Der Duft des frischen Grases kräuselte in seiner Nase als er sich in der Sonne badend in ein Meer von bunten Blumen und umherflatternden Schmetterlingen bettete. Einzelne Halme kitzelten in seinen Ohren. Er sah Vögel in kleinen, vereinzelten Scharen am Himmel über ihn vorbeiziehen. Ihre Gesänge waren wie Balsam für seine Ohren. Er würde es nicht missen wollen.
Gemächlich verschränkte er die Arme hinter seinem Kopf und beobachtete die weißen, flauschigen Wolken vorangetrieben durch Manwës Atem. Er sah hinauf zum Berg, an dessen Fuße er lag, und erblickte den mächtigen Vala auf einem der grün bewachsenen Hänge des Taniquetil stehen. Die Arme weit ausgebreitet verrichtete er sein Werk ohne den Elben zu bemerken, der ihn beobachtete.
Zufrieden ließ er seinen Blick wieder gen Himmel schweifen und genoss die warmen Sonnenstrahlen, welche seinen Körper wohlig umgaben. Er schloss die Augen und sog den Duft der Blumen in sich hinein.
Eine Brise raschelte durch die Wipfel der Bäume im nahegelegenen Wald.
So blieb er eine Weile bewegungslos dort liegen und ließ seine Gedanken vom stillen Frieden schweben. Lässig rupfte er einen der langen Grashalme und kaute träge darauf herum. Hin und wieder bog sich der Halm unter Manwës Atem und er war für jeden kühlen Luftzug dankbar. Leicht bitterer Saft zerging auf seiner Zunge als er den Halm zwischen seinen Zähnen zermahlte.
"Lossë!"
Ein Lächeln umspielte seine blassen Lippen als die wohlbekannte Stimme aus weiter Ferne an sein Ohr drang. Er öffnete die Augen und das Sonnenlicht brach sich in seinem silbernen Blick.
"Lossë!", hörte er wieder aus der Ferne und richtete sich auf seine Ellenbogen nach der Quelle der Stimme suchend. Seine Suche blieb nicht lang erfolglos, denn sein Freund und Waffenbruder kam auf ihn aus der Ebene zugeschnellt. Trittsicher kletterte dieser den höhergelegenen Hang hinauf, auf dem sich Lossë niedergelassen hatte. Etwas ausser Atem ließ er sich geräuschvoll neben Lossë fallen.
"Ich habe Dich gesucht!"
"Und Du hast mich gefunden..." Das Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen als er seinen Kopf wieder ins weiche Gras bettete und sein Augenmerk richtete sich wieder gen Himmel. Die Wärme des anderen kroch durch die Fasern seiner Robe und ließ ihn erschauern. Mit gekonnter Mimik ließ er sich jedoch nichts anmerken. Leicht nervös faltete er seine Hände stattdessen über seiner Brust und schloss wieder die Augen. "Was führt Dich zu mir?" Der bittere Geschmack auf seiner Zunge wurde intensiver.
"Das fragst Du noch?" fragte er mit zusammengezogenen Augenbrauen und rollte sich auf den Bauch, den Blick nicht von ihm wendend. Er betrachtete den Blickfang eingehend, den Lossë ihm bot. Sein silbernes Haar bildete einen schimmernden Kranz auf dem bunten Blumenteppich. Das Gesicht darin war makellos und schön und immer mit einem neckischen Grinsen bedacht. Doch fehlte dieses plötzlich. Beiläufig ergriff er eine der seidigen Silbersträhnen und wickelte sie spielerisch auf seinen Finger. "Du wolltest Dich von mir verabschieden..." Die Stimme entfernte sich plötzlich bis sie in vollkommener Stille verklang.
Mit einem Male zog eisige Kälte vom Boden auf.
Das Licht erstarb hinter dunklen Wolken und die Vögel verstummten.
Schaudern erklomm ihn als er seine Augen öffnete. Der Wind riss nun an seinen Haarsträhnen und als er sich umsah, war er von ödem Land umgeben.
Alles war schwarz. Die Bäume tot. Hier und da einige stinkende Sümpfe...
Und er mitten drin...
Er wandte den Blick zu seinem Gefährten, der eben noch neben ihm gelegen und ihm mit seinem Körper Wärme gespendet hatte.
Seine Augen weiteten sich.
Angst und Schrecken spiegelten sich in ihnen wieder als er das verweste Skelett neben sich erblickte. Braune Knochen, verfärbt durch Schlamm und Morast, lagen so dicht neben ihm, dass er einen Satz beiseite sprang.
Sein Herz raste.
Seine Adern drohten zu zerbersten.
Elender Gestank stieg ihm in die Nase.
Nach Tod und Verderb roch es und es drehte ihm fast den Magen um.
Keuchend hielt er sich die Hand vor den Mund, um nicht erbrechen zu müssen.
Angewiedert und schockiert versuchte er den Blick von seinem Freund loszureissen, doch es gelang ihm nicht. Die fahlen Haare waren beinahe farblos und es schien als wenn ihr Glanz eine lange Ära her war. Leere Augenhöhlen starrten ihn an. Das Lachen der blanken Zähne erschien ihm wie Hohn.
Tränen verschleierten seinen Blick...
