Hallo zusammen, willkommen an Bord,
und willkommen zur zweiten Station meiner kleinen Fanfiction-Rundreise.
Diese hier schließt sich inhaltlich und zeitlich direkt an meine erste Story „Großstadtmagie" an, die Ihr auch hier auf lesen könnt.
Während „Großstadtmagie" eine Snapefiction ist, geht es ab jetzt sehr wölfisch weiter.
Ein paar Sachen, die zum Verständnis wichtig sind, falls Ihr „Großstadtmagie" nicht gelesen habt:
Wir befinden uns im Oktober von OotP. Snape hat endlich den DADA-Posten abgegriffen, und Emilia Liguster (die Ich-Erzählerin) ist seine Nachfolgerin im Tränke-Fach. Wie sie an den Wolf geriet, hat ursächlich was mit Snape zu tun und ist in „Großstadtmagie" nachzulesen.
„Das Büchlein": eigentlich sind es zwei. Was in das eine geschrieben wird, erscheint im anderen. Die Muggel haben so etwas längst, nennt sich SMS.
Die von Sirius erwähnte Geschichte vom Gryffindorturm gibt es extra zu lesen, nennt sich „Sprünge" und ist ebenfalls hier archiviert.
DISCLAIMER: Grimmauld Place, die Männer-WG und das gesamte Drumherum gehören Mrs. Rowling. Ich verdiene kein Geld mit dieser Geschichte, höchstens ein paar Reviews.
RATING: ein bisschen harmloses Erwachsenen-Zeug. Lasst euch nicht abhalten.
ERSTES KAPITEL, IN DEM EMILIA ETWAS ÜBER LILLY EVANS UND SIRIUS ETWAS ÜBER DEN IRAK LERNT
Guten Morgen.
Das abgegriffene, schmale Lederbüchlein hatte so heftig zu schnurren und zu vibrieren begonnen, dass es mir beinahe aus der Tasche gesprungen war. Ich zog mich rasch hinter mein Lehrerpult zurück und tunkte die Feder in mein Tintenfass.
Guten Morgen. Gut geschlafen?
Nicht besonders. Du warst nicht hier. Wie soll ich da schlafen.
Du schläfst auch nicht, wenn ich da bin. „Es gibt bessere Dinge, die wir tun können, statt zu schlafen." Deine Worte.
Und wie wahr.
Wie geht's dir?
Na ja. Die übliche vorvollmondliche Heulstimmung. Nichts Besonderes.
Mein armer geplagter Wolf.
Komm zu mir und kratz mir das Fell.
Jetzt sofort?
Ja. Ja. Ja. JA. JA.
Und was mach' ich hier mit meiner Fünften?
Elf hoffnungsvolle Tränkeköche. Na ja, manche weniger hoffnungsvoll als andere. Die gerade mit mehr oder weniger Erfolg versuchen, einen Musicantatus herzustellen.
Oh.
Es ist kurz vor zehn, und Montag.
Nochmal Oh. Ich lebe hier etwas außerhalb der Zeit.
Merkt man.
Du hast dein rotes Hemd hier vergessen.
Bei dir gelassen. Nicht vergessen.
Es riecht nach dir. Das ganze Bett riecht nach dir. mmmmmMMMMM.
Du bist noch nicht mal aufgestanden?
Ich bin genau da, wo du mich gestern abend verlassen hast. Ich liege in meiner Höhle und bewache Dein Hemd. MMMMMMMM.
Ich habe dich nicht verlassen. Wie klingt denn das.
Zurück gelassen. Hinterlassen. Irgendetwas, das Einsamkeit zur Folge hat.
Oh, Merlin. Wenn nur der Vollmond schon vorbei wäre.
Schieb es nicht auf den Vollmond. Es ist allein dein Geruch in diesem Hemd.
Mach mich nicht schwach, bitte. Ich bin mitten im Unterricht.
Komm zu mir. Jetzt. Ich will dich fühlen. Du sollst mich bedecken, ich will fühlen, wie du dich bewegst. Ich will mein Gesicht in deinen Haaren vergraben. Ich will deinen Hals schmecken, dein Salz. Deine Lust. MMMMMMMMMM. Ich will dich unter meinen Händen, ich will dich zittern lassen. Ich will dir diese kleinen hellen Laute entlocken. Ich will dich an deine Grenze bringen. Und drüber.
Oh bitte, hör auf. Ich bin schon knallrot. Du kannst mir doch nicht mitten im Unterricht solche Sachen schreiben.
Und warum nicht?
Es lenkt mich ab.
Das ist der Sinn.
Wie gemein.
Wenn ich aufhöre zu schreiben, fange ich an, schmutzige kleine Sachen mit deinem Hemd zu tun. Ist dir das lieber?
Wie wär's mit einer kalten Dusche?
Puh. Nein. Ich kann doch nicht deine Spuren von meinem Körper waschen.
Ich mach dir neue. Heute Nachmittag.
Dann müssen diese bis dahin halten. Das Badezimmer im zweiten Stock ist übrigens sehr groß, und es hat eine Badewanne. Wir könnten einen Silencio auf die Tür legen.
Du meinst, es gibt noch ein paar Räume in diesem Haus, in denen wir es noch nicht getrieben haben.
Du bist eine furchtbare Frau. So völlig unromantisch.
Ich sitze in einem Raum voller zischender Kessel und neugieriger Fünftklässler, die mich mit indiskreten Blicken löchern. Was erwartest du.
Wir treiben es nicht miteinander. Wir machen Liebe.
Und ich dachte, du hättest deine romantische Phase eher so gegen Neumond.
Dieses Hemd. Was für eine Qual. Ich liebe deinen Geruch.
Lass deine Pfoten von meinem Hemd. Ich warne dich.
