Disclaimer: Alle Rechte an Harry Potter liegen bei Joanne K. Rowling und ihren Vertragspartnern. Dies ist eine nichtkommerzielle Veröffentlichung und keine Verletzung des Copyrights ist beabsichtigt. Diese Übersetzung geschieht mit Erlaubnis der Autorin Jagged Epiphany.

Ü/N: Willkommen zu meiner letzten Übersetzung einer Story von Jagged Epiphany! Informationen zum Fortschritt sowie zu zukünftigen Projekten finden sich auf meinem Profil.

Updates für Sugar and Spice: wöchentlich.


Prolog

Alicia Spinnet duckte sich hinter ein Bücherregal. Sie presste sich gegen die langen Reihen staubiger Bücher und schob sich daran entlang, wobei sie versuchte möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen. Nicht, dass es viel ausmachte. Die Bücherei war eigentlich leer. Alle waren in Hogsmeade.

Jetzt bleibt die Frage, warum Alicia wie ein zweitklassiger russischer Spion in der Bücherei rumschlich? Die Antwort war einfach.

Harry Potter.

Der Junge, der Überlebte.

Dieser dünne Teenager mit der Brille.

Nennt ihn, wie ihr wollt, er war jedenfalls für Alicias ungemütliche Situation verantwortlich. Nicht wissentlich, natürlich. Harry war nicht der Typ, der absichtlich ungemütliche Situationen hervorrief. Obwohl Du-weißt-schon-wer und einige Slytherins da sicher anderer Meinung wären.

Oh! Da war er!

Alicia schreckte schneller zurück als Neville, wenn die Weasley-Zwillinge ihm Essen anboten. „Das war zu knapp", murmelte sie bei sich, während Harry den benachbarten Gang hinunterschlenderte, ohne ihr auch nur einen Blick zuzuwerfen.

Es war entwürdigend, ehrlich. Alicia war Schulsprecherin. Warum musste sie das Hogsmeade-Wochenende verpassen? Jetzt genossen Katie und Angelina wahrscheinlich gerade eine Flasche Butterbier in den Drei Besen. Fred, George und Lee waren sicher dabei ihren Vorrat an Stinkbomben bei Zonkos aufzufüllen.

Alicia saß in Hogwarts fest. Sie folgte Harry seit mehr als einer Stunde und es wurde langsam ziemlich lästig. Für einen solch bekannten Helden hatte er ein wirklich langweiliges Leben.

Apropos Harry...

Wohin war er jetzt verschwunden? Alicia spähte den Gang hinab, in dem Harry noch Momente zuvor gestanden hatte. Fantastisch. Sie hatte ihn verloren. Merlin allein wusste, wohin er sich dieses Mal verzogen hatte. Professor Dumbledore würde einen totalen Anfall kriegen, wenn Harry es wieder schaffte sich aus dem Schloss zu schleichen.

„Warum folgst du mir?"

Alicia zuckte vor Schreck zusammen und stieß sich dabei den Ellbogen an einem Regal. Fast widerwillig drehte sie sich um. Es war Harry. Aber das hatte sie schon gewusst, bevor sie ihn gesehen hatte. Nachdem sie fünf Jahre mit ihm in einem Quidditchteam gewesen war, erkannte sie seine Stimme sofort.

„Hi Harry. Schön dich hier zu sehen", lächelte sie unschuldig. Harry ließ sich jedoch nicht so leicht ablenken.

„Alicia, ich bin dir im Gemeinschaftsraum begegnet, in der Großen Halle, auf dem Quidditchfeld und jetzt in der Bibliothek. Ich weiß nicht, wie du das siehst, aber mir kommt das ein bisschen merkwürdig vor."

„Zufall?" Alicia rieb sich den Ellbogen.

„Wirklich? Das scheint ja ein riesiger Zufall zu sein." Der Fünfzehnjährige verschränkte die Arme vor der Brust.

„Das muss ich mir nicht antun", stöhnte Alicia und schob sich eine Strähne ihrer braunen Haare hinters Ohr. „Dumbledore kann seine Drecksarbeit alleine machen."

