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„Und, ist die Kleine im Bett?" Bridges war zum ersten Mal über Nacht weg – eine Tagung in Toronto.
„Ja. Sie hat auch zweimal gebadet." In Houses Stimme schwang ein leiser Vorwurf. Victoria lag neben ihm im Bett und schlief friedlich.
„Zwei Mal?"
„Ich habe das Verstopfungs-Problem gelöst. Daraufhin ist ihr Hintern explodiert. Ich habe das ganze Bad putzen müssen. Und uns."
„Du bist ein Held, House." Er tat Bridges ein wenig leid, aber aus der Entfernung hatte die Sache auch etwas Lustiges.
„Ich weiß."
„Soll ich Dir noch eine Gute-Nacht Geschichte erzählen?" Bridges' Stimme klang unfassbar verführerisch.
House blickte auf seine Tochter. Mist. Bridges bot Telefonsex, aber – das war unmöglich! „Och… ich glaube, ich habe mir was eingefangen – ich bin ziemlich groggy." Brigdes würde nicht begeistert sein, wenn sie hörte, dass Victoria nicht in ihrem Bettchen lag.
„Du Armer! Ist Wilson schon zu Hause."
„Nö. Wir sind einsam und verlassen…"
„Du machst mir kein schlechtes Gewissen, House."
„Will ich gar nicht. Ich möchte lediglich dafür sorgen, dass Du beim Heimkommen ordentlich Wiedergutmachung leistest."
„Na, dann schärfe Deinen Speer noch ein wenig, mein geliebter Ares."
House grinste „Das werde ich, meine Aphrodite, das werde ich."
Victoria wachte ein bisschen auf – grosse, stahlblaue Augen sahen ihn verträumt an, und sie griff nach ihm. Noch immer schlief sie am liebsten auf seinem Bauch.
„Hey, Süße.", flüsterte House sanft „du musst schlafen. Daddy muss auch schlafen." Er nahm sie in die Arme, aber das war nicht genug. „OK, Du hast ja Recht." House rollte sich auf den Rücken und platzierte Victoria auf seiner Brust. Sie war eigentlich zu groß geworden und im Traum trat sie manchmal gegen sein rechtes Bein. Aber heute war sie einfach zu müde nach den Koliken und so döste House langsam weg – eine Hand auf Victorias Rücken, damit sie nicht fallen konnte.
Es war wohl das Gefühl, beobachtet zu werden, das House aufwachen ließ. Er öffnete versuchsweise ein Auge, dann das zweite: Wilson stand vor dem Bett, die Hände in die Hüften gestemmt.
„Hey." Murmelte House
„Was macht Vicy denn noch hier?"
„Sie hatte Bauchweh." Die kleine war es so sehr gewöhnt, bei ihrem Vaer zu sein, dass sie nicht aufwachte, wenn er redete. Wilson hörte den nörgelnden Unterton in Houses Stimme, der wohl schon seine Verteidigung vorbereitete.
„Aber jetzt schläft sie."
„Ja…geht ihr wohl besser."
„House, das Kind gehört in sein eigenes Bett." Seit drei Monaten führten sie diese Diskussion mit House.
„Sie ist noch nicht so weit, Wilson."
Der Onkologe zog sich aus und faltete seine Kledung ordentlich über seinem stummen Diener „Der einzige, der noch nicht so weit ist, bis Du, House. Es ist wichtig für ihre Entwicklung, dass sie in ihrem eigenen Bett schläft."
„Aber dann weint sie!"
„House, natürlich passt es ihr nicht. Aber je länger wir warten, desto schwerer wird ihr die Umstellung fallen. Es. Is. Zeit. Für diesen Schritt."
„Du bist ein rationaler, kalter Mistkerl." House verlegte sich auf's Beleidigen, denn SEIN rationaler Part war seit Monaten im Koma, wie es schien. Nicht, dass er das zugeben würde.
„Das ist mein Spruch, House. Gib her."
Mit einem Abgrundtiefen Seufzer nahm House die Hand von Vicys Rücken. „Bitte."
„Hey, Prinzesschen." Wilson nahm das Kind hoch und küsste sie. Dann trug er sie in das Zimmer nebenan, wo das Mädchen mit viel Zärtlichkeit in ihr eigenes Bett gelegt wurde. „So, meine Kleine. Sei ihm nicht böse." Wilson schlich auf Zehen spitzen aus dem Zimmer.
Das Kind brabbelte leise vor sich hin. House spannte sich und sah Wilson böse an „Da hast Du's! jetzt weint sie!"
„Sie weint nicht. Bleib hier und warte einfach eine Minute."
„Was ist, wenn sie ANGST hat?"
„Sie ist einfach nur ein bisschen aufgewacht, House." Wilson wollte ins Bad gehen.
„Ich kann das nicht.." House stand auf.
Wilson stoppte seinen Freund „House, es wird zeit, dass Vicy das lernt.."
„Du klingst wie mein Alter, weißt Du das?" giftete House jetzt. Victorias Weinen wurde lauter.
„Das ist verdammt noch mal nicht wahr und das weißt Du auch!"
„Lass mich zu meinem Kind." knurrte House. Als Wilson sich nicht bewegte, schob House den Onkologen wie eine Pappfigur auf die Seite und humpelte in das Nebenzimmer.
Wilson war überrascht von Houses Kraft und brauchte einige Sekunden, bis er House folgen konnte. Vicy war sicher in Houses Armen. Der grosse Mann stand, gegen die Wand gelehnt, beide Arme schützend um seine Tochter gelegt, Schultern vorgebeugt, seine Wange gegen die Kastanienfarbenen Haare gelegt. „Ist OK, Schätzchen. Daddy Wilson meint es nicht so. Schhhht. Ist OK. Papa ist ja hier."
Wilson dachte, House stünde wirklich da, als müsse er Victoria vor ihm und der ganzen Welt beschützen. Es tat ihm weh – dachte House wirklich, er würde der Kleinen Böses wollen? Gott war sein Zeuge, er liebte die Kleine wie sein eigenes Kind! Verdammt, aber er brachte das einfach nicht über sich. Bei diesem Anblick konnte einfach niemand standhaft bleiben! „OK.", seifzte Wilson, „Bring sie mit."
House schien ihn völlig zu ignorieren. Als Victoria sich beruhigt hatte – sie spürte wie die Spannung zwischen den Beiden schwand und reagierte sofort darauf – legte House sie in ihr Bettchen, reichte ihr Ihre Kuschelmaus und blieb stehen, bis sie die Augen schloss und sich entspannte. Dann schlich er aus dem Zimmer und plumpste ins Bett.
Als er aus dem Bad kam, setzte Wilson sich auf Houses Seite auf die Bettkante. Sein Lebensgefährte starrte stoisch an die Decke. „House…Du musst abnabeln."
„Ich ertrage es nicht."
„Was?" Wilson legte sehr vorsichtig eine Hand auf Houses Brust. Es war immer ein ziemlicher Drahtseilakt, House anzufassen – vor allem, wenn er nicht in top Stimmung war. Manchmal schlug er Wilsons Hand weg, manchmal wickelte er sich um ihn, sobald Wilson den Kontakt hergestellt hatte. Heute passierte gar nichts.
Nach ein paar Sekunden griff House aber nach Wilsons Hand und schob sie über sein Herz. Wilsons Finger formten automatisch die Wölbung des Pectoralis nach. Er fühlte den Herzschlag, viel zu schnell! House war nicht halb so ruhig, wie es schien!
„Wenn sie weint… es ist, als ob ich da stehe und mich selbst höre… ich KANN nicht einfach daneben stehen, Wilson. Niemals soll sie sich verlassen fühlen, Wilson. Du weißt nicht , wie das ist..:" House sprach mehr zu sich selbst, als zu Wilson.
„Nein, das weiß ich wirklich nicht." gestand Wilson leise. Er konnte nicht annähernd nachvollziehen, wie der kleine Gregory sich gefühlt haben musste – verraten von seinem eigenen Vater. „Aber Du musst akzeptieren, dass hier alles anders ist. Niemand hier würde Vicy etwas tun. Sie ist doch nicht alleine, House. Sie kann uns hören. Du kannst sie doch auch hören. Niemand hier ist alleine." Wilson strich eine Strähne aus Houses Gesicht. „Aber sie braucht mehr Distanz. Victoria braucht einfach für sich etwas mehr Raum. Sie wächst mit jedem Tag, ihre Seele, ihr Charakter – all das wird von Tag zu Tag größer, eigenständiger. Du willst sie doch auch nicht einengen."
„…nein!…"
„Ich weiß, es ist nicht leicht. Aber es ist richtig. Du sollst sie ja nicht aufgeben. Nur ein klein bisschen längere Zügel lassen."
House grummelte – ob es Ablehnung oder Zustimmung war, konnte Wilson nicht sagen. Eine Hand langte nach oben – House legte seine langen Finger um Wilsons Nacken und zog ihn hinunter Der Kuss war sachte, fragend.
Wilson antwortete, freudig überrascht. Mit Victoria an seiner Seite war House fast zum Mönch mutiert. Dass der Mann nun endlich mehr als eine Umarmung versuchte, tat Wilson gut. Er streckte sich neben House aus, darauf bedacht, das Bein nicht zu berühren.
Ihre Momente waren rar gesät und selten. Außer ein paar Wiederholungen ihrer ersten Nacht – Houses Abschied vor seinem Entzug – war nichts passiert. Es machte House Spaß, Wilson mit ein paar schmutzigen Bemerkungen zu reizen – der Jüngere reagierte so unglaublich auf seine Stimme, House genoss die Wirkung, die er auf Wilson hatte.
Sie kannten einander, wussten, was sie tun mussten, um dem anderen Lust zu bereiten, kannten die empfindlichen Stellen des anderen. Auch jetzt waren ihre Hände auf bekannten Pfaden unterwegs – nicht, dass es langweilig wurde! Es war eine Vertrautheit, die Sicherheit gab.
Als House nun seine Hand an Wilson herab gleiten ließ, vermisste er etwas. Er hob den Kopf und sah Wilson fragend an. Der andere errötete etwas und House zog die Laken weg „Wilson!" House gab sich alle Mühe, schockiert zu wirken, weil das seinen Freund noch verlegener machte – es gab nichts niedlicheres, als Wilson, wenn er so total verlegen war!
„Ich… dachte, ich schau' mal, wie das so aussieht… gefällt's Dir?"
„Verflucht, ja!" House ließ seine Finger über die glatt rasierte Haut gleiten „Ich hasse Haare im Mund…" damit tauchte der Diagnostiker ab.
Das Telefon klingelte aber die beiden hörten es nicht. Oder, ehrlicher: House war es gerade furchtbar egal und Wilson hörte nur noch das Blut in seinen Ohren rauschen.
House vergnügte sich mit Wilsons Nabel, knabberte an dem Outie herum bevor er sich zu Wilsons Hüftknochen hinüber küsste. Dort angekommen, sog er an der warmen, weichen Haut – das war Wilsons empfindliche Stelle. Ihn da zu küssen, zu lecken und zu beißen trieb den Onkologen fast in den Wahnsinn.
Wilson flüsterte seinen Namen, vergrub seine Hände in seinem Haar. Früher hätte House das nicht zugelassen, war er jedem äußeren Zwang ausgewichen. Aber das hier war Wilson. Wilson durfte. Wilson war absolut vertrauenswürdig.
House wollte Wilsons Mut belohnen. „Mach Platz!" kommandierte er, seine Worte mit leichten Klapsen gegen Wilsons Schenkel unterstreichend. Der machte gerne Raum für House. Hielt die Luft an, weil er glaubte und hoffte, gleich etwas anderes zu spüren, als Houses Hände.
„Oh. Gott!" Houses Zunge, heiß und feucht und rau auf seiner Haut! Kälte, wo eben noch Hitze war. Wilson stöhnte laut, und das fand House unfassbar erotisch. Er wollte dieses Geräusch wieder hören! Probierte aus, wo Wilson seine Zunge am liebsten wollte, schmeckte ihn vom Perineum bis zur nässenden Öffnung seines Schwanzes.
Wilson, haarlos, nur zuckende weiche Haut – House wollte gar nicht mehr aufhören, ihn zu küssen, zu lecken, jede kleine Falte in der Haut zu erforschen. Wilson roch sogar anders. Klar, dachte der rationale Teil von ihm: weniger Oberfläche für Bakterien. Es war nicht besser oder schlechter, einfach anders. Aber ‚anders' war schon immer etwas gewesen, was House faszinierte. So vertieft war House darin, die intimsten Stellen von Wilson mit seinem Mund zu erforschen, dass er beinahe die gehauchte Bitte überhört hätte.
„…bitte…" Wilson flüsterte leise, wusste nicht, ob er wirklich sollte, ob er das verlangen durfte. Seine Frauen hatten das nie gewollt.
Houses blaue Augen bohrten sich in sein Gesicht und Wilson wollte sich schon entschuldigen, als es dann passierte: House grinste lüstern und dann – lieber Gott! – war Wilson in Houses Mund. Das war… unglaublich! Auf mehreren Ebenen war das überwältigend. Nicht nur das Gefühl, in dieser feuchten Hitze gesaugt und mit der rauen Zunge massiert zu werden, nein, die Tatsache, dass er, Wilson, IN House war, dass ihre Körper vereint waren, war umwerfend.
House tat einfach, was er am liebsten hatte. Ein Mann war ein Mann und von Blowjobs träumten sie alle – warum auch immer. Wilson gab kleine, kehlige Laute von sich und House, selbst ein stummer Liebhaber, fand das immer sehr erregend. Selbst die Hand, die sich in seine Haare krallte und ihm einen Rhythmus aufdiktierte war willkommen, machte ihn nur noch heißer.
Dies hier war eines der wenigen Dinge, die er Wilson schenken konnte: sich. Zumindest seinen Körper. So unbedeutend das vielleicht für Wilson war, für House war es ein Weg, Wilson etwas Gutes zu tun. Vielleicht der einzige Bereich, in dem House nicht immer nur nahm und nahm, sonder auch etwas zu geben hatte.
„House… ich…" Wilson keuchte – zu spät.
Völlig überrascht von dem plötzlichen Ende griff House nach unten, fasste sich an und folgte Wilson innerhalb von Sekunden. Er verharrte reglos für eine Weile, während er langsam wieder auf den Boden der Realität herunterkam. Dann überwand er sich, schluckte und streckte sich neben Wilson aus. Der sah immer noch total verzückt aus. House langte nach einer Flasche Wasser und trank gierig.
„Ich war … IN Dir!" flüsterte Wilson. Er sah House an, wie ein Kind den Weihnachtsbaum.
„Hmm…. Aber warn' mich das nächste Mal, OK?"
„Oh… ja… ´tschuldige." Wilson machte es sich bequem, er fühlte wie seine Augen zu fielen.
„Ach, gibt Schlimmeres." House küsste Wilsons Stirn und schüttelte dann amüsiert den Kopf: Wilson schlief jedes Mal so schnell ein, dass hatte seinen Frauen sicher missfallen. Aber es war, als ob bei dem Onkologen die Ejakulation nicht nur in den Genitalien stattfand, sondern mit einer gewaltigen Serotonin-Ausschüttung verbunden war. Stella berichtete Gleiches. Nun ja, dachte House, sie hatten alle so ihre Macken und diese hier war höchstens liebenswürdig. Er konnte damit leben.
House sah Wilson noch einige Minuten beim Schlafen zu, dann schlich er sich aus dem Zimmer. Warf noch einen Blick auf sein Töchterchen, das friedlich schlief. Sie war so unfassbar süß, dachte House. Er spürte, wie dieses Gefühl wieder in ihm aufwallte, dass seinen Hals eng werden ließ und riss sich los. Er war so emotional wie eine Frau mit PMS und das passte ihm nicht.
Er fuhr ins Erdgeschoss und humpelte zum Anrufbeantworter – drei Werbeanrufe und dann …
Unverständliches Gestammel.
„Mann, kriegen wir jetzt auch noch obszöne Anrufe?" murmelte er verärgert.