Zitternd schlang er die Arme um seinen kalten Körper.
»Wie konnte das nur passieren?« Er wollte die fahlen Knochen berühren, doch auch wenn er nach ihnen griff schienen sie ausser Reichweite für ihn zu sein.
Die Welt um ihn herum versank in totale Stille und ein kleines unscheinbares Licht schien auf ihn herab. Traurig hob er den Blick und erstarrte als ihm die scheinbare Quelle allen Lichtes gewahr wurde.
Eine kleine blaue Feder fiel vor seinen Augen nieder. Strahlenumwoben leuchtete sie in der hoffnungslosen Dunkelheit. Von unbekümmerter und leichter Natur war ihr Tänzeln.
Lossë hielt beide Hände auf und ließ die Feder hineinfallen. Eine angenehme Wärme durchfuhr seinen Körper als sie seine Haut berührte. Verwundert schaute er zu ihr hinunter. Selbst jetzt hatte sie von ihrem Glanz nichts verloren und strahlte stetig eine immer wehrende Hoffnung aus.
Doch dunkelrotes Blut, das aus den dünnen Fasern der Feder quoll, riss diese Hoffnung entzwei.
Was nur mit einem kleinen Fleck begann, breitete sich schnell aus und verschluckte das Schimmern der Feder vollkommen...
Die Tränen nahmen ihren Lauf als die Feder in einer Kugel aus rotem und schwarzen Licht verging und nichts als Finsternis zurückließ...
"NEEIINN!!!!!" schrie er mit einem angsterfüllten Zittern in seiner Stimme auf und fand sich in seinem Gemach wieder. Die Laken und Decken um ihn herum aufgewühlt oder zu Boden geworfen. Schweißgebadet war sein Nachtgewand, und sein Herz raste, immer noch vom Schrecken gehetzt. Silberne, dünne Bäche glitzerten im schwachen Mondlicht auf seinen Wangen. Sein Puls trommelte laut in seinen Ohren. Angstschweiß rann an seinen Schläfen hinunter.
Nur langsam erkannte er, dass er sich nicht mehr in diesen schrecklichen Sümpfen befand... und auch die Leiche seines Freundes lag nicht mehr neben ihm...
»Warum träume ich davon jede Nacht? Ich verstehe es nicht...« Verzweifelt und verwirrt vergrub er sein Gesicht in seinen Händen und zog die Knie dicht an seine Brust heran. Er wischte sich die Tränenbäche von den Wangen, und obwohl sich sein Körper langsam erholte, sein Herz wieder ruhiger schlug, so konnte er den Schmerz jedoch nicht in sich begraben, der seit Jahrtausenden in seiner Brust schwellte.
Jede Nacht wurde er von diesem Albtraum geplagt...
Jede Nacht wachte er mit einem Angstschrei auf...
Und jede Nacht endete darin, dass er alles daran setzte, um sich vom Schlaf abzulenken...
Doch diese Nacht war irgendwie anders...
Der Albtraum war lebendiger dennje gewesen.
Er hatte diese Knochen nie so deutlich im Traum gesehen...
Sie waren immer nur schemenhaft zu erkennen. Doch dieses Mal war es anders. So wie er erwachte blieb eigentlich nur noch der Schrecken als Erinnerung und eine undefinierbare Ahnung von dem, was in dem Traum geschehen war. Nie konnte er sich so lebhaft an jedes kleinste Detail erinnern. Sogar der Duft der Blumen auf dem Hang des Taniquetil lag ihm noch in der Nase.
Leise seufzend ließ er sich wieder auf sein Kopfkissen sinken und schloss erschöpft die Augen.
Und dann... ganz plötzlich erschien ein kleines Licht unter dem Himmel seines Bettes, so rein und unschuldig... und doch schwach und kaum merklich.
Seine Sinne waren jedoch bis aufs Äußerste geschärft und nahmen jede noch so kleinste Veränderung im Raum wahr. Er wagte es kaum, aber seine Neugierde zwang ihn dazu hinaufzuschauen.
Dort war sie... die kleine blaue Feder...
Und sie schwebte auf ihn hinab... gemächlich und leicht wie in seinem Traum zuvor.
Ihr schwaches Licht war von einer solchen Schönheit, dass er seine Augen nicht mehr von ihr abwenden konnte. Er fragte in diesem Moment nicht nach dem Warum und Weshalb, er blieb einfach regungslos liegen und starrte auf die kleine Feder in ihrem Wirbelflug seiner Bettdecke entgegen. Mit kindlicher Verwunderung griff er nach dem zarten Ding, doch bevor er es fassen konnte, war sie verschwunden...
Kein unschuldiges Licht erhellte mehr seinen Betthimmel.
Nur der Mond schien noch durch das hohe Fenster und warf seine milchigen Strahlen vom Boden hin bis zur Tür.
Er konnte nicht dagegen ankämpfen und verließ noch im verschwitzten Nachtgewand sein Gemach.
***
So, jetzt nachdem ich unzählige Male versucht habe, dieses Dokument gescheit hochzuladen, belass ich's heute erstmal nur beim ersten Kapitel (die anderen wollte ff.net auch nach 4 Stunden nicht anzeigen... *sfz*) Ich hoffe, euch hat's Spaß gemacht! :)
