"Mama", rief er erfreut, rannte zu ihr und ließ sich umarmen. Endlich war die Schule für heute vorbei. Auch hatten sie heute Freitag, dass hieß, er hatte noch zwei Tage Ruhe und wurde nicht gehänselt und beworfen. Glücklich klammerte er sich an die Hüfte seiner Mutter und seufzte leise. "Haha, seht mal, das Babymonster sucht Schutz bei seiner Mama! Wie süüüß!", rief einer seiner Mitschüler hinter ihm. Inuyashas Ohren zuckten sachte, aber er erwiderte nichts, sondern versuchte die Stimmen zu ignorieren, die ihn verspotteten. "Hundekind, Hundekind!", spotteten mehrere Kinder im Chor und liefen die Straßen entlang, weil auch sie nach Hause wollten. Nur ein Mädchen blieb stehen und sah zu ihm und seiner Mutter hinüber. Sie ging in seine Parallelklasse und er kannte sie nicht. Er sah zu ihr und hatte seine Hände immer noch in den Rock seiner Mutter geklammert. Das Mädchen hatte schwarze, lange Haare und braune, sanfte Augen. Inuyasha wusste ihren Namen nicht, sie nicht seinen. Beide sahen sich eine Weile an und er konnte keine Feindlichkeit in ihren Augen sehen. Keine Verachtung für ihn, nichts.. nur Freundlichkeit. Sie war kleiner als er, dass konnte er abschätzen. Ihr Rock war hellgrün und die Schleife an ihrem Oberteil ebenfalls. Der Rest war schlicht in weiß gehalten. Nun hob sie ihre Hand und winkte ihm zu. Inuyashas Augen weiteten sich erstaunt, dann sah er sich irritiert um. Wen meinte sie? Als er wieder zu ihr sah, war sie verschwunden. "Na nu?", entwich es seinem Mund erstaunt. "Sie wurde gerade von ihrer Mutter abgeholt, Inuyasha.", meldete sich seine Mutter lächelnd zu Wort, die ihren Sohn und das Mädchen neugierig gemustert hatte. "Wer war denn die junge Dame?", fragte sie nach einer Weile. "Ich kenne sie nicht, Mama.", antwortete er leise und blickte zu ihr auf. Inuyasha hoffte, dass er das Mädchen am Montag wiedersehen würde, wusste aber auch, dass er zu schüchtern sein würde, sie anzusprechen. Außerdem würden die anderen aus der Schule sie dann ebenfalls ärgern, weil sie mit ihm redete. Doch er verwarf den Gedanken schnell wieder. Er traute nur seiner Mutter, keinem anderen Menschen. Auch keinem Dämon. Nur seine Mutter war ihm wichtig, nichts weiter.
Seine Mutter setzte ihn auf den Beifahrersitz und schnallte ihn sorgfältig an. Dann stieg sie selber auf der Fahrerseite ein und gurtete sich an. In Gedanken ging sie die Einkaufsliste noch einmal durch, als sie den Motor startete und langsam vom Parkplatz der Schule fuhr, um sich in den regen Straßenverkehr von Tokio einzuordnen. Inuyasha saß aus dem Fenster und beobachtete die Menschenmassen, die sich durch die Einkaufspassagen drängten. Ihm war es hier viel zu laut und zu stickig, aber das sagte er seiner Mutter nie, denn sie liebte diese Stadt. Hier war sie unter Menschen und fühlte sich wohl. Sie wohnten allerdings außerhalb der Hauptstadt, auf dem Lande. Dort war es ruhig und kein weiterer Mensch lebte dort. Nur er mit seiner Mutter zusammen in einer großen Hütte, die sowohl mit Strom, als auch mit Wasser versorgt wurde. Seine Mutter arbeitete, wenn er in der Schule war. Welchen Beruf sie genau hatte, wusste er allerdings nicht genau. Es hatte aber irgendwas mit Blumen und so einem Zeugs zutun. Soviel wusste er jedendalls. Seine Mutter parkte bei einem großen Supermarkt und stieg dann aus. "Inuyasha, ich bin gleich wieder da. Ich