Damals im Labor hatten sie ihnen gerne vorgelesen. Geschichten von anderen Ländern, anderen Zeiten. zumindest in den Augenblicken, in denen keine Tests anstanden. Und es gab eine Menge Tests und nicht alle davon hatten Fragen. Nicht für alle brauchte man Papier und Stifte, nein, für die meisten brauchte man andere Dinge. Spritzen, Skalpelle, Tabletten. Strom. Um zu sehen, wie sich die Veränderungen des Gens und die weitere Veränderung durch Mako variieren liessen. Es waren einmal zehn von ihnen gewesen. Überlebt hatten nur die Stärksten oder eben die, die zuviel Mako bekommen hatten um zu sterben. Oder zu wenig um sich an Jenovas Zellen gewöhnen zu können. Am Anfang waren es weit mehr als zehn gewesen, das wussten sie alle. Nach und nach waren es immer weniger geworden, sie hatten sie sterben sehen. Festgeschnallt auf einem OP-Tisch, von Krämpfen geschüttelt auf dem Boden. Einer hatte sich in einem Anfall selbst die Pulsadern aufgebissen. Er hatte in dem Zimmer direkt gegenüber Kadajs gelebt. Die Glasscheibe war voller Blut gewesen und noch im Sterben hatte dieser Typ nichts anders zu tun gehabt, als Kadaj anzustarren... aus immer leerer werdenden Augen. Hatte gerufen, dass er nun zu Mother käme. Erst drei Stunden nachdem er verblutet war, hatten sich einige der Wissenschaftler eingefunden und Dinge notiert. Hatten gescherzt und gelacht, während Kadaj vor Angst starr auf seinem Bett lag und weinend an die Decke starrte. Das war der Zeitpunkt, an dem nur noch fünf von ihnen übrig gewesen waren. Der fünfte starb nur eine Woche später, jemand hatte ihn aus Versehen einer zu hohen Makodosierung ausgesetzt. Den Körper, der aussah wie verbrannt oder verätzt, hatte man achtlos auf einen der Seziertische verfrachtet und nur Kadaj hatte gesehen, dass er noch gelebt hatte als sie ihn aufschnitten. Hatte es an diesem ängstlichen Blick erkannt. Der Junge war nur wenige Wochen älter als er gewesen. Eine der Schwestern hatte ihn weggeführt, mit einem zuckersüßen Lächeln, hatte ihm gesagt, dass er das nicht hätte sehen sollen. Dass er nicht hätte dort sein sollen. Sie waren in den Aufenthaltsraum gegangen, in dem die anderen beiden sassen, beide um einiges älter als er. Der eine fast mädchenhaft, aber das war absurd. Die silbrigen Haare, das Jenova Gen... das vererbte sich nicht bei Mädchen. Das hatte ihm die Schwester erklärt, als er sie mal gefragt hatte, warum es hier nur Jungs gab. Mädchen seien wertlos für diese Tests. Neben dem schlanken, langhaarigen saß ein etwas breiterer Junge, der trotzig in die Runde starrte. Sie waren also die letzten. Der Langhaarige lächelte ihn an, sagte aber kein Wort, ebenso schwieg der andere. "Wer seid ihr?" hatte er sie gefragt, aber darauf keine Antwort bekommen. Es gab schlichtweg keine. Sie hatten keine Namen, nur eine Kombination aus Zahlen und Buchstaben. Nach einer ganzen Weile, die sie nebeneinander gesessen hatten, hatte sich der Langhaarige nochmals zu ihm gewandt. "Wir sind die, die Sephiroth am ähnlichsten sind." Sephiroth, dieser Name war schon oft gefallen. Sephiroth, der Prototyp, der, auf den alle diese Tests aufbauten. Der, der hinaus in die Freiheit durfte, hatten Kadajs Gedanken bitter ergänzt. Der nicht hier bei ihnen leben und diese Tests über sich ergehen lassen musste.
An diesem Tag, als er seine Brüder kennengelernt hatte, hatte ihre Ausbildung an den Waffen begonnen, um aus ihnen ebenso perfekte Krieger zu machen wie Sephiroth es war. Zwei Jahre später, als Kadaj etwa zehn war, hatten sie zu dritt das Labor geräumt. Es gab keine Wachleute, die ihnen hätten Widerstand leisten können, nur die Wissenschaftler und Schwestern. Die Wissenschaftler mit ihren Notizbüchern und die Schwestern mit ihrem zuckersüßen Lächeln. Sie hatten sie alle getötet, einen nach dem andren. Es war so einfach gewesen und so schön zu sehen, wie sie ihre Akten fallen liessen. Wie gerne hatte Kadaj den Schwestern ihr Lächeln aus dem Gesicht geschnitten. Und immer hatte er die blutige Glasscheibe vor sich gesehen. Sie hatten das Labor abgebrannt und so gut sie konnten ihre Spuren verwischt, bevor sie geflüchtet waren. Als sie sich sicher waren, dass sie nicht verfolgt wurden, hatten sie erst eine Pause gemacht, während der sie ihre Vergangenheit hinter sich gelassen hatten. Aus den drei Namenlosen, die wie Sephiroth waren, waren Kadaj, Yazoo und Loz geworden. Die drei, von deren Existenz keiner wusste mit Namen aus den Geschichten, die man ihnen immer vorgelesen hatte.
