Disclaimer:
Das Star Trek Universum und alle Spezies, die es bewohnen, sowie alle
Charaktere, die in einer der ST Serien vorkommen, gehören Paramount/Viakom.
Niemand macht mit der Veröffentlichung dieser Geschichte auch nur das kleinste
bisschen Kohle.

Hintergrund:
Die Geschichte spielt nach dem Ende der Serie ST:DS9. Auf Cardassia herrscht
Tabula rasa. Wie werden unsere schuppigen Freunde wieder auf die Beine kommen?
Wie werden sie das "neue Cardassia" gestalten?

Die verlassene Raumstation Empok Nor - eine Schwesterstation von DS9 - liegt
plötzlich an einem Verkehrsknotenpunkt des Quadranten und ist der Schauplatz der
Zusammenarbeit zwischen Cardassia und der Föderation.

Offiziell ist der Obsidian Order abgeschafft. Aber Garak hat andere Pläne.
Heimlich stellt er eine Zelle im Stile des OO zusammen...

Author's Note:
Die Geschichte braucht eine Weile, bis sie spannend wird. Aber das wird sie
wirklich - man muss nur vorher ein bisschen Character-Building über sich ergehen
lassen, dann wird alles gut. ;-)


Empok Nor ~ Genesis ~

Gul Kotan Basra stand am Fenster seines Quartiers. Einen Moment zuvor hatten die
Sterne aufgehört, in Streifen daran vorbeizuziehen, was Basra verriet, dass das
Galor-Klasse-Schiff in das Trivas-System eingeflogen war und sich jetzt seinem
Zielort mit Impulsgeschwindigkeit näherte.
Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie die ehemalige Erzverarbeitungsstation
erreicht haben würden.
Empok Nor.
Die Station war zurückgelassen worden, als das Dominion vor zwei Jahren
beschlossen hatte das System zu verlassen, da die Erzvorkommen weitestgehend
erschöpft waren und das System keinen darüber hinausgehenden strategischen
Nutzen bot.
Jetzt, nach dem Angriff des Dominions und der Neuordnung der cardassianischen
Gebiete, hatte sich das geändert. Jetzt war die Schwesterstation von Terok Nor
von strategischem Interesse, da das Trivas-System in der Nähe der neuen Grenze
lag. Und so war beschlossen worden, aus der alten Erzverarbeitungsstation sowohl
einen interstellaren Handelshafen zu machen, als auch den Schauplatz für die
wissenschaftliche Kooperation Cardassias mit der Föderation.
Föderationswissenschaftler würden mit cardassianischen Wissenschaftlern auf
diversen Gebieten der Wissenschaft wie Technologie, Biologie und Genetik,
zusammenarbeiten. Das war eine der Klauseln im vorläufigen Freundschaftsabkommen
zwischen Cardassia und der Föderation. Eine Klausel, die den
Föderationsdiplomaten bei den Verhandlungen sehr wichtig gewesen war.
Kotan Basra schnaubte in sich hinein. Seiner Meinung nach musste die Föderation
erst noch beweisen, dass sie ein würdiger Verbündeter war. Auch wenn sie sich am
Aufbau Cardassias beteiligte, hieß das noch lange nicht, dass man der Föderation
vertrauen konnte. Diese intensive Zusammenarbeit ließ das langfristige Ziel
offensichtlich werden: Cardassia sollte darauf vorbereitet werden, so bald wie
möglich beizutreten! Basra schnaubte erneut, bei dem absurden Gedanken. Wenn die
Föderation wirklich glaubte, dass Cardassia seine Eigenständigkeit freiwillig
aufgeben würde...
Basra trat vom Fenster zurück, setzte sich an den Tisch und nahm das PADD, das
die Besatzungsliste enthielt. Er las sie nicht zum erstenmal, und genaugenommen
kannte er den Inhalt schon auswendig, doch es war die einzig scheinbar sinnvolle
Beschäftigung, der er so kurz vor dem Andocken noch nachgehen konnte.