„Moment mal!" House hob die Hand. Er kannte die Stimme! Im Nu war er am Telefon und wählte eine ihm gut bekannte Nummer. Es klingelte eine Ewigkeit, dann endlich wurde abgehoben – Stille. Nein, nicht ganz. Keuchen.
„Hallo? Ich bin's, House... Was… was ist passiert?... Wo bist Du?... Jetzt beruhige Dich doch mal!... Wo. Bist. Du?... Bleib da, ich finde Dich. Bleib, wo Du bist, hörst Du?"
Da er sein Handy nicht dabei hatte – nackte, post-coitale Männer hatten nur selten ihr Handy dabei – musste er auflegen, um den Notruf zu wählen. „Hallo? Hier ist Dr. Gregory House. Ich bin Arzt im PPTH. Ich habe eben einen Anruf von einem verwirrten Patienten bekommen. Er weiß nicht, wo er ist und braucht medizinische Hilfe. Können Sie ihn über sein Handy orten? Ja, die Nummer ist…" House ratterte eine Handy-Nummer herunter, „Sie sollen ihn in PPTH bringen!"
Er legte auf und humpelte zurück ins Schlafzimmer, wo er sich eilig anzog. Weil Wilson völlig weggetreten war, legte er ihm einen Zettel auf's Kopfkissen ‚PPTH. House. Nicht wichtig.' So würde Wilson sich keine Sorgen machen.
Er traf fast zeitgleich mit dem Krankenwagen ein. Auf der Trage lag ein blutender junger Mann, den House nicht wieder erkannte,. „War da noch einer?" fragte er die Sanitäter.
„Ja. Aber der hier hatte es nötiger." Sie riefen den diensthabenden Ärzten Werte zu, als diese übernahmen.
Drei Minuten später kam der nächste Wagen, der Patient optisch kaum weniger übel zugerichtet. Blonde Haare. „Fin?" Ärzte übernahmen den Wagen, die Sanitäter ratterten herunter: Brüche, aufgeplatzte Prellungen, eine Stichwunde im Oberschenkel.
Die zweite Besatzung der Notaufnahme übernahm, House verharrte am Fußende – wachte darüber, dass die Kollegen alles richtig machten
Eine Schwester zog den Trennvorhang zwischen den Betten zu. House konnte spüren, dass es nebenan um Leben und Tod ging.
Sie schnitten Fin die Kleidung vom Leib, was nicht einfach war, denn der Junge Mann wehrte sich, bis House eingriff und an dem Personal vorbei zum Kopfende ging, wo er barsch befahl, er solle endlich ruhe halten. Fin blinzelte ihn an „House?"
„Es ist gut. Du bis in Sicherheit."
„Er blutet aus dem Rektum!" rief die Schwester, als sie die Hosen weggeschnitten hatte.
House beobachtete, wie sie eine Lavage machten: Blutig. „Er blutet in den Bauch! Wir brauchen sofort einen OP!" von nebenan war das Knallen des Defibrilators zu hören. Wieder und wieder, dann verkündete eine Stimme einen Todeszeitpunkt in die Stille hinein.
House hockte vor dem OP, die Stirn auf seinen Stock gestützt. Er konnte sich denken, was passiert war. Fin würde wieder werden, daran zweifelte House nicht. Aber er machte sich Gedanken über Wilson. Vielleicht hatten sie bisher instinktiv ihre nicht ganz unschuldige Beziehung nicht öffentlich zur Schau gestellt?
Ein Paar auf Hochglanz polierte italienische Schuhe hielten in seinem Blickfeld. Die zugehörigen Beine steckten in sichtbar teuren Hosen. „Wie geht es ihm?"
House blickte auf. Ian DuPont, Fins Vater stand vor ihm, im Frack.
House deutete nach hinten „Er wird gerade operiert. Er hat innere Verletzungen. Nichts, was sie nicht in dem Griff kriegen."
„Gott sei dank! Was ist überhaupt passiert?" DuPont ließ sich in einen Sitz fallen.
„Was weiß ich? Er hat mich angerufen – war völlig verwirrt." House legte den Kopf wieder auf den Stock – was dauerte denn so lange?
„Er hat Sie angerufen…" es war kein Vorwurf, aber es war deutlich, dass es DuPont nicht passte.
House antwortete in seiner bekannt herzlosen, ruppigen Art: „Wollen Sie sich beschweren, dass er jemanden angerufen hat, der wusste, was zu tun ist? Das hat ihm vielleicht das Leben gerettet. Sie haben sich jahrelang wie ein Arschloch benommen. Das gibt sich nicht nach ein paar Monaten." Er stand auf „Freuen Sie sich, dass er Ihnen vergeben hat." Er humpelte zum Aufzug und dann in sein Büro. Die Opiatfreien NSAIDs, die er jetzt gegen die Scherzen in seinem Bein nahm, wirken nicht so stark, wie das Hydrocodone oder – illegaler Segen aller Schmerzgeplagten – Fentanyl. Aber Metamizol IV war schon OK – wenn auch nicht ganz legal.
Er zog die Schublade auf und zog sich eine Dosis auf, band den Arm ab und ballte die Faust. Er hatte zu viel Übung mit Selbstinjektionen! Ein schnelles Wischen mit einem Alkohol-getränkten Wattebausch und dann die Nadel hinein. House arbeitete ruhig, anders als früher mit dem Morphium und das war ihm sehr bewusst. Er fragte sich immer wieder, ob eine total ruinierte Leber wirklich so viel besser war, als ein gut eingestellter Drogensüchtiger. Er machte seinen Job nicht besser oder schlechter seit der Umstellung. Er war auch nicht umgänglicher geworden. Aber er hatte es ja auch nicht für sich getan.
Eine Stunde später stand House auf dem Gang der Intensivstation. Fin war stabil, wenn auch in kritischem zustand, sein Vater wachte bei ihm und so machte der Arzt kehrt. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass es sich nicht lohnte, zurück nach Hause zu fahren. Er döste in seinem Büro auf seinem Sessel ein.
Die zugezogenen Jalousien sagten seinen Welpen, dass House wohl in seinem Büro übernachtet hatte. Seit der Diagnostiker Vater geworden war, war das kaum noch einmal vorgekommen. Sie waren nicht besonders leise und kochten Kaffee – das würde ihren Chef schon munter machen.
Eine Stunde später – die zweite Kanne Kaffee war fast leer – kam House aus seinem Büro. Zerknittert und verstrubbelt humpelte er zur Kaffeemaschine „Morgen." Murmelte er.
„Gab's noch einen Patienten letzte Nacht oder hat Dr. Bridges Sie endlich ´rausgeworfen?" Foreman streckte schon die Hand in Richtung Chase aus, der nach seinem Portemonnaie griff. Sie hatten gewettet, ob Bridges irgendwann seiner überdrüssig würde.
„Weder noch." House bereitete sich auf den ersten Schluck des ekligen Kaffees vor, den seine Schergen hier immer verbrachen. Nach dem er das Zeug mit Todesverachtung geschluckt hatte, schossen seine Augenbrauen nach oben. Er blickte in die Tasse, dann zu den Welpen, wieder zur Tasse. Nahm noch einen Schluck. „Hey, das Zeug ist zum ersten Mall seit Jahren genießbar! Hat einer von Ihnen im Lotto gewonnen?"
„Ich hatte einfach die Nase voll." Erwiderte Cameron. Einen Quarter je Tasse." Sie zeigte auf eine Spardose, die nun neben der Kaffeemaschine stand.
„Wie bitte?" House blickte Cameron an, als ob sie gerade verkündet hätte, sie wolle ein Elefantenbaby austragen.
„Ich bin ja nicht die Wohlfahrt! Sie werden schon nicht verhungern."
„Sie haben doch erst eine Gehaltserhöhung bekommen!"
„Die gebe ich doch nicht aus, um Ihnen Kaffee zu kochen." House hatte ja wohl eine Schraube locker!
„Tja, dann muss die für Chase noch warten." House zuckte mit den Schultern und machte Kehrt, um sich etwas Essbares aus der Kantine zu holen.
„Was hab' ich damit zu tun?" rief Chase verzweifelt hinterher.
„Nichts, aber wann hat mich das je interessiert?" House schloss schwungvoll die Tür und grinste. Chase würde Cameron so lange bearbeiten, bis es den Kaffee wieder umsonst gab, da war er ganz sicher. Und ganz nebenbei könnte er bei Briges punkten, weil es jetzt Fairen Kaffee gab. Hah! Er war sehr zufrieden mit sich.
„Hey." Wilson kam in sein Büro als er den zweiten Donut gerade angebissen hatte. Am Schreibtisch angekommen starrte er schockiert nach draussen „Oh mein Gott!"
House, neugierig wie ein kleines Kind drehte sich mit seinem Stuhl um – und sah nichts. Nach weiteren 180 Grad starrte er auf einen leeren Teller und einen kauenden Wilson – er hatte einen halben Donut auf einmal in den Mund geschoben! „Du Bastard!"
Wilson legte den Rest zurück „Ich kann nicht glauben, dass Du freiwillig von sowas lebst."
„Ich WÜRDE, wenn man mich ließe." Heutzutage machte meist das Mädchen schrecklich gesunde Sandwiches und Salate.
„Du kannst jederzeit ausziehen, weißt Du." Wilson grinste „Wenn Dir die Fritten und Donuts so viel bedeuten…"
„Ich werde das Mädchen feuern und eine Tussi von McDonald's engagieren."
„Oh, wo wir gerade davon sprechen: ich habe heute Nachmittag ein Vorstellungsgespräch für eine Nanny." Wilson hätte es fast vergessen. Sie fanden einfach keine Kinderfrau, die allen Ansprüchen gerecht wurde. Daher kümmerte sich das Mädchen so lange tagsüber um Victoria. Aber House hatte bedenken, sein Kind würde dann zwar fliessen Thai sprechen, nicht aber Englisch.
„Gut. Hat sie denn gute Zeugnisse?"
„Die Empfehlung kommt von Green." Der Pediater war ein hervorragender Arzt, der auch für den Kinderschutzbund aktiv war. Wilson ging davon aus, dass Green nur gute Leute empfehlen würde.
„OK." House hielt Wilson seinen Kaffee hin.
„Er hat keine Lust mehr, hier im PPTH zu arbeiten, wo alle Kinder immer nur durchlaufende Posten sind. Er kennt Dich und das schockt ihn nicht. Wir sollten zuschlagen!"
„ER?"
„Er hat jede Menge Zusatzqualifikationen UND ist bezahlbar, House."
„Wilson, ein MANN?" er hatte wohl nicht recht gehört, oder?
„Na und?"
„Ich weiß nicht, Wilson. Ein Kerl…"
„Du bist doch auch einer. Und Du gehst mit Vicy baden."
„Ich bin ihr Vater!"
„Was heißt das schon in dieser Welt, huh?"
Touche, dachte House.
„House, wenn der Typ echt so gut ist, dann sollten wir uns nicht davon bremsen lassen, dass er keine Titten hat." Wilson sah auf seine Uhr. „Ok, ich muß los. Lunch?"
„Yeppers."
House dachte noch eine ganze Weile über die Sache nach. Ganz wohl war ihm dabei nicht!
Gegen elf war House mitten in seiner dritten Kaffeepause. Den Rücken zur Tür saß er da und träumte aus dem Fenster.
Zur gleichen Zeit betrat ein Mann das Foyer. Er war Mitte Siebzig, immer noch erstaunich groß und aufrecht für sein Alter und war in sauber aber schlicht gekleidet. Seine klaren, stahlblauen Augen erfassen das Foyer und dann setzte er sich in Bewegung zum Empfang.
„Hi! Ich suche Gregory House. Er soll hier arbeiten."
Die Schwester sah ihn an „Meinen Sie Dr. House?"
„Ja, genau." Der alte Mann lächelte die hübsche Schwester gewinnend an. Sie beschrieb ihm den Weg und er ging zu den Aufzügen.
Auf der Etage angekommen musste er sich eingestehen, dass er wohl doch zu selten aus seinem Kaff herauskam. So sah ein modernes Krankenhaus aus! Interesant – vor allem die gläsernen Wände der Zimmer waren echt cool!
Dann fand er das gesuchte Zimmer! Wow, da stand in großen Lettern der Name an der Tür: Gregory House, M.D. Der Junge hatte sein eigenes Büro! Und er war wohl auch da – denn hinter dem Schreibtisch ragte ein Kopf über die Rückenlehne des Stuhles.
Da er offensichtlich nichts unterbrach, trat er ein, ohne anzuklopfen. „Wenn das nicht ein feines Büro ist, Greg!"
House hätte fast seinen Stock fallen gelassen, so hatte er sich erschrocken! Er drehte sich mit dem Stuhl um und starrte den Mann mit großen Augen an. Was machte der denn hier?
„Onkel Gordon!" House stand eilig auf und humpelte auf den Alten zu.
„Greg! Junge, lass Dich ansehen – Du wirst ein bisschen weich um die Hüften, was?" die beiden umarmten sich herzlich – Chase fiel beinahe das Gesicht herunter.
„Was machst Du hier? Komm, setz Dich. Kaffee?" House hatte schon die Tür aufgerissen „Hey, Chase, bringen Sie mal noch ´nen Kaffee her."
Leider reagierte sein Welpe nicht wie gewünscht „Ihr Besuch, Boss. Und ohne Gehaltserhöhung kann ich das sowieso nicht."
Gordon lachte. House blickte ihn entschuldigend an „Die Jungen Leute heute – kein Respekt mehr." Also humpelte er selbst zur Maschine und schenkte seinem Onkel ein – schwarz, drei Stück Zucker. Das wusste er genau. Bei Onkel Gordon war er immer gerne gewesen. Die sieben Kinder waren immer gut für Unterhaltung und sein Vater war meist weit, weit weg gewesen. Diese Ferien waren mehr gewesen als nur Ferien von der Schule!
„Danke Junge. – Entschuldige, ich sollte wirklich aufhören, Dich so zu nennen. Du hast es wirklich weit gebracht, huh?"
„Ich komm klar." Untertrieb House. Er wollte nicht prahlen. „Aber was treibt Dich hier her? Warum hast Du nicht angerufen?"
„Hab' ich! Aber da ist immer nur diese dämliche Maschine dran gegangen. Ich rede nicht mit diesen Dingern, Greg." Gordon nahm einen Schluck Kaffee, machte ein anerkennendes Gesicht und fuhr dann fort „Ich war eben bei deinem Vater." Der Bruder von John House war nicht dumm, er wusste, dass das Verhältnis zwischen John und dessen Jungen nicht gut war.
Sie waren alle beide von ihrem Vater hart ´ran genommen worden und Gordon hatte furchtbare Stunden ausgestanden, um nicht die gleichen Fehler zu machen. Bei sieben Kindern war das nicht immer leicht gewesen. Aber so oft er auch versuchte, bei John oder Gregory Genaueres zu erfahren war er auf eine Wand des Schweigens gestoßen.
Und meistens waren die Beiden ausser Landes, so dass sein Einfluß nicht wirklich zählte. Alles, was er tun konnte, war Gregory schöne Ferien zu bieten, wenn der Junge mal vorbeikommen konnte oder durfte. Einmal hatte er John angeboten, den Jungen bei sich aufzuziehen, aber John fand das krank – ein Junge bräuchte doch seinen Vater! Dem Argument konnte Gordon sich nicht entziehen.
House machte ein Gesicht „Das ist schon ein ziemlicher Umweg. Lohnt das?"
„Nun, die Fünf Minuten über den Campus bringen mich nicht wirklich um. So alt bin ich noch nicht!" Gordon schüttelte lachend den Kopf, der weiße Pferdeschwanz flog hin und her.
Houses Augen verengten sich zu Schlitzen „Fünf Minuten?" Wo war der Alte? Für den Bruchteil einer Sekunde verspürte House Panik.
„Ich wollte bisschen frische Luft schnappen, also bin ich außen ´rum vom Hospiz hierher gelaufen."
„Aha." House wurde immer maulfauler. Was, zu Hölle, war hier los? Was machte sein Alter hier? Und was war mit dem Hospiz? Er musste seinen Onkel mal kurz abwimmeln, dachte House. „Hör mal, ich hab' leider noch einiges zu tun. Warum sagen wir nicht kurz meinem Freund ‚Hallo' und wir sehen uns heute Abend, wenn ich hier weg kann?"
