sich in die Mitte des Kreises und begann zu singen. Es war mehr eine Art Singsang, schnell gesprochene Worte in einer Melodie. Draco hatte die Sprache schon öfter gehört. Sein Vater beschäftigte sich nur mit so was. Als er sie das letzte Mal behört hatte, war sein Vater dabei, einen Drachen zu beschwören, der ihr Haus (Molfoy Mansion glich mehr einer Kriegsfestung als einem gemütlichen Zuhause) bewachen sollte. Der Drache wollte allerdings nicht und sein Vater wäre fast an den magischen Verbrennungen gestorben. Aber dieses Lied war anders. Lucius beschwor keinen Drachen, soviel war schon mal sicher. Aber was zum Teufel machte er dann hier?
Draco wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er bemerkte, dass sein Vater anfing grün zu leuchten. Lucius wandte ihm den Rücken zu und so konnte er es wagen, sich langsam aus dem Gebüsch zu beugen, um besser sehen zu können. Es war ein faszinierender Anblick, als Lucius in die Luft gehoben wurde. Sein Haar wirbelte silbrig glänzend um seinen Körper. Für seine stolzen 57 Jahre ist mein Vater noch gut in Schuss, überlegte Draco und wusste jetzt auch, von wem er seinen überwältigenden Charme und sein strahlendes Aussehen hatte.
Als er seinen Vater genauer betrachtete, sah Draco, dass er sich auflöste und immer durchsichtiger wurde. Auch eine schöne Vorstellung: Dad verwandelt sich in grünen Nebel! Er hoffte nur, das sein Vater ihn, wie schon so viele Male angedroht, nicht doch noch enterbt hatte, was nicht gerade in seinen Kariereplan passte. Wie unter Zwang stand er auf und trat raschelnd aus dem Gebüsch. Aber anscheinend konnte Lucius ihn nicht hören. Vorsichtig ging er weiter, bis er am Rand des Kreises stand. Einen Moment zögerte Draco, doch seine Neugierde siegte und er trat in den Kreis, eben in dem Moment, in den sich Lucius komplett auflöste.
Draco wurde hochgehoben und seine Umgebung verschwamm. Ihm wurde schlecht und er wollte schreien, bekam aber keinen Ton heraus. Draco fing an, sich um die eigene Achse zu drehen. Langsam schlossen sich seine Augen, um den unaufhörlichen Strom von Bildern zu entrinnen, die an ihm vorbei zogen, bis er ohnmächtig wurde…
Draco schlug die Augen auf. Es dauerte eine Zeit lang, bis er sich daran erinnern konnte, was passiert war. Um ihn herum war es taghell. Er lag auf einer Lichtung in einem Wald. Er stützte sich auf die Ellbogen, sackte aber sofort wieder zusammen. Sein rechter Arm tat höllisch weh. Er war nicht gebrochen, denn er konnte ihn noch bewegen, aber er hatte einige Prellungen, als wäre er bei einem heftigen Sturz auf ihm gelandet. Mit der linken Hand seinen Arm haltend, rutschte er rückwärts, bis er sich gegen einen Baum lehnen konnte. Draco überlegte angestrengt, was er jetzt tun konnte. Er wusste nicht, wo er war oder wohin er gehen sollte. Wie weit er wohl vom Schloss entfernt war, wollte er erst gar nicht wissen. Dann überlegte er weiter. Wieso sollte er nicht einfach drauflos gehen, als eine Art Überlebenstraining? Das war die Chance, die er haben wollte: Verletzt, allein, orientierungslos im Verbotenem Wald, der voll ist mit magischen, bösartigen, riesigen Bestien…
Seine Stirn wies eindeutig Zweifel-Falten auf, man könnte sogar meinen, es wären solche der Sorte Verzweiflungs-Falten dabei, aber das ist Ansichtssache. Er ließ seinen tauben Arm los um, holte mit der linken Hand seinen Zauberstab aus der Tasche seines Umhangs. Er zeigte damit auf seinen Umhang und flüsterte: „Deffindo." Ein langer Stofffetzen trennte sich vom Rest des Umhangs. Draco steckte den Stab wieder weg und knotete sich ein Dreieckstuch für seinen Arm daraus. Nachdem dieser nun gestützt war, stand er auf und überlegte fieberhaft, was er als nächstes tun sollte. Dann kam ihm eine Idee: Er nahm abermals seinen Zauberstab und hielt ihn locker in der ausgestreckten Hand. „Weise mir den Weg zu deinem Bruder", flüsterte Draco mit fester Stimme, dann zog er die Hand weg. Der Zauberstab schwebte für einen Moment in der Luft, dann drehte er sich etwas nach rechts und flog in Richtung Wald. Draco folgte ihm sicheren Schrittes. Ihre Stäbe hatten die Fasern desselben Drachenherzes. So konnte er vielleicht seinen Vater finden.