Teilweise hatte er die Offiziere selbst angefordert, so zum Beispiel Paluk
Dukat, der auf seinem bisherigen Posten hervorragende Arbeit geleistet hatte. Er
schien von seinem Vater nur die besseren Eigenschaften geerbt zu haben, so das
taktische Geschick und die diplomatischen Fähigkeiten. Im Gegensatz zu seinem
Vater war Paluk wesentlich weniger emotional und weit vorausschauender, was ihn
zu einem optimalen ersten Offizier machte.
Basras Blick glitt über die weiteren Namen auf der Liste. Die Sicherheitschefin
Alanya Marritza war ihm unbekannt. Sie war ihm, nach gängiger Handhabe, vom
Geheimdienst zugewiesen worden. Ihrer Akte war zu entnehmen, dass sie zu Zeiten
des Obsidian Order ausgebildet worden war, was einige Schlüsse auf die Qualität
ihrer Arbeit zuließ. Auch wenn der neue Geheimdienst den Vorteil hatte, nicht so
autonom zu arbeiten wie der Orden das getan hatte, dasselbe Qualitätsniveau
erreichte er nicht.
Wie jedes mal zuvor blieb Basras Blick beim Überfliegen der Liste an einem Namen
hängen. Er war nicht sicher, wie der Offizier ausgesprochen wurde, der die
Kommunikationsstation besetzten sollte. Der menschliche Lieutenant war der
Austauschoffizier an Bord der Station, Teil eines weiteren Projektes zur
gegenseitigen Völkerverständigung. Basra schüttelte den Kopf. Insgeheim war er
nicht sicher ob Frederik Hernandez dem hohen cardassianischen Standard gewachsen
war. Seine Akte war zwar vorbildlich, aber wer konnte schon wissen, was bei
Starfleet dem Standard cardassianischer Offiziere entsprach.
Basra seufzte leise, legte das PADD zur Seite und sah in Richtung Fenster.
Deutlich konnte er einen der oberen Pylone der Station erkennen. In wenigen
Minuten würde das Schiff andocken und er würde seinen neuen Posten antreten.
Gul Kotan Basra erhob sich vom Tisch und steckte das PADD in seine Reisetasche.
Ohne die Benachrichtigung von der Brücke abzuwarten, machte er sich auf den Weg
zur Luftschleuse.

***

Gilora Macet bestätigte die Weisung von der Ops und das kleine Frachtschiff
näherte sich der ihm zugewiesenen Andockklammer.
Der junge Mann, der an der Navigationskonsole saß und den Frachter lässig
positionierte warf ihr einen Blick zu. "Ich hatte gehofft, wir würden einen der
Pylone zugewiesen bekommen!"
"Warum denn das?"
"Ich weiß nicht, ich finde sie ästhetisch!"
Gilora gab ein leises Lachen von sich. "Du spinnst, Anan!"
Doch dieser strich sich daraufhin nur eine Haarsträhne aus dem Gesicht und
vervollständigte das Andockmanöver. Dann lehnte er sich in seinem Stuhl zurück
und reckte die Arme.
"Also, ich weiß nicht, wie es bei Dir aussieht, aber ich könnte jetzt einen
Kanar und ein gutes Essen vertragen!"
Gilora nickte. "Wenn Du meinst, dass wir auf Empok Nor schon ein gutes Essen
bekommen? Ich habe gehört die Station war ein wenig heruntergekommen."
"Das habe ich auch gehört. Wir werden es herausfinden."
"Erst müssen wir die Ladung löschen lassen."
"Kann Rin das nicht machen?"
Gilora dachte nach. Der junge Ingenieur Rin Hoval machte zwar einen etwas
unscheinbaren Eindruck, aber dumm war er nicht. Schließlich nickte sie. "Ich
denke, das kann er. Es sind schließlich nur ein paar kleine Container und er muß
zur Bestätigung nur seinen Daumen auf ein PADD drücken."
"Außerdem können wir ihm sagen, dass wir die Quartierszuweisung für ihn mit
erledigen."
"Ich glaube, es ist eine gute Idee, sich ein festes Quartier auf Empok Nor zu
haben. Stell Dir vor, wir müssten an Bord schlafen, wenn wir ein paar Tage Zeit
zwischen zwei Aufträgen haben!"
"Es wäre eng!"