„Dumbledore hat dich gebeten, ein Auge auf mich zu haben", sagte Harry, als ihm ein Licht aufging.

„Er denkt, dass ich eine Art Babysitter bin. Als ob ich nichts Besseres zu tun hätte, als dir den ganzen Tag zu folgen", beschwerte sie sich. Harry hob fragend die Augenbrauen. „Oh, das soll keine Beleidigung sein, Harry. Ich wäre nur lieber gerne in Hogsmeade."

„Ich auch", sagte er als nickend. Harry war es nicht erlaubt worden zu gehen, weil Dumbledore und Co glaubten, dass er dort im Freien Opfer einer Todesserattacke werden könnte. Ehrlich, es war, als ob sie glaubten, er wäre aus Glas.

Alicia sah verlegen auf ihre Füße. Sich während des Trainings mit ihm zu unterhalten war ja schön und gut, aber was hatten sie einander sonst zu sagen? Harry war derjenige, der das Schweigen brach.

„Tja, ich verspreche dir, dass ich in der Bücherei bleibe und mich brav verhalte, also kannst du genauso gut für die letzten paar Stunden nach Hogsmeade gehen. Es ist doch sinnlos, wenn beide von uns den Spaß verpassen, nur weil ich wie ein Magnet Ärger anziehe."

Alicia lächelte dankbar und wollte gerade gehen, als sie einen Blick aus Harrys leuchtenden, grünen Augen auffing. Irgendwas ließ sie mitten im nächsten Schritt innehalten.

„Hey, sag mal, wie wär's, wenn ich dir Gesellschaft leiste?", bot sie an.

„Nein, danke. Ich komm schon klar allein."

„Nichts da." Alicia machte eine wegwerfende Handbewegung. „Außerdem wird Hogsmeade sowieso total überbewertet."

Harry wurde langsam verärgert und ungeduldig. „Ich brauche niemanden, der auf mich aufpasst."

Alicia musste gegen ihren Willen grinsen. „Ja, ich glaube, dass hast du mehr als einmal bewiesen."

„Warum hast du mir dann nachspioniert?"

„Weil Dumbledore mich gebeten hat, ein Auge auf dich zu haben. Und du weißt, wie überzeugend er sein kann. Also habe ich mir gedacht, dass ich genauso gut der Welt einen Gefallen tun und unseren Wunderknaben beschützen kann."

„Wunderknaben?" Harry sah sie finster an.

„Entspann dich, das war nur ein Witz."

Harrys Mundwinkel zuckten. „Ich wusste nicht, dass Schulsprecherinnen Witze machen dürfen."

„Oh, dürfen wir." Sie drehte sich um und ging davon. Harry fühlte sich merkwürdigerweise verpflichtet, der älteren Schülerin zu folgen, also eilte er ihr nach. Sie führte ihn durch das Labyrinth aus Bücherregalen zu den Tischen, die zum Arbeiten gedacht waren. Als erstes schien sie sich ihres Verfolgers gar nicht bewusst, doch dann setzte sie sich im Schneidersitz auf einen Tisch und drehte sich zu ihm um. Harry stand nur da, ziemlich verloren aussehend.

„Ich beiße nicht oft", sagte Alicia sanft. Harry errötete und stolperte zu ihr rüber, um sich mit baumelnden Beinen auf den Tisch zu setzen.

Die beiden saßen für ein paar Augenblicke schweigend da, bevor Alicia plötzlich ohne Warnung zu kichern begann. Harry warf ihr einen überraschten Blick zu. „Was ist los?"

„Ich habe nur gerade gedacht", sagte sie schulterzuckend, „dass ich alleine mit Harry Potter in der Bibliothek bin."

„Und?"

„Weißt du, wie viele Mädchen töten würden, um jetzt an meiner Stelle zu sein?"

„Bitte nicht schon wieder der Müll." Harry verdrehte die Augen.

„Wenn ich einer deiner Groupies wäre, dann würden meine Hände nicht untätig im Schoß liegen, Süßer", erwiderte sie gelassen.

