Die Fensterbank
"Wie war das bloß passiert?", fragte sie sich, während sie ihre schlanken Beine auf die Fensterbank zog. Hatte sie nicht alles probiert? Sie hatte ihre haare lang gezaubert, dann wieder kurz, hell, dunkel, blond, braun, rot, pink, türkis, lockig oder glatt, hatte ihren Busen größer gezaubert, dann wieder kleiner...
Und trotzdem schien er sie nicht zu beachten... Wie war das bloß geschehen? Wie konnte man sich nur so sehr in einen Mann verlieben, dass man sich selbst für ihn veränderte? Dass man sein Aussehen verstellte, dass man sich die Fingernägel lackierte, dass man sich verstellte...
Sie sah hinaus und stellte fest, dass es immer noch regnete. Wie sollte es auch anders sein? Es regnete schließlich schon seit tagen. Seit fünf Tagen um genau zu sein und ihre Laune fiel und fiel und fiel.. mit jedem Tag, an dem es regnete.
Sie spürte das kalte glatte Glas an ihrer Wange und eine leichte Gänsehaut breitete sich auf ihrer Wange aus. Ansonsten schien es Sommer im Zimmer zu sein. Sie war gerade erst aufgestanden, war aus ihrem bett gekrabbelt und setzte sich dann, bloß in Shirt und Shorts auf die Fensterbank. Hier saß sie gern. Egal, ob Frühling, Sommer, Herbst oder Winter..
Sie nahm sich ihre Bettdecke und kuschelte sich darin ein. Was sollte sie noch tun? Was konnte sie noch tun? Sie hatte sich mehr als einmal gefragt, ob es einfach daran lag, dass sie unattraktiv war.. zu unweiblich. Doch daran lag es nicht. Sie hatte es noch am selben Abend probiert. Heute, zwei Wochen später, verzweifelte sie fast.
Eine Tonks gab nicht auf. Nicht ihr Vater, nicht ihre Mutter, nein, nicht mal Sirius! Wie konnte sie dann aufgeben?
Sie seufzte und verfolgte einen dicken Regentropfen, der mit den anderen Wasserpünktchen um die Wette lief, immer weiter bergab, an Tonks Fenster entlang. Ähnlich, wie eine ihrer Tränen...
Doch sie nahm sich vor, nicht mehr zu weinen. Nicht für einen Mann! Nicht für irgendeine Person! Sie war Aurorin, und Merlin verdammt, sie würde kämpfen.
Sie sah sich um, beobachtete ihn genau, fragte sich, ob eine Fleur vielleicht Remus J. Lupin um den Finger wickeln könnte... doch das konnte sie nicht.
Wer konnte es dann?
Sie hörte das leise Quietschen der Türe, sah aber nicht auf. Er würde es nicht sein, jeder andere war ihr im Moment egal.
Sie sah weiterhin stur raus, sah die Vogelscheuche der Nachbarn im Regen tanzen, beobachtete die Blumen, deren zarte Blüten von der Wucht des Wasser erschlagen wurde und ein kleines Kind, das sich einen Spaß daraus machte im Regen rumzuspringen. Das konnte glatt sie sein.
Tonks spürte eine warme Hand auf ihrer Schulter und sah überrascht auf, als sich eine warme Tasse Tee in ihr Blickfeld schob. Es war Sirius.
Er lächelte sie besorgt an und sie hob kurz unmerklich die Mundwinkel, jedoch war es kein ehrliches Lächeln mehr.
Ihre Haare waren Braun und vielen ihr über die Schultern, ihre natürlich Gestalt. Sie wollte sich längst mal ihre Haare abgeschnitten haben, doch wer sah es schon, wenn sie ständig ihre Frisuren metamorphmagisch verändern konnte. Niemand.