"Oh ja!"
Gilora erhob sich. "Also gut. Ich sage Rin Bescheid und dann können wir
meinetwegen los."
Anan nickte und erhob sich ebenfalls. "Ich warte an der Luftschleuse!"

***

"Da ist er!" Der junge Offizier straffte den Rücken und warf einen Blick auf die
junge Frau, die in Zivilkleidung neben ihm stand.
"Das sehe ich!" Sie versuchte distanziert und überlegen zu wirken, doch Paluk
Dukat sah, dass auch sie sich unmerklich ein wenig gerader hielt. Dann schob
sich das runde Schott mit einem Zischen zur Seite und ein kräftiger Mann trat
aus der Luftschleuse heraus auf den Flur.
"Willkommen auf Empok Nor, Gul Basra!" begrüßte Dukat ihn mit einem leichten
Nicken.
"Ich bin Glinn Dukat und das," er wies auf die junge Frau an seiner Seite, "ist
Marritza, die Sicherheitschefin."
Sie nickte Basra zu. Dieser erwiderte das Nicken und wandte sich dann an seinen
ersten Offizier.
"Ihr Bericht über den Status der Station?"
Dukat wies den Korridor entlang "Wenn Sie mir bitte folgen...". Während Basra
der Aufforderung nachkam begann der junge Offizier mit seinem Bericht.
"Der Hauptcomputer wird zur Zeit noch überarbeitet. Es gibt Probleme mit den
Transportersystemen und den Turbo-Lifts. Die übrigen Systeme arbeiten
einwandfrei. Der Umbau der Aufbereitungssektionen zu Laborräumen wird
voraussichtlich erst in vier Wochen abgeschlossen werden, solange habe ich einen
Teil der Frachträume als Laborbereich ausgewiesen."
Die drei Offiziere blieben vor einem Lift stehen und Dukat betätigte das
Operationspanel.
"Warum erst so spät?"
"Es gab Probleme mit der Lebenserhaltung, so dass in den betreffenden Sektionen
nicht planmäßig mit dem Umbau begonnen werden konnte."
Der Lift hielt, ein kleines Stück zu niedrig, so dass sie eine Stufe nach unten
steigen mussten. Dann setzte der Lift sich in Richtung Promenadendeck in
Bewegung.
"Wie ist die Situation auf dem Promenadendeck?"
"Ein Bolianer hat bereits ein Restaurant eröffnet. Einige Händler haben sich
kleinere Ladenflächen zuweisen lassen. Eine der größeren Ladenflächen wurde
einem flaxianischen Ehepaar reserviert, das nur noch auf das Eintreffen eines
Frachters wartet, um mit der Installation mehrerer Holosuiten zu beginnen."
Basra nickte. "Und die Quartiere?"
"Es sind ausreichend bezugsfertige Quartiere vorhanden. Ihre Quartierszuweisung
habe ich in meinem vollständigen Bericht vermerkt!" Damit überreichte er Gul
Basra ein PADD.
Marritza trat einen Schritt vor. "Ich habe den Sicherheitsbericht in dasselbe
PADD geladen. Es gab allerdings nur ein paar kleinere Zwischenfälle mit
eintreffenden Zivilisten. Die Überwachungssysteme sind operationsbereit aber
noch nicht aktiviert."
"Gut!" Basra warf ihr einen strengen Blick zu. "Ich wünsche, dass das vorerst so
bleibt. Sie werden sich an den Kontrakt des Geheimdienstes mit dem Interims-Rat
halten und nur Verdächtige überwachen!"
Marritza nickte. "Selbstverständlich, Gul."
Dukats Blick wechselte von Marritza zu Gul Basra. "Sir, ich muß Sie darauf
hinweisen, dass Sie sich umgehend bei Dr. Mera'ahl wegen Ihrer
Antrittsuntersuchung melden sollen."
"Ich werde das so bald wie möglich erledigen."
"Dr. Mera'ahl bestand darauf, Sie noch heute zu untersuchen. Bitte bedenken Sie,
dass der Eröffnungs-Empfang für 19 Uhr angesetzt ist. Die cardassianischen
Diplomaten werden in etwa vier Stunden eintreffen."
