Disclaimer: Harry Potter und alle anderen Figuren, die ich mir für die Geschichte ausgeliehen habe, gehören J. K. Rowling. Ich verdiene kein Geld damit.


Wenn Hermine Granger am Morgen des 18. Dezember des Jahres 2000 geahnt hätte, was auf sie zukommen würde und wie sich ihr Leben von diesem Tag an verändern sollte, vielleicht wäre sie dann nie in das kleine Dorf im Norden Englands gekommen und hätte nicht den stickigen, düsteren Pub betreten, wo ausgerechnet die Auroren aus dem Zaubereiministerium auf sie gewartet hatten. Und noch weniger hätte sie gedacht, dass, nach all den Sicherheitsvorkehrungen, die sie stets getroffen hatte, ausgerechnet ihre banalen menschlichen Bedürfnisse nach einer sauberen Toilette, etwas zu essen und Wärme sie schließlich, nach anderthalb Jahren auf der Flucht, verraten würden.

Es war fast eine ganze Woche vergangen, seit Hermine zuletzt etwas Richtiges gegessen hatte, und der Hunger plagte sie. Sie hatte nur noch wenig Geld und hoffte, in einem kleinen Pub billig eine warme Mahlzeit zu bekommen. Sie zitterte und schlang ihren Umhang enger um ihren Körper, als sie durch die fast kniehohe Schneedecke stapfte. England war in diesem Jahr mit besonders viel Schnee gesegnet worden und es war ungewöhnlich kalt, was das Leben in einem Zelt nicht gerade angenehm gestaltete.

Die letzten 18 Monate waren nicht leicht für Hermine gewesen. Der Krieg war verloren und Lord Voldemort hatte den Sieg davongetragen. Harry Potter, in den die Zaubererwelt alle Hoffnung gesetzt hatte, der grausamen Herrschaft des schwarzen Magiers endlich ein Ende zu setzen, hatte es nicht geschafft. Er hatte bei der Schlacht von Hogwarts sein Leben gelassen. Die Prophezeiung hatte sich erfüllt, wenn auch nicht so, wie Hermine und alle anderen es sich gewünscht hatten. Mit ihm waren zahlreiche andere in den Tod gegangen. Ron, Hagrid, Remus, Tonks, Molly Weasley…

Hermine hatte es geschafft, nach der Schlacht alleine aus dem Schloss zu fliehen und fristete seitdem ihr Dasein als Geächtete. Nach dem Tod ihres besten Freundes war sie nun die Unerwünschte Nr.1. Auf ihren Tod waren mittlerweile 15000 Galleonen ausgesetzt. In ganz England, so schien es, hingen Steckbriefe mit ihrem Foto. Wohin sie auch kam, überall sah sie ihr Gesicht. Greiferbanden zogen durch die Lande und sie konnte sich nur allzu gut vorstellen, dass eine Menge Menschen großes Interesse daran hatten, Hermine Granger zu fassen.

Sie blieb nie lange an einem Ort und schützte sich stets mit allen möglichen Zaubern, um ihre Spuren zu verwischen. Todesser, Greifer und Ministeriumsleute waren auf der Suche nach ihr, weshalb sie die Städte oder auch größere Siedlungen nach Möglichkeit umging. Seit anderthalb Jahren war sie allein. Sie hatte keine Ahnung, wie es ihren Freunden und den anderen Überlebenden ging und wie Hogwarts oder das Zaubereiministerium jetzt aussahen. Immer nur sporadisch fiel ihr ein alter Tagesprophet in die Hände, sodass sie nicht auf dem Laufenden war, was in der Zaubererwelt geschah.

Der Pub war voll besetzt, sodass Hermine nur noch einen Platz am Tresen zwischen ein paar älteren Männern bekam. Es war stickig und alles roch nach Zigarettenrauch, doch Hermine war in allererster Linie froh, endlich ins Warme zu kommen. Ein paar Männer warfen ihr misstrauische Blicke zu, sagten aber nichts. Der Wirt putzte Gläser und schenkte den Gästen nach. Eine Bedienung brachte die Bestellungen an die Tische. Als Hermine an der Bar Platz nahm, musterte der Wirt sie eingehend. Wie immer wenn sie in der Öffentlichkeit unterwegs war, pochte Hermines Herz schmerzhaft gegen ihren Brustkorb.