„Das ist eine gute Idee. Ich bin bei Deiner Mutter im Best Western untergekommen. Schau doch einfach vorbei, wenn Du so weit bist, Greg."
„OK." House führte seinen Onkel nach nebenan, wo er an Wilsons Tür klopfte.
„Wilson, ich wollte nur kurz mit meinem Onkel vorbeischauen …"
„Dr. Wilson. So trifft man sich wieder. Ich wusste ja nicht, dass Sie ein Freund von Greg sind."
„Mr. House." Wilsons Hand wurde heftig geschüttelt. Wilson schielte zu House hinüber. Der Stand da, mit beiden Händen auf seinen Stock gestützt und beobachtete alles sehr genau. „Also, dann rettet noch ein paar Leben ihr Beiden. Wir sehen uns später, Greg." Gordon trollte sich, stolz auf seinen Neffen. Seine Frau Sammy würde das gerne hören. So ein tolles Büro!
Wilson duckte sich, als die Tür hinter Gordon House zu fiel. Gregory House stand noch immer völlig unbeweglich da – eine Königskobra kurz bevor sie ihrem Opfer das Gift in die Augen spritzt. Dann richtete House sich auf und kam die wenigen Schritte bis zu Wilsons Schreibtisch.
„Ich frage mich," begann House langsam, „wieso mein Onkel Dich kennt?" seine Augen glitten über die Papiere auf Wilsons Schreibtisch. Er langte nach einer Akte, die ziemlich weit oben lag. Wilsons Hand knallte darauf.
„Das sind vertrauliche Akten, House!"
„Wenn's meiner Mom schlecht ginge, dann wüsste ich das. Außerdem wohnt sie im Hotel. Onkel Gordon sieht nicht so aus, als ob er einen Arzt bräuchte. Der käme wohl auch erst zu mir." House spielte mit seinem Stock, hauptsächlich, um Wilson von den Akten abzulenken.
„Flipp' jetzt nicht aus, ja?" Wilson versuchte, beruhigend auf House einzureden.
„Seh ich denn so aus?" fragte House unschuldig.
„Oh, ja!"
Mit einer blitzschnellen Bewegung hatte House die obersten vier Akten gegriffen. Während Wilson um den Tisch herum musste, hatte House den Umschlag mit dem Namen seines Vaters aussortiert und humpelte mit seine Beute schnell davon. Wilson folgte.
House ging in sein Büro und las. Bauchspeicheldrüsenkrebs. Sehr weit fortgeschritten. Der Alte krepierte! Und das hier, vor seiner Nase. Behandelnder Arzt war: Dr. James Wilson.
„House, gib mir die Akte zurück."
House warf sie Wilson fast ins Gesicht. „Wie kannst Du das tun?"
„Er ist krank. Er kam hierher, weil er einen guten Arzt suchte. Deine Mutter hat ihn hierhergezerrt. Was sollte ich denn bitteschön tun?"
„Hast Du überhaupt keine Selbstachtung, Wilson?"
„House!"
„Dieser Typ nennt Dich eine Schwuchtel, einen Schwanzlutscher, beschimpft Stella as Hure, er hat keine Achtung vor Dir und Du… nach allem was war, versuchst Du auch noch, IHM ZU HELFEN?" House tigerte durch sein Büro.
„Ich kann ihm nicht helfen. Das kann niemand mehr. Er stirbt, House."
„Das ist wirklich gut. Denn wenn Du ihm helfen würdest, müsste ich Dir alle Knochen brechen!" für einen Moment stand House fast Nase an Nase mit Wilson. Der Onkologe konnte Houses Wut förmlich spüren! Er machte einen Schritt zurück, fühlte sich ernsthaft bedroht.
„Warst nicht Du es, der mal sagte, wir würden die Leute nicht nach dem auswählen, was sie in der Welt da draußen verbrochen hätten?"
„Aber doch nicht DER! Gott, Wilson! Hast Du kein bisschen Selbstachtung? Wie konntest Du das tun?"
„Ich bin Arzt, House. Das ist eine moralische Verpflichtung."
„Das bin ich auch. DEINE EIGENEN WORTE! Aber Du lügst mich lieber an, nicht wahr?"
„Ich wollte nicht, dass Du Dich aufregst."
„Na, das hast Du ja geschafft. Glückwunsch. WIE KANNST DU MIR DAS ANTUN?" House brüllte aus vollem Halse, seine Welpen waren nebenan erstarrt. Cameron verließ den Raum um Cuddy zu holen. Wenn Wilson House nicht im Griff hatte, wer dann?
„Deine Mutter hat mich angebettelt. Was hätte ich denn tun sollen? Ich bin nicht wie Du, House! Ich kann die Leute nicht einfach wegschicken. Tut mir leid."
„Hat sie Dir was vorgeheult, ja? Toll. Echt toll. Hätte ich mehr heulen müssen, um Dich auf meine Seite zu kriegen? Ja? Ist es das, was Du brauchst, Wilson?"
„Das ist doch Schwachsinn!"
House griff sich an die Schläfe. Er bekam Kopfschmerzen. „ich kapier's nicht. Ich … ich habe Dir Dinge erzählt, die noch nie jemand vor Dir gehört hat. Ich habe Dir ALLES GEZEIGT Ich hab' mich total entblößt – meine Scham, meine Schuld, alles hab' ich Dir gezeigt – Du hast mich angefleht, aufzuhören. Du hast GEHEULT. DU HAST GEHEULT!! Und dann kommt meine Mom, drückt bisschen auf die Tränendrüse und DU?" das war Verrat erster Güte. Hochverrat. Er hatte gute Lust, Wilsons Gesicht ein neues Layout zu verpassen.
„Er hat ein Recht auf einen Arzt; er hat ein Recht, zu sterben, wo er will."
„ABER NICHT IN MEINEM KRANKENHAUS!" House schlug wütend mit seinem Stock auf den Tisch. Die hölzerne Gehhilfe splitterte und der untere Teil flog durch die Luft, an Wilson vorbei, wo sie eine blutige Schramme in dessen Gesicht hinterließ. Wilson klaubte die Papiere zusammen und verließ fluchtartig das Büro.
„Stella!"
„Nick!" sie war mit ihrem Bruder zum Essen verabredet und trafen sich in der Lobby ihres Hotels.
„Lass Dich ansehen! Du siehst großartig aus, Schwesterchen."
„Na, Du kannst Dich aber auch noch sehen lassen." Die Irische Abstammung war nicht zu verleugnen – Nick hatte dunkle Haare mit einem Rotstich und meergrüne Augen.
„Möchtest Du anständig tafeln, oder darf es auch etwas Ausgefalleneres sein?"
„Sie stopfen uns hier in den Pausen voll. Was wäre denn ausgefallen?"
„Billard?"
„Zum essen?"
„Lass Dich überraschen!"
Sie nahmen ein Taxi ins Hafenviertel wo in einer alten Lagerhalle die Academy of Spherical Arts untergebracht war. Es gab auch ein Restaurant, aber man konnte sich an die Tische Fingerfood und Getränke bringen lassen. Kein Billardtisch glich dem anderen, es gab einen aus Versailles – ein antikes Stück mit Goldüberzogenen Schnitzereien, und diverse andere nicht ganz so alte Tische.
„Ich habe seit Ewigkeiten nicht mehr gespielt, Nick. Du wirst es leicht haben." Stella bestellte sich ein Ginger Ale, Nick ein Bier und einen Teller mit Fingerfood.
„Na, was macht die Kleine denn so?" Nick sortierte die Kugeln im Dreieck währen Stella sich einen Queue aussuchte.
„Sie fängt an, zu Krabbeln. Es ist wirklich nichts mehr sicher vor ihr. Nachdem sie eine leere Pillendose irgendwo gefunden hatte, ist Wilson auf dem Bauch durch das ganze Haus gekrochen, um sicherzustellen, dass das Haus sicher ist. Sah sehr lustig aus." Stella strahlte. Ihre kleine Tochter hatte ihr Leben ziemlich umgekrempelt, aber zu beobachten, wie sie jeden Tag Fortschritte machte, jeden Tag deutlicher ihre Persönlichkeit entwickelte war faszinierend. „Und zum Glück ist House wirklich ein wunderbarer Vater. Er verwöhnt die Kleine viel zu sehr."
„Ihr.. macht echt so ´ne Dreierkiste? Das funktioniert?" Nick war mehr als misstrauisch, was das betraf.
„Ich glaube eher, dass es nicht anders funktionieren könnte." erwiderte Stella. „Wilson kennst Du ja noch vom Studium."
Nick nickte.
„Tja, der hat sich dann wirklich alle Mühe gegeben, mich mit House zu verkuppeln. Nicht, dass ich da noch Nachhilfe gebraucht hätte! Die beiden waren damals schon wie ein altes Ehepaar." Stella lächelte bei der Erinnerung. „Am Anfang waren es einfach meine zwei Ersatzbrüder -"
„Wir sind nicht zu ersetzen!" protestierte Nick.
„Das stimmt. House ist ein halbes Jahr lang um mich herumgeschlichen, ohne dass ich es kapiert habe! Als ich dann so blöde war, noch mal nach Afrika zu gehen, hat das fast unsere Beziehung gekostet, weil er zu stolz ist und ich unbedingt wollte, dass er SAGT ich solle bleiben."
Nick hörte zu. Seine Mutter mochte den Kerl nicht besonders und normalerweise hatte sie ein gutes Gespür für Menschen. Was Stella erzählte, klang kompliziert.
„Während der Amnesie dann… House verlor kein Wort über unsere Beziehung, weil er mich nicht beeinflussen wollte. Und Wilson… der war immer da. Er war das einzige bekannte Element in einer endlosen Reihe von Unbekannten. Ich … naja, es blieb nicht aus, dass wir uns näher kamen, als gut war. Gleichzeitig kamen House und ich uns auch näher, aber er ist halt kompliziert, also war auch das nicht einfach. Dann wusste ich auf einmal alles wieder – peng! Einfach so – alles wieder da." Es war keine einfache Zeit für Stella gewesen. Sie hatte sich unsäglich hilflos und einsam gefühlt.
„Aus Anstand hat sich Wilson dann zurückgezogen. Aber er und House waren vorher so viel zusammen – sie litten beide wie Tiere unter der Trennung. Und mir fehlte Wilson auch."
„Hatten die zwei was laufen?"
„Nein, das war so platonisch, wie nur möglich." Sie seufzte „naja, irgendwann hat House es dann einfach nicht mehr ausgehalten und mich zu Wilson geschickt. Und der hat zugestimmt. Ja, und so ist es geblieben. Wir gehören zusammen."
„Aber Du weißt schon, wer der Vater wirklich ist, oder?"
„Ja. Das ist aber nicht so wichtig, Nick. Wir alle wollten dieses Kind, das ist es, was zählt."
„Mama war ja nicht so begeistert." meinte Nick vorsichtig.
„sie hat ihn in einer schlimmen Zeit getroffen. Er ist sowieso ein schwieriger Charakter, und damals – ich glaube, er hat sehr unter der Unsicherheit gelitten."
„Das haben wir alle."
„Nein, Nicky, er… House hält sich für absolut nicht liebenswert. Die Geschichte dahinter ist zu lang und düster, aber er kann sich nur sehr schwer anderen gegenüber öffnen. Als ich mich nicht an ihn erinnern konnte ist er nicht davon ausgegangen, dass ich mich wieder in ihn verlieben könnte. Für ihn war klar, dass er mich verlöre und er konnte nur da stehen und zusehen."
„Das hätte ich nicht getan! Ich hätte mich hingestellt und gesagt: hey, Schatz, ich bin der Mann Deiner Träume, und jetzt komm Heim."
„Ja, das hätten die meisten getan." Stella lächelte verträumt. Sie fand Houses verhalten damals unfassbar selbstlos und riskant. Aber sie liebte ihn dafür, sie achtete seine Stärke. „Aber es wäre falsch gewesen. Es wäre nicht echt gewesen."
„du hast dich doch erinnert."
Stella schüttelte den Kopf. „Das konnte niemand wissen! Er wollte, dass es echt war – oder gar nicht. Es war das Richtige, was er getan hatte. Er… macht immer das Richtige."
„Na, ich werde ihn ja sicher mal treffen. Und Wilson würde ich auch gerne wieder sehen."
„Princeton ist nicht SO weit weg, Nick. Du bist immer willkommen!"
„Ja, aber es ist immer so viel zu tun!"
„das kenne ich! Aber vielleicht gibt's ja bald einen guten Grund. Wir arbeiten an einem zweiten Kind. Ich würde mich freuen, wenn Du dann mal vorbei schauen würdest."
„Noch ein Kind? Stella, Du wolltest nie Kinder haben!"
„Ja, weil ich of so riskante Sachen machte. Wenn ich jetzt sowieso nur zu Hause bin, kann ich auch Kinder haben. Außerdem sind sie wirklich die Krönung unserer Beziehung."
„Dich hat's ja wirklich schwer erwischt!" Nick lachte. „Wie regelt ihr das denn mit der Vaterschaft? Oder läuft nix zwischen Dir und Wilson?"
„Hmmm. Mal sehen… abgesehen davon, dass Dich das überhaupt nichts angeht, fand House, dass Wilson nun mit dem Vater-Werden dran ist. Wilson und ich sehen das auch so. Wir kriegen das schon hin, keine Sorge." Es gab schließlich Zykluskalender und Kondome – letzteres sehr zu Houses Missfallen.
„Oh, wow! Klingt, als ob es bei euch nie langweilig würde!" Nick schüttelte den Kopf. Auf was hatte sein Schwesterchen sich da nur eingelassen?
„Langweilig wäre mir recht, glaub's mir. House ist manchmal sehr, sehr anstrengend."
„House!" Cuddy kam gerade aus dem Aufzug, als House hinein wollte, „Was geht hier vor?"
„Was? Wo?" House sah sich um, ein unschuldiges Gesicht zur Schau tragend. Er hatte sich eine Krücke aus dem Lager beschafft – ein billiges, hässliches Alu-Teil mit abgewetzten blauen Plastikbesätzen.
„Sie brüllen das halbe Haus zusammen, also was geht hier vor?"
„Ich kann nichts hören. Außerdem hab' ich Mittagspause. Bye." Er schlüpfte in den Aufzug und war weg.
Das Hospiz war an das PPTH angegliedert. House mied es wie die Pest – er fand, es stank nach Tod und kein normaler Mensch sollte dort hingehen wollen. Wilson und Bridges verbrachten dort relativ viel Zeit. Aber heute, heute war alles anders. Heute WOLLTE House ins Hospiz. Heute wollte er… was? Genugtuung? Rache? Gerechtigkeit? Er wusste es selbst nicht.
Es lag keine Genugtuung darin, einen alten Mann sterben zu sehen. Es war keine Rache, denn House hatte mit der Erkrankung nichts zu tun, hatte sie sicher nicht verschuldet. Jeder musste einmal sterben, das hatte nichts mit Gerechtigkeit zu tun.
Rache.
Er liebte dieses Wort, hatte oft davon geträumt. Und sich deswegen noch schuldiger gefühlt. Was war er nur für ein Sohn, verdammt?
Um sich wirklich zu rächen war er wohl zu feige. Die Gesellschaft hatte ihm ihre Normen eingebrannt – man töte nicht den eigenen Vater! Auch wenn das die gleiche Gesellschaft war, die nicht hatte sehen wollen, was damals passiert war, die lieber die Augen verschloss und so Sadisten wie John House Vorschub leistete.
Gerechtigkeit würde er nie erfahren – es gab nichts, was die Taten seines Vaters sühnen könnte. Könnte er seine Rache haben, DAS würde ihm vielleicht Genugtuung verschaffen. Aber nur vielleicht. Wahrscheinlicher war es, dass es nur ein fades, leeres Nicht-Gefühl hinterlassen würde. Vielleicht war das unbewusst ein Grund für House gewesen, es nie auch nur zu versuchen? Er hatte keine Ahnung.