In diesem Moment hielt der Turbo-Lift, mit einem deutlichen Rucken und ein Stück
zu hoch, so dass sie erneut einen Schritt nach unten machen mussten.
"Sie wollen sagen, ich habe noch vier Stunden für meine Antrittsuntersuchung."
"Das ist korrekt."
"Dann werde ich mich besser sofort auf den Weg machen."
"Das ist nicht nötig, wir sind bereits da."
In diesem Moment traten sie aus einem kurzen Korridor hervor auf das
Promenadendeck und direkt vor die Krankenstation.
Basra warf einen kurzen Blick über die Promenade. Es waren vor allem Ingenieure
unterwegs, hauptsächlich Cardassianer. Doch vereinzelt waren auch Starfleet-
Uniformen zu sehen. Schräg gegenüber von der Krankenstation wiesen die
Schriftzeichen über der Tür das Etablissement als "Tula's Restaurant und Bar"
aus - sowohl in cardassianischen als auch in terranischen Lettern wohlgemerkt.
Dass traditionell ein Massage-Salon zu einem bolianischen Restaurant gehörte,
musste man wohl wissen.
Mit einem leichten Nicken verabschiedete Basra sich von seinen Offizieren und
betrat die Krankenstation.
Paluk Dukat sah ihm nach und blickte über das Promenadendeck. Bei dem
bolianischen Restaurant blieb sein Blick hängen. Es konnte nicht schaden, Tula
einen kurzen Besuch abzustatten und zu sehen, wie es mit dem Etablissement voran
ging.
Als Paluk eintrat bemerkte er, dass sowohl das Restaurant, als auch der
Barbereich für die Mittagszeit beinahe ausgestorben wirkte. Vermutlich zogen die
meisten Besatzungsmitglieder eine kurze Mahlzeit im Replimaten einem längeren
Essen im Restaurant vor. Am Abend würden sie dann aber wohl an einem der
einladend wirkenden Tische Platz nehmen, um einen Drink zu bestellen, oder durch
eine der mit schlichtem Perlenschmuck verzierten Türen den Massage-Salon des
Bolianers betreten, um sich von einem anstrengenden Arbeitstag zu erholen.
Trotzdem würden die ersten Tage auf Empok Nor für Sva'eg Tula wohl nicht sehr
gewinnbringend sein. Dennoch legte der Bolianer die für sein Volk so typische
freundliche Aufgeschlossenheit an den Tag, als er Dukat eintreten sah.
"Ah, Glinn Dukat. Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen?"
"Nein Danke, Tula." Dukat lächelte freundlich. "Leider bin ich zur Zeit im
Dienst. Ich wollte nur sehen, ob bei Ihnen alles in Ordnung ist."
"Ja. Danke. Ich bin sehr zufrieden." Der Bolianer lächelte entwaffnend. "Wir
haben alle Einrichtungsgegenstände planmäßig bekommen. Der cardassianische
Frachterkommandant war sehr hilfsbereit. Man hat mir die Tische direkt in die
Bar geliefert. Und auch das neue Personal scheint sehr zuverlässig zu sein.
Sicher kommen bald auch mehr Kunden." Mitfühlend betrachtete er den
Cardassianer. "Wenn erst die Energieversorgung etwas besser funktioniert, wird
es leichter. Bei den Zuständen, die hier geherrscht haben müssen, als der erste
Aufräumtrupp eintraf..."
Dukat nickte zu dem Redestrom des Bolianers, während er sich in der Bar umsah.
Er erinnerte sich nur zu gut daran wie es hier ausgesehen hatte, bevor man damit
angefangen hatte, Empok Nor in einen voll funktionsfähigen Zustand zu bringen.
"Wenn die Station während der Zeit, in der sie nicht besetzt war, nicht genutzt
worden wäre, dann hätte es hier nicht so schlimm ausgesehen", fügte Paluk Dukat
seinem Gedankengang schließlich hinzu.
"Wie meinen Sie das?"
"Nun, wie es scheint, hat sich eine Gruppe von fanatischen Bajoranern hier
vorübergehend einquartiert. Sie haben versucht, die cardassianische Technologie
auf bajoranischen Standard einzustellen und dabei in einigen Sektionen ein
ziemliches Chaos angerichtet."
