Stephanie und Paul saßen gemeinsam mit Ryan und Miroslav am Trainingsring und gingen die neue Storyline durch. Da Ryan zur Zeit als offiziell Entlassen galt, hatten die Schreiber viel Zeit gehabt, die Fehde der beiden auszuarbeiten. Stephanies Handy klingelte und sie zog die Nase kraus, da sie es überhaupt nicht leiden konnte, wenn man sie bei Besprechungen störte. Mit einem Seufzer zog sie es aus dem Jacket, sah kurz auf das Display und nahm ab.
"Hi Sandra, was gibt es?" Sie spielte mit dem Gummiband ihres Ordners und lauschte mit steifer Miene in den Hörer. Ihre Gesichtsfarbe wurde immer blasser, sodass sie sich mit der rechten Hand am Ring abstützen musste. "Ja, danke Peter. Ich komme so schnell wie möglich. Informiere mich bitte sofort, wenn es Neuigkeiten gibt. Bye." Sie legte auf, senkte ihren Kopf und schüttelte ihn. "Was ist los, Steph?" Paul griff mit seiner Hand unter ihr Kinn und hob es sanft an.
"Sandra hatte heute morgen einen schweren Schlaganfall. Sie...sie liegt im Koma und man weiß nicht, ob sie die überlebt", stammelte sie und schüttelte wieder ungläubig den Kopf. Paul, der sie nun ebenso geschockt ansah, wie Miroslav und Ryan, streichelte ihr liebevoll über die Schulter.
"Wir fahren gleich zu ihr. Lass uns nur eben in die Kantine gehen, damit ich Jon und Joe Bescheid geben kann." Er wusste, dass seine Frau innerlich aufgewühlt war und am liebsten sofort losrennen wollte. Doch sie sah ihn lediglich mit Tränen in den Augen an und nickte. Sandra Gray gehörte seit Jahren zum Team der WWE. Sie war nicht nur die Schneiderin, nein Sandra war viel mehr. Viele nannten sie Mrs. Allround oder einfach nur Kummertante, weil sie für jeden, und egal zu welcher Uhrzeit immer ein offenes Ohr hatte. Das Verhältnis zwischen Stephanie und ihr war eng und seit Jahren bestand eine tiefe Freundschaft. Miroslav legte seine linke Hand auf ihre Schulter und rieb sanft daran. Kurz lächelte sie ihn an und legte ihre Hand dankend auf seine.
"Sag Peter einen lieben Gruß von uns. Wir beten für sie", meinte er leise.
"Gebt ihr Ettore nachher Bescheid, dass die Besprechung für ihn später stattfindet. Er ist noch im Medical und kommt erst gegen Vier her."
"Natürlich", antwortete Ryan.
Paul nahm seine Frau an die Hand und stumm ließ sie sich von ihm zur Kantine führen, wo viele der Angestellten beim Mittagessen saßen. Paul erblickte Joe und Jon, die mit TJ, Nattie, Trinity und Bryan an einem Tisch saßen und ging zu ihnen rüber. Kurz klopfte er auf den Tisch und hatte so sofort die Aufmerksamkeit von allen.
"Jungs, wir müssen unser Meeting vertagen. Steph und ich müssen ins Krankenhaus. Sandra hatte heute morgen einen schweren Schlaganfall."
Trinity erhob sich sofort und umarmte Stephanie, der mittlerweile einige Tränen die Wangen hinabliefen.
"Natürlich. Ist kein Problem. Wisst ihr schon genaueres?", antwortete Joe.
Stephanie schüttelte den Kopf. "Peter hat nur kurz mitgeteilt, dass sie im Koma liegt." Tj zog ein Taschentuch aus seiner Tasche und reichte es ihr.
"Kann ich mit euch fahren?" Trinity sah die beiden bittend an und Steph nickte sofort. Bryan reichte ihr die Tasche, die unter dem Tisch lag und mit betrübten Gesichtern verließen die Drei den Raum.
"Jetzt hab ich echt keinen Hunger mehr. Die arme Sandra. Sie ist so ein guter Mensch", meinte Bryan, der mit der Gabel in seinem Teller rumstocherte.
"Der da oben fragt nicht danach, ob jemand gut ist. Ach, Scheiße, nun hab auch keinen Hunger mehr", knurrte Jon, schmiss die Gabel auf den Teller und schob ihn von sich.