Nachdem er die Zimmernummer erfahren hatte, humpelte er zielstrebig durch den Aufenthaltsbereich. Es sah mehr aus, wie ein riesiges Wohnzimmer. Alles hier sah nicht nach Krankenhaus aus. Es ekelte House an. Er schwor sich, niemals in solch eine Anstalt zu kommen – als Patient.
„Gregory!" oh, seine Mutter. Das war kein guter Zeitpunkt, aber seiner Mutter konnte er nun einmal nichts abschlagen.
„Mom. Wie geht es Dir?" Himmel, sie sah so müde und blass aus!
„Es geht."
„Du solltest bei uns wohnen, Mom, nicht in so einem Hotel, wo sich niemand um Dich kümmern kann."
„Wir wollten Dich nicht hiermit belasten, Gregory. Ich habe Wilson gebeten, Dir nichts zu sagen. Ich bin gut untergebracht."
„Lass uns jetzt nicht darüber diskutieren, ja?" Wilsons Verrat war immer noch unfassbar für House. „Ich hab' noch was zu erledigen." Er deutete den Gang hinunter.
„Dein Vater möchte Dich gerne sehen, Gregory." erklärte Blythe ihrem Sohn, „Ich habe ihm gesagt, dass das wohl nicht passieren wird. Du brauchst das nicht zu tun, Junge."
„Will ich aber."
Zu ihrer Verwunderung marschierte er schnurstracks in das Sterbezimmer. Gordon folgte langsam. Er wollte nicht die Privatsphäre zwischen Vater und Sohn in diesen letzten Stunden stören, aber er war sich nicht sicher, ob man nicht eher eine Szene erleben würde, die es erforderte, dass jemand eingriff.
Die Wandlung war subtil wie immer, aber dennoch deutlich genug: Wann immer House seinem Vater gegenübertrat war er wieder das Kind, dass er damals gewesen war. Er fürchtete seinen Vater immer noch, fühlte sich immer noch schuldig, weil er so unfähig war, den Erwartungen und Standards seines Vaters zu genügen – und hasste ihn mit jeder Faser seines Seins.
Viel war nicht mehr dran, an dem Alten, dachte House. Dennoch spürte er immer noch den alten Widerwillen, sich diesem Mann bis auf Schlagdistanz zu nähern. Die meisten Monitore waren abgebaut, außer einer automatischen Pumpe für das Morphium war nur noch ein Monitor für die Vitalfunktionen im Raum. Wie ein unbeteiligter griff House nach der Krankenakte, die am Fußbett hing. Wilsons Name schrie ihn an und House biss die Zähne zusammen. Er überflog die Medikationen. Jeder Eintrag buchstabierte ‚Tod'. Und zum ersten Mal war es House nicht gleichgültig.
Er begrüßte es!
Und fühlte sich dafür schuldig.
„Mein Junge…"
War diese erbärmliche Stimme wirklich die seines Alten? House blickte auf. Das war nicht mehr der Mann, der vor eineinhalb Jahren Wilson beinahe die Nase gebrochen hatte. Das hier war ein Zombie. Ein Skelett mit schlaffer Haut darüber, als hätte man es schlecht angezogen. Vor dieser erbärmlichen Gestalt musste man keine Angst mehr haben. Aber dennoch…
„Ich…hätte nicht gedacht… dass Du kommst."
„Das kann ich mir doch nicht entgehen lassen." antwortete House zynisch. „Der letzte Akt."
Der alte seufzte leise. House dachte schon, der Alte würde nichts weiter sagen, als er es dann doch tat „Blythe sagte… Deine Tochter… ich würde sie gerne sehen…"
House war absolut schockiert von dieser Vorstellung! Er würde doch Vicky nicht hierher bringen. In DIESES HAUS, zu diesem Monster! „nein." Flüsterte er.
„Ich möchte… mein Enkel…kind nur … einmal sehen."
House schüttelte heftig den Kopf „Nein! Niemals!"
„Vielleicht ist …" er musste nachdenken, um den Namen zu finden, „Stella weniger undankbar? Ich möchte mit ihr reden."
Weniger undankbar? House konnte es kaum fassen! Sein Alter hatte Stella einmal gesehen und prompt als Hure tituliert. „Lass Stella da ´raus! Lass meine Familie in Ruhe. Das hier, das ist zwischen Dir und mir. Wie in den Guten Alten Zeiten." House stellte sich auf einmal vor, wie Wilson die kleine Vicky hierhier brachte. Sein Magen krampfte sich zusammen.
Sein Alter schwieg wieder. House fragte sich, ob es nun genug sei. Aber das war es nie. Das wusste er.
„Ich… hab' viel falsch gemacht, Junge. Es… tut mir leid…"
„Mir auch."
„Du vergibst … mir?"
House blickte seinen Alten mit gespielter Überraschung an „Was? …Nein..."
„Ich sterbe!"
House lachte humorlos „Ach, so einfach ist das, ja? Du glaubst, weil Du's nicht mehr lange machst, sag' ich ‚ja, Dad, ist schon OK. Vergeben und vergessen'?"
„Ich will meinem …Frieden mit Dir machen."
„Tja, ich aber nicht mit Dir. Dumm gelaufen."
„Gregory… ich wollte… wirklich nur das Beste.."
„Klar. Knochen brechen ist eine tolle Erziehungsmaßnahme."
„Vergib mir!"
„Vergiss das." Was war er doch für ein erbärmliches Würstchen! Sein Alter musste fast tot sein, damit er genug Rückgrat entwickelte, um ihm zu widerstehen?
„Was bist Du nur für ein Mensch? Willst deinem sterbenden Vater nicht einmal einen ruhigen Tod gönnen?!" der Alte ballte die Fäuste.
House sah das sehr wohl. „Du würdest die Vergebung aus mir rausprügeln, wenn Du noch kriechen könntest!" er deutete auf die Fäuste. „Was bin ich für ein Mensch? Wenn Du das nicht beantworten kannst…. Du hast mich doch gemacht. Du hast den Sohn bekommen, den Du verdienst." er schüttelte den Kopf, platzierte seine Alu-Krücke vor sich und lehnte sich mit beiden Händen darauf. „Von mir hast Du NICHTS zu erwarten. Ich bin nur hier, um zu sehen, wie Du in die Hölle fährst!" er starrte auf den Monitor, sah wie die Werte verrückt spielten.
Gordon war irgendwann verschwunden um einen Arzt zu holen. Dieser kam herein und warf den Sohn raus und verabreichte dem Alten ein Beruhigungsmittel.
„Sind Sie wahnsinnig? Wollen Sie ihn umbringen?" schnauzte der junge Assistenzarzt ihn an. Er wusste offensichtlich nicht, wen er vor sich hatte.
House starrte ihn nur eisig an, bevor er sich abwandte.
„Greg." Sein Onkel legte ihm die Hand auf die Schulter, aber House zischte ihn an: „Fass' mich nicht an!" damit floh er aus diesem Todeshaus.
Wilson hatte sich in seinem Büro eingesperrt. Nicht die Reaktion eines reifen Menschen, gab er zu, aber im Moment wollte er niemanden sehen! Er hatte House schon oft wütend gesehen, House hatte ihn schon geschlagen, Wilson dachte, er hätte schon alles gesehen. Aber heute – eine solche von Hass genährte Wut hatte Wilson noch nie gesehen. Zum ersten Mal hatte er wirklich Angst vor House gehabt. Ernsthafte Angst. Nicht die lächerlichen Gedanken wie sonst: ‚oh, gleich haut er mich.' Nein, diesmal hatte er gedacht ‚der bringt mich um!'
Er war Arzt!
Er hatte Eide geschworen!
Er hatte noch nie einen Patienten abgewiesen.
Er hatte John nicht wirklich behandeln wollen, und vielleicht – wer weiß? – vielleicht wäre es das erste Mal gewesen, dass Dr. James E. Wilson, Facharzt für Onkologie einen Patienten abgewiesen hätte.
Wäre da nicht Blythe gewesen.
Houses Mutter war bei den wenigen Besuchen, bei denen House ihn mitgezerrt hatte immer liebenswürdig gewesen. Bei den noch selteneren Besuchen, die sie ihnen in ihrer Dreisamkeit alleine abgestattet hatte, war sie wunderbar gewesen, hatte ihnen das Gefühl gegeben, dass sie die seltsame Konstellation wirklich akzeptierte.
Und dann stand sie vor Wilson – ein weinendes Häufchen Elend, die nicht mehr ein noch aus wusste. Was hätte er denn tun sollen? Außerdem, damit tröstete sich Wilson, war nichts mehr zu machen. Da Blythe wollte, dass ihr Sohn frieden hatte, dachten sie, es sei am besten, Gregory einfach die Tatsache zu verschweigen, dass sein Vater überhaupt hier war. Aber nun hatte das alles nur noch schlimmer gemacht.
House hatte Recht: Er hatte ihn verraten. Er verdiente Houses Zorn.
War ihm sein Beruf wirklich wichtiger, als seine Beziehungen? ‚seine Familie' hatte House sie genannt, als der Alte bei seinem letzten Besuch Chaos und Zerstörung über sie gebracht hatte. Ja, sie waren eine gestörte, abartige Familie, aber sie WAREN eine Familie: Menschen, die sich liebten, die sich vertrauten, sich ergänzten.
Und auch wenn House das nie glauben würde oder auch nur hören wollte: letztendlich kreisten Bridges und er wie Satelliten um das Zentralgestirn House. Zugegeben: Ihrer beider Bahnen überlappten, sie zogen sich gegenseitig auch an, aber was zwischen ihm und Bridges war, konnte man nicht wirklich mit dem vergleichen, was zwischen House und seinen beiden Lebensgefährten war. Aber er hatte scheinbar gefunden, wonach er lange gesucht hatte, denn er schaffte es, treu zu sein. Das war nicht immer einfach, aber er WOLLTE es. Er war glücklich!
Konnte House allen Ernstes verlangen, dass er, Wilson, seine Eide brach? Konnte irgendwer verlangen, dass er wegen seiner Eide seine völlige Loyalität House gegenüber aufgab? „Oh Gott…" Wilson seufzte. Das war ein Dilemma! Und er hatte so gar nicht über die Konsequenzen oder Implikationen nachgedacht.
Er hatte wirklich ordentlich Mist gebaut! Blythes Tränen und das Wissen, dass House seine Mutter sehr, sehr liebte, hatten ihn getrieben, etwas zu tun, was vielleicht nicht wieder zu kitten war.
Liebe und Barmherzigkeit. Wie ging das hier zusammen, wenn er nur eines von beiden anwenden konnte? Wie war es möglich, dass diese Konzepte sich gegenseitig ausschlossen? Wo, verdammt noch mal, war der Fehler in der Logik?
House lag im Park auf einem Tisch und starrte in den Himmel. Es war Oktober und die Kälte eines frühen Herbstes fuhr ihm in die Knochen. Über ihm krächzten Krähen – ein Laut, den er immer mit Trauer und Einsamkeit in Verbindung gebracht hatte. Bei den wenigen sentimentalen Anfällen – meist Alkoholinduziert – dachte er oft, er sei wie eine dieser Krähen die von den meisten Leuten nur Verachtung erfuhren. Er hatte immer geglaubt, dieser Tag, der Tag an dem er erfahren würde, dass sein Alter endlich ex war, das würde ein Tag zum Feiern sein. Aber er fühlte nichts. Höchstens ein winziges bisschen Bedauern, weil in ihm drin, tief verborgen doch ein Teil darauf gehofft hatte, irgendwann würde er tatsächlich seinen Frieden mit seinem Vater machen. Aber ehrlich, nicht so, wie das hier gerade gelaufen war!
Wilson!
House war fassungslos. Wie hatte Wilson das tun können? Nach allem, was Wilson wusste, nach allem was der Alte Wilson angetan hatte! Nach allem, was der IHM angetan hatte! Wenn nicht für sich selbst, so hätte Wilson doch um Houses Willen die Behandlung ablehnen müssen. Und ihn dann auch noch derart zu belügen! Wäre er ein anderer, hätte er wohl geheult, denn der Schmerz war scharf und akut, ging mitten durch ihn hindurch. Aber er war House und so wandelte er seinen Schmerz in Wut.
Er fühlte sich beschissen. Absolut hundsmiserabel. Und dann war es auf einmal wieder da – völlig aus dem Nichts, unerwartet: Verlangen. Die Stimme in seinem Kopf die – wortlos aber um so intensiver, verführerischer – davon erzählte, wie viel besser es ihm gehen könnte. Er bräuchte nur…
/weg! Sei still!/ House schlug sich auf seinen rechten Oberschenkel und krümmte sich sofort vor Schmerz zusammen. Es half nicht. Nicht dieses Mal.
Sein Pager ging los: Wilson. Er drückte es weg. Später Cameron, dann Cuddy: ‚5 stunden' diese Zicke! Er stand langsam auf. House hatte keine Ahnung, wie lange er in den Himmel gestarrt hatte, aber als er nun anfing, sich zu bewegen, konnte nicht aufhören, zu zittern. Betont langsam ging er zurück ins Krankenhaus. „Sie haben gerufen, Ma'am?"
„Wo waren Sie?"
„Mittagspause?"
„Vier Stunden lang?"
House blickte erstaunt, klopfte an seine Uhr „Oh… sie ist wohl kaputt. Das tut mir wirklich leid, Cuddylein."
„Das glauben sie doch selbst nicht. Cameron hat was für Sie. Und Sie werden heute nachsitzen!"
„Was ist das hier? Kindergarten?"
„Scheint so." Cuddy kam im Laufe der Zeit immer mehr zu der Überzeugung, dass die meisten Ärzte sich wie Kinder benahmen.
„Ich hab' ne Tochter zu versorgen." Gab House zu bedenken. „Sie haben die Mama auf Reisen geschickt!"
„Dann benehmen Sie sich zur Abwechslung mal wie ein verantwortungsbewusster Vater, House. Sie reißen hier heute ihre acht Stunden ab. Basta." Cuddy war klar dass Wilson sich genauso gut um die Kleine kümmern konnte.
In seinem Besprechungsraum angekommen, schlotterte er immer noch vor Kälte. Cameron stellte ihm einen Kaffee vor die Nase und er wickelte tatsächlich dankbar seine Hände darum. „Also, was gibt's?"
„Zwei Tote mit Lungenentzündung. Sie sind -" Chase wedelte mit den Akten, kam aber nicht weiter.
„DAFÜR stört ihr mich? Zwei TOTE? Bin ich degradiert worden?" er wollte aufstehen und gehen.
„sie sind schneller gestorben, als man brauchte, ‚Lungenentzündung' zu sagen." Cameron hatte ihm den Stock weggenommen und House so quasi an den Stuhl gefesselt. House blickte begehrlich auf seine Gehhilfe.
„Dann waren sie wohl in schlechter Verfassung." House streckte seine Hand aus – er wollte seinen Stock zurück, auch wenn's nur ein hässliches Krankenhaus-Teil war.
„Ein Leistungssportler? Wohl kaum." Cameron legte den Stock weg.
„Vielleicht sind sie ja Meister im Synchronsterben?" offerierte House hoffnungsvoll.
Foreman stöhnte auf. „Das andere war eine werdende Mutter. Alle Untersuchungen gemacht, außer der üblichen rechtsseitigen Nierenschwäche nichts!"
„Wie lange war sie krank?" House trank seinen Kaffee, spürte, wie sich die Wärme zunächst in seinem Magen sammelte und sich dann ausbreitete.
„Drei Tage."
„Man stirbt nicht in drei Tagen an einer Lungenentzündung." House war genervt. Was sollte das hier? Er stand auf, stützte sich am Tisch auf und machte einen Schritt in Richtung seiner Krücke. Cameron startete sofort in ihren verabscheuungswürdigen Glucken-Modus und reichte ihm die Gehhilfe.
„billig." murmelte House nachdem seine rechte Hand sich feste um den Griff geschlossen hatte. Cameron blitzte ihm wütend hinterher, als House zu seinem Büro humpelte.
„Gut, wir warten also."
„Warten?" schallte es dreistimmig von hinten
„Was sonst? Wenn Queen Cuddy denkt, die haben was miteinander zu tun, brauchen wir doch nur zu warten, bis noch einer eingeliefert wird. Ergo… warten." Zufrieden mit seiner Argumentationskette ließ er seine Welpen zurück.