"Ich habe aber auch gehört," Tula sah ein wenig beunruhigt aus, "dass
Technologie gestohlen wurde!"
"Das stimmt. Ein Plasma-Manafold fehlte, und ein paar weniger wichtige
Komponenten des Energiesystems."
"Ich frage mich, was die Bajoraner damit wollten."
Paluk zuckte mit den Schultern. "Wer weiß. Ich vermute eher, daß vor ihnen schon
jemand da war. Die Bajoraner hätten es sicher nicht geschafft, die Fallen außer
Kraft zu setzten, die installiert waren, um Eindringlinge abzuhalten."
"Nun," Tula bemühte sich um einen zuversichtlichen Tonfall, "jetzt ist die
Station ja wieder besetzt, und es wird sich sicher niemand mehr hertrauen, um
Technologie zu stehlen!"
"Sicher nicht", Dukat musste schmunzeln, "da können Sie ganz beruhigt sein. Und
wenn die Station erst einmal ihre Funktion als zentraler Raumhafen zwischen
Cardassia und der Föderation aufgenommen hat, dann wird Ihr Restaurant auch
Mittags voll belegt sein. Das verspreche ich Ihnen!"
"Ich nehme Sie beim Wort." Tula ließ seinen Blick durch das Etablissement
gleiten. "Momentan sieht es nicht so gut aus: Bisher ist lediglich die Besatzung
eines kleinen Frachters hier eingetroffen."
Dukat folgte Tulas Blick zu einer Nische der Bar des Bolianers. Dort saßen an
einem Tisch zwei Cardassianer, ein Mann und eine Frau, die mit offensichtlichem
Genuss ihre Mahlzeit einnahmen. Die Frau sah auf, als sie Dukats Blick spürte
und nickte ihm automatisch zu. Dann breitete sich plötzlich ein erkennendes
Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Paluk erwiderte das Lächeln. Die Frau sprach den
Cardassianer ihr gegenüber an, woraufhin dieser sich umdrehte und ebenfalls zu
Dukat sah.
"Bekannte, wie ich sehe", warf Tula fröhlich ein. "Die Welt ist klein, wie sie
auf der Erde zu sagen pflegen." Damit wandte sich der Bolianer ab und ging an
seine Arbeit zurück, während Glinn Dukat zum Tisch der beiden anderen hinüber
ging.
"Paluk Dukat." Die Frau schüttelte amüsiert den Kopf.
"Gilora Macet." Dukat trat an den Tisch.
"Das ist ja eine Ewigkeit her." Gilora grinste schelmisch. "Du bist groß
geworden."
"Seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben? Bestimmt." Dukat sah zu dem
jungen Mann, der Gilora gegenüber saß.
"Wenn ich Euch bekannt machen darf." Gilora machte eine Handbewegung von Dukat
zu ihrem Gegenüber und zurück. "Paluk, das ist Anan Entek, mein Pilot. Anan, das
ist Paluk Dukat, mein Großcousin."
"Freut mich." Entek sah zu Paluk Dukat auf. "Wollen Sie sich nicht einen Stuhl
nehmen und sich zu uns setzen?"
Dukat schien abzuwägen. "Nun, ein paar Minuten könnte ich bestimmt erübrigen."
Er zog einen Stuhl von einem der Nachbartische heran. "Zumal ich meine
Großcousine sicher zehn Jahre nicht gesehen habe."
"Sicher." Gilora Macet musterte Dukat. "Das letzte Mal muss während eines der
großen Familientreffen der Macets und Dukats gewesen sein."
"Bevor Du zum Obsidian Order gegangen bist."
"Und Du zum Militär: Ein typischer Dukat."
"Ich dachte immer, ich wäre gerade kein typischer Dukat."
"Weil es Dich nicht interessiert hat, dass mein Vater in den Landadel
eingeheiratet hat, anstatt in die High Society von Prime City?"