Wie ein Laubfeuer sprach sich bei allen rum, dass Sandra im Krankenhaus war und dort um ihr Leben kämpfte. Ariane, die erst am Nachmittag das Center betrat, brach in Tränen aus und fuhr sofort mit ihrem Verlobten Vinnie ins Krankenhaus. Das Training in der Sporthalle verlief heute weitgehend stillschweigend, weil jeder mit seinen Gedanken bei Sandra und ihrer Familie war. Immer wieder schaute man auf die Uhr, die heute irgendwie stillzustehen schien.
Als Paul dann am späten Nachmittag die Halle betrat, war es natürlich klar, dass alle sich sofort um ihn scharrten und ihn neugierig ansahen.
"Wie geht es ihr?", sprudelte es sofort aus Eva's Mund. Sie hatte ihr Springseil noch in der Hand und spielte nervös damit herum. Man sah, wie Paul hart schluckte und Saraya, die neben Windham stand, krallte sich in dessen Oberarm, da sie mit der Schlimmsten Nachricht rechnete. Paul war blass und die Röte seiner Augen zeigte, dass er geweint hatte.
"Es steht leider nicht sehr gut um sie. Wir müssen für unsere Sandra beten, damit sie die kritischen Achtundvierzig Stunden übersteht. Wenn sie die überlebt, wissen die Ärzte nicht, welche Schäden aufgetreten sind. Man konnte uns lediglich sagen, dass ihre rechte Körperhälfte gelähmt ist, denn dort zeigt sie keine Reaktion. Aber wir können jetzt schon davon ausgehen, dass wir eine sehr lange Zeit auf sie verzichten müssen."
"Wie ist das denn passiert? Ich war gestern noch bei ihr und sie sah ganz normal aus. Gab es denn keine Anzeichen?", kam von Tenille.
"Die Ärzte meinten, dass es ein akuter Schlaganfall war. Peter hat sie heute morgen im Badezimmer gefunden, als er von der Nachtschicht kam. Simon und Laura waren schon zur Schule und es weiß niemand, wie lange sie schon dort gelegen hat."
"Fuck", knurrte Jon und trat dabei gegen die Hantelbank.
"Ich habe Peter natürlich jegliche Hilfe angeboten. Sandra ist ein Teil von WWE und das bleibt sie auch. Wir hingegen, müssen jetzt sehen, wie es weitergeht. Ich werde morgen sofort eine Stellenausschreibung rausgeben. Cindy ist nur Aushilfe und im Moment könnt ihr sie für das Nötigste ansprechen. Also gebt auf eure Kostüme acht, bis wir einen guten Ersatz für Sandra gefunden haben. Ok, das war es erst einmal. Jon, Joe, wir sehen uns gleich im Büro."
Er wollte sich gerade umdrehen, als Ryan auf ihn zukam. "Paul, ich weiß nicht, ob es dir etwas hilft. Eine Cousine von mir ist Schneiderin. Ich kann sie anrufen und fragen, ob sie uns vielleicht aushilft, bis du Ersatz gefunden hast. Sie ist von Vegas nach hier gezogen und arbeitet in einer Schneiderin. Doch ihre Chefin ist letzten Monat verstorben und jetzt hat sie erst mal Urlaub, weil sie nicht wissen, ob die Tochter die Firma weiterführt. "
"Das wäre echt klasse. Wer weiß, wann wir Ersatz haben. Überhaupt weiß ich nicht, wie ich das managen soll. Ich habe ja jetzt schon kaum Zeit, wegen dem Rumble. Ist sie denn ausgelernt und ist sie gut?"
"Ja, ist sie. Du kennst doch meine Outfits von früher. Die hat alle Meg genäht."
"Gut, ich wäre dir wirklich dankbar, wenn du sie anrufst und fragst, ob sie uns nach Phili begleiten kann. Wenn sie zusagt, dann kannst du sie gleich morgen früh mitbringen, damit wir alles weitere besprechen können."
"Geht klar."
Mit Jon und Joe im Schlepptau verschwand Paul Richtung Büro, während Ryan sich auf die Bank setzte, seine Handy aus der Tasche kramte und die Nummer seiner Cousine wählte.
"Hi Meg. Alles klar bei dir?"