"Du solltest lächeln, Cousinchen", flüsterte er, doch sie nahm sie die Bedeutung seiner Worte kaum wahr. "Vielleicht später, antwortete sie und zog ihre Beine näheer zu sich heran, sodass er sich zu ihr setzten Konnte. Die fensterbank war breit genug, sodass zwei personen dort Platz haben konnten und er setzte sich neben sie. Auch err hatte seinen Schlafanzug noch an, doch sein Körper war warm. Sie hob die Decke an und er schlüpfte mit darunter. Sie täuschte sich! Seine Füße waren reine Eisklumpen.
"Bist du ohne Schuhe rumgelaufen, Sirius?", fragte sie und spürte seine Füße an ihren.
Er lächelte. "Kann schon sein"
Er legte einen Arm um ihre Schultern und sie lehnte sich dankbar bei ihm an. Er wusste, dass sie verliebt war und er wusste auch, in wen, doch genauso sehr wusste er, dass dieser jemand ziemlich stur war und Tonks nicht an sich ranließ, um ihr nicht zu schaden. Auch wenn er diesem jemand schon sagte, dass er ihr mehr wehtat, wenn er sie zurückwies, als wenn sie von dem Werwolf gebissen wurde. Schließlich liebte dieser Jemand seine Cousine, doch das würde er runterschlucken. Genau, wie alles andere.
"Remus, du spinnst!", hatte er so oft schon gesagt.
"Du verstehst das nicht", kam zurück.
Und er verstand es doch. Remus wollte Tonks nicht verletzten. Er hatte ein Problem mit sich selbst und nicht mit Tonks. Er wollte sie nicht näher kommen lassen, weil er ihr Bestes wollte, und das war garantiert kein armer, alter Werwolf. Dennoch trat er sie damit mit Füßen.
Sie machte sich schon fast lächerlich, wenn sie immer wieder ihre Gestalt veränderte, dabei war doch ihre natürliche, die Beste. Doch die zeigte sie nicht. Nur im Schlaf, wenn sich alles an ihr entspannte und sie so gelassen wirkte, wie ein schwebender Engel im Weltall.
Er streichelte ihre Schultern und sie seufzte leise an seine Brust. "Du solltest nicht mehr so traurig sein", sagte er schließlich leise an ihr Haar. "Das passt nicht zu dir. Du solltest mehr lachen."
Sie lächelte vage und vergrub ihr Gesicht an seinem Shirt.
Egal was war, auf ihren Cousin konnte sie sich verlassen. Sie hielt immer daran fest, dass er unschuldig war! Und sie hatte recht. All die Jahre saß Sirius Black unschuldig im Gefängnis, wurde von seinen Freunden als Verräter, Spion, Spitzel und Mörder beschimpft, doch er gab nicht auf.
"Ich geb mir Mühe, Großer", sagte sie schließlich leise und sie hörte sein Herz klopfen.
"Das ist gut, Kleine".
Tonks merkte gar nicht, dass sie eingeschlafen war, doch sie spürte sanfte Hände auf ihrem Körper. Sirius, der über ihren Rücken streichelte. Wie oft, hatte er sie nun schon getröstet? Eindeutig zu oft.
Und jedes Mal saßen sie auf der Fensterbank...
Sie bekam mit, wie sich Sirius und Remus einmal wegen ihr stritten. Das wollte sie nicht und dennoch ist es geschehen. Daraufhin schimpfte Tonks Sirius aus, obwohl er es gar nicht verdient hatte – er wollte schließlich nur helfen!
"Bist du wach?", fragte seine Stimme leise und sie lächelte sanft.
"Aye, das bin ich."
"Das habe ich mir schon fast gedacht", sagte er und Tonks konnte in seiner Stimme wahrnehmen, dass er grinste. Seine Streicheleinheiten stellten sich ein, dennoch spürte sie seine hand an ihrem Rücken. "Du hast aufgehört zu schnarchen."
"Bitte?" Sie sah ihn so entzetzt an, dass er lachen musste.
"Ja, wusstest du das denn nicht? Das ganze Haus hat dich gehört."
"Das ist ja gar nicht wahr!", protestierte sie, "ich schnarche nicht!"