Paluk Dukat machte eine entschuldigende Handbewegung. "Ich hatte schon immer
meine eigene Meinung." Der junge Glinn sah in Richtung der Bar, hinter der
Sva'eg Tula eifrig zu hantieren schien. "Tula sagte mir, Ihr seid die Besatzung
eines Frachters?", wechselte er das Thema.
"Ja, so ist es."
"Bei Deiner Ausbildung, hätte ich Dich eher als meine Sicherheitsoffizierin
erwartet."
"Die Zeiten ändern sich. Nach dem Untergang des Ordens hatte ich ein
paar...Unstimmigkeiten mit dem neuen Geheimdienst. Also habe ich umgesattelt.
Und um ehrlich zu sein ist Frachterkommandant kein so schlechter Beruf."
Paluk lächelte. "Man kommt zumindest weit herum!"
"Du sagst es."
Einen Moment sahen sich beide schweigend in die Augen.
"Und Sie sind der erste Offizier der Station", unterbrach Anan Entek die Stille
am Tisch.
"So ist es."
"Ich habe gehört, dass die Station in einem ziemlich heruntergekommenen Zustand
war, als die ersten Aufräumtrupps ankamen."
Dukat lachte leise. "Das scheint schnell die Runde zu machen."
"Nun, es haben sicher schon viele andere Frachter angedockt und einen ähnlichen
ersten Eindruck gewonnen wie wir", meinte Gilora.
Dukat sah sie fragend an.
"Die Turbolifts zum Beispiel", führte Gilora Macet aus. "Als wir ankamen, hielt
der Lift an der Andockschleuse ungefähr in Kniehöhe. Dafür blieb er eine
Handbreit zu tief stehen, als wir auf dem Promenadendeck ausstiegen."
Paluk Dukat atmete hörbar aus. "Das wird unsere Chefingenieurin nicht gerne
hören. Ich habe als Mann ja nicht viel Ahnung von Technik" - Selbstironie sprach
aus seinen Worten - "aber irgendwie scheint gerade der Turbolift besondere
Probleme zu bereiten. Dabei ist Glinn L'hrel, soviel ich gehört habe, eine
ausgesprochen exzellente Ingenieurin. Besonders was Computerprogramme angeht
eilt ihr der Ruf, ein Genie zu sein, voraus. Sie selbst kann Dir sicher genauer
erklären, worin das Problem liegt." Dukat sah demonstrativ in Richtung Tür.
Gilora folgte seinem Blick.
Eine junge Cardassianerin, die sogar in ihrer Uniform noch schlank und
hochgewachsen wirkte, hatte Tulas Bar betreten und sah sich suchend um. Ihr
Blick blieb an Paluk Dukat hängen, dann kam sie zu ihnen herüber.
"Glinn Dukat." Die Chefingenieurin blieb vor ihnen stehen und sah Dukat aus
ihren strahlend blauen Augen bestimmt an. "Haben Sie einen Augenblick Zeit?"
"Sicher." Dukat sah zu Gilora, die den jungen Glinn scheinbar gleichmütig
betrachtete. "Vielleicht sollte ich Sie vorstellen, Das ist Natima L'hrel,
unsere Chefingenieurin. Solltet Ihr jemals Probleme mit Eurem Frachter haben,
dann wendet Euch an Sie!" Und zu Glinn L'hrel gewandt fügte er hinzu: "Meine
Großcousine, Gilora Macet, und ihr Pilot, Entek."
Natima L'hrel nickte beiden zu.
Gilora sah zu ihr hoch und sagte: "Wir werden Empok Nor regelmäßig anlaufen. Ich
vermute, die meisten Wartungsarbeiten werden wir hier durchführen lassen."
Natima wandte den Blick zu Gilora und erwiderte: "Sicher. Ich werde meine
Wartungstrupps darauf hinweisen, dass sie bei Ihnen besonders schnell arbeiten."
Gilora schmunzelte. Offenbar zahlte es sich aus, mit dem ersten Offizier der
Station verwandt zu sein.
Die Chefingenieurin sah zu Dukat. "Aber eigentlich bin ich aus einem anderen
Grund hier", wechselte sie das Thema. "Bei der Verlegung der Systemkabel für die
neuen Labors in den alten Abbaubereichen bin ich auf ein paar interessante
Dateien gestoßen, die ich Ihnen gerne persönlich vorführen würde, bevor ich sie
umschreibe oder lösche."