muss uns noch ein paar Vorräte besorgen, es dauert auch bestimmt nicht lang. Im Handschuhfach sind ein paar Süßigkeiten, wenn du schon Hunger hast. Bedien dich nur, aber iss bitte nicht zuviel, es gibt Mittag, sobald wir zu Hause sind, okay?", lächelte seine Mutter ihn an. Er nickte brav. "Geht okay, Mama. Ich warte hier auf dich.", stimmte er zu und sah, wie sie die Autotür schloß und nach Umschauen über die Straße lief, um zum Supermarkt zu gelangen. Sie parkte nie auf dem ansässigen Parkplatz, denn dann würden die Menschen ihn wieder nicht in Ruhe lassen. So ärgerte ihn keiner. Also saß er da und wartete. Nach etwa fünf Minuten wurde ihm langweilig und er schaute ins Handschuhfach, um sich ein wenig Süßes zu nehmen. Es waren Gummibärchen da. Seufzend nahm er sich eine Hand voll und suchte sich die roten heraus, die nach einer Studie von Haribo am besten schmeckten und darum auch ein Drittel der Tüte ausfüllten. Kauend blickte er aus dem Fenster und beobachtete das geschäftige Treiben der Menschen. Eigentlich konnte er die Menschen nicht leiden. Sie mochten die Dämonen nicht, dachten, sie seien alle schlecht, was jedoch nicht immer zutraf. Sicherlich, es gab auch einige, die böse waren und Menschen töteten, doch waren dadurch nicht alle gleich. Menschen und ihre dummen Vorurteile! Er hasste sie!
Ein ungutes Gefühl breitete sich in seinem Bauch aus und er wandte den Kopf just in diesem Moment zur Hauptstraße, in dem seine Mutter von einem heranrasenden LKW erfasst und durch die Luft geschleudert wurde. Seine Augen weiteten sich entsetzt und er sprang aus dem Wagen. 'Nein, lass das nur ein Traum sein, lass es bitte nicht geschehen!', flehte er in Gedanken und rannte zu ihr. Sie lag blutüberströmt im Gras neben dem Auto und regte sich nicht mehr. Als er sein Ohr an ihren Mund legte, konnte er keinen Atem mehr feststellen. Um ihn herum drehte sich alles, er roch das viele Blut und konnte es einfach nicht glauben. Nicht glauben, dass seine geliebte Mutter tot sein sollte. Wieso wurde ihm seine Familie genommen? Er hatte sonst niemanden, der sich um ihn kümmerte. Nun war sie tot. Einfach so. Wegen eines Menschen! Weinend nahm er sie auf seine Arme und rannte wie der Blitz mit ihr durch die Stadt. Die Blicke der anderen störten ihn nicht, er rannte, als ginge es um sein Leben. Nach fünf Minuten kam er zu Hause an und legte seine Mutter vorsichtig in das Gras vor der Hütte, um ein Loch im Garten zu buddeln. Tränenblind schlug er seine Krallen immer wieder in die Erde und schaufelte alles hinter sich. Bald darauf holte er seine tote Mutter und bettete sie mit einer Decke in hinein. Schnell pflückte er eine blutrote Rose und legte sie auf die Decke. Danach flüsterte ein leises "Lebewohl.. Mama.." und schaufelte das Grab langsam zu. Nun pflückte er noch einige Rosen und legte sie auf den Erdhügel. Hier ruhte sie nun und er war allein. Keiner würde sich um ihn kümmern, dass musste er nun selbst in die Hand nehmen! Sich die Tränen trotzig wegwischend, wandte er sich vom Grab seiner Mutter ab und ging in die Hütte zurück, um sich das nötigste einzupacken. Er wollte einfach nur weg von hier, weg von den Menschen, weg von der Zivilisation. Allein sein und allein Leben. Er war ein Hanyou und kam allein klar. Ohne Hilfe. "Ich schaffe das.", waren seine letzten Worte, als er im tiefen Wald verschwand..