Harry errötete wieder. War es heute irgendwie ungewöhnlich heiß in der Bibliothek? Wohl kaum, aber Alicia hatte ihn Süßer genannt. Das hatte sie noch nie getan. Daran hätte er sich erinnert.

Alicia wurde es selbst ein wenig warm und ungemütlich. Sie flirtete mit einem Minderjährigen. Sie könnte nach Askaban gesperrt werden und womöglich von einem Mob aus Teenie-Fans gelyncht werden

Doch es war nur wie ein Kniesehnenreflex gewesen – eine unbewusste Handlung. Sie war schließlich nicht jeden Tag alleine mit einem süßen Jungen. Und Harry war süß. Das konnte Alicia nicht leugnen. Sie hatte ihn oft aus der Ferne bewundert, wie man ein Bild bewundern würde. Harry jetzt so nahe und persönlich zu sehen, ließ ihn in einem gänzlich anderen Licht erscheinen. Er war nicht länger eine entfernte Gestalt. Er war real.

Und er saß neben ihr.

Harry erwischte sie aus dem Augenwinkel beim Starren. Ihr weiches, braunes Haar fiel ihr über die Schulter und ihre blauen Augen waren nachdenklich. Er hatte nie bemerkt, wie hübsch sie war. Okay, vielleicht hatte er es doch. Aber nur ein- oder zweimal.

Die Stille wurde ihm zu viel und er wandte sich ganz zu ihr um. Ihre Augen trafen sich für einen Augenblick. Alicia beugte sich näher, bis ihre Nasenspitze beinahe seine berührte. Harry schluckte und versuchte, ruhig zu bleiben. Leichter gesagt als getan, wenn Alicia Spinnets Lippen nur wenige Zentimeter von seinen entfernt waren.

„Weißt du, Harry", sagte sie, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern, ihr Atem über sein Gesicht streichend, „wenn das hier ein schnulziger Muggelfilm mit Hugh Grant in der Hauptrolle wäre, dann müsste ich dich jetzt küssen."

Harry konnte nicht antworten. Alicia lächelte unschuldig und lehnte sich zurück. „Zum Glück für dich ist das hier kein Film."

„Jep, zum Glück für mich", murmelte er.

„Was hältst du davon, wenn wir ein bisschen den Quaffel durch die Gegend werfen?" Alicia rutschte vom Tisch.

„Äh, klar."

Harry und Alicia verbrachten den Rest des Tages zusammen. Es gab keine ‚Beinahe-Küsse' mehr und Harry war im Stillen sehr dankbar. Er versuchte noch immer, über den ersten hinwegzukommen. Sie hätte ihn nicht geküsst... oder?

Harry grübelte gerade darüber nach, als der Rest der Schule zurückkam. Hermine und Ron setzten sich auf die freien Plätzen zu beiden Seiten von ihm und Harry bemerkte sie erst, als Hermine ihm auf die Schulter tippte.

„Alles klar mit dir, Kumpel?" Ron runzelte besorgt die Stirn.

„Mir geht's gut."

Ron und Hermine tauschten hinter seinem Rücken skeptische Blicke, dann gaben sie ihm ein paar Süßigkeiten aus dem Honigtopf und warf ihm mitleidige Blicke zu.

„Wie war dein Tag?", fragte Hermine schließlich.

„Dumbledore hat mich verfolgen lassen. Anscheinend bin ich fluchtgefährdet", erklärte er kurz angebunden, seine Wut wieder aufsteigend.

„Das muss schrecklich gewesen sein", sagte Hermine. „Wen hat er dazu überredet dir zu folgen?"

„Alicia Spinnet", grunzte Harry.

Rons Augen wurden groß. „Oh ja, ich kann sehr gut verstehen, dass das unerträglich gewesen sein muss. Ich hasse es, wenn hübsche, ältere Mädchen mir nachlaufen."

„Ron!"

Harry musste ein Lächeln verstecken, während Hermine Ron ausschimpfte. Er würde nicht sagen, dass es völlig unerträglich gewesen war...