Als er auf eine Lichtung trat, wurde Draco aus seinen Gedanken gerissen. Er hatte sich gerade zurechtgelegt, was er seinen Vater sagen würde, als er sich vor einem Turm wieder fand. Er war nicht sehr groß, aber seine Wände schienen so abweisend kalt wie sein Vater. Bei dem Vergleich musste er verstohlen grinsen. Er ging so nah an den Turm, dass er ihn mit der Hand berühren konnte. Er war wirklich so kalt, wie er aussah. Draco ging langsam um ihn herum, die linke Hand an der Mauer endlang führend. Seine Finger fuhren über feine Rillen. Er sah genauer hin und entdeckte einen Schriftzug, der zur Hälfte mit Moos überwachsen war. Draco nahm seinen Stab, der immer noch vor ihm in der Luft geschwebt war, in die Hand und hielt ihn auf die eingravierte Schrift. „Incendio" Das Moos verbrannte augenblicklich. Aber nicht nur das; Die Schrift fing an zu leuchten. Irgendwie schien sie auf Zauberei zu reagieren. Draco steckte den Zauberstab in seinen Ärmel und beugte sich vor, um die verschnörkelten Buchstaben entziffern zu können. „Niganimus, der Schüssel zum…"
Weiter kam er nicht: Jemand packte ihn an der Schulter, drehte ihn um und presste ihn mit aller Kraft gegen die Wand. Mit schmerzverzerrtem Gesicht und zusammen gekniffenen Augen spürte er, wie jemand ihm an die Kehle packte. „Du…"
Hermione gähnte und sah sich um. Sie war wohl im Gemeinschaftsraum in einem der Sessel eingeschlafen. Hermione streckte sich ausgiebig und versuchte heraus zu finden, wo Harry und Ron waren. Aber sie konnte nur Harry sehen, der in einem Sessel saß, der dem Feuer zugewandt war. „Du bist wach, hab ich dich geweckt?", fragte Harry, als sie aufstand und zu ihm hinüberging. „Nein, schon gut, wo ist Ron?", wollte sie wissen und setzte sich gleichzeitig auf die Lehne von Harrys Sessel. „Ich hab ihn in den Schlafsaal gebracht, nachdem er wieder rote Haare von mir verpasst bekommen hatte." Er sah zu Hermione hoch und grinste. Plötzlich nahm er ihre Schultern, und zog sie runter, so dass sie quer über ihm und den Sessel lag. Hermione lächelte: „Und was hast du nun vor?" Er legte eine Hand auf ihren Bauch und streichelte ihr mit der anderen über die Wage.
„Ich? Ich hab doch nichts vor, wie kommst du bloß darauf?" Eine ganze Zeit lang saßen sie so, er sie streichend, sie ihn anlächelnd, neben-, na ja, mehr übereinander. Hermione schloss die Augen. So musste es im Himmel sein. Seit das 5.Schuljahr begonnen hatte, waren Harry und sie sich immer näher gekommen. Aber nur wenn sie alleine waren, sehr weit waren sie auch noch nicht. Und darüber geredet hatten sie auch nicht. Aber sie genoss diese Augenblicke.
