Angst raste durch ihren Körper, ließ sie zittern. Verzweifelt warf sie sich zwischen die beiden Männer, die vor ihren Augen um Leben und Tod kämpften. Um sie.
„Bitte! Hört auf! Bitte!" Ihre Stimme überschlug sich und Tränen stürzten ihre Wangen hinab.
Der Schmerz in seinen Augen war unbeschreiblich. Sie hatte ihn gebrochen, den Mann, den sie liebte, über alles in dieser Welt. Alles Leben schien aus ihm gewichen zu sein. Was hatte sie nur getan?
Feste Hände hielten ihre Schultern gepackt, trieben sie in Richtung der Kerker. Ihre Füße gaben ihr keinen Halt mehr, sie stolperte. Die Wachen zogen sie weiter.
Im Kerker kehrte das Zittern zurück, schüttelte jeden Teil ihres Körpers und ihrer Seele. Verzweifelt vergrub sie ihr Gesicht in ihren Händen. Ihr Armreif berührte sanft ihre Wange.
Der Armreif. Er war ein Geschenk gewesen. Von ihrer ersten großen Liebe. Doch nun war alles zerstört.
Sie riss den Reif von ihrem Handgelenk und schleuderte ihn von sich.
Dann brach Gwen weinend zusammen.
Endlich war Feierabend. Merlin freute sich riesig, besonders, weil er heute wieder mit seinem Kumpel Gwaine durch die Tavernen ziehen konnte. Eigentlich war er nicht besonders trinkfest, aber das machte die Abende irgendwie lustiger.
So, als sie nun zusammen das „Rising Sun" erreichten, waren sie beide ausgesprochen guter Laune. Drinnen war es schon gut voll, also setzten sich die beiden zu ein paar Soldaten, die würfelten und tranken. Gwaine machte sich gleich auf den Weg zur Theke, um zwei Krüge Met zu holen.
„Merlin, trinken wir auf eine gelungene Woche!", rief er, als er zurückkam und sich auf die Bank quetschte. Merlin nahm den Krug und die beiden stießen an.
Den zweiten tranken sie auf Camelot, den dritten auf das gewonnene Würfelspiel, den vierten auf die Freundschaft, den fünften auf die Frauen und an den sechsten konnte sich Merlin schon nicht mehr so recht erinnern.
Die Männer der Tavernenrunde spielten Lug und Trug, würfelten um die nächste Runde Met und Wein oder um die leichten Mädchen. Schließlich, als der Abend schon bedeutend fortgeschritten war, entschieden sie, jeden, der ein Spiel verlor, ein Kleidungsstück ausziehen zu lassen.
Gwaine, der schon nicht mehr besonders sicher auf seinen Füßen stand, befand das als eine wunderbare Idee und Merlin stimmte ihm aus vollem Herzen zu. Er war schon lange nicht mehr so locker und fröhlich gewesen. Dass er beim Anstoßen mit seinem Kumpel die Hälfte des Mets über seine Hose schüttete, störte ihn nicht besonders.
Die ersten Würfel wurden geworfen und schon bald war klar, dass sich der einzige Ritter der Runde zuerst entblättern musste. Dieser Mann hatte ungewaschnene Haare und ein verschwitztes Gesicht. Als er sein Hemd ablegte, offenbarte er eine recht üppige Brustbehaarung. Außerdem hatte er, wie Merlin fand, keine besonders ansehnliche Figur.
Allgemeines Gelächter dröhnte, als sich der Ritter wieder hinsetzte. Wieder wurden die Würfelbecher geschüttelt und über das Schicksal des nächsten Mannes entschieden.
So zog sich der Abend dahin und die Männer immer weiter aus. Gwaine saß nur noch kichernd in seiner Unterbekleidung da und lehnte sich an Merlins Schulter. Der dicke, verschwitzte Ritter trug noch seine Hosen, worüber allseitige Erleichterung herrschte.
