From
the Sewers to the Streets - Von der Kanalisation auf die Straße
von
One Small Monkey
Übersetzung
aus dem Englischen von Obsidian Demon
00. VORBEMERKUNG DER ÜBERSETZERIN
Eigentlich wollte ich diese Übersetzung erst dann öffentlich machen, wenn sie vollständig und in ihrer vollen Länge noch einmal überarbeitet ist. Was bringt mich also dazu, sie bereits zugänglich zu machen, während die letzten fünf Kapitel noch ausstehen?
Zum einen möchte ich endlich in der Lage sein, One Small Monkey mitzuteilen, was ihr von seiner Geschichte haltet. Zum anderen ist dies hier das erste Projekt dieser Größe, mit dem ich mich befasse – und eben die Größe hatte ich unterschätzt. Ich hoffe, aus euren Rückmeldungen Informationen für mein weiteres Vorgehen ziehen zu können - und die Motivation, die ich brauche, um den gesamten Geschichtenkomplex, der hiernach noch folgt, in Angriff zu nehmen.
Ich hoffe, dem Autor und seiner Fanfiction gerecht geworden zu sein.
0. VORWORT
Vor einigen Jahren las ich ein Buch mit dem Titel „Die Glotze – Eine mündliche Geschichte des Fernsehens" von Kristoff Kisseloff (1). Der Autor hatte hunderte Menschen interviewt, die mit der frühen Geschichte des Fernsehens zu tun gehabt hatten – Autoren, Schauspieler, Regisseure, Techniker, Geschäftsleute. Dann schnitt er die Interviews auseinander und kombinierte sie so, dass die Interviewschnipsel die Geschichte des Fernsehens erzählten. Ich fand das Buch faszinierend und war sehr angetan von der sehr ungewöhnlichen Form, die es hatte.
Kurz danach entschied ich, dass ich eine Fanfiction in diesem Stil schreiben wollte – Fanfiction als Non-Fiction, als Sachgeschichte, wenn man so will. Meine Idee war, dass April O'Neil sich vornimmt, ein Buch über die Ninja Turtles zu schreiben, frustriert von den Halbwahrheiten und geradlinigen Lügen die herumschwirren. Als sie aber erkennt, dass eine Geschichte aus ihrer Perspektive auch nur eine andere Meinung wäre, beschließt sie, die Turtles ihre eigene Geschichte erzählen zu lassen. Also plant sie einige Stunden ein, um mit jedem von ihnen einzeln zu sprechen – in ihrem Apartment, nehme ich an. Dann kombiniert sie die Interviews in Form dieser „mündlichen Geschichte". So wird April einige Male angesprochen, spricht selbst aber nie.
Wie es bei Fanfiction nun einmal üblich ist (und bei TMNT Fanfiction im Besonderen), habe ich an der Storyline ein bisschen herumgefuhrwerkt. Meine grundlegende Storyline kombiniert Elemente des Comics, der Trickserie, der Filme und einen kleinen Tropfen meiner ganz persönlichen Ideen und Launen. Splinters Einkommensquelle, Rocksteadys Geschichte, Mondo Geckos Herkunft und so weiter sind nicht im Einklang mit irgendeiner kanonischen Variante. Dennoch denke ich nicht, mich zu weit vom Plot entfernt zu haben, also hoffe ich, nicht allzu viele Leser mit meiner „künstlerischen Freiheit" zu verschrecken. Zwei meiner anderen Geschichten überlappen sich mit dieser: „Grips" (aus Rocksteadys Sicht erzählt) und „Mainstreaming" (die sozusagen das Ende dieser Geschichte als Anfang aufgreift) (2). Wenn ihr diese Geschichte nicht mögt, sind die Chancen als hoch, dass ihr die anderen beiden auch nicht mögt.
I. DAVOR
DONATELLO
Ich glaube, alle Lebensgeschichten fangen damit an, dass jemand sagt: „Er wurde am soundsovielten diesen und jenen Monats in diesem und jenem Jahr da und da geboren." Ganz offensichtlich können wir das nicht sagen. Nun, Splinter kann es, nehme ich an.
MEISTER SPLINTER
Ich wurde am 19. Dezember 1957 in Okinawa, Japan, geboren. Ich wurde Yoshi genannt, nach meinem Großvater.
