Prolog

Loki POV

New York war eine laute, überfüllte und schmutzige Stadt, so wie alle Menschenstädte, in denen ich bisher gewesen war. Washington DC war auch nicht besser gewesen. Was fand mein Bruder nur an diesen Menschen? Das einzig Gute an ihnen war, dass sie sich leicht beeinflussen ließen, wie dieser Wissenschaftler, mit dem Thor sich angefreundet hatte. Es war ein Kinderspiel gewesen. Für einen der intelligentesten Vertreter dieser Rasse war sein Geist sehr leicht zu unterwerfen gewesen. Eine Enttäuschung, wie alle Menschen, aber er würde mir noch gute Dienste leisten. Ich lief durch die Straßen, die bald mir gehören würden. Mit dem Tesserakt würde ich die Weltherrschaft an mich reißen. Ich musste nur noch ein wenig an meinem Plan feilen, damit auch nichts schief gehen würde. Schließlich musste ich damit rechnen, dass mein unsäglicher Bruder sich wieder einmischen würde. Schon allein um seine geliebte Menschenfrau zu beschützen. Schwächling! Er würde nie wahre Größe erreichen, wenn er sein Herz an jemanden hängte. In diesem Augenblick, da ich einen Moment lang nicht darauf achtete, wohin meine Füße mich trugen, prallte ich mit einer Menschenfrau zusammen. Sie landete fluchen auf dem Boden. Geschah ihr recht! Immerhin hatte sie den Anstand sofort vor mir zu Boden zu gehen. Dennoch war ich äußerst verärgert. Schließlich war ich ein Gott, sie sollte vor mir niederknien und sich entschuldigen. Da sie aber offenbar nicht bereit war, ihren Fehler einzusehen, sah ich mich gezwungen sie zu recht zu weisen: „Passt auf, wo Ihr hintretet, Mensch!" Tadelnd schüttelte ich den Kopf und ging an ihr vorbei. Sie war meiner nicht würdig!

Rebecca POV

„Und hier ist die Abteilung für Naturwissenschaften.", erklärte mir die Bibliothekarin. Demnächst sollte ich meinen Halbtagsjob hier antreten. Irgendwie musste ja Geld in die Kasse kommen, um die Wohnung, die ich mit meiner Freundin Sophie gemietet hatte, bezahlen zu können. Wir waren vor drei Wochen nach New York gezogen, wo wir ein Auslandjahr verbringen würden.

„Ihr Platz wird da vorne an der Rezeption sein. Sie passen auf, dass keiner Bücher mitgehen lässt oder Essen und Trinken in den Lesesaal bringt. Außerdem helfen Sie bei etwaigen Problemen. Haben Sie noch Fragen?", wollte sie wissen.

„Im Moment nicht, danke.", antwortete ich. Ich würde mich hier erstmal zurechtfinden müssen. In Stuttgart war mir der Aufbau der Unibibliothek schon in Fleisch und Blut übergegangen, aber hier … . Als ich das Gebäude verließ, klingelte mein Handy. Sophie war dran: „Hey Rebecca! Was wollen wir zu Abend essen? Soll ich uns Pizza mitbringen?"

„Oh ja, Pizza hört sich gut an.", stimmte ich ihr zu. Während ich die Straße entlangging und überlegte, welche Pizza ich gerne hätte, achtete ich nicht darauf, wohin ich lief oder, ob irgendwelche Hindernisse in meinem Weg befanden. So begab es sich zu der Zeit, da ich mit Sophie telefonierte, dass ich volle Kanne in einen Kerl rannte. Ich fluchte, als ich unsanft mit meinem Hinterteil auf dem Asphalt landete. Der Typ schien auch nicht gerade begeistert zu sein über unseren Zusammenstoß, denn er herrschte mich an: „Passt auf, wo Ihr hintretet, Mensch!" Anschließend schüttelte er missbilligend den Kopf und ging weiter.

Der sprach ja komisch, dachte ich mir. Aber er sah verdammt gut aus. Schade, dass er so unfreundlich war.