Dukat nickte und erhob sich. "Dann werde ich mir das sofort ansehen." Er wandte
sich noch einmal an Gilora. "Ich vermute, Ihr bleibt noch eine Weile auf der
Station?"
"Noch haben wir keinen neuen Auftrag."
"Gut. Wenn es etwas ruhiger geworden ist, könnten wir uns ja auf einen Kanar
treffen."
"Gute Idee." Gilora lächelte. "Wir sehen uns dann später."
Paluk Dukat nickte ihr und Entek zu, dann folgte er Natima L'hrel aus Tulas Bar
auf das Promenadendeck. Gilora und Anan sahen ihnen nach.
"Macht einen netten Eindruck, Dein Großcousin", stellte Anan Entek fest.
"Ja, er war wirklich der einzige aus der Familie, mit dem man sich schon immer
gut unterhalten konnte."
"Ist sein Vater...?"
Gilora nickte. "Ja."
"Gul Dukat...", murmelte Anan Entek. "Es scheint Paluks Karriere zu helfen."
"Ich würde eher sagen: es schadet ihr nicht."
Anan schmunzelte. "Wahrscheinlich hast Du Recht. Er kommt also nicht nach seinem
Vater?"
Gilora schüttelte den Kopf. "Oh nein. Für seine Karriere ist er schon allein
verantwortlich!"
"Was hältst Du von Glinn L'hrel?"
Gilora sah Anan ratlos an. "Was meinst Du?"
"Sie wirkte ein bisschen reserviert."
"Findest Du? Du kennst Sie doch gar nicht!"
"Ich habe fünf Schwester, ich kenne Frauen!"
"So, tust Du das?"
"Allerdings. Und eins kannst Du mir glauben: Natima L'hrel hat ein überaus
gesundes Selbstwertgefühl!"
Gilora schnaubte belustigt "Und was gibt es daran auszusetzen?"
"Du wirst schon noch merken, was ich meine." Anan Entek strich sich eine lose
Haarsträhne aus dem Gesicht und sah Gilora in die Augen. "Sie ist der Typ Frau,
der einen Mann in den Wahnsinn treiben kann!"
Gilora schmunzelte. "Dann halte Dich lieber fern von ihr, einen wahnsinnigen
Piloten kann ich nicht brauchen."
Anan erwiderte nichts sondern reckte sich und schob dann seinen leeren Teller
zur Seite. "Wollen wir uns dann um die Quartiere kümmern?", wechselte er das
Thema.
"Ja, ich denke es wird langsam Zeit, dass wir zurück auf die Lavok kommen."
Gilora erhob sich.
"Du hast wohl Angst um die Ladung?"
"Unsinn! Rin ist beim Orden ausgebildet worden, er wird schon wissen, wie er
Ladung zu löschen hat!"
"Na, dann..." Anan Entek stand ebenfalls auf, nachdem er seinen Stuhl
zurückgeschoben hatte. Zusammen verließen sie Tulas Bar.

***

Dr. Mera'ahl sah von ihrem Trikorder hoch. "Sie haben leichtes Übergewicht, Gul
Basra."
"Das weiß ich. Es ist kaum zu übersehen!"
"Ich meine es ernst: Sie müssen auf Ihre Ernährung achten, sie gehen sonst auf
wie ein Zuckerfladen."
"Das sagt meine Frau auch immer."
"Dann hören Sie bitte auf sie." Yora Mera'ahl betrachtete den Gul, der vor ihr
auf einer Krankenliege saß. Er machte einen sympathischen Eindruck, obwohl er in
dem Ruf stand, ein strenger Vorgesetzter zu sein. Sie trat zu ihm und entfernte
das Monitorgerät von seiner Stirn. "Ihre Hirnfunktionen sind vollkommen normal."
"Das hört man gerne."
"Bitte warten Sie einen Moment, ich muss noch eine Blutanalyse machen, es dauert
nicht lange."
