Kapitel 1 - Beginn
Langsam trottete ich über den Zebrastreifen. Ich hatte einen anstrengenden Tag hinter mir (unser Sportlehrer erinnerte mich an Jigsaw)
und war reif für eine Erholungskur auf den Bahamas. Ich seufzte. Und rannte prompt gegen einen Laternenpfahl. Mein Fluchen brachte drei Jungs auf der gegenüberliegenden Straßenseite zum Lachen. Wenn Blicke töten könnten, wären die drei vermutlich aus den Latschen gekippt. Genervt setzte ich meinen Heimweg fort – mit starken Kopfschmerzen.
Nachdem ich meinen Schlüssel stundenlang im Ranzen gesucht und schließlich in der Jackentasche gefunden hatte, schloss ich die Haustür auf und ging ins Haus. In unser relativ großes Haus. Es war ungefähr so groß wie das Museum von nebenan. Das Museum der Stadt Meruna. Tief in Gedanken ging ich die Treppen hinauf (stolperte dabei über meine eigenen Füße und holte mir einige blaue Flecke am Schienbein) und verschwand in meinem Zimmer. Jetzt erstmal ausruhen und...
Juliet! Bist du da? Meine Mum ist echt nervig. Wahrscheinlich denkt ihr jetzt:"Klar, meine auch..."-vergesst es. Meine ist schlimmer. Sie hat mir den Namen Juliet gegeben, weil sie Romeo und Julia so toll findet, und da ...ja alle Frauen ihre Töchter Julia nannten, nannte ich meine eben „Juliet",
eine Abwandlung von Julia. Das bindet sie jeder Person (selbst der Briefträger weiß es schon) auf die Nase. Ja, Mum, ich bin gerade nach Hause gekommen und möchte mich... Super! Könntest du heute vielleicht... Aber da hörte ich ihr schon nicht mehr zu. Ich brauchte jetzt Entspannung. Entnervt setzte ich mich an meinen Flügel und spielte. Sofort ging es mir besser. Ich spielte noch ein wenig und ging dann ins Bett. Es war erst sechs, doch das war mir egal. Ich spürte, dass ich Unmengen von Schlaf brauchte. Kaum hatte mein Kopf das Kissen berührt, da schlief ich auch schon ein.
Juliet, aufwachen!Aufwachen! Schläfrig sah ich Mum ins Gesicht. Was'n los?
Du hast verschlafen. Was?
Du. Hast. Heute. VERSCHLAFEN! Ich sprang aus dem Bett, stürzte ins Badezimmer (wurde dabei von 23 Dienstmädchen blockiert, die alle gleichzeitig Guten Morgen! riefen - manchmal sind die so synchron, dass es schon fast unheimlich ist), machte mich fertig und nach 10 Minuten stand ich an der Bushaltestelle. Das Problem: allein. Na gut, nicht ganz alleine. Neben mir stand ein wahnsinnig gut aussehender Typ. Hatte ich etwa von einem Problem geredet???
Der Junge war ca. 1,75m groß, schlank, aber gut gebaut und - wunderschön. Er hatte schwarze Haare, die ihm bis unter die Ohren gingen und aussahen, als hätte er vergessen, sie nach dem Aufstehen durchzukämmen und sein schiefes Lächeln war nicht zu perfekt – und gerade das machte ihn so perfekt. Als er mich ansah (seine Augen waren dunkelgrün - es waren aber auch rote Sprenkel darin zu erkennen, was echt cool aussah), blieb mir für einen Moment das Herz stehen. Du hast deinen Bus verpasst, hm? Seine Stimme war…. wundervoll. Sexy, aber trotzdem so sanft, so klar! Stop. Ich merkte, das ich zusammenklappen würde, wenn ich mich weiterhin so verrückt machte. Ruhig bleiben. Es war doch nur ein Junge! Ja, er sah umwerfend aus, aber sicher hatte er deswegen auch eine umwerfend hübsche Freundin. Ich lächelte ihn an.
Sieht so aus!, antwortete ich ihm.
Ich bin Romeo., sagte er. Und ich bekam einen Lachanfall. Er zog eine Schnute. So lustig ist das nun auch wieder nicht. Als ich ihm erzählte, wie ich heiße und was es mit meinem Namen auf sich hat, musste auch er lachen. Romeo. Juliet. Ich ertappte mich dabei, zu denken, das wir sicher gut zusammenpassen würden. Das war totaler Quatsch. Ich hatte blonde Haare, er schwarze, ich hatte dunkelblaue Augen, er dunkelgrüne, ich war unscheinbar, er hatte eine unglaubliche Ausstrahlung, ich war unbeholfen, er charmant. Moment mal. Was tat ich da eigentlich? Ich hatte Romeo gerade kennen gelernt und versuchte schon, Zusammenhänge zwischen uns zu finden. Lag wohl daran, das er Romeo hieß und ich Juliet.
Er riss mich aus meinen Gedanken. Wenn du willst, kann ich dich mit zu den Schulen im Stadtviertel Kirier nehmen - ich vermute mal, das du da hin musst, ich war nämlich gerade auf dem Weg zu... einer Mitfahrgelegenheit. Erstaunt blickte ich ihn an. Wirklich? Er lächelte. Wirklich. Kommst du also mit?
Klar. Wohin denn? Das siehst du, wenn wir da sind.