„Willst du was bestellen, Kleine?", fragte der Wirt.

„Ich habe leider nicht viel Geld", sagte Hermine. „Haben Sie… etwas Warmes zu essen?"

„Geht für dich aufs Haus", sagte der Wirt, gab seinem Koch in der Küche ein Zeichen und schon ein paar Minuten später stand ein Teller mit Eintopf vor Hermine.

„Haben Sie vielen Dank", sagte sie und machte sich gierig über ihr Essen her.

Sie blieb nach ihrer Mahlzeit nicht lange, auch wenn sie sich gern noch etwas aufgewärmt hätte. Als sie fertiggegessen hatte, dankte sie dem Wirt noch mal und ging Richtung Toiletten, wo sie sich frischmachte. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, dass Hermine zuletzt in einen Spiegel gesehen hatte. Ihr Spiegelbild erschreckte sie. Sie erkannte sich kaum wieder.

Sie war blass und ihre Wangenknochen traten hervor, weil sie so abgemagert war. Unter ihren Augen zeichneten sich dunkle Ringe ab. Ihre Haare waren strohig und ungepflegt. Wie sehr hätte sie sich nach einem ausgedehnten Bad gesehnt. Ein Zimmer in einer Pension jedoch war nicht nur viel zu teuer, sie hätte dabei auch zu viele Spuren hinterlassen.

Sie seufzte und nach einem letzten Blick in den Spiegel, packte sie ihre Sachen und verließ den Pub. Es widerstrebte ihr zutiefst wieder hinaus in die Kälte zu gehen, doch sie musste sich noch einen Platz für die Nach suchen und es war ohnehin schon spät.

Die Straßen des kleinen Ortes waren wie leergefegt und es brannten nur noch vereinzelt Lichter in den Häusern. Gedankenverloren ging Hermine die Straße entlang. Sie begegnete niemandem und ein prüfender Blick hinter sich, verriet ihr, dass sie nicht verfolgt wurde. Gleich, wenn sie wieder draußen im Wald war, wollte sie disapparieren.

Sie nahm eine Abkürzung und durchquerte eine schmale Gasse zwischen zwei Häusern, um zur Hauptstraße zu kommen, die aus dem Ort hinausführte. Kurz bevor sie auf den Bürgersteig auf der anderen Seite trat, hörte sie plötzlich Stimmen. Normalerweise hätte ihr das nichts ausgemacht, doch es waren Stimmen, die sie nur allzu gut kannte. Hermine erstarrte zur Salzsäule.

„Glaubst du, es ist diesmal was dran?"

„Keine Ahnung, werden wir sehen. Die Auroren haben sich überall um den Ort postiert und erreichten gerade die Anti-Appariergrenze. Wenn sie versucht zu fliehen, werden wir sie finden."

Hermines Herz setzte für einen Moment aus. Die beiden Männer, die sich ihrem Versteck näherten waren keine geringeren als die beiden Todesser Travers und Selwyn. Hermine, die in der Vergangenheit schon mit ihnen zu tun gehabt hatte, hätte sie überall erkannt. Sie schob sich vorsichtig hinter einen Müllcontainer und harrte so lange in der Dunkelheit aus, bis die beiden Männer vorübergegangen waren.

Wenn es stimmte und in diesem Moment Auroren den Ort umstellten, dann musste sie schnell handeln. Sie musste das Risiko eingehen und an Ort und Stelle disapparieren. Gerade, als sie sich mental auf ein Ziel einstellte, spürte sie, wie sich ein Zauber auf sie und die Umgebung legte. Es fühlte sich an, als hätte sich eine zähe Masse über alles gelegt, die Hermine in ihrem Versteck festhielt. So sehr sie sich auch bemühte, sie konnte nicht mehr disapparieren. Der Zauber hatte gewirkt.

Sie verfluchte sich innerlich, dass sie nicht schneller reagiert hatte, und lief im Schutz der Dunkelheit auf die andere Seite zurück, von wo sie gekommen war. In der Ferne konnte sie laute Stimmen hören.

„Sucht jeden Winkel der Stadt ab!", befahl jemand.

Die Panik wuchs in Hermine und sie wusste nicht mehr, was sie tun sollte. Auf einmal fuhr ein warmer Luftzug über sie hinweg. Sie erkannte den Zauber sofort. Man suchte den Ort magisch ab. Man suchte gezielt nach Magie, was Hermine unmittelbar verraten würde.