Gul Basra nickte. Trotz ihrer Jugend macht die Chefärztin einen sehr kompetenten
Eindruck. Ihre Zeugnisse hatten nichts anderes versprochen. Insgeheim war Basra
froh, eine zivile Ärztin auf der Station zu haben. Die Feldärzte des Militärs
hatten bei komplizierteren Krankheitsbildern häufig Schwierigkeiten. Und auch
wenn es nur ein Vorurteil war, dass Männer keinen Sinn für die Wissenschaften
hatten, er zumindest fühlte sich bei einer weiblichen Ärztin besser aufgehoben.
Dr. Mera'ahl sah von ihrer Analysekonsole hoch. "Ohne Befund. Herzlichen
Glückwunsch, Sie sind kerngesund!"
Basra erhob sich. "Das hat mein Hausarzt auch gesagt."
"Es tut mir leid, wenn dieser Besuch Unannehmlichkeiten für Sie bedeutet hat,
aber er ist nun einmal Pflicht."
"Ich weiß, ich weiß." Gul Basra hob beschwichtigend die Hände. "Es hat ja auch
nicht lange gedauert."
Mera'ahl nickte. "Bitte denken Sie daran, dass sie in drei Monaten noch eine
Routine-Untersuchung haben!"
"Es wird besser sein, Sie schicken mir rechtzeitig eine Notiz."
"Also gut, Sie werden von mir hören." Yora Mera'ahl lächelte und betätigte den
Türöffner. Basra nickte ihr zu und trat dann vor die Krankenstation. Einen
Moment überlegte er, ob er zunächst sein Büro in Augenschein nehmen sollte, doch
dann entschloss er sich, seinem Quartier einen Besuch abzustatten. Sein Gepäck
sollte mittlerweile dort angekommen sein, so dass er sich zumindest ein bisschen
wohnlich einrichten konnte, bevor die cardassianischen Diplomaten ankamen.
In Gedanken war er noch bei der jungen Ärztin, als er den Turbolift betrat und
zu seiner Zufriedenheit bemerkte, dass die Fehlfunktionen offenbar behoben
waren.
Yora Mera'ahl stammte aus der Provinz und dort hatte sie auch zuvor gearbeitet.
Obwohl ihre Leistungen gut genug gewesen wären, um an einem großen Krankenhaus
zu arbeiten, hatte sie es offenbar vorgezogen in der Provinz zu bleiben. Dort
hatte sie sich zügig nach oben gearbeitet, zuletzt war sie angehende Chefärztin
gewesen. Wahrscheinlich hätte es nicht mehr lange gedauert, bis sie den Posten
bekommen hätte, wäre nicht der Angriff des Dominions gewesen. Nach der Schlacht
waren alle überlebenden Ärzte aus den großen Städten auf die
Provinzkrankenhäuser verteilt worden - und jemand anderes hatte Dr. Mera'ahls
Posten bekommen. Um die talentierte Ärztin nicht leer ausgehen zu lassen, hatte
ihre Vorgesetzte sie für den Posten auf Empok Nor vorgeschlagen. Es würde
sicherlich zum Vorteil der Station sein.
Basra trat aus dem Lift und warf einen Blick auf das PADD, das Glinn Dukat ihm
gegeben hatte. Dann schlug er die Richtung seines Quartiers ein. Der Gang war
sauber und angenehm dunkel, die Temperatur konstant. Kein Vergleich zu Empok
Nors Schwesterstation, auf der die Lichtintensität hoch und die Temperatur
herunter geregelt worden war. Nun, dies war eine cardassianische Station. Daran
bestand kein Zweifel.
In seinem Quartier angekommen legte Basra das PADD auf den Tisch und sah sich
um. Glinn Dukat hatte ihm bereits ein Familienquartier zugewiesen, obwohl seine
Frau mit den Kindern erst nachkommen würde, wenn die Situation sich als stabil
erwiesen hatte. Von der großen Wohneinheit gingen mehrere Türen ab. Basra kannte
die Zimmeraufteilung bereits, sie entsprach dem Standard auf Raumstationen. Er
trug sein Gepäck in sein zukünftiges Schlafzimmer.
Dann setzte er sich in der Wohneinheit an den Tisch und nahm sich die Berichte
seiner Offiziere vor.

***