Doch plötzlich ließ Harry seine Hand sinken. Hermione sah ihn überrascht an. „Was ist?" Er sah traurig zur Seite, um sie nicht ansehen zu müssen. „Es ist nichts, schon gut, mir ist nur gerade was eingefallen." Sie sah ins Feuer. „Voldemord?" Harry antwortete hastig, woran Hermione erkannte, dass sie richtig lag, was sie eigentlich immer tat. „Ich meine, machst du dir keine Sorgen? Er ist schließlich wieder da, und ich mache nichts anderes als Ron die Haare zu färben! Er könnte schon morgen hier vor der Tür stehen und Hallo sagen und ich könnte… ich könnte nicht mal…" Verzweifelt lehnte er seinen Kopf nach hinten auf die Lehne des Sessels und schloss die Augen. „Schhhh. Beruhig dich." Sie legte ihm den Finger auf die Lippen und nahm seinen Kopf in ihre Hände. Manchmal benahm er sich wie ein kleines Kind, das alles immer auf einmal haben wollte, und bei dem Gedanken musste sie lächeln. „Ich glaube, du weißt die Antwort schon, oder?" Harry lächelte zurück. „Ja, du hast Recht. Ich hatte mich schon damit abgefunden, aber wenn ich dich so sehe, weiß ich nicht, ob ich das wirklich kann." Als Antwort zog sie ihn zu sich runter und küsste ihn. Er nahm sie ihn seine Arme und drückte sie fest an sich. Es war keine zärtliche Umarmung, sondern eine Umarmung von jemandem, der verzweifelt Halt suchte. Das fiel Hermione immer öfter auf, und langsam hatte sie das Gefühl, das Harry gar nicht dasselbe fühlte wie sie. Manchmal hörte er mitten beim Küssen abrupt auf und drehte sich weg. Dann war er nicht mehr ansprechbar und setzte sich irgendwo alleine in eine Ecke. Hermione wusste nicht, was sie tun sollte. Sie wünschte sich seit Jahren mit Harry zusammen zu seinen, aber sie wollte auch nicht wie ein Trostpflaster behandelt werden. Aber wenn sie ihn jetzt zurück weisen würde, könnte sie nicht nur ihre Chance verlieren, je von ihm geliebt zu werden, sondern auch einen der besten Freunde, den sie je hatte. Aber das war es, was Hermione nicht wollte…
Als die ersten Jungen und Mädchen aus den Schlafsälen kamen, saßen die beiden gegenüber und übten Formeln für Verwandlung. Sie packten die Sachen aber schnell weg, als ein Junge aus dem zweiten Schuljahr den Raum durch das Porträt betrat und laut rufend alle Aufmerksamkeit auf sich lenkte. „Hört mal alle her", sagte er keuchend, als wäre er hätte er gerade bei den Olympischen Spielen mitgemacht, „Ich war gerade in der Küche. Ich hab mitgekriegt, das Dumbledore heute eine Rede hält, und das es zu einem ganz besonderem Anlass sein muss, weil es ein riesiges Festmahl gibt!" Die Menge von Schülern, die sich in einem Halbkreis um den Jungen gesammelt hatte, tuschelte aufgeregt und wollte wissen, was das für ein Anlass sei, worüber die Rede ist und Ähnliches, aber mehr wusste der Junge auch nicht. Also schlenderte sie in Grüppchen durch die Gänge, entweder zufällig in Richtung Küche oder auch schon in die große Halle, um dort die ersten zu sein. Während der Gemeinschaftsraum sich leerte, kam auch Ron die Treppe runter, der wohl durch den Trubel geweckt worden war. Immer noch sehr verschlafen setzte er sich zu seinen Freunden, die ihm aufgeregt erklärten, was sie eben erfahren hatten. Doch während er zuhörte, wurde sein Gesicht immer neugieriger, und er schlug vor, auch schon zur großen Halle zu gehen.
Als der Druck an seinem Hals sich verringerte, öffnete Draco die Augen. Seine Körperhaltung entspannte sich und er rieb sich seinen Hals mit der rechten Hand. Rechte Hand? Erstaunt sah er seinen Arm an. Die Schmerzen waren verschwunden und er konnte ihn wieder vollständig bewegen. Er sah sich um und bemerkte eine Gestalt, die, ihm den Rücken zuwendend, kaum fünf Meter vor ihm auf der Lichtung stand. Draco riss sich das Dreieckstuch vom Hals und trat zwei Schritte vom Turm weg. Er stellte sich in seiner Gewohnten einnehmenden Art auf und betrachtete die Gestalt. Anscheinend war es ein Mädchen mit langem roten Haar, das