„Dr. Wilson?" es klopfte an seiner Tür. Wilson wollte gerade seine Sachen packen und Feierabend machen.
„Ja, bitte."
Gordon House kam herein. „Dr. Wilson, ich wollte fragen, ob Sie mir einen Gefallen tun könnten."
„Das hängt von Ihrer Frage ab, Mr. House." Er fand diesen House recht sympathisch, aber im Moment war Wilson sich nicht sicher, ob er irgendwen von dieser Sippe sehen wollte, geschweige denn, ihnen einen Gefallen tun!
„Mein Bruder würde gerne mit Dr. Bridges sprechen. Man sagte uns, sie sei nicht im Hause, und ich dachte, Sie könnten mir vielleicht ihre Handy-Nummer geben?"
„Mr. House, es tut mir leid, aber ich kann nichts mehr für ihren Bruder tun."
„Oh… ich.. es ist nur eine Telefonnummer."
„Nein. Sie verstehen nicht. Ich habe den Fall abgegeben. Ich kann NICHTS mehr für Ihren Bruder tun." Wilson rieb sich den Nacken. Er wünschte, dieses Gespräch würde nicht statt finden.
„Hat das etwas mit meinem Neffen zu tun?"
„Meine Gründe sind sehr persönlicher Natur, Mr. House. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Aber lassen Sie bitte Stella – Dr. Bridges raus." Wilson nahm seinen Mantel vom Haken.
„Oh Mann!" Gordon dämmerte etwas. „Gregs Freund, – der heißt nicht Wilson mit Vornamen. SIE sind das!" manchmal war er etwas schwer von Begriff. Greg hatte ihn doch aus einem bestimmten Grund heute Morgen zu Dr. Wilson gezerrt!
„Ich möchte jetzt wirklich nicht darüber reden, OK? Auf wiedersehen."
„Ich war heute Morgen nicht ganz wach, Dr. Wilson. Ich war sicher nicht abweisend, weil ich Gregs Entscheidung missbillige. Ich hab's einfach nicht kapiert." Er war verlegen. Er hatte Wilson heute Morgen sicher ganz schön vor den Kopf gestoßen.
„Das ist schon OK. House trägt nicht gerade ein Plakat mit sich herum, dass auf mich zeigt. Ich muss jetzt wirklich gehen."
Gordon bewegte sich nicht einen Millimeter. „Sie wissen sicher, dass Greg und sein Vater nicht sehr gut miteinander auskommen." Sagte Gordon zögerlich.
„Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts!" rief Wilson aus.
„Warum haben Sie das gemacht?"
„Was?"
„John. Warum haben Sie John behandelt, wenn Sie auch nur ahnen, was damals passiert ist?" Gordon sah fast genauso fassungslos aus, wie vorher House. Die gleichen blauen Augen starrten ihn an – nur um einige Jahre älter, sehr, sehr viel weiser.
„Wie können SIE dem Alten helfen wollen, wenn SIE auch nur eine Ahnung von dem haben, was damals passiert ist?" schoss Wilson zurück.
„Er ist mein Bruder."
Wilson nickte. „Ich… House liebt seine Mutter. Blythe hat mich angefleht, und ich… ich weiß nicht. Ich dachte, wenn House es nicht weiß, dann… „ Wilson stöhnte. Er wusste nicht mehr, was er gedacht hatte! „House sagt immer, wir behandeln Menschen nicht nach ihren Verdiensten, oder nach ihrer Hautfarbe. Und damit hat er Recht. Ja, John House ist ein Monster!"
Gordon blieb völlig reglos, zuckte nicht einmal mit der Wimper und ließ den Arzt weiterreden.
„Aber er ist am Ende doch nur ein Mensch. Und er stirbt. Und … ich bin Arzt! Ich glaube an die Eide, die ich geschworen habe." Wilson ließ sich in seinen Sessel fallen „Wahrscheinlich vergesse ich einfach immer wieder, wie sehr House den Alten hasst… dass er ihn wohl immer noch fürchtet. Das ist mir fremd. Ich hab' sowas noch nie erlebt. Und natürlich hat er es ´rausgefunden. Er ist völlig ausgerastet."
Gordon sagte nichts. Kein Wort des Trostes, des Verstehens. Sah Wilson die ganze Zeit nur aufmerksam an. Hörte zu.
„Das war Greg, richtig?" fragte Gordon endlich
„Was?" Wilson wusste gar nicht, was der alte Mann meinte.
„Das da." Gordons Finger deutete auf die Schramme auf Wilsons Wange.
Wilson sah Gordon House mit grossen Augen an. Woher …? „Das war keine Absicht!"
„Das sagen sie alle. Mein Vater hat das immer wieder gesagt, Und das hab' ich auch gesagt, als ich unseren Erstgeborenen ins Krankenhaus brachte.… Wilson", sagte Gordon sehr ernst, „Du hast den Drachen geweckt."
Nach diesem beunruhigenden Gespräch hatte Wilson es eilig, nach Hause zu kommen. Die Familie House schien aus lauter Schlägern zu bestehen! Bridges hatte Recht: Die Opfer von Gestern waren die Täter von Morgen. Aber House? Nein, niemals! Wilson hatte noch nie jemanden gesehen, der fürsorglicher und zärtlicher mit seinem Kind umgegangen wäre als House. Auch im PPTH war der grantige Diagnostiker immer hervorragend mit Kindern klar gekommen.
Und von sehr seltenen Ausnahmen abgesehen suchte House nur dann eine Schlägerei, wenn er mal wieder zu selbstzerstörerisch war und jemanden brauchte, der ihm einen Einschenkte. Wilson war so in Gedanken, dass er nicht auf den Verkehr achtete und beinahe ein Motorrad auf der Gegenseite rammte. Der Schreck saß ihm noch in den Knochen, als er in die Einfahrt einbog. Houses Wagen stand vor der Garage. Wilson war erleichtert, denn für einen Moment hatte er befürchtet, House wäre woanders hin gefahren.
Der Diagnostiker sang Vicky gerade ein Schlaflied vor, dass er sich offensichtlich gerade ausgedacht hatte. Wilson stand im Flur und lauschte. Gordon House lag falsch. Hier gab es keinen Drachen, weder wach noch schlafend. Aber natürlich war Vicky NICHT in ihrem Bett. Die Geräusche kamen aus dem Schlafzimmer.
Wilson trat in die Tür „Können wir reden?"
House ignorierte ihn völlig. Das beherrschte er bis zur Perfektion!
Wilson kam näher, setzte sich auf das Bett „Ich bearbeite den Fall nicht mehr."
House stand auf. Mit dem Kind auf einem Arm war das schwierig und so ging es langsam von statten. Aber dann stand er sicher und humpelte ohne ein Wort aus dem Zimmer.
„House! Herrgott noch mal, rede mit mir!" Wilson rannte die Treppe hinunter. House war im Wohnzimmer. „Was soll das kindische Getue?"
„Ich hab Dir vertraut." giftete House. Victoria spürte die gänzlich ungewohnt schlechte Atmosphäre und wurde unruhig.
„Ich hab einen Fehler gemacht, ja. Und, kann ich nicht einmal was dazu sagen? Bin ich abgeurteilt, ja?" Wilson konnte kaum glauben, was er sah. Bei House gingen alle Mauern hoch und alle Türen zu.
„Du hast mich verraten." Vicky weinte uns strampelte – sie wollte weg von diesen dunklen Strömungen.
„Das ist nicht wahr!" protestierte Wilson
House packte Victoria fester, um sie sicher zu halten, was das Kind zu noch mehr und stärkerem Protest veranlasste. So war sie noch nie behandelt worden. Sie hatte Angst! „Halt still!" herrsche House sie an. Vicky bäumte sich auf - noch nie war sie angeschrieen worden! Dann war sie endlich frei, weg von diesem Menschen, der ihr Angst machte - und fiel.
Wilson handelte nicht bewusst. Er sprang herbei und fing Victoria auf halbem Weg auf. Die Kleine schrie wie am Spieß. House stand da, wie eingefroren, bleich wie der Tod. Er bekam keine Luft. Sein Brustkorb fühlte sich an, wie eingequetscht /herzinfarkt./ meldete ihm seine interne diagnostische Abteilung. Keine Luft… Das Atmen fiel ihm unendlich schwer, er schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.
„House? House, was ist?." Gottverdammt, konnte Victoria nicht mal aufhören so zu schreien? Wilson legte das Kind unter dem Piano ab und eilte zurück zu House.
Seine Fingerspitzen kribbelten und er fühlte sich benommen. Wieso bekam er keine Luft? /Lungenembolie, akuter pneumothorax, herzinfarkt/
Wilson war bei ihm, redete auf ihn ein, wie es schien. Gott, er brauchte LUFT!
„Sieh mich an, verdammt! Los! Versuch, langsam zu Atmen, House. Atme mit mir!" Wilson versuchte, Houses Blick zu fangen, presste eine von Houses Händen auf seine Brust und gab einen langsamen Rhythmus vor.
So sehr House auch verletzt und wütend war, die Verbindung zu Wilson konnte er nicht einfach abschneiden wie einen Faden. Wilson drang zu House durch, schaffte es, ihrer Beider Atmung zu kontrollieren und House langsam wieder herunterzubringen. „Du hattest eine Panikattacke, House. Beruhige Dich."
House konnte nur auf seine Tochter starren. Was zum Teufel war da eben passiert? Was hatte er getan? Er hatte völlig die Kontrolle verloren! Er riss sich von Wilson los und verließ das Haus.
Wilson konnte House nicht folgen. Das Mädchen hatte Feierabend und war sicher mit Freunden unterwegs. Victoria weinte immer noch, aber schwächer. „Oh, Baby, komm her. Deine Daddys sind wirklich zwei schlimme Idioten, weißt Du das?... schhhht, nicht weinen, Schätzchen… Papa House kommt bald zurück, Du wirst sehen… Der muss nur mal Dampf ablassen….Ist gut…. Bitte hör auf, zu Weinen!" Wilson setzte sich auf das Sofa, seine Knie waren aus Pudding und sein Hals wie zugeschnürt.
Scheiße! Was für eine Scheiße! Es war, als würde das Wissen um die Nähe zu Houses Alten schon genügen, hier jedes Mal alles zu verderben. Wilson konnte seinen Augen nicht schließen – er sah jedes Mal House, wie er zornig Vicky anschrie und dann wie das Kind fiel. Und je öfter er es sah, desto mehr wurde aus dem fallenden Kind ein geworfenes. „Oh, Gott!" Wilson weinte haltlos, seine Arme um das Kind geschlungen, dass er liebte als wäre es sein eigenes.
Wilson versuchte die halbe Nacht lang, House anzurufen, dann gab er auf. Er hätte das Mädchen geweckt, aber Wilson hatte keine Ahnung, wo er House suchen sollte. All das hier hatte er verschuldet durch seine völlige Gedankenlosigkeit. Und er hatte nicht die blasseste Ahnung, wie er das wieder gut machen sollte.
House fuhr zwei mal im Kreis durch Princeton, ziellos. Er war ein Meister im Verleugnen von Tatsachen. Wenn das nicht mehr klappte, dann konnte man immer noch weglaufen. In fünfundneunzig Prozent aller Fälle klappte eines von beidem.
Aber nicht heute.
Es gab Tage, da knallte einem das Leben die Tatsachen derart brutal ins Gesicht, dass man es keinesfalls ignorieren oder ihnen ausweichen konnte.
Heute war so ein Tag.
Normale Menschen hätten jemanden gesucht, dem sie ihr Leid klagen konnten, der zuhörte und vielleicht sogar etwas Weises dazu sagen würde. Aber das war nicht Houses Weg. Ein Mann, der kaum in der Lage war, Gefühle zu definieren war außerstande, sich anderen mitzuteilen.
Houses Weg war: Vergessen.
Er wollte einen vertrauten Ort. Nach einem kurzen Stop im Supermarkt hielt er auf seinem Parkplatz vor dem PPTH und schlich sich durch den Seiteneingang hinein. House wanderte durch die stillen Korridore, stoppte hier und da kurz, rüttelte an der einen oder anderen Tür bis er schließlich die Balkontür zu Wilsons Büro knackte. Das war simpel und er hatte es schon oft getan. Alles, was er suchte, war ordentlich an seinem Platz und endlich zog er die Jalousien seines Büros zu und zündete sich einen von Wilsons Joints an, die der für seine Patienten vorrätig hielt.
Setzte die Flasche an und ließ den Alkohol die Kehle hinabbrennen. Bloß nicht denken!
Rauchen
Trinken
Rauchen
House war über sich selbst zu Tode erschrocken.
Mehr trinken
Kleiner pieks
Trinken
Er konnte nicht fassen, was passiert war
Abwesenheit von Schmerz - gut
Rauchen
Trinken
Er registrierte, wie seine Gedanken träger wurden - sehr gut
Trinken
Taube Finger – er ließ etwas fallen /alkoholvergiftung. Blackout droht/ das war die letzte Meldung, bevor die Diagnostische Abteilung schloss.
Trinken
Dunkel…
„Dr. Wilson!" Cuddys Stimme schnitt durch den noch ruhigen Morgen des Foyers. Wilson sank zusammen. Er war extra früh gekommen, aber das war wohl nicht früh genug gewesen. Wahrscheinlich wohnte Cuddy tatsächlich hier.
Ihre Geste war eindeutig: Büro. Jetzt. Und Cuddys Körpersprache verriet nichts Gutes. Wilson kannte solche Szenen als Zuschauer. Selbst das Ziel von Cuddys missbilligender Aufmerksamkeit zu sein war … beunruhigend. Er stöhnte innerlich, als er drinnen Blythe sitzen sah. Na toll! Das war genau das, was er jetzt noch brauchte!
„Dr Wilson, Mrs. House hier möchte gerne verstehen, warum Sie die weitere Behandlung ihres Mannes ablehnen. Mich würde das auch interessieren." Cuddy nahm platz auf ihrem Richterstuhl.
„Das ist persönlich."
„Dr. Wilson, es entspricht nicht der Arbeitsmoral dieses Hauses, einen Patienten abzulehnen, weil unser Lieblingsteam im Baseball verloren hat."
Wilson schnaubte. „Es ist weit persönlicher. Ich hätte Mr. House nie als Patienten annehmen dürfen. Dr. Morris ist kompetent genug, die weitere Begleitung zu übernehmen. Der Mann geht ex."
„Wilson!" Blythe sah Wilson erschrocken an.
„Tut mir leid, Blythe, aber ich hätte das nie tun dürfen." Wilson wischte sich über das Gesicht. „House ist völlig augeflippt, als er es erfahren hat." Wilson begann, im Büro auf und ab zu gehen.
„Er beruhigt sich auch wieder , Wilson. Das hat er immer." besänftigte Blythe ihren quasi Schweigersohn.
Das konnte doch nicht wahr sein! Wilson konnte so viel Blindheit und Verleugnung nicht fassen. „Blythe, mach die Augen auf: Dein Sohn ist ein Krüppel!"
„Was hat sein Bein damit zu tun? Willst Du John auch dafür die Schuld geben?"
„Ich rede nicht von seinem Bein!" rief Wilson aus. Das war doch alles nicht wahr! Er schlug sich gegen die Brust, auf sein Herz „Da drin, Blythe. Da ist alles kaputt. Weil Sein VATER jahrelang darauf herumgetrampelt ist! Wenn man ein Kind schlägt, schlägt man immer auch auf dessen Seele ein. Er ist ein Krüppel, durch und durch."
Beide Frauen starrten Wilson entgeistert an.
„Und Du hast keine Ahnung, wie es ist, daneben zu stehen und hilflos zuzusehen." flüsterte Wilson mehr zu sich selbst als zu Blythe.
„Mein Gott…" das war Cuddy.
Wilson plumpste auf das Sofa „House sieht es als Verrat an, dass ich seinen Alten behandele. Und… ich denke, er hat Recht." Wilson vergrub sein Gesicht in seinen Händen. „Ich, persönlich, glaube, dass Houses Vater ein Monster ist. Man sollte ihn anklagen. Ich als Arzt glaube, dass er wie jeder andere ein Recht auf gute Behandlung hat." Er schüttelte den Kopf „Es tut mir leid, aber diesen Konflikt kann ich nicht auflösen. Ich kann John House nicht weiter behandeln."