Merlin war noch ganz angezogen, aber er ahnte schon, dass das nicht so bleiben würde. Und richtig –Die Würfel fielen und nach recht mühevollem Nachzählen grölte jemand: „He, Dienerbursche. Zeig uns, was unter deinem Halstuch ist. Du bist schon ein Hübscher…" Er verhaspelte sich und hustete.
Grinsend löste Merlin also den Knoten in seinem Nacken und warf das Tuch in die Runde. Doch die Männer gaben sich damit nicht zufrieden, schlugen auf den Tisch und brüllen: „Das Hemd auch! Das Hemd auch!" Also begann er, an der Verschnürung herumzufummeln. Gar nicht so leicht, wenn man immer mal wieder alles doppelt sah. Bald hatte er es geschafft und setzte sich unter lautem Gejohle wieder hin.
Mitternacht war schon lange vergangen, als Merlin mit Gwaine schließlich Arm in Arm die Taverne verließ. Irgendwie hatte er sein Hemd verloren, also ging er oben herum unbekleidet. Aber das machte nichts, die Nachtluft kühlte so schön.
„Merlin…", lallte Gwaine. „Komm, lass uns…uns noch ´n kleinen Schpazier…gang machn." Die Idee klang gut, vielleicht könnte er jetzt noch nicht so gut schlafen, fand Merlin. Also schwankten die beiden hinaus in den Wald.
Nach einer Weile wurde ihnen das Laufen zu langweilig, vor allem jedoch hatte Merlin immer mehr Probleme damit, aufrecht zu bleiben. Also zog er Gwaine mit sich zu Boden, und so blieben sie dort einfach sitzen.
„Guck mal.", sagte der plötzlich, begann, um Merlin herumzukrabbeln und einen Kreis in den Boden zu malen. „Jetzt sitzn wir in nem Zauberkreis."
„Nein, nein, nein", widersprach er. „Zu einem Zauberkreis gehört noch viel mehr." Er stand auf, wankte ein wenig und fügte einen ziemlich schiefen Drudenfuß in der Mitte hinzu. Dann häufte er an jeder Spitze ein paar kleine Steine auf. „Und jetzt", ergänzte er, „brauchen wir noch ein paar Kräuter."
Gwaine nickte und deutete zwischen die Bäume. „Da drübn is der Fluss, vielleicht findn wir da ja n paar gute Kräuter."
Am Fluss pflückte Merlin einige Blätter von einer Pflanze ab und überlegte dann, ob es nicht eine gute Idee wäre, noch ein wenig Wasser mitzunehmen und über den Zauberkreis zu gießen.
Vorsichtig lehnte er sich über das Ufer, weil ihm irgendetwas sagte, dass es nicht gut wäre, jetzt in den Fluss zu fallen. Er formte aus seinen Händen eine kleine Schale und schöpfte Wasser.
Auf dem Rückweg zum Zauberkreis entdeckte er, dass sich das Mondlicht in der Oberfläche seines Wassers spiegelte. Es war Vollmond. Hübsch.
„Guck, jetzt musst du das Wasser über die Steine gießn.", erklärte Gwaine. Merlin tat es, so ordentlich er konnte. „Und jetzt musst du ne Beschwörung sagn."
Merlin überlegte einen Moment und murmelte dann ein paar schaurig klingende Wörter.
„Guut.", freute sich sein Kumpel. „Jetzt könn wir schlafn." Damit war er sehr zufrieden, denn langsam merkte er, wie er müde wurde. Also legten sich die beiden in den Zauberkreis und schliefen ein.
Am nächsten Morgen schien die Sonne sehr hell in Merlins Augen. Das fand sein Kopf überhaupt nicht gut. Stöhnend rollte er sich auf den Bauch, um dem schrecklichen Licht zu entgehen. Dann hörte er ein Brechgeräusch aus einiger Entfernung und hob den Kopf. Gwaine stand da und entleerte seinen Magen ins Gebüsch.
Plötzlich knackte es leise neben ihm. Erschrocken drehte er sich um und sah einen Mann, der sich vor Überraschung nicht einmal Mühe gab, seine Blöße zu bedecken.