ihr fast bis zu den Kniekehlen reichte. Gehüllt war sie in einen langen, schwarzen Umhang mit Kapuze, der an der Hüfte durch eine silberne Kette gehalten wurde und ihr bis zu den Knöcheln ging. Draco hatte von seinem Vater beigebracht bekommen, die Haltung von Gesprächspartner zu beobachten und zu deuten, so was kann für einen möglichen Kampf sehr wichtig sein. Das Mädchen hatte die Arme verschränkt und stand mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Sie wirkte sehr selbstbewusst und wartete anscheinend auf ein Lebenszeichen von ihm. „So, nachdem du mir das Rückrad gebrochen und mich fast erwürgt hast, könntest du mir verraten, wer du bist und was das soll?" Das Mädchen drehte sich um. Sie war etwa ein Kopf kleiner als Draco. Auf ihrer rechten Wange war eine Narbe. Außerdem fiel Draco noch die große, randlose Brille auf, die sie trug, und die sich dahinter befindenden, dunkelgrünen Augen. „Ach ja? Dafür das du so pingelig bist, hast du das winzige Detail vergessen, dass ich deinen Arm geheilt habe, wie konnte dir das bloß entfallen?" Ihre Stimme klang ruhig und gelassen und sie lächelte sogar freundlich beim Sprechen. Dass machte Draco wütend: „Hast du eigentlich eine Ahnung, mit wem du redest? Bist du dir im Klaren darüber, das ich dich mit einer Handbewegung töten könnte? Wen glaubst du, hast du vor dir?" Er zückte seinen Zauberstab und trat einen Schritt vor. Seine Augen funkelten angriffslustig. „Soweit ich weiß, bist du der Sohn von Lucius und Narzissa Malfoy, wohnst in Malfoy Mansion, gehst auf die Hogwarts Schule für Hexerei und Zauberei und deine Lieblingsfarbe ist…", sie sah ihm forschend an, und Draco lief ein Schauer über den Rücken, was er sich aber nicht anmerken ließ, „… grün. Um es klar auszudrücken, ich bin mir sehr wohl bewusst, mit wem ich es zu tun habe." Sie ging langsam auf ihn zu und ließ die Arme locker hängen. Draco wich nicht zurück, sondern hielt sich bereit, sofort zuzuschlagen, seinen Zauberstab erhoben. Sie blieb eine Armlänge vor ihm stehen und streckte ihre rechte Hand aus. Draco hielt ihr den Stab entgegen und lachte spöttisch auf. „Anscheinend bist du nicht nur frech und unverschämt, sondern auch noch verrückt, hast du noch nie was von Duellieren gehört? An deiner Stelle würde ich schleunigst das Weite suchen, wenn du nämlich noch einen Schritt näher kommst, siehst du, wenn du deine Augen wieder öffnest, deinen Sarg von Innen, falls du die Augen je wieder aufmachst…" Ihre Hand schnellte vor. Darauf hatte Draco gewartet, er öffnete den Mund, doch dann stockte er irritiert. Das Mädchen hatte nach seinem Zauberstab gegriffen. Langsam zog sie ihn zu sich heran, bis er genau über ihrem Herzen war. Dann sah sie zu Draco auf und sagte herausfordernd: „Wenn du mich töten willst, dann tu es hier und jetzt, das ist deine einzige Gelegenheit." Draco brauchte einige Sekunden, bis er seine Fassung wieder hatte. Dann hatte er zu seiner höhnisch-herablassenden Art wieder gefunden. „Ich bin Gentleman genug, um keine Mädchen zu quälen, aber wenn du es drauf anlegst, werde ich gnadenlos sein." Sie ließ den Stab los und trat einen Schritt zurück. Sie sah ihn traurig an. „Selbst wenn du wolltest, du könntest mich nicht töten. Aber ich habe dir die Chance dazu gelassen und du hast sie nicht genutzt. Du wirst schon sehen, was du davon hast, Draco." Er überhörte das, verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie erwartungsvoll an. „Schön, da das jetzt geklärt ist, könntest du mir freundlicher Weise sagen, wo ich hier bin und wer du bist und was dieses Ding", er deutete auf den Turm, „hier zu suchen hat?" „Gut, wie du willst. Du bist hier im Verbotenen Wald, der Turm steht hier schon seit 232 Jahren und ich bin Luna Malfoy." „Ich glaube ich habe mich verhört: Ich habe mir wirklich eingebildet, du sagtest gerade Malfoy´? Da muss dir ein Fehler unterlaufen sein, DU bist ganz bestimmt keine Malfoy!"
