Titel: Hên en anor
Autor: Eowyn29 (Kathi) und Mirenithil (Lily)
Rating: ab 12
Genre: Drama, Action
Warnungen: Einige Kapitel kratzen an der Grenze zu „ab 16".
Sonstiges: „Hên en anor" heißt übersetzt „Kind der Sonne". „POV" bedeutet „Point of View", also Sichtweise.

Disclaimer:

Die Rechte an allen bekannten Figuren, Orten, Gegebenheiten usw. liegen bei Tolkien und seinen Erben. Diese Geschichte wurde von Fans für Fans geschrieben; wir verfolgen keine finanziellen Interessen damit.


Die Geschichte einer lang verlorenen Liebe: Einige Jahre nach dem Ringkrieg besucht Legolas seine Eltern im Düsterwald... seltsame Dinge geschehen, Gerüchte keimen auf – und plötzlich scheint das einzige Volk, dem er noch vertrauen kann, das der Zwerge zu sein...


Hên en anor

Prolog (Legolas' POV von Mirenithil)

Die Sonne hatte gerade ihren höchsten Stand erreicht, brannte unbarmherzig vom klaren hellblauen Himmel herab auf den Wald der grünen Blätter.

Nachdenklich trat ich aus meinen kühlen Gemächern hinaus auf den Balkon. Hitze schlug mir entgegen, trockene Sommerluft umwehte mich. Doch diese leichte Brise schaffte kaum Linderung – solch einen heißen Sommer hatte ich selten zuvor erlebt in diesen Wäldern. Schon seit Wochen hatte es nicht mehr geregnet, nicht eine winzige Wolke zeigte sich am Himmel. Dennoch trugen die Bäume noch kräftiges Grün, blühten die Rosengärten noch in voller Pracht. Es brauchte schon mehr als einen Sommer, um Eryn Lasgalen zum Verdursten zu bringen... dieser Gedanke zauberte ein feines Lächeln auf meine Lippen. Weit hatten wir es gebracht in den letzten Jahren, hatten aus einem sterbenden, schattendurchzogenen Wald eine blühende Quelle des Lebens gemacht – und wir, die Elben, die Bewohner des Waldes, würden diesen neu gefundenen und geschaffenen Schatz am Leben erhalten, mit aller Kraft, die noch in uns wohnte.

Ich trat noch ein paar Schritte auf das schmiedeeiserne, efeuberankte Geländer zu und warf einen Blick nach unten, in die Gärten der Feste. Rosen in allen Farben und Formen wuchsen dort, überwucherten Mauern und Geländer, Wege und Brunnen, als hätten sie es seit Jahrtausenden getan. Dabei wucherten hier vor dreißig Jahren nur Disteln, Brombeeren und anderes Gestrüpp. Jetzt erinnerte nichts mehr daran. Bedächtig, Stufe um Stufe, ging ich eine weite, aus Stein gemeißelte Treppe hinab, wandelte durch tiefrote und weiße Rosen, die einen angenehm schweren Duft verströmten.

Inmitten dieser Rosen, die in meinen Augen ein Zeichen unserer wieder gewonnenen Freiheit waren, inmitten dieser Rosen fand ich, wonach ich suchte... einen Brunnen.

Langsam ließ ich mich auf seinem mit steinernem Efeu verzierten Rand nieder, fuhr mit einer Hand durch das kühle, dunkle Wasser, genoss für einen Moment die Ruhe und den Frieden um mich herum. Gestern Abend erst war ich zurückgekehrt aus Ithilien, wo ich lebte seit dem Ende des Ringkrieges. Die letzten Jahre waren schwer gewesen für mich, groß die Last der neuen Verantwortung auf meinen Schultern. Noch besaß ich nicht diese Gelassenheit, mit der mein Vater sein Reich regierte nach all den Jahren seines Lebens und seiner Herrschaft. Diese kurze Zeit der Besinnung würde mir gut tun, hoffte ich, in der Heimat, die ich trotz allem noch so sehr liebte.

Ich beugte mich leicht vor, um auf der glatten Wasseroberfläche die Spiegelung des Himmels betrachten zu können. Einige Strähnen meines Haars fielen mir über die Schulter, schillerten im Licht wie flüssiges Gold. Ich stutzte und sah genauer hin.
Bildete ich es mir ein? Oder war es real, das Leuchten, das mich mit einem Mal zu umgeben schien? War es nur eine Ausgeburt meiner Fantasie, der feine goldene Schimmer, der sich über die Rosen und Wege legte, über den Brunnen und jeden einzelnen Stein, der mich umgab...?

Ich schüttelte energisch den Kopf und riss mich von dem Anblick im Wasser los. Wie kam ich zu solchen Gedanken? Wie kam ich dazu, solche Bilder im Wasser zu sehen... und falls ich sie wirklich gesehen hatte, was hatten sie zu bedeuten? Was bedeutete ein goldener Schleier aus Licht, der sich über meine Umgebung legte, als wäre alles in meiner Reichweite ein Teil von mir...?

Und dennoch... ich erinnerte mich an die Erzählungen meiner Eltern in diesem Moment, in dem ich aufsprang, verwirrt und ungläubig, irritiert von dem, was gerade eben geschehen war. Erinnerte mich an ihre Worte, an ihre ratlosen Blicke und Gesten wenn sie dachten, ich sähe es nicht. Als wäre es gestern gewesen, klangen ihre Worte in meinem Kopf. Als stünden sie neben mir, sah ich ihre Gesichter.

War es nicht ein Sommer gleich diesem gewesen...?

Der Sommer, in dem ich zum ersten Mal das Licht Ardas erblickte...

... und das Licht der Sonne mich.

Wird fortgesetzt...