Die Neunundzwanzigjährige Meg Tolken lag gerade mit ihrer Freundin Lilly am Strand und setzte sich auf, als ihr Telefon klingelte. Sie nahm es aus der Jacke, drückte die Annahmetaste, machte den Lautsprecher an und hielt es sich vor den Mund. "Hi Muscle. Alles gut! Wo treibst du dich schon wieder rum?"
"Ich bin im Center. Hör mal, ich habe ein Attentat auf dich vor."
"Ok, dann schieß mal los. Wen soll ich für dich verprügeln?"
Ryan ging ein Lächeln über das Gesicht, während er den Kopf schüttelte. "Ulknudel. Jetzt mal Ernst. Hast du Lust, mich, oder eher gesagt die WWE nach Philadelphia zu begleiten. Du müsstest allerdings ein wenig arbeiten."
"Heißt?"
"Unsere Schneiderin hatte einen Schlaganfall und nun haben wir keinen Ersatz. Bei großen Events hat Sandra uns begleitet, weil immer mal wieder Kostüme kaputt gehen oder geändert werden müssen."
"Das ist echt dein Ernst, oder?"
"Klar, meinst du ich würde sonst fragen. Also, was sagst du zu zwei Wochen Urlaub, alles inclusive. Und als Bonbon siehst du deinen Lieblingscousin zwei Wochen am Stück. Wann hatten wir das zuletzt?"
"Als wir Zwölf waren." Sie hörte sein rauchiges Lachen am anderen Ende der Leitung und schmunzelte ebenfalls. "Ok, Muscle, ich bin dabei. Also, sag mir wann? Sag mir wo?Ich bin da."
"Ich hol dich morgen um Sieben ab. Dann fahren wir zuerst in Performance Center, damit du Paul und Stephanie kennenlernst. Bis morgen." Grinsend drückte er die rote Taste und malte sich Meg's Gesicht aus.
"Sieben Uhr, bist du denn... Aufgelegt, der Arsch." Sie warf ihr Handy in die Tasche, pustete die Luft aus und sah ihre Freundin Lilly an, die grinsend neben ihr saß.
"Ryan kennt dich halt."
"Da will der mich am Samstag mitten in der Nacht abholen. Na, der kann was erleben."
xxxxxxxxxx
Am nächsten Morgen stand sie um Punkt Sieben vor der Türe und winkte Ryan schon von weitem zu. Er stieg aus seinem Integra Type und zog sie erst einmal in seine Arme. Als er einen leichten Fausthieb in der Magengrube verspürte, stöhnte er leicht auf und ließ sie los. "Autsch! Wofür war das?"
"Für das Mitten in der Nacht wecken."
"Mitten in der Nacht. Ich bin schon seit fünf wach und war Joggen."
"Du bist ja auch krank in deinem Schädel. Hey, ich habe im TV gesehen, dass sie dich entlassen haben. Manche Gesichter der Leute im Publikum waren göttlich. Ich glaube, es gibt immer noch Menschen, die das für Realität halten. Und beim Rumble wirst du dann sicher wieder auftauchen, oder? Wozu solltest du auch sonst mit nach Phili?"
"Yup, ist so geplant, dass Joseph, Nick und ich als Überraschungsteilnehmer wieder erscheinen."
"Na, dann lerne ich deine Kumpels ja mal alle kennen. Ich bin mal gespannt, ob sie wirklich alle so nett sind, wie du immer betonst. Also ich kann mir das bei diesem Rusev überhaupt nicht vorstellen. So krass kann sich kein Mensch verstellen. Ich könnte jedes Mal in den Fernseher kotzen."
Ryan lachte laut auf. "Du wirst dich wundern. Miro ist ein total lieber Kerl."
"Ok, wenn du das sagst."
Sie fuhren etwa eine halbe Stunde bis zum Performance Center und hielten auf dem Parkplatz neben einem Geländewagen, aus dem drei Männer und eine Frau stiegen. "Morgen Ryan", rief Jonathan Fatu und klatschte ihn ab.
"Morgen Zusammen. Darf ich euch meine Cousine Meagan..."
"Meg", rief diese dazwischen und stieß ihn an.
"...Meg vorstellen. Sie wird uns aushelfen, bis Paul einen Ersatz für Sandra gefunden hat."
"Hi, ich bin Trinity, freut mich." Trinity hielt ihr die Hand hin.
"Ganz meinerseits". Sie reichte Jonathan, Kofi und Ettore ebenfalls sie Hand.