„Ach ja? Wie gut kennst du dich mit der Familiengeschichte aus?" „Ich würde sagen, das ich sie bis zur Gründung der Schule und weit darüber hinaus zurückverfolgen kann, fließend." „Sagt dir der Name Necro Molfoy etwas?" Draco wusste, wer das war, konnte sich aber nicht vorstellen, wie diese Luna mit ihm ihre Herkunft beweisen wollte. „Necro Molfoy. Geboren am 25.Febuar 1578, Schüler von Hogwarts, einer der besten Treiber die das Haus Slytherin je gesehen hat, im Alter von 15 Jahren von der Familie Malfoy verstoßen, weil er sich in eine Weasley verknallt hatte, wurde von der Schule geschmissen, wegen Gebrauchs schwarzer Magie und verschwand im Alter von 19 spurlos, nachdem er eine Elfe entführt hatte. Ja, der Name sagt mir einiges, wieso?" „Jaja, diese Schwäche für Rothaarige ist ihn am Ende dann zum Verhängnis geworden. Aber nicht nur ihm." Luna blickte verträumt an Draco vorbei zu einem Punkt, den nur sie sehen konnte. Draco verstand nun gar nichts mehr, aber er hatte das Gefühl, wenn er weiter auf das Thema einging, würde ihn das nur noch mehr verwirren. Also beschloss er, das Thema zu wechseln. „Was hat es mit diesem Turm auf sich? Erzähl mir bloß nicht wieder, er stände schon seit Jahrhunderten da, er ist so hoch, das man ihn problemlos von der Schule aus sehen könnte. Wenn er schon länger hier stände, hätte ich ihn bemerkt." Luna kam langsam in die Realität zurück und sah ihn an, dann lächelte sie. Draco wurde wütend: „Was gibst dann da zu grinsen?", blaffte er sie an. „Hast du es immer noch nicht begriffen? Du bist nicht in deiner Zeit, wir schreiben hier das Jahr 1824!" „WIE BITTE? Das ist doch ein schlechter Scherz, oder? Es wäre besser für dich, jetzt mit ja zu antworten!" Mit einer einzigen, fließenden Bewegung stand er plötzlich vor Luna, packte sie am Kragen und zog sie hoch, bis sie ihm genau in die Augen sehen musste. „Ich weiß nicht, was das für ein abgekartetes Spiel ist, was du spielst, aber deine Art macht mich krank, und ich habe so das Gefühl, dass es deine Schuld ist, dass ich in der Vergangenheit bin. Und mein Instinkt hat sich noch nie getäuscht, damit du das weißt…", flüsterte er vor Zorn bebend. Luna sah ihn an und lächelte, was Draco irritierte und er lockerte seinen Griff. Sie hob die Hände und umfasse seine Handgelenke ruhig, aber bestimmt. Draco regte sich etwas ab. Er ließ ihren Kragen los und es störte ihn nicht, dass sie ihn trotzdem noch festhielt. Sie umgab so etwas friedliches, beruhigendes, wie eine Aura. Er schloss die Augen und genoss dieses Gefühl in vollen Zügen. Seine Miene hellte sich auf; er ließ in diesem Moment alle Alltagsmasken fallen und war er selbst.
„Wenn du willst, kann ich dich in deine Zeit zurückbringen. Willst du das?" Draco hörte ihre Stimme, als ständen sie weit auseinander. Er schlug die Augen auf und sah sie an: Ohne Hohn, nicht geringschätzig, nicht abwiegend. Er sah sie nicht als möglichen Feind, wie er es bei dem Großteil seiner Mitmenschen tat. Er sah sie einfach an und betrachtete sie eingehend.
Dann nickte er.
Als Draco wieder sein Bewusstsein erlangte, stand er immer noch. Er war so überrascht, dass er taumelte. Nachdem er mit beiden Beinen fest auf dem Boden stand, sah er sich um. Er war auf einer Lichtung, die ihm ungeheuer bekannt vorkam. Aber er entdeckte weder einen Turm noch die Sonne, denn um ihn herum vor es fast stockfinster. Hier hatte er seinen Vater beobachtet. Ihm fiel alles wieder ein, und er suchte mit seinen Blicken Luna, um sich bei ihr zu bedanken. Draco wurde komisch bei dem Gedanken. Er bedankte sich nicht oft bei Leuten. Das Gefühl war nicht unangenehm, nur ungewohnt. Dann hatte er Luna gefunden; sie stand in der Nähe des Waldrandes und kehrte ihm den Rücken zu. Irgendetwas an ihr beunruhigte ihn. Draco ging zu ihr und stellte sich neben ihr auf. Erst kam keine Reaktion, und er wollte gerade etwas sagen, aber dann wandte Luna ihm den Kopf zu. Ihr Gesicht wirkte müde und ihre Augen waren leer. „So wie es aussieht, wirst du mich von jetzt an häufiger sehen, also gewöhn dich an meinen Anblick."
Dann wandte sie sich ab und ging Richtung Wald. Draco brauchte einige Sekunden, bis er das gerade Gehörte verarbeitet hatte, dann fielen ihm tausende von Fragen ein, und wie es seine Art war, würde er auch die Antworten kriegen, dachte er. Er setzte ihr nach und packte sie an der Schulter. „Pass mal auf, junges Fräulein, ich hab da noch ein paar Fragen, und ich werde dich nicht gehen lassen, bevor ich nicht die Antworten habe." Luna sah ihn wieder mit ihren leeren Augen an und sagte mit tonloser Stimme: „Und die wären?"
„Wie bin ich in die Vergangenheit gekommen?"
„Dein Vater hat ein Ritual durchgeführt. Da er dich nicht wieder mitgenommen hat, bist du wahrscheinlich versehendlich in den Kreis getreten."
„Warum ist mein Vater in die Vergangenheit gereist?"
„Er hat das schwarze Buch Niganimus geholt."
„Wo wurde dieses Buch aufgehoben?"
„In dem Turm Deatherlas."