„Wilson, ich weiß dass Sie ihr Privatleben normalerweise nicht mit ins Büro nehmen, deswegen werde ich hier mal ein Auge zudrücken."
„Das ist zu gnädig, Boss." In seiner Stimme schwang keine Dankbarkeit.
„Aber das geht so nicht weiter. House war gestern den halben Tag nicht erreichbar. Fangen Sie ihn ein!"
„Der redet nicht einmal mehr mit mir! Beurlauben Sie ihn. Sein Vater stirbt, er hat ´ne Krise."
„Das klang eben nicht, als ob ihn das sonderlich störte." meinte Cuddy trocken.
„Wer weiß das schon? Ich denke, er weiß das selbst nicht so genau…."
„Egal, er hat hier zu tun. Arbeit war für ihn noch immer die beste Medizin. Schaffen sie ihn her, Wilson!"
Ee ging zur Tür Dort hielt er noch mal an „Wenn das eben Gesagte jemals diesen Raum verlassen sollte, wird dieses Haus eine neue Chefin brauchen. Und einen neuen Onkologen. Wir verstehen uns?"
Cuddy nickte ernst.
Auf dem Weg zu seinem Büro sah Wilson, dass bei House die Jalousien zu waren. Hier hatte er also die Nacht verbracht. Wilson machte kehrt und besorgte in der Cafeteria ein House-mäßiges Frühstück: Kaffee und Donuts.
Er marschierte in das Besprechungszimmer der Diagnostik. „Morgen." Wilson knallte eine Zwanzig-Dollar Note auf den Tisch. „Geht was essen, in die Ambulanz oder sonst wohin, aber macht dass ihr hier ´raus kommt." wies er Houses Welpen an.
„Hey, da gibt's ein Zauberwort." klagte Foreman.
„Dr. Wilson ist heute nicht in der Laune, der nette Dr. Wilson zu sein." erklärte Wilson den Dreien, „Dr. Wilson hatte ´ne Scheißnacht und wenn er nicht sofort kriegt, was er will, werdet ihr sehen dass Dr. House ein Waisenkind gegen mich ist. Raus. Sofort." er brüllte nicht, er sagte das leise und nett, aber machte allen Dreien um so mehr klar, dass Wilson meinte, was er sagte. Chase krallte sich das Geld und alle eilten davon – bestrebt nicht im Bannkreis der anstehenden Katastrophe zu sein, wenn die Bombe hoch ging.
In Houses Büro stank es zum Himmel! House lag auf seinem Sessel und sah eher bewusstlos als schlafend aus, aber Wilson stellte erst das Essen ab und riss die Balkontür auf – der Dunst aus Alkohol und Hash war genug, um ihn high zu machen!
House stöhnte und griff sich an den schmerzenden Schädel. Wo war er? Wer auch immer ihn störte, sollte verschwinden „Raus!"
„Nein."
Wilson! Der ließ ja nicht locker! Ganz vorsichtig setzte House sich auf – der Raum war immer noch instabil – wahrscheinlich sollte er heute nicht Autofahren! Aufstehen. Sehr, sehr langsam und vorsichtig aufstehen… nein. House plumpste in den Sessel zurück. Wow, das war ja gestern ein guter Cocktail gewesen! Selbst der Nachhall war gigantisch.
„Du bist ja immer noch betrunken." Wilson löste eine Brausetablette in einem Glas Wasser auf – erstmal den Mineralhaushalt auf Vordermann bringen. Er hielt House das Getränk hin. Der starrte durch ihn hindurch, als sei er nicht da. Wilson rührte sich nicht von der Stelle. House bewegte sich nicht.
/Stillleben gebrochener Herzen/ dachte Wilson. Er hatte keine Ahnung, woher dieser Gedanke kam, aber er fand ihn sehr passend. Er fragte sich, ob ein Außenstehender bei Betrachtung dieser Szene ahnen könnte, wie viel Schmerz darin lag? Wie der Sekundenzeiger der Wanduhr mit jedem Zucken tiefere Wunden schlug? „Mein Gott, mach mich wenigstens zu Sau, House!"
Das war noch nie passiert. Egal, wie sauer House bisher auf ihn gewesen war, er hatte seine Wut lautstark an Wilson ausgelassen. Dieses Schweigen war beängstigend.
House kämpfte sich hoch. Er stand unsicher, aber er stand. „Und wenn Du zehn Jahre meine Scheiße frisst, Wilson, ändert das nichts."
/gott, was für eine Fahne!/
House humpelte langsam zum Balkon.
„Hör mich wenigstens an!"
„Ich hab' keinen Bock auf Deine erbärmlichen Rechtfertigungen. Verpiss Dich." Murmelte House aus Rücksicht auf seinen Brummschädel.
„wie gut, dass Du nie erbärmlich bist!" Wilson kam hinter House her. Der drehte sich um, sah Wilson lange an. Da lag Schmerz in diesen eisigen Augen. Aber hauptsächlich brannte da Wut.
Der Onkologe bereitete sich auf den Schlag vor. Das würde richtig weh tun! House war nicht in der Stimmung, gnädig zu sein, ihn nur ein bisschen zu schubsen oder so. Aber House beschloss, dass Wilson den Aufwand nicht wert war und drehte sich wieder weg. Frische Luft…
„Du kannst Deiner Mutter jeden Wunsch abschlagen, nicht wahr? Dich lässt es kalt, wenn sie heulend vor Dir steht, nicht wahr? Himmelherrgott, ich hab' das doch nicht gemacht, weil ich den Alten mag! Ich …ich hab's für Deine Mutter gemacht. Weil ich weiß, dass Du so sehr an ihr hängst."
Wilson sah die gespannten Schultern, währen House am Geländer lehnte und mit seiner Übelkeit rang. „Geh…" sprach der Rücken müde.
„Weißt Du noch, wie Du Foreman zur Sau gemacht hast? ‚Wir behandeln Menschen nicht nach ihrem Strafregister.' DEINE Worte, House. MEINE Überzeugung. UNSERE Eide. Ich wollte es einfach allen Recht machen… Ich… dachte…" er wusste nicht mehr, was er sich gedacht hatte.
„Das spielt keine Rolle mehr, Wilson." House drehte sich um – er musste dringend mal aufs Klo – und Wilson dachte, House sähe so unendlich traurig aus „Gestern Abend – das hätte nie passieren dürfen."
„Das war ein Unfall, House!"
House lachte freudlos „Das höre ich so oft!"
„Du warst einfach nicht in der Lage, sie mit einem Arm zu halten. Sie ist ein Wildfang."
„Und Mommy hat immer einen Grund parat, warum Daddy es diesmal getan hat." House ging zur Tür.
„Wo gehst Du hin?"
„Kotzen…"
Wilson eilte mit dem Mülleimer zu House – der würde es nie bis zur Toilette schaffen – der konnte ja kaum stehen! Als es losging, hielt Wilson den größeren Mann, damit der nicht umkippte. „Ich hab Dich. Ist OK, House. Ich… ich hab Dich." Wilson lehnte seine Stirn gegen House Rippen und wartete geduldig, bis es vorbei war. Er erlebte täglich schlimmeres als einen leeren, revoltierenden Magen!
„Du bist nicht so!" insistierte Wilson.
„Beweise!" House spülte den Geschmack von Galle mit dem Mineralgetränk herunter.
Impulsiv griff Wilson nach Houses linker Hand und presste sie auf seine Brust, bevor House etwas dagegen tun konnte. „Hier. Hier ist die Stimme, die mir sagt, dass Du nicht so bist."
House legte den Kopf ein wenig schief und sah auf Wilsons Brust. Auf die Hände, die darauf lagen. Wilsons Hand auf seiner. Seine Hand auf Wilsons Herz. er spürte den raschen, starken Rhythmus. Dann schüttelte er den Kopf und zog seine Hand weg „Es ist das Letzte, mich zu belügen, aber Dich selbst – das ist erbärmlich."
House ging wieder zur Tür. Wenn er nicht bald was tat, würde seine Blase platzen! „Hol Stella vom Flughafen ab – ich bin zu besoffen."
Für die Laufburschendienste war er also noch gut genug!
Als House zurückkam, war Wilson verschwunden. Dafür waren seine Welpen da, sichtlich aufgeregt.
„Wir haben einen!" verkündete Chase.
House zog eine Grimasse „Schreien Sie nicht so!" er kippte noch zwei Gläser Wasser in sich hinein bevor er sich einen Kaffee einschenkte und natürlich nichts in die Spardose einwarf. Er zog die Jalousien zu.
„So. wir haben einen … was?" House setzte sich vorsichtig hin. Niveauänderungen schmerzten besonders und jetzt wachte auch noch sein Bein auf. Seine Hand rieb unbewusst den schmerzenden Rest des Muskels
„Akute Lungenentzündung. Aus voller Gesundheit heraus. Nasse Lunge. Blutiger Auswurf. Fieber. Ihr Zustand verschlechtert sich rasend schnell."
„Antibiotika?"
„schon eingeleitet." erklärte Chase.
House nickte „Ab wann können wir mit einer Reaktion rechnen?"
„Heute Nachmittag – wenn Sie so lange lebt." ach ja, Cameron, die Skeptikerin.
„Dann haben wir ja noch ein bisschen Zeit. Foreman, Sie lassen eine Kultur anlegen. Chase, sie bringen mir mal meine Medizin aus dem Schreibtisch und ‚ne frische Spritze. Und danach gehen wir ´runter, bisschen Spaß haben."
Foreman rauschte ab, während Chase seinem Chef die kleine Ampulle, einen Stauschlauch und eine verpackte Einwegspritze brachte. In der Hand hielt er einen in Alkohol getränkten Wattebausch. Die beiden jüngeren Ärzte sahen zu, wie House sich mit großer Routine den Arm abband, eine Faust ballte und die Spritze nahm. Chase wischte die Einstichstelle ab und dann injizierte sich House das Metamizol.
„Woher haben Sie das?" fragte Chase. Das Zeug war nicht mehr auf dem Markt – zumindest nicht in den USA.
„Es gibt so etwas, das nennt man ‚Ausland'." House stand langsam auf. „Auf geht's, mitkommen!"
House führte sie zum Aufzug, aber er fuhr in den Keller.
„Obduzieren wir jetzt doch?"
„Wir können auch noch warten, bis die neue Patientin drauf geht – wenn Ihnen das lieber ist?" Houses genervter Blick traf zwei andere genervte Blicke. Er ging in den Sezierraum „Suchen Sie sich die frischere aus und schaffen Sie den oder die dann hier rein." House zog sich ein paar Handschuhe an. Auf den Kittel verzichtete er – seine Welpen würden ja die Drecksarbeit machen.
Die Leiche wurde hereingerollt und mit vereinten Kräften hoben sie sie auf den metallenen Tisch. Chase griff nach der Säge.
„Nicht so hektisch! Wir haben Stunden Zeit." House ging um die Tote herum. Sie war wohl im sechsten Monat schwanger gewesen, schätzte er.
„Starten Sie mal die Aufzeichnung." Wies er sie an. Als die Kamera lief, ratterte House die Eröffnungsformel für jede Obduktion herunter: Anwesende, Datum, Name der Toten etc.
Er packte den Kopf und brach mit sichtlicher Anstrengung die Totenstarre, die voll ausgebildet war. Cameron verzog das Gesicht. Ihr Chef zuckte nicht mit der Wimper! Die unendliche Gefühlskälte, mit der House üblicherweise agierte erschreckte Cameron auch nach all diesen Jahren noch.
„Was tun Sie?" fragte Chase
„Ich suche. Irgendwas. Keine Ahnung. Sie dürfen aber gerne mitsuchen."
„Wie großzügig!" Cameron war froh, dass sie wenigstens nicht stark genug war, die Beweglichkeit der Gelenke wieder herzustellen. House und Chase hatten alle Mühe damit, für die Beine mussten sie sogar zu zweit anpacken.
Das Ergebnis war ernüchternd: ein kleiner Schnitt im linken Fuß, etwas Ausschlag – wahrscheinlich Neurodermitis und zwei Hämatome. Eines stammte wohl von einer Tischkante, das andere, auf den Rippen konnten sie nicht sofort erklären. Foreman war mittlerweile auch eingetroffen.
„Na Dann, Chase, das ist jetzt Ihr Einsatz. Säge." House machte einen Schritt zurück.
Während Chase den Brustkorb öffnete, ratterte in Houses Hirn die Diagnose weiter. „Es könnte auch Vogelgrippe sein. War sie im Ausland?"
Foreman starrte House entgeistert an „Darauf kommen Sie JETZT?" der Neurologe eilte zu einem Schrank und verteilte Papierne Atemschutzmasken. Die Welpen zogen sie schnell an. House ließ sich Zeit, damit sie sein amüsiertes Grinsen sehen konnten. „Immerhin. SIE sind gar nicht darauf gekommen."
Wie zu erwarten war die Lunge völlig im Eimer. Sie entnahmen eine Probe zur Untersuchung im Labor. Durch das hohe Fieber waren auch andere Organe in Mitleidenschaft gezogen worden, es gab hier und da Einblutungen – aber Posthum könnte das alles mögliche sein. Leider übersahen sie wegen der fortgeschrittenen Schwangerschaft die beginnende Nekrotisierung einer Niere. Menschen machten nun einmal Fehler – vor allem, wenn sie total verkatert und auf Entzug waren.
„Na dann machen Sie mal zu." House wedelte in Richtung der Toten „Und dann verschanzen wir uns noch ein bisschen im Labor. Na, Cameron, darauf freuen Sie sich doch schon, oder?"
House hatte keine Ahnung, wie Recht er mit seinem Satz haben sollte!
„Kann man euch denn nicht drei Tage alleine lassen?" Wilson hatte Bridges alles über den vergangenen Tag erzählt und sie verdaute das alles nun. „Hat der Papa Dich erschreckt, meine Süße?" Stella knuddelte Vicky, die vor Entzücken laut quietschte und mit den Beinchen strampelte. „Böser Papa."
„es WAR ein Unfall!" insistierte Wilson. „House war völlig außer sich und gestresst. Das hätte jedem passieren können."
„Ich sage ja nichts anderes." Bridges wandte sich ganz ihrer Tochter zu, spielte mit ihr, bis sie müde wurde. Als Vicky für die Nacht in ihrem Bettchen lag, kuschelten sich Bridges und Wilson neben an im Schlafzimmer aneinander. Bridges sah Wilson an „ich vertsteh's nicht. Wie konntest Du das tun, Wilson?"
„Barmherzigkeit."
„Aber nicht für IHN!"
„Dann ist es keine Barmherzigkeit."
Stella nickte und seufzte. Wilson hatte ja irgendwo Recht. Trotzdem – sie hätte das nicht gekonnt, nicht gewollt. „Das Konzept ist House so fremd wie einer Kuh das Schachspiel. Das kann er nicht verstehen."
„Erzähl mir was Neues!" Wilson lachte humorlos
„Komm her!" Bridges zog ihn in die Arme und hielt Wilson so fest, wie noch nie. Sie konnte spüren, wie er anfing zu zittern.
„Er hasst mich…" Wilson fühlte sich absolut miserabel, zerrissen.
„Das ist Unsinn. Er ist wütend. Lass ihn das ausleben, dann fängt er sich wieder." Stella hielt Wilson fest, versuchte, ihn zu trösten. Aber sie konnte sich gut vorstellen, dass House das nur schwer vergeben würde.
Es würde mal wieder spät werden. Sie hatten keinen Schnelltest für H5N1 und mussten den erst per Expressboten bestellen. Das passte House ganz gut in den Kram, denn er wollte nicht Heim und die Arbeit lieferte eine Willkommene Ausrede. Klar, ein Teil von ihm wollte nichts anderes als nach Hause zu fahren: Bridges wäre da! Victoria – und Wilson. Auf den hatte er absolut keine Lust! Er war immer noch kurz davor, Wilson ´rauszuwerfen, konnte das aber nicht tun. Alleine schon wegen Bridges ging das nicht. Also musste er selbst eben wegbleiben.