RAPHAEL
Splinter redet nicht viel über seine frühen Jahre. Als wir groß geworden sind, haben wir ihn immer gebeten, uns Geschichten zu erzählen. Wir wollten hauptsächlich etwas über Japan hören. Er kannte eine ganze Menge Geschichten, aber er hat immer welche über andere Leute erzählt – Geschichte, Legenden, vielleicht dann und wann von jemandem, den er mal getroffen hatte. Er hat uns nie wirklich was von sich selbst erzählt. Natürlich ist Splinter so bescheiden, wie es nur geht, wenn ich jetzt so darüber nachdenke, also ist das nicht wirklich überraschend.
MICHELANGELO
Wir kennen die Grundlagen – wo er herkommt, was er gemacht hat, warum er hierher gezogen ist – aber das war's auch schon. Wenn wir ihn nicht direkt danach fragen, erwähnt er sein Leben in Japan nicht.
DONATELLO
Ich weiß, dass es Dinge in Okinawa gibt, auf die er nicht stolz ist. Er und dieser andere Typ waren beide verliebt in dieselbe Frau – Tang Shin. Er sagte, seine Gefühle hätten ihn mitgerissen – heute ziemlich schwer zu glauben. Ich meine, Splinter ist so ruhig und kontrolliert. Und das Selsame ist – wir wissen es. Aber es gibt sicher noch eine ganze Menge mehr über sein Leben dort zu erzählen, er hat nur nie darüber gesprochen. Alles andere ist ein ziemliches Geheimnis.
MEISTER SPLINTER
Ich bin zurückhaltend geworden mit Erzählungen über mein früheres Leben. Es ist für mein heutiges Ich nicht mehr von Bedeutung. Ich sage einfach, dass ich ein Schüler der Kampfkünste war und dann ein Lehrer. Ein Problem entstand zwischen mir und einem anderen Schüler und ich entschied, dass es das Beste sei, zu gehen.
MICHELANGELO
Eines hat mich schon immer irgendwie gewurmt. Man könnte meinen, ich hätte Splinter mal gefragt, aber ich bin nie dazu gekommen. Was auch immer da vorgefallen ist, er hat beschlossen, Japan zu verlassen und nach Amerika zu kommen. Also warum ist er nicht nach Los Angeles oder San Francisco? Wie ist er in New York gelandet?
MEISTER SPLINTER
Ich hatte gehofft, eine Schule eröffnen zu können – ein Dojo, hier in Amerika und ich... entschied, dass New York dafür der beste Ort sei. Die Stadt hatte die meisten Einwohner, also hatte sie auch die größte Möglichkeit, mir Schüler zu bescheren. (lachend) Wie auch immer meine Talente beschaffen sein mögen, ein ausgeprägter Geschäftssinn gehört nicht zu ihnen.
MICHELANGELO
Ganz offensichtlich ist er, wie viele Leute, die nach New York kommen, voll auf die Nase gefallen. Ein paar Wochen nach seiner Ankunft hatte er kein Geld mehr, keine Wohnung, nichts.
MEISTER SPLINTER
Es war Winter, und die Kälte war mehr als alles, was ich je in Japan erlebt hatte. Ich hatte noch keine dauerhafte Bleibe gefunden. Eines Tages wurde ich überfallen – ein Mann zog ein Messer und verlangte Geld. Ich hatte nichts anzubieten, und in meinem unterkühlten und geschwächten Zustand entschied ich, dass es besser wäre zu fliehen, anstatt zu kämpfen.
RAPHAEL
Ich lasse Splinter die Geschichte auf seine Art erzählen, weißt du, aber ich hab das Gefühl, dass da noch was ist, das er nicht erzählt. Ich meine, man muss ihn kennen um drauf zu kommen, aber Splinter und weglaufen? Mal ehrlich...
MEISTER SPLINTER
Mein Rückzug führte mich eine Gasse hinunter, und als ich dort ankam, entdeckte ich einen geöffneten Kanaldeckel. Ich nehme an es war Karma, doch zu diesem Zeitpunkt nahm ich es nur als möglichen Fluchtweg wahr. Ich kletterte die Leiter hinunter und lief weiter. Etwa eine Minute später bemerkte ich, dass ich nicht mehr verfolgt wurde. Mir wurde außerdem klar, dass es dort unten deutlich wärmer war als über der Erde.
LEONARDO
Offensichtlich wurde die Kanalisation also für ein paar Wochen sein Zuhause. Machte Sinn, nehme ich an. Er musste irgendwo bleiben, und da war sonst niemand.
MICHELANGELO
Wenn man den Geruch ertragen kann, ist es eigentlich nur halb so schlimm.
RAPHAEL
Und – na, so ungefähr zwei Wochen später latscht er da so durch die Kanäle. Er kommt an dieser grünen Pfütze vorbei, und sieht, dass sich auf dem Grund was bewegt.
MICHELANGELO
Wir.