„Travers, hier ist jemand magisches!"

„Findet sie!", befahl Travers.

Hermine blieb keine andere Wahl als zu laufen. Sie rannte so schnell sie konnte wieder ans andere Ende der Gasse und hinaus auf die Straße. Eine Hand hatte fest ihren Zauberstab umschlossen. Aus dem Augenwinkel sah sie Gestalten in langen Umhängen. Jemand rief, aber Hermine achtete nicht darauf. Sie überquerte die Straße und suchte Schutz in der Dunkelheit zwischen den Häusern. Gerade rechtzeitig, als mehrere Lichtblitze durch die Luft schossen. Die Kante der Hauswand wurde getroffen und Staub und kleine Steinchen rieselten auf Hermines Kopf.

„Wir haben Sie! Da ist sie!"

Hermine lief schweratmend weiter. Die kalte Luft brannte in ihren Lungen und ihre Muskeln schmerzten. Ihre Beine wurden schwerer und die Kraft verließ sie. Sie hielt an einer Mülltonne und verschnaufte. Ihr Atem gefror in der kalten Nachtluft. Panisch sah sich Hermine nach allen Seiten um, ob sie jemanden entdeckte. Sie konnte ein paar Personen in schwarzen Umhängen in einiger Entfernung ausmachen. Noch hatte man sie nicht gefunden, doch sie saß praktisch in einer Falle. Sie betete, man möge nicht ihre verräterischen Fußabdrücke im Schnee entdecken.

Als sie sicher war, dass die Luft rein war, tastete sie sich nach vorne. Sie erreichte eine Straße, die von Wohnhäusern gesäumt war. Plötzlich war es ruhig. Die Stimmen der Auroren waren nicht mehr zu hören. Eine gespenstische Stille schien sich über die Umgebung gelegt zu haben. In den Häusern brannte kein Licht. Hermines Weg wurde schwach von den Straßenlaternen erleuchtet. Es gab keine Möglichkeiten mehr, sich zu verstecken. Hermine einziger Fluchtweg war durch die Gärten.

Sie nutzte die Gelegenheit, dass sie ihre Verfolger für den Moment abgehängt hatte, und rannte weiter. Sie steuerte einen schmalen, gepflasterten Weg zwischen zwei hohen, schneebedeckten Hecken an. Sie hatte die Straße zur Hälfte überquert, als von irgendwoher jemand einen Zauber sprach.

„Glacius!"

Der Schnee und Matsch, in die Hermine bei jedem Schritt einsank und die ihre Schuhe durchnässt hatten, verwandelten sich plötzlich in eine spiegelglatte Oberfläche. Hermine hatte keine Möglichkeit mehr zu reagieren. Sie rutschte aus und fiel mit voller Wucht mit dem Gesicht auf die Eisfläche. Durch den Schwung schlitterte sie ein paar Meter über die gefrorene Eisdecke. Durch den Schreck verlor sie ihren Zauberstab. Das dünne Stück Holz glitt davon und war nutzlos außer Reichweite. Ihre Nase blutete von dem Aufprall und die warme Flüssigkeit rann über ihr Kinn in ihren Schal.

„Wir haben sie!", rief ein Mann und schnell Schritt näherten sich.

Hermine schmeckte Blut in ihrem Mund und ihre Ellbogen und Knie schmerzten. Sie fand auf dem Eis keinen Halt, um sich aufzurichten. Immer wieder, wenn sie versuchte aufzustehen, rutschten ihre Hände und Füße weg. So musste sie hilflos zusehen, wie eine Gruppe Männer sie umringte. Zu ihrem Entsetzen sah sie, dass einer von ihnen Walden Macnair war.

„Hermine Granger", sagte er und grinste, „haben wir dich also endlich."

Todesangst packte Hermine und sie versuchte, hilflos von den Männern wegzukriechen.

„Aber, aber, wer wird denn da schon gehen wollen?", höhnte Macnair und im nächsten Moment spürte sie seinen Stiefel auf ihrem Rücken. Er drückte sie zu Boden.

„Lassen Sie mich…", wimmerte Hermine mit Tränen in den Augen, dann fühlte sie einen Schlag gegen ihren Kopf und alles wurde schwarz um sie herum.