„Erde an Becky! Bist du noch da? Alles okay?", drang Sophies Stimme plötzlich wieder an mein Ohr und holte mich in das Hier und Jetzt zurück.

„Ähm, ja alles klar", beschwichtigte ich sie, während ich mich wieder aufrappelte.

„Ich hätte gerne eine Pizza Spinaci.", entschied ich spontan.

„Okay, das war jetzt ein äußerst abrupter Themenwechsel.", bemerkte meine Freundin, „Wir reden später nochmal darüber." Damit verabschiedete sie sich und ich machte mich auf den Weg zu unserer Wohnung.

Sophie POV

Ich betrat den Trainingsraum. Nach mittlerweile drei Wochen hatte ich mich einigermaßen an meine Umgebung gewöhnt. Ich stellte mich zu den anderen an die Stange, wo wir noch auf zwei Nachzüglerinnen warteten. Dann begannen wir mit dem Aufwärmtraining.

Nach der Stunde bereitete ich mich schon mal geistig auf den Muskelkater vor, der mich erwartete. Das war nun mal der Preis, den man dafür bezahlte, eine professionelle Balletttänzerin zu sein. Da hatte es Rebecca mit ihrer Tiermedizin leichter. Ich hoffte nur, dass sie keine heimatlosen Tiere in unsere Wohnung bringen würde, um sie wieder gesund zu pflegen. Als Kind hatte sie nämlich eine Phase, in der sie das ständig tat. Apropos Rebecca, ich sollte sie fragen, was sie heute Abend essen wollte. Also rief ich sie auf dem Handy an und hoffte, dass ihre Einführung in die Bibliothek schon beendet war. Nach dem dritten Klingeln ging sie ran: „Hey Rebecca! Was wollen wir zu Abend essen? Soll ich uns Pizza mitbringen?"

„Oh ja, Pizza hört sich gut an.", pflichtete sie mir bei. Hey, wer stand nicht auf Pizza?

„Und was willst du drauf?", fragte ich sie. Es folgte ein langes Schweigen und dann eine Flut von Beschimpfungen, die ich jedoch nur undeutlich hören konnte.

„Erde an Becky! Bist du noch da? Alles okay?", sprach ich sie beunruhigt an.

„Ähm, ja alles klar", behauptete sie, doch ich konnte hören, dass sie irgendwie verwirrt war.

„Ich hätte gerne eine Pizza Spinaci.", beantwortete sie meine erste Frage vollkommen unvermittelt.

„Okay, das war jetzt ein äußerst abrupter Themenwechsel.", befand ich, entschied aber, dass diese Angelegenheit bis zum Abendessen warten konnte. Ich besorgte also die georderte Pizza und machte mich auf den Weg zur U-Bahn. Als ich zu Hause ankam, hatte Rebecca bereits den Tisch gedeckt. Sie war ja so pflichtbewusst. Ganz im Gegensatz zu mir.

„Also, was war vorhin am Telefon?", siegte meine Neugier.

„Was meinst du?", fragte sie betont unschuldig. Die meisten nahmen ihr diese Masche auch ab. Zum Glück wusste ich es besser.

„Rede!", forderte ich.

„Warum sind heute alle so grob zu mir?", beschwerte sich meine Freundin.

„Wer war denn noch gemein zu dir?", verlangte ich zu erfahren. Sie konnte sich ja wohl nicht ewig herausreden.

„Da war dieser Typ. Als ich mit dir telefoniert habe, bin ich mit ihm zusammengestoßen und er hat sich gleich total aufgeregt.", schilderte sie das Geschehen.

„Was für ein Typ? Details bitte!"

„Er sah ja schon gut aus, aber keine Manieren." Das war nicht sehr ausführlich. Doch offenbar fiel auch Rebecca auf, dass ich Details verlangt hatte, also fuhr sie fort:

„Er war groß und schlank, hatte schwarzes Haar. Genaueres habe ich auch nicht gesehen, da er ziemlich schnell weiter gegangen ist. Aber das ist ja auch egal. Ich werde ihn sowieso nie wieder sehen. Um ehrlich zu sein, will ich es auch nicht, so wie er sich benommen hat!"