„Wer hat dieses Buch geschrieben?"
„Necro Malfoy."
„Aber wenn ein Malfoy dieses Buch geschrieben hat, musste es sehr mächtig sein. Von wem wurde es bewacht?"
Sein Gesichtsaudruck änderte sich und er wurde noch blasser, was bei seiner sowieso weißen Haut fast unmöglich war.
„Du… du solltest das Buch bewachen, hab ich recht?" Luna nickte. „Aber wenn dir diese Aufgabe übergeben wurde, dann musst du sehr mächtig und vor allen ziemlich alt sein… Wie alt warst du, als du die Aufgabe übernommen hast?" „Dreizehn." Draco ließ ihre Schultern los und wich einen Schritt zurück. „Und.. und jetzt?" „Zweihundertundsiebzehn." Draco wich noch weiter zurück und spürte an seinem Rücken den Stamm eines Baumes. Das hatte etwas Beruhigendes und er lehnte sich dagegen. Sein Kopf arbeitete auf Hochtouren. Normalerweise wurden Bücher der schwarzen Magie von unendlichen todbringenden Flüchen und Monstern bewacht. Nur selten kam es vor, dass diese Aufgabe auch Zauberern übergeben wurde. Aber das waren dann Männer von stattlicher Größe mit enormer Kraft und schon im hohen Alter, und nicht ein kleines Mädchen, das zwar für dreizehn schon recht groß, aber noch sehr unerfahren sein musste. Wenn ihre Geschichte stimmte, musste sie unvorstellbare magische Kräfte haben, und das machte Draco Angst. Er zog seinen Zauberstab und ließ Luna nicht aus den Augen, während sie sich ihm näherte. Ihre Auge waren zwar immer noch leer, aber sie sah nicht mehr müde aus, sondern unbeugsam. Aber ihre Stimme war immer noch seltsam ruhig, als sie sprach, wenn auch bestimmt. „Du hast Angst vor mir, oder? Ich kann es dir ansehen, auch wenn du keinen Grund hast, dich zu fürchten. Ich kann Menschen mit meinem Blut nichts anhaben. Aber ich brauche deine Hilfe." Dracos Augen verengten sich zu Schlitzen. „Wobei soll ich dir helfen? Das Buch zurück zu bekommen? Du hast es nicht beschützen können, wie willst du es denn dann bitte zurückbekommen? Mein Vater wird es dir nicht freiwillig geben, dass kann ich dir in seinem Namen schriftlich geben." „Du hast es erraten." Draco war so überrascht, dass er vergaß, seinen Zauberstab zu benutzen, so dass Luna sich ihm bis auf einen halben Meter nähern konnte. Draco sah, wie sie die Hand ausstreckte und sie auf seinen Brustkorb legte. Da war wieder diese beruhigende Aura, und dieses Mal versuchte er sich ihr zu entziehen. Aber es schien, je stärker sein Widerstand war, desto verlockender war die Vorstellung, sich ihr hinzugeben. Schließlich gab er auf. Bevor er die Augen abermals schloss, sah er, dass Luna zufrieden lächelte und sich ihm noch ein Stückchen näherte. Als er plötzlich einen Druck auf seinem Brustkorb spürte, der ihm die Luft aus den Lungen presste, verschwand die Aura auf einmal. Mit schmerzverzerrtem Gesicht versuchte er verzweifelt Luft zu hohlen, aber er konnte sich nicht bewegen, nicht mal seine Augen öffnen. Er spürte Lunas Atem an seinem Hals und hörte von weit entfernt ihre Worte. „Ich werde es dir erklären, alles zur richtigen Zeit und am richtigen Ort, aber bis dahin muss ich auf Nummer sicher gehen." Sie beugte sich noch ein Stück vor, bis ihr Mund ganz nach an seinem Ohr war. Dann flüstert Luna nur ein Wort: „Fidelius."
Sofort verschwand der Schmerz und Draco atmete auf. Als er seine Augen öffnete, war Luna weg. Er war alleine auf der Lichtung. Er stand noch einige Minuten da, bis er „Accio Besen" flüsterte und kurz darauf über die Baumkronen des Verbotenen Waldes hinweg flog, der Hogwarts Schule für Hexerei und Zauberei entgegen.
Nachdem der letzte Schüler hereingekommen war (es war natürlich Draco Molfoy, der die Aufmerksamkeit der gesammelten Schüler genoss, einen gehässigen Blick zum Gryffindortisch in Harrys Richtung warf und dann majestätisch zu seinen Platz schritt), schlossen sich die Türen der Halle und Dumbeldore erhob sich. Sofort hörten alle Gespräche auf und der Schulleiter sah sich um.