"Nett von dir, dass du einspringst. Ich schätze mal, Paul wird vorm Rumble kaum Zeit finden, um Bewerbungsgespräche zu führen." Ettore lächelte sie an.
"Kein Problem, ich mache es gerne. Tut mir echt leid wegen eurer Schneiderin."
Sie betraten das Center und Meg staunte erst einmal, wie modern und riesig hier alles war. Mit offenem Mund folgte sie Ryan einen langen Flur entlang, bis sie an eine große schwarze Türe kamen und er anklopfte. Als sie ein" Herein" hörten, hielt Ryan sie auf und bat Meg hinein. Paul und Stephanie saßen mit Joe und Paul an dem großen runden Tisch am Fenster.
"Hallo, mein Name ist Stephanie." Sofort war sie aufgestanden und kam auf Meg zu.
"Meg Tolken, freut mich, sie kennenzulernen."
"Wir duzen uns hier, wenn dir das recht ist."
"Natürlich, dass ist mir auch lieber", antwortete Meg mit einem Lächeln.
"Danke erst einmal, dass du so schnell einspringen konntest. Setzt euch schon mal, wir sind gleich fertig. Ryan, schenkt euch schon mal einen Kaffee aus." Sie zeigte auf den Tisch neben dem Fenster.
"Meg, dass sind Paul, mein Boss, Joe und nochmal Paul", stellte Ryan die Drei vor und sie begrüßte sie mit einem Händedruck, bevor sie sich auf den Stuhl setzte, den Paul ihr zurecht rückte.
"Also bist du damit einverstanden Joe?", sagte Stephanie während sie sich wieder auf ihren Platz setzte und sah ihn an.
"Klar. Ich finde es ja selber noch zu früh. Mir reicht die Fehde mit Paul hier und es macht Spaß. Bryan soll seine Chance wieder bekommen, dass hat er sich nach der langen Verletzungspause verdient. Die Leute lieben ihn."
"Mich auch", grummelte Paul alias The Big Show, lehnte sich nach hinten und verschränkte die Arme hinter den Kopf.
"Nein, dich mag im Moment keiner leiden", antwortete Joe und stupste den Riesen an, der daraufhin lachte.
"Gut, ihr Zwei. Dann raus hier. Ach, Joe, gib Jon bitte Bescheid, dass er sich nachher bei Colin blicken lassen soll. Er möchte sich sein Knie nochmal ansehen", kam von Paul. Dann verließen die beiden Männer den Raum.
"So Meg, ich schätze mal, Ryan hat dich schon ein wenig aufgeklärt. Wir möchten, dass du uns nach Philadelphia zum Royal Rumble begleitest. Da wir bei den PPV'S immer längere Zeit an einem Ort sind, brauchen wir eine Schneiderin. Gerade die Diven möchte immer mal wieder Sachen geändert haben und das muss dann schnell gehen. Ansonsten fällt halt das Übliche an. Risse nähen, vielleicht etwas neues Einsetzen usw."
"Alles kein Problem. Braucht ihr irgendwelche Referenzen von mir? Ich weiß ja nicht, wie das mit den Behörden ist."
"Wir brauchen nur deine Sozialversicherungsnummer."
Sofort zog Meg ihre Geldbörse aus der Tasche und reichte ihre Karte an Stephanie.
"Gut, dann Herzlich Willkommen im größten Irrenhaus der Welt." Paul reichte ihr erneut die Hand.
"Danke, aber ich hoffe, dass eure Sandra schnellstens wieder kommt."
"Gibt es eigentlich Neuigkeiten vom Krankenhaus?", wollte Ryan jetzt wissen.
Stephanie seufzte auf. "Es hat sich Hirnwasser angesammelt, was sie nun mit einem Schlauch absaugen. Aber sonst ist sie stabil. Ich werde nachher noch einmal hinfahren."
"Dann bestell der Familie liebe Grüße."
"Mach ich. So Meg, ich werde dir dann mal die Schneiderei zeigen. Cindy hat soweit schon alles gepackt und du schaust am Besten mal, was du sonst noch mitnehmen möchtest. Die Herren hier können sich ja noch ein wenig unterhalten." Sie hakte sich bei Meg ein und schon waren die beiden Frauen aus dem Raum. Ryan sah ihnen kurz hinterher und drehte sich dann wieder zu Paul.
"Ach, Paul, es gibt da noch etwas über Meg, was ihr wissen solltet."