Zum Zeitvertreib könnte er bei Fin vorbei schauen. Er suchte eine Weile im Internet, druckte dann einige Seiten aus und ging so bewaffnet zu dem Jungen Archäologen.
Fin sah übel aus. Sie hatten ihm den Kiefer verdrahten müssen, ein Auge war noch immer komplett zu geschwollen, die schlanke, elegante linke Hand war aufgespannt zwischen Stahlstiften und Drahtseilen, damit die Knochen wieder richtig zusammenwuchsen.
„Hey. Ich dachte, ich langweile Dich ein wenig, so lange Du Dich nicht wehren kannst." begrüßte House den armen Kerl. Unfähig, zu antworten, zwinkerte Fin mit dem gesunden Auge. House las die Medikationsliste – zumindest hatte der Junge keine Schmerzen.
House zog einen Stuhl heran und setzte sich. „Ich hätte Dir ja was aus dem Kamasutra vorgelesen, aber Du sprichst ja kein Sanskrit und Frauen sind Dir egal. Also kann ich Dich mit ein paar alten Artikeln aus dem Jahrbuch der Infektionskrankheiten langweilen oder Dir eine Gute-Nacht Geschichte vorlesen." Jetzt, da Fin keinen Vaterersatz mehr brauchte, dachte House, er könne sich das erlauben. „Einmal zwinkern ist Syphilis, zweimal ist Der Kleine Prinz."
Fin zwinkerte zweimal. House schauderte sichtbar „huah. Ich habe befürchtet, dass Du auf solchen Kitsch abfährst."
Fin zeigte ihm den rechten Mittelfinger, aber sein Gesicht zeigte ein verzerrtes Lächeln. House machte es sich bequem und begann, mit ruhiger Stimme zu lesen. Fin entspannte sich. Normalerweise war er der Geschichtenerzähler. Dass House sich nun revanchierte, erfüllte Fin mit tiefer Dankbarkeit. Houses Stimme begleitete ihn in den Schlaf, machte seine Träume weniger beängstigend. Irgendwann wurde er wach – der Stuhl war leer. Im Augenwinkel sah Fin eine Bewegung und im ersten Moment erschrak er. Dann sah er, dass es House war, der die Apparate und Infusionen kontrollierte.
„Schlaf weiter." murmelte House. Er verließ den Kranken und nach einem Abstecher zur Toilette verkroch er sich in sein Büro. Er hustete. Das konnte eigentlich nicht sein, dachte er. So viel hatte er doch gar nicht genommen?
Er stand auf einem Golfplatz zusammen mit seinem Vater und dessen Vater. Die beiden Alten prahlten mit ihren Taten während sie mit ihren Golfschlägern kleine Körperteile herumschlugen. House wollte sich die Ohren zu halten, aber aus irgendeinem Grund ging das nicht.
Sie lachten ihn aus, verhöhnten ihn.
Ein Monster, verkrüppelt und verdreht, grausam entstellt, die einst menschlichen Züge kaum noch erkennbar fraß ein Baby Sein aufgeblähter Leib entließ seine Brut ohne Ende – einige krochen davon, andere waren weniger glücklich und wurden von ihm verschlungen. Es gebar nur, um die eigene Brut zu fressen.
Victoria älter, lag auf dem Boden, zerbrochen wie eine Puppe. Nur der Mund schien noch zu funktionieren, sie weinte ‚Ich will auch lieb sein, Daddy!" Aber Daddy war wütend und trat. Der Puppenkopf zerplatzte wie eine reife Wassermelone.
House wachte keuchend auf. Sein Herz schlug wie rasend, er war klatschnass geschwitzt. Heute Nacht hatten die Drogen nicht den gewünschten Effekt. Er wanderte ziellos durch das Krankenhaus, bis er schließlich auf dem Dach landete. Sein Rückzugsort – lange schon ein offenes Geheimnis.
Es war eine sternenklare, kalte Nacht. Sein verschwitzter Körper dampfte, sein Atem stand wie eine kleine Rauchwolke vor ihm und für einen Moment dachte, House, das sei passend für ein Monster. Er humpelte an die Brüstung und blickte über die Stadt ohne wirklich zu sehen. Die Zeit seit Vickys Geburt war gut gelaufen. Er hatte wirklich gedacht, er wäre OK. Tja, das war wohl ein Trugschluss gewesen!
Für einen Moment wollte er nur eines: ins Hospiz stürmen und das erbärmliche Restchen Leben aus seinem Vater herauspressen, der ihm die einzige reine Freude seines Lebens derart versauerte. Er würde dieses Erbe nicht antreten! Alles was er brauchte, war ein bisschen Mut.
„House?"
Das war Stella. House drehte sich zu ihr hin, beobachtete ihr Herankommen. Stella… wie anders kämpfte diese Frau! Wilson war der Rammbock, der stoisch still hielt, wütend dagegen hielt, wenn House sich austoben musste. Und auch wenn House bei diesen verbalen Widderkämpfen die fieseren Tricks kannte, Wilson hielt immer stand, verbeult, vermackt, aber er schaffte es.
Stella dagegen war wie Wasser: weich, nachgiebig, unendlich flexibel. Und trotzdem so beharrlich, so kraftvoll dass sie am Ende eigentlich immer bekam, was sie wollte. Diese Art zu Kämpfen kannte House nicht und er hatte bald erkannt, dass er deswegen oft verlor.
Nie machte sie eine Szene, immer war sie für ihn beherrscht und weinte fast nie. Er wusste, dass sie das bei Wilson tat. Dafür ging sie mit Wilson zu den Beerdigungen, die House nie besuchen wollte.
Bridges sah ihn an der Brüstung stehen – ein gespenstische Bild – der Dampf stieg von seiner Kleidung auf, beleuchtet von den Lampen unten auf der Straße – wie ein Wesen aus Feuer geboren. „Was machst Du hier?"
„Ich muss nachdenken."
„Komm nach Hause, Gregory. Wir warten auf Dich. Wir vermissen Dich." Stella fasste ihn am Arm.
Das war der Eröffnungszug. House konnte ihr kaum einmal widerstehen, wenn sie es erst einmal geschafft hatte, ihn zu berühren. Ihre Hände waren verzaubert, verzaubernd und er hatte noch nicht den Gegenzauber gefunden. Wollte er auch nicht. Nicht wirklich. „Nein, Sternchen." Er entzog sich ihr sanft.
„ist es wegen Wilson?"
„Auch."
„Auch?"
„Wilson hat Dir sicher erzählt, was mit Vicky passiert ist."
„Haarklein."
„Wie kannst Du dann wollen, dass ich zurück in dieses Haus komme?" er versuchte, es nicht ‚Zuhause' zu nennen.
„Weil es ein Unfall war."
House schüttelte den Kopf „das hätte nie passieren dürfen. Das war kein Unfall. Ich… am Ende bin ich nicht besser als ER."
„Was passiert ist, ist dass ein Krüppel der nur einen Hand frei hatte ein sich wie wild gebärdendes Kind nicht bändigen konnte. Sonst gar nichts."
House schüttelte den Kopf. „Ich bin ein Monster."
„Wenn Du in den Spiegel siehst, Gregory, dann starrt Dich ein erbärmlicher Wicht an, ich weiß. Denn dieser Spiegel ist der, den Dein Vater Dir geschenkt hat. Du kennst keinen anderen, deswegen kannst Du nicht wissen, dass dieser Spiegel ein hässliches Zerrbild in düsteren Farben reflektiert. Es ist der gleiche Spiegel der aus Wilson eine schwanzlutschende Memme und aus mir eine Hure macht. Wie kannst Du das eine glauben, das andere nicht?" manchmal war es nicht einfach, House mit Ratio zu verkaufen, was eigentlich pure Emotion war.
House vergrub die Hände in den Hosentaschen und starrte stumm auf seine Füße. Er wusste es nicht.
„Könntest Du einen unserer Spiegel verwenden, dann wärst Du erstaunt. Du würdest einen Mann sehen, rau aber gutaussehend, mit Rückgrat und unbeugsamem Willen, einem brillanten Geist und dicken Panzerungen um ein unglaublich weiches Herz." Bridges griff wieder nach seiner Hand und diesmal zog er sie nicht weg. Diese Dinge zu hören machten House schrecklich verlegen. Bridges sah mehr, als wirklich da war. Alle Welt konnte bestätigen, dass er ein herzloser Bastard war. House schüttelte langsam den Kopf.
„Das mit dem Herzen, das sehen natürlich nicht alle. Das liegt daran, dass nur Liebe diese Panzerung durchbrechen kann. Aber ich liebe Dich, House. Und Wilson auch. Und Vicky. Kinder haben ein sehr feines Gespür für solche Dinge."
Oh, sie wusste, was sie tat! Bridges zog ihre Trumpfkarte: Victoria! Er schüttelte den Kopf, diesmal bestimmter. „Ich bin nicht gut für sie." Es machte ihn unendlich traurig, das zugeben zu müssen!
„Sei nicht so hart mit dir selbst!" schalt Bridges „Du hast vor sechzehn Monaten alles auf eine Karte gesetzt. Du hast eine Wette abgeschlossen und der Einsatz ist das Leben und Glück Deiner Tochter. Ist das nicht ein bisschen mehr Anstrengung wert? Du hast Angst, das kann ich verstehen. Aber Du selbst hast gesagt, Du würdest alles für sie tun. Nun stolperst Du, weil jemand anders Dir ein Bein gestellt hat und ziehst sofort den Schwanz ein?"
House wollte etwas sagen, aber seine Zähne klapperten vor Kälte.
„Wir geben Dich nicht so schnell auf. Du solltest das auch nicht tun. Wir lieben Dich. Wir setzten auf Dich. All in."
„Ich… ich…" er rang um die Worte, es schien als ob seine Zunge nicht in der Lage wäre, diese Lautfolge zu erzeugen, Er zog sie linkisch an sich – keine Chance, sie dabei anzusehen. Aber sie blickte zu ihm auf, ließ seinen Blick nicht los und zwang ihm die Worte ab. „Ich… liebe euch auch." Ein flüstern, sanft wie der Wind, mehr war es nicht, aber Stellas Herz wollte vor Freude zerspringen! Sie wusste, wie viel Überwindung das House gekostet haben musste.
Sie fühlte sein Zittern und schaffte es nun endlich, ihn in das Haus zurückzuführen. In der Kantine kaufte sie ihm eine heiße Schokolade. „Kommst Du jetzt nach hause?"
Wieder schüttelte er den Kopf. „Noch nicht. Ich… muss erst… nachdenken."
„Du bist erkältet. Du gehörst ins Bett." Sie hatte eine Schlacht gewonnen. Der Krieg aber war noch lange nicht vorbei.
„Davon gibt's hier genug. Ich bin OK."
„Soll ich hierbleiben?"
„Nein. Du lähmst mein Hirn."
Sie küsste ihn. „Denk nicht zu lange nach. Es ist nicht das Selbe ohne Dich…. Soll ich Wilson was sagen?"
„Nein."
Bridges ging. House WAR ein hartherziger Bastard, wenn er es wollte!
House saß noch lange in der Kantine. Wieder hatte er einen Kampf verloren. Hoffentlich würde das nicht in einer Katastrophe enden!
Als Stella wieder nach Hause kam, wachte Wilson auf. „Und?" Stella kam wieder ins Bett. Es war noch genug von der Nacht übrig, um zu schlafen, ohne am nächsten Morgen wie gerädert aufzuwachen.
„Er wird nicht vom Dach springen oder sonst eine Dummheit machen, denke ich."
Das beruhigte Wilson etwas. „Gut."
„Er muss aber noch denken und dabei störe ich." Bridges rollte sich zu Wilson hinüber.
„Kann ich mir vorstellen. Er hat Dich seit fast einer Woche nicht gesehen." Wilson streichelte Stellas Arm, testete, ob eine Annäherung jetzt Erfolg haben würde. Sie rutschte näher heran, bis sich ihre Körper berührten. Stella schob eine Hand unter Wilsons T-Shirt, fand eine Brustwarze und ließ einen Finger darum kreisen.
Im nu war Wilsons Körper mit Gänsehaut überzogen.
„Ist Dir kalt?" scherzte Bridges.
„Und wie!"
„Oh, dann müssen wir Dich aber schnell aufheizen!" beide lachten leise. Bridges' Hand machte sich auf die Reise an Wilsons Körper hinunter. Bridges unbeschwerte Art beim Sex hatte etwas Erfrischendes.
Wilson tastete nach Stellas Brüsten. Sie waren voller, fester, fand er. Wahrscheinlich bekam sie bald ihre Tage. Er musste zugeben, dass er in diese Hinsicht nicht so ein Aufmerksamer Partner war wie House, der scheinbar immer genau wusste, in welcher Phase des Zyklus sich Stella gerade befand. Es interessierte ihn auch nicht, dass die Hormone dafür sorgten, dass eine Frau dann am attraktivsten schien, wenn sie in der fruchtbarsten Phase war. „Du fasst Dich so unglaublich gut an!" flüsterte er, bevor er sie leidenschaftlich küsste.
„Das sagt der Richtige!" Bridges' Hand fand Wilsons haarloses Geschlecht, was sie mit einer hochgezogenen Augenbraue quittierte. Sie umfasste sein Skrotum. „Und, hast Du gespart?" sie schnurrte ihn an dass es Wilson heiß und kalt wurde.
„Ziemlich… Oh!" sie hatte fester zugepackt, was ihm ein Gefühl völliger Verletzlichkeit gab – gleichzeitig fand er es aber auch sehr erregend. Sein Atem beschleunigte sich merklich und er wurde noch härter. Stella nahm sich vor, das ein anderes Mal weiter zu erforschen.
„Na dann…" Bridges rollte sich auf den Rücken, spreizte ihre Schenkel einladend und strich mit einer Hand aufreizend an sich herab, während sie mit der anderen Wilsons Erektion langsam streichelte „komm her!" flüsterte sie.
Er drang in sie ein, langsam und vorsichtig bis sie ihn ganz aufgenommen hatte. Sie schlang ihre Beine um seine Taille und gab sich ganz seinem Rhythmus hin. „lass Dich einfach gehen, Jamie." flüsterte sie.ermutigend. Wilson übertrieb es oft mit seiner Rücksichtnahme, was zwar dafür sorgte, dass Stella nie zu kurz kam, aber oft überriß er die Sache und dann war am Ende fast grobe Handarbeit nötig. So würde das mit dem Kind nie etwas werden! „Ich möchte Dich spüren! In mir."
Ihre Fingernägel kratzen über seinen Rücken und er stöhnte. Die Art mit der Stella ihm entgegen kam war unglaublich heiß und zur Abwechslung tat er mal genau, was sie wollte. Das Timing hätte nicht perfekter sein können, denn sie hatten ihre Höhepunkte zur gleichen Zeit. Stella rief seinen Namen während ihr Körper sich spannte wie ein Bogen. Wilson biß in ihre Schulter, um seinen Schrei zu unterdrücken.
Stella hatte ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen, als Wilson sich von ihr trennte.
„Was gibt's da zu lachen?" fragte er amüsiert.
„Ich glaube, Du hast eben einen Treffer gelandet, James Wilson." Vielleicht hatte House sie auch deswegen wieder nach Hause geschickt. House wusste immer, woran sie gerade war und in den letzten Monaten war er jedes Mal fast enttäuscht gewesen, wenn sie doch wieder ihre Periode bekam. Vielleicht war es auch nur weil er nun derjenige war, der Kondome benutzen musste, was ihm ganz und gar nicht gefiel!
„Oh, Mann!" der Gedanke war trotz allem doch ein wenig beklemmend, fand Wilson.
Als die Welpen am nächsten Tag erschienen, war House schon mit dem Labor beschäftigt. Erstaunt starrte Cameron House an. House machte freiwillig eine Autopsie mit? House verkrümelte sich nicht sondern ging früh morgens ins Labor? Da stimmte doch was nicht!
Als House Camerons Blick bemerkte, starrte er zurück und schaffte es, in seine Augen etwas hineinzulegen, was Cameron erröten ließ. „Was?" fragte er schließlich.