Durch die verzauberte Decke sah man den schwarzen Nachthimmel und einen Mond, so rund wie die Sonne. Vollmond, dachte Harry plötzlich, wir haben Vollmond. Dabei fiel ihm Lupin ein, und er beschloss nachher, wenn alle schliefen, mit Sirius zu sprechen. Dann fing Dumbeldore an zu sprechen und Harry vergaß alles andere. „Ich hoffe, ihr habt auch die zweite Woche in Hogwarts gut überstanden. Wie ihr vielleicht schon mitgekriegt habt, ist heute ein besonderer Tag. Dieses Wochenende wird Hogsmeade 500 Jahre alt. Es wird dort eine Art Jahrmarkt geben, der für eine Woche geöffnet ist. Zu diesem Anlass habe ich beschlossen, dass ihr für diese ganze Woche vom Unterricht befreit werdet." Tosender Beifall trat ein, und Dumbeldore musste einige Zeit warten, bis er weiter sprechen konnte. Aber er sah sich nur gutmütig um. „Mir ist darüber hinaus klar, dass wahrscheinlich alle Schüler sämtlichen Alters dorthin wollen. Die Lehrer sind zu dem Schluss gekommen, dass wir von unserer üblichen Regel absehen werden, so dass alle dort hingehen können. Aber, und das ist, wie ihr verstehen werdet, wichtig und nötig, auch eure Lehrer werden anwesend sein, also benehmt auch. Wer negativ auffällt, weil er es für nötig hält, Aufsehen zu erregen (diverse Leute an Slytherintisch wurden angeschielt), wird damit rechnen müssen, dass seinem Haus Punkte abgezogen werden. Das ist allerdings noch nicht alles; es werden Wettkämpfe stattfinden, bei denen man auch Punkte gewinnen kann. Bei diesen Wettkämpfen geht es nicht um Stärke, sondern um Geschick und Teamgeist. Ich hoffe, ihr habt euren Spaß. Und nun, Guten Appetit!" Das Abendessen erschien auf dem Tisch und alle hatten die Hände voll zu tun, mit essen, trinken, oder mit planen. Alles im allem dauerte es etwa zwei Stunden, bis sich die große Halle geleert hatte.
Es war schon etwa halb zwölf, als alle Jungen in Harrys Schlafsaal leise waren. Er wartete noch einen Moment, überlegte, ob er Ron wecken sollte, ließ es aber dann. Langsam stand er auf und schlich sich in den Gemeinschaftsraum. Dort hockte er sich vor das Feuer und nahm seinen Zauberstab in die Hand. Er hielt ihn fast in die Flammen und flüsterte „Sirius". Das Feuer färbte sich grün und Sirius Kopf bildete sich darin ab. „Hey Harry, lange nichts mehr von dir gehört! Wie geht's dir so, was macht die Schule?" Harry starrte in das Gesicht seines Paten. Er sah froh aus, ihn zu sehen, aber gleichzeitig müde. Tiefe Sorgenfalten zogen sich durch sein sonst so fröhliches Gesicht und an seiner Schläfe war eine lange Wunde. „Sirius, was hast du gemacht?" Harry deutete auf seine Schläfe. „Ach das,…", sagte er und suchte nach den richtigen Worten, „das ist nichts ernstes, nur ein Kratzer." Harry wirkte wütend, aber nur, weil er sich Sorgen um Sirius machte. „Du weist ganz genau, dass ich kein Kind mehr bin, ich bin immerhin fünfzehn Jahre alt, also versuch nicht mir irgendwelche Märchen zu erzählen, ich will jetzt wissen, was los ist!" Er holte tief Luft und sagte: „Ist was mit Lupin?" Er wusste nicht, wieso er das sagte, es war nur mehr so ein Gefühl, aber an Sirius Gesicht konnte er sehen, das er richtig lag. „Sirius, was ist mit ihm, ich will das jetzt wissen!" Sirius seufzte, aber dann wusste er, dass Harry Recht hatte und fing an zu erzählen. „Du musst wissen, dass Lupin während seiner Verwandlung immer aggressiver wird. Er ist kam zu beruhigen und nicht mal Snapes Schlaftrunk hilft wirklich."
„Aber wieso? Ich meine, früher ist er doch gut damit klar geworden, oder?" Harry wollte Lupin und vor allem Sirius unbedingt helfen, wusste aber nicht wie. Nachdem er einige Zeit lang betreten zu Boden gesehen hatte, fragte er etwas zermürbt: „Und was hast du jetzt vor?" Sirius lächelte ihn gequält an. „Was wohl? Ich werde Snape um eine stärkeres Elixier bitten." Harry musste grinsen. Sirius und Snape hassten sich. Nicht hassen im Sinne von nicht mögen, sondern so, dass sie schon in frühster Kindheit aufeinander losgegangen sind, wenn die Lehrer nicht hingesehen hatten. „Dann solltest du auf dich aufpassen."