MEISTER SPLINTER
Diese grüne Pfütze faszinierte mich. Die Flüssigkeit schien kein Wasser zu sein, aber im schwachen Licht konnte ich nicht ausmachen, was es sonst sein könnte. Letztendlich hat meine Neugier gesiegt, und ich griff in die Pfütze, um die Wesen, die sich auf ihrem Grund bewegten, zu erreichen, damit ich sehen konnte, was sie waren.
MICHELANGELO
Was uns angeht – keine Ahnung, wo wir herkamen. Wir könnten in Gefangenschaft geschlüpft sein oder in der Wildnis geboren. Splinter sagte, er hätte zerbrochenes Glas um das Mutagen herum gefunden, das hätte also ein Goldfischglas sein können. Irgendwas, in dem wir gelebt haben. (zuckt die Schultern) Wer weiß?
LEONARDO
Dann und wann sagt mal jemand zu uns: „Mann, es muss toll sein, ein Mutant zu sein." Worauf ich dann antworte: „Wohl kaum." Ich meine, vergiss mal den ganzen Mist, mit dem du dich danach befassen musst. Niemand sollte das durchmachen müssen, was wir durchgemacht haben, nur um zu Mutanten zu werden.
DONATELLO
Ich kann die Mutation in einem Wort zusammenfassen - „Schmerz".
MEISTER SPLINTER
Meine Mutation war... außerordentlich schmerzhaft. Ich verlor das Bewusstsein und erlangte es auch eine ganze Weile nicht wieder.
MICHELANGELO
Die meisten Leute verstehen nicht, wie schmerzhaft die Sache war. Obwohl wir noch keine Zusammenhänge erfassen konnten, als es geschah, erinnern wir uns alle an die Schmerzen. Denk mal drüber nach: Du weißt doch, wie weh etwas tut, wenn es plötzlich anschwillt. Nun, unser ganzer Körper – unser Skelett, unsere Muskeln, die Haut, alles – wurde innerhalb von Stunden komplett verändert.
RAPHAEL
Als wärst du plötzlich aus Knetgummi, und jemand zieht und zerrt an dir und knetet dich in eine andere Form.
DONATELLO
Ich habe mich mit Genetik befasst, aber wenn ich an die Mutagene denke, über die ich da gelesen habe, scheint mir keines davon so... übertrieben zu sein wie dieses. Die meisten Mutagene können leichte Deformationen in der DNS der Nachkommen der Betroffenen verursachen. Dieses Zeug war unglaublich potent. Was auch immer es war, es hatte die Fähigkeit, großangelegte Verheerung in der vorliegenden DNS anzurichten, bishin zu sofortiger Veränderung. Es zerhackte sie, spaltete sie auf und kombinierte sie mit der nächsten in Kontakt kommenden DNS.
MICHELANGELO
Wir hatten Glück. Wir haben menschliche DNS von Splinter bekommen. Es hätte auch eine Fliege in die Pfütze geraten können. Oder eine Ratte.
LEONARDO
Wir nehmen an, dass Splinter in der Kanalisation wohl eine Ratte gestreift haben muss. Sonst wäre er eine Schildkröte geworden, wie wir.
MICHELANGELO
Die Mutation war Mist, aber ich denke, dass wir das Beste von beiden Seiten abbekommen haben. Wir hätten auch menschlich aussehen können, aber Schildkrötengehirne haben. Was würde das schon bringen?
LEONARDO
Manche Leute fragen uns, ob wir uns an irgendetwas erinnern, das (Anführungszeichen mit den Fingern) „davor" passiert ist. (zögert, schüttelt den Kopf) Nein.
MICHELANGELO
Manchmal glaube ich, eine Erinnerung an etwas vor der Mutation zu haben. Ich sitze dann herum und starre in die Gegend und ich denke an... ich weiß nicht. In der Sonne liegen oder sowas. Und ich frage mich dann, ob das von davor ist. Aber es ist schwer fassbar. Ich versuche, mich darauf zu konzentrieren, und es verschwindet.
RAPHAEL
Selbst wenn ich mich dran erinnern würde, wozu wär das gut? Ich meine, ich war eine Schildkröte. Was hab ich den ganzen Tag gemacht? Fressen, schlafen, pissen, und von vorne. Es ist nicht so, als hätten Schildkröten irgendeine angeborene Weisheit an die Menschheit weiterzugeben.
(1) Anm. d. Übers.: „The Box – An Oral History of Television"; In Deutschland nicht erschienen.
(2) Anm. d. Übers.: „Grips" und „Mainstreaming" sind beide derzeit noch nicht übersetzt.