„Sind Sie krank?"
„Verkatert." Er räusperte sich.
„Sie schwitzen."
„Blödsinn. Himmel, gehen Sie endlich ans Mikroskop!" House hasste dieses Geglucke! Ja, er war bisschen zittrig aber nach den letzen beiden Nächten war das ja wohl kein Wunder! Sein Puls war erhöht – war auch nicht wirklich erstaunlich.
Er holte tief Luft, um zu seufzen aber der Versuch endete in einem Husten. Cameron und Foreman starrten ihn erschrocken an.
„Was? Ich hab' mich gestern wohl erkältet." Er hatte definitiv zu lange im Park gelegen, hatte bei seinem düsteren Grübeln die Zeit vergessen und letzte Nacht nass geschwitzt auf dem Dach in der Kälte zu stehen war auch nicht wirklich intelligent gewesen, musste er zugeben.
Foreman legte die Innenseite seines Handgelenkes gegen Houses Stirn. „Sie haben kein Fieber."
„Natürlich habe ich kein Fieber!" House sah Foreman mit seinen ‚du-vollidiot!'-Blick an „Ich bin voller NSAIDs – da kriegt man kein Fieber."
„Sie müssen das Absetzen."
„Hat man Ihnen in's Hirn geschissen? Oder ist Ihnen entgangen, dass ich Schmerzen habe?" ah, wenigsten streiten konnte er sich, wenn der Fall schon nicht sooo interessant war.
„Vergesst Chase und seinen Test!" unterbrach Cameron die nette Unterhaltung. Sie war eine unglaubliche Spielverderberin! „Das ist Pest."
„Da war keine Beule, nichts! Foreman, haben Sie eine Beule gesehen die nicht an eine schwangere gehört?"
Der schüttelte den Kopf. Wie konnte House bei so einer Prognose so ruhig bleiben?
„Dann haben wir den Primären Kranken noch nicht gefunden. Unsere Tote hatte Lungenpest. Wir brauchen sofort Streptomycin und Chloramphenicol. Wir müssen das CDC anrufen." Cameron griff nach ihrem Handy, aber House stoppte sie.
„Jetzt machen Sie mal keine Panik." Er hinkte zum Mikroskop und sah hindurch, verglich um Sicher zu gehen, mit Bildern. „Wow. Sie haben Recht. Das IST Pest. Informieren Sie Cuddy – das wird sie lieben."
Wilson erreichte besorgt das Krankenhaus. House war auch diese Nacht nicht Heim gekommen, Trotz Bridges Intervention. Wenn er schmollte, verzog er sich normalerweise in sein Arbeitszimmer, aber wenn es nicht an der Arbeit lag, kam er für gewöhnlich nach Hause. Er musste unbedingt mit House ein Wörtchen reden! Leider empfing man ihn dort direkt mit einer Hiobsbotschaft und einer Packung Antibiotika, die er sicherheitshalber einnehmen sollte
Nach einigen Telefonaten hatte Wilson House lokalisiert – der saß noch mit seinen erschrockenen Welpen im Labor – House alleine bei den Geräten, die Tür zu den anderen im Vorraum geschlossen. Wilson wollte hinein, aber die Tür war verriegelt.
Wilson hämmerte an die Tür, bis Chase auf machte. „Sie können hier nicht rein, Dr. Wilson. Wir waren exponiert."
„Und ich nehme Streptomycin. Was ist mit ihm?" Wilsons Kopf ruckte in Richtung House.
„Er hustet und schwitzt. Kein Fieber, aber das liegt wohl an den Medis. Es ging eine Stunde nach der Obduktion los." Chase reichte Wilson einen Mundschutz. „er lässt uns nicht an sich ran."
Wilson rutschte das Herz in die Hose. Er ging zur Trenntür, aber auch die war verriegelt. „Wer hat den Schlüssel?"
Foreman deutete auf House.
„House, mach die Tür auf! Lass mich rein!"
„Die Welpen haben Angst, dass ich Pest haben könnte." rief House zurück.
„Ich will das hier nicht durch die Wand verhandeln, lass mich rein."
„Ich könnte Lungenpest haben." gab House zu bedenken.
Wilson rollte die Augen „BITTE!"
Da House kein Interesse hatte, ihre Privatangelegenheiten – auch wenn es Streit war – zur Show für seine Schergen zu machen, entriegelte House endlich die Tür. Wilson war sofort im Glucken-Modus, fühlte Puls und Temperatur. „Lass mal Deine Lunge hören." Er hängte sich sein Stethoskop um.
„Ich hab' keine Pest. Ich hab mich vielleicht ein wenig erkältet. Vorgestern." House versuchte, die Bemühungen abzuwehren. „Die wollen mich aber nicht rauslassen, wenn sie nicht sicher sind, dass ich es nicht habe. Ich will auch nicht raus, wenn ich nicht sicher bin."
„Du schwitzt und zitterst!"
„Ich sag doch: Erkältung." Er musste Wilson ja nicht auf die Nase binden, dass er in der ersten Nacht nicht nur dessen Joint-Lager sonder auch seine Opiat-Bestände dezimiert und gestern Abend bei Fin was abgezweigt hatte. Natürlich hatte er leichte Entzugserscheinungen. Viel schlimmer aber war sein emotionaler Entzug! Sich von seinen Lieben so abzukapseln tat weh – ein Stechen in der Brust.
„Was ist?" Wilson bemerkte die Veränderung in Houses Körperhaltung.
„Nichts." Er war genervt, wie so oft.
„Du kannst Pest aber nicht ausschließen?"
„Natürlich nicht!"
„Lass mich Deine Lunge abhören!" insistierte Wilson.
„Nerv' mich nicht, Wilson!" House blitzte ihn böse an. Die Wut war noch da, das war deutlich zu sehen. „Ich muss die Medis absetzen. Wenn ich nur huste, und kein Fieber habe, dann bin ich nur erkältet. Dann kann ich hier raus." erklärte House geduldig. Antikörper-Tests würden zu lange brauchen. Er konnte einfach das Antibiotikum schlucken und hier rausmarschieren. Hier war es zu langweilig. Er grübelte schon wieder und das war nicht gut.
„Hältst Du das denn aus?" Wilson wollte nicht, dass House sich das antat.
House sah hinüber zu den Welpen, dann schüttelte er den Kopf „Beschaff mir Targin."
„Was? Nein!" Targin war eine Mischung aus Oxycodone und Naloxon – ein Opioid. House wäre wieder ganz am Anfang!
„Ich bleibe nicht vier Tage hier sitzen, Wilson. Gib mir was!" Houses Stimme war eindringlich.
„Nein! Das ist doch Wahnsinn, House…"
„ Es geht mir beschissen, Wilson! Und ich denke, es ist etabliert, dass Du nicht ganz unschuldig daran bist. Also beschaff mir Targin damit ich wenigstens hier raus kann!"
„Das… das kann ich nicht zulassen."
„Hey, Du konntest es auch zulassen, mich zu betrügen und zu verraten!" House schubste Wilson, der gegen die Glastür knallte. „Also stell mir ein Rezept aus. Du schuldest mir so einiges, denke ich." House war unerbittlich. Er hatte Wilson bei den Eiern und nutzte das gnadenlos aus.
Der griff sich an den Kopf „Ich bin doch nicht Dein Sklave! Du kannst mich nicht wie deinen Fußabtreter behandeln!"
„Ich behandele Dich, wie es mir passt. Und jetzt verschwinde und komm nicht ohne die Pillen zurück!" zischte House böse.
Wilson presste die Lippen zusammen und ging. In seinem Büro dachte er nach, was er nun tun sollte. Wenn sie House isolierten, bis klar war, dass er nicht die Pest hatte, könnte er vielleicht so lange auf ihn einreden, ihm zu verstehen geben, wie es in ihm aussah, was seine Beweggründe gewesen waren. Das war eine Chance!
Wilson kam nicht. Statt dessen erschienen drei Schränke vom Sicherheitsdienst, mit Atemschutz und allem Pi-Pa-Po um ihn in ein Isolierzimmer zu bringen! Er musste sich ausziehen – ohne Chance auf Privatsphäre! Seine Kleidung würde vernichtet werden. Jetzt stand er da in einem lächerlichen Klinikhemdchen, die Hände gegen die Glaswand gepresst und starrte auf den Flur.
Dann kam das Fieber. Und der Schmerz. House humpelte zum Bett und legte sich hin. Seine Gedanken kreisten um Wilson und dessen Verrat, bis er in einen Dämmerschlaf fiel.
Als er aufwachte, war es dunkel. Nur ein mattes licht brannte am Kopfende über dem Bett. Er hatte Durst! Und er musste mal. House wollte sich aufsetzen, aber er wurde in die Kissen gedrückt. Braune Augen unter dichten Brauen, sahen ihn besorgt an. Der Rest war hinter einem Mundschutz verborgen. „Brauchst Du was?"
„…pissen…" murmelte House während er versuchte, Wilson abzuwehren. Eine Urinflasche tauchte in seinem Blickfeld auf. War der bescheuert? „ich geh auf's Klo!"
„OK." Wilson setzte sich hin. Wenn House unbedingt stur ein musste – bittesehr. House schaffte es fünf Schritte weit, dann gab es kein Halten mehr für sein Bein und er fiel hin. Wilson bewegte sich nicht vom Fleck. House würde ihn sowieso nicht helfen lassen. So konnte er sich bisschen abreagieren.
House hasste Wilson dafür, dass er es mit ansah. Er hasst sich selbst für seine Schwäche. Aber er war zu stolz um Wilson um Hilfe zu bitten – und freiwillig geboten hätte er sie nie akzeptiert. So kämpfte er sich wieder auf die Beine und humpelte in die Toilette. Er erleichterte sich, trank zwei Glas Wasser und schaffte es bis zum Türrahmen. Dort musste er verschnaufen – ihm war schwindelig und er fühlte sich schwach wie ein Baby.
Wilson krallte sich am Stuhl fest, um nicht aufzuspringen. Er konnte sehen, dass House Hilfe brauchte, wollte seinem besten Freund helfen, aber er wusste, er war unerwünscht – auf ganzer Linie. Endlich fiel House auf das Bett und schloss die Augen.
„Brauchst Du Schmerzmittel?"
„Scheiße, ja!"
Wilson zog eine Spritze auf und wollte House die Injektion verabreichen, aber der zog seinen Arm weg. „Wo bleibt mein Stoff?"
„Du kriegst nichts, verdammt!"
„Arschloch!"
„Das hier oder Schmerzen, House. Deine Entscheidung." Wilson hielt die Spritze hoch. „Es ist etabliert, dass Du Fieber hast, also gibt es auch keinen Grund mehr für Dich, danach zu schreien."
„Du bist echt das Letzte, Wilson!" dann würde er eben Schmerzen haben!
Aber der ließ sich nicht so schnell abwimmeln. Er griff nach Houses Hand, verdrehte diese in einem schmerzhaften Judo-Griff und injizierte das Schmerzmittel in eine Vene auf dem Handrücken. „Wenn ich so ein Arsch bin, kann ich mich auch so benehmen. Kannst mich ja verklagen."
Sie starrten einander an, ein Stummes Gefecht um Dominanz und diesmal gewann Wilson! Er ging zurück zu dem unbequemen Stuhl und setzte sich darauf. Nach einer Weile – er wollte sicher sein, dass House nicht nur auf sein schmerzendes Bein horchte – fing Wilson an, zu reden:
„Ich… Ich wollte immer ein guter Arzt sein." begann Wilson. Er blickte auf seine Hände während er sprach „Ich glaube, wie Stella, an das Konzept von … von… es klingt pathetisch, aber ich habe kein besseres Wort: Barmherzigkeit. Ich, persönlich, kann mir nicht vorstellen, Arzt zu sein, ohne Barmherzigkeit. Wenn unsere Welt mehr davon hätte, wäre es sicher ein besserer Ort." Wilson machte eine kleine Pause, um das Gesagte bei House ankommen zu lassen. Wilson fragte sich, ob nicht auch House tief im Innern sich nach einer besseren Welt sehnte?
„Vielleicht vergesse ich zu schnell. Sicherlich vergebe ich schnell, sonst wären wir schon lange keine Freunde mehr! Und abgesehen von den wenigen Krisen, die Du in den letzten eineinhalb Jahren hattest, ist Deine Kindheit kein Thema. Wir reden nie darüber. Es ist tabu. Aber das ist nur die eine Seite. Die andere Seite ist, wer das getan hat." Wilson blickte auf, er wollte wissen, ob House noch wach war. Er sah direkt in ein Paar scharfe, wache Augen und er bekam eine Gänsehaut.
„Du bist immer da. Du bist, wer Du bist und für mich ist es – Du schreist es heraus – beinahe allgegenwärtig, in allem, was Du tust, was Du sagst, sogar in dem, was Du nicht tust. Das kann man nicht vergessen. Die andere Hälfte - die ist abwesend, fast inexistent. Das ist gut so! Aber es führt dazu, dass ich es vergesse, irgendwie.
„Als Deine Mutter zu mir kam, da… ich weiß nicht, was da in mir vorging. Ich wollte sie wegschicken, ehrlich! Aber… sie hat geweint. Sie war so … hilflos! Und ich… ich dachte an Dich, House. Daran, wie sehr Du an Deiner Mom hängst. Dass es um Deinen Vater ging war… nebensächlich. Ihm war ja sowieso nicht zu helfen!
Wilson fuhr sich durch die Haare, was eine rechte Unordnung hinterließ und ihn beinahe frech aussehen ließ. „Ich hatte vergessen, wie tief der Hass in Dir sitzt. Ich hätte das nicht tun dürfen, das ist mir klar. Es ist einfach nur so, dass ich nie gedacht hätte dass ich mal wählen müsste zwischen Liebe auf der einen Seite und meinen Eiden auf der anderen. Das zerreißt mich. Aber mir ist klar geworden, dass es nur eine Antwort geben kann: Liebe. Es tut mir leid. Ich wünschte, ich könnte es ungeschehen machen. Aber das geht nicht. Also, ich flehe Dich an: verzeih mir!"
House starrte Wilson lange an, trank einen Schluck Wasser und sah dann an die Decke. Die Bestätigung von Wilsons Zuneigung erzeugte in der Tat ein schönes, warmes Gefühl in House und er genoss das einen Moment, ohne nachzudenken.
Wilson gab die Hoffnung auf, dass House noch irgendwann etwas sagen würde. Er wollte schon aufstehen als House mit heiserer Stimme die Stille durchbrach.
„Als er im Krieg war, ging's mir richtig gut. So gut, dass ich hoffte, er käme nie zurück. Ich habe mich geschämt für diese Gedanken. Ich sagte mir. Ein guter Sohn würde sich doch wünschen, dass Daddy bald heimkommt. Und ich wollte doch ein guter Sohn sein… Später habe ich mir gewünscht, er würde abstürzen, aus versehen erschossen werden, was auch immer, Hauptsache er wäre weg! Und dafür schäme ich mich! Heute noch. Ich… weiß nicht, was ich hätte anders oder besser machen können – ich hab' mich wirklich angestrengt!"
Wilson rollte seinen Stuhl an das Bett und griff Houses Hand. Sie war heiß vom Fieber. Er drückte sie und House erwiderte die Geste.
„Jetzt wo ich weiß, dass er da liegt und es nicht mehr lange macht – ich warte nur auf das Piepsen der Flatline. Ich will dabei sein. Ich will es WISSEN. Sicher sein. Ich wünsche seinen Tod und ich schäme mich so sehr dafür." House legte einen Arm über seine Augen. Er wollte nicht dass Wilson ihn so sah! „ich sollte ein besserer Sohn sein… aber ich… konnt's einfach nicht…"
„Wäre er ein besserer Vater gewesen, dann hättest Du auch ein besserer Sohn sein können." sagte Wilson mit Bestimmtheit. „Kannst du mir vergeben?"
„Es… es tut weh, Wilson. Ich hab' Dir völlig vertraut… Das wird Zeit brauchen."
„Das ist OK. Nur… ich würd's nicht ertragen, wenn ich jetzt ausziehen müsste."
House murmelte noch etwas von Kindern, dann schlief er ein.