Sirius grinste nun zurück. „Dich amüsiert das unheimlich, oder?", fragte er seinen Neffen mit einem vorwufsvoll-forschenden Blick. „Und wie!" Eine Weile sagte keiner etwas, sondern betrachtete nur seinen Gegenüber. Doch dann schien Sirius etwas gehört zu haben und drehte hastig den Kopf. Auf einmal war er sehr unruhig.
„Gut, ich denke, du solltest jetzt schlafen, wir werden uns bestimmt bald sehen, mach's gut!" Damit verschwand sein Kopf in den Flammen und Harry war wieder allein. Langsam stieg er auf und ging hoch in den Jungenschlafsaal.
Draco steckte seinen Zauberstab wieder weg und sah grinsend auf den leblosen Körper, der an der Wand lehnte, herunter. Ravenclaw würde morgen eine hübsche Summe an Hauspunkten verlieren, wenn jemand einen ihrer Vertrauensschüler, der zu dem auch noch Nachtdienst hatte, schlafend im Gang fand. Tja, dacht Draco selbstzufrieden, ich bin halt unschlagbar. Mit dem Gedanken stieg er flötend über den Schüler hinweg und folgte dem Gang.
Harry presste sich gegen eine Wand. Sein Herz drohte zu platzen. Er grinste. Eigentlich müsste er es ja langsam gewöhnt sein, nachts durch die Gänge von Hogwarts zu schleichen. Er spähte um die Ecke und lief dann so leise wie möglich durch den Gang zur Tür. „Alohomora", flüsterte er und die Tür schwang geräuschlos auf. Er steckte seinen Zauberstab weg und glitt durch die Öffnung. Vorsichtig ging er an den Bücherregalen vorbei bis zum hinteren Ende des Raumes. Er öffnete die schwere Eichentür wieder mit Hilfe seines Zauberstabs. Dann betrat er den nächsten Raum. Er hatte es geschafft; die verbotene Abteilung der Bibliothek.
Draco fuhr hoch, als er Kettenrasseln hörte. Es kam aus einem der Gänge hinter ihm. Vorsichtig stellte er den Band „Das große Zauberformelbuch- nach den Aufzeichnungen Merlins" zurück ins Regal. Seit einer Stunde suchte er nun diesen dämlichen Spruch, aber er konnte ihn nicht finden. Und damit hatte er ein gewaltiges Problem. Nicht nur, dass diese Luna ihm auf die Pelle gerückt war, nein! Sie hatte ihn auch noch mit einem Fluch belegt. Auf jeden Fall ging er davon aus, das es ein Fluch war, was sollte Fidelis sonst bedeuten? Draco überlegte kurz, ob er sich zurück in den Gemeinschaftsraum schleichen sollte. Weitersuchen könnte er auch morgen. Aber seine Neugier siegte und er ging in gebeugter Haltung in den Mittelgang. Langsam und um jede Ecke spähend näherte er sich geräuschlos dem Gerassel. Vor der letzten Ecke blieb er kurz stehen und zückte seinen Zauberstab. Dann beugte er sich vor und sah in den Gang hinein. Bis auf ein angekettetes, schwebendes Buch war er vollkommen leer.
Draco grinste belustigt. Soso, ein Tarnumhang, eine raffinierte Idee, die hätte von mir stammen können. Er schielte zu den Büchern: „Gilderoy Lockhart´s Ratgeber für den Umgang mit Werwölfen". Er gab also immer noch Bücher von diesem eingebildeten Schnösel in der Bibliothek. Draco machte ein angewidertes Gesicht. Aber dann konzentrierte er sich wieder auf Wesentliches. Wer stöberte mitten in der Nacht in der Verbotenen Abteilung unter „W" wie Werwolf?
Er hatte da schon so einen Verdacht, war sich aber noch nicht sicher. Grade hatte sich das Buch wie von selbst zugeschlagen und ins Regal zurückgestellt, als ihm eine Idee kam. Draco wartete noch einen Moment, bis sich das nächste Buch kettenrasselnd aus dem Schrank hob und hastig die Seiten durchblätterte. Das nutzte Draco aus und schlich sich hinter den Unsichtbaren. Er überlegte kurz, streckte dann den Zauberstab an die Stelle, wo er die linke Schulter vermutete, stieß zweimal zu und flüsterte „Hallo…".