Er macht mich betrunken. Ich will mich so damit ausfüllen, dass es nichts anderes mehr gibt. Ich will deinen duftenden Atem über meine Brust fließen lassen. Ich will mit deiner Zunge spielen. Ich will dir ein Lächeln in die Mundwinkel lecken.
Du bist ein Poet. Ein Poet mit einer sehr schmutzigen Phantasie.
Ich will deinen wunderbaren, honigfarbenen Hals küssen. Ich will dich in die Schulter beißen, so lange ich das noch darf. Ich will mit meinen Zähnen Spuren auf dir hinterlassen, damit jeder weiß, dass du mir gehörst.
Das hat sich ohnehin herum gesprochen.
Ich will mich ganz in dir auflösen. Ich will deine weichen Haare auf meinem Bauch spüren.
Remus…
Und deine Zunge an meinem…
Remus!
MMMMMMMMM…
Was machst du gerade mit meinem Hemd, sag mal?
Kein Kommentar.
Was machst du?
MMMMMM. Hallelujah.
Wir werden mal ein Wörtchen reden, wir beide. Heute Nachmittag.
Ich liebe dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich.
„Professor Liguster? Ahem – Ma'am?"
ICH LIEBE DICH.
„Professor?"
Ich schlug das Büchlein zu und hielt die Hände drüber, als müsste ich befürchten, dass der Inhalt durch den Ledereinband hindurch lesbar sein könnte.
„Neville" sagte ich. Meine Wangen brannten, meine Stimme klang bemüht normal. „Was gibt's denn?"
„Ein Problem" sagte er geknickt. „Ich habe das Alraun ganz klein gehackt, wie Sie gesagt haben, aber da hat sich zwischenzeitlich so eine ölige Schicht in meinem Kessel gebildet… ich glaube nicht, dass das so sein soll…?"
„Lass mal sehen" sagte ich und erhob mich mit wackeligen Knien.
Es wurde wirklich Zeit, dass dieser Vollmond vorbei ging.
Und es war nicht nur mein aufreibendes Liebesleben, das mich daran hinderte, mich voll und ganz aufs Unterrichten zu konzentrieren.
„Diese hier exakt vierundzwanzig Stunden vor dem Vollmond, von der Zeit des Mondaufganges aus gerechnet" sagte Snape und deutete auf eine schmale, grüne Phiole. „Vollständig austrinken. Diese hier –„ sein blasser Finger wanderte zu einer roten, etwas kleineren Phiole, „exakt zwei Stunden später. Und dann alle drei Stunden hundertfünfzig Milliliter hiervon, bis die Verwandlung einsetzt." Fingerzeig auf einen großen, verstöpselten Kupferkrug. „Machen Sie sich bitte die Mühe der genauen Dosierung. Und dokumentieren Sie, wie wir es besprochen haben."
„In Ordnung" sagte ich und sammelte die Phiolen von Snapes Schreibtisch, der eigentlich meiner war. Wir hatten eine wortlose Routine gefunden, uns den Arbeitsplatz zu teilen, ich wusste, mehr konnte ich nicht erwarten.
„Keinen Alkohol während der Einnahme" sagte Snape. „Nicht einmal Cognakpralinen."
„Okay."
„Kein Kaffee. Kein schwarzer Tee."
„Ist gut."
„Und keine Zauber, die auf den Kreislauf wirken. Relaxans, Dormiens, Vivare oder ähnliche."
„Ich werd's ausrichten."
„Sie werden noch mehr tun. Sie werden die Einhaltung dieser Regeln durchsetzen."
Ich seufzte. „Natürlich."
„Ich habe Ihnen den Fragenkatalog in schriftlicher Form beigefügt. Ich hätte gerne jede dieser Fragen beantwortet. Detailliert."
„Ist gut."
„Und Sie melden sich…"
„… morgen früh per Floo, um über den Fortgang zu berichten. Ich weiß. Wir hatten das bereits."
Er sah mich scharf an.
„Warum machen Sie's nicht selbst, wenn Sie's mir nicht zutrauen?" sagte ich.
„Meine Neigung, eine Nacht mit Remus Lupin zu verbringen, ist mehr als gering" sagte er. „Haben Sie Ihren Unterricht getauscht?"
„Natürlich. Es war nicht ganz einfach. Ich glaube, das gesamte Kollegium hat miteinander getauscht."
„Ich nicht."
„Ich weiß. Es hätte einiges erleichtert, wenn Sie am Freitag Nachmittag die Dritte übernommen hätten, im Tausch mit Sprout – oder war es Hooch?"
„Nein."
„Überflüssig, den Punkt zu betonen, Severus."
„Ich habe summa summarum etwa hundertzwanzig Stunden meiner kostbaren Zeit in die Modifikation investiert. Das muss genügen."
„Jetzt tun Sie nicht so selbstlos. Das Mindeste, was für Sie dabei rausspringt, ist ein doppelseitiger Artikel in der Potions Tribune. Wenn es funktioniert, heißt das."
„Selbstverständlich funktioniert es. Glauben Sie, ich hätte dieses Experiment veranlasst, wenn ich noch Zweifel hätte?"
„Warum nenne Sie's dann Experiment?"
„Es ist die korrekte Bezeichnung für die erstmalige Anwendung einer Substanz."
„Dann ist es vielleicht auch nicht völlig abwegig, dass ich ein klein wenig nervös bin."
„Wenn Sie die Nerven nicht haben für den Umgang mit einem Werwolf, lassen Sie's bleiben."
„Der Umgang mit Ihnen kostet mich mehr Nerven als alle Werwölfe Großbritanniens zusammen" sagte ich und rückte die kostbaren Flaschen in meinem Arm zurecht.
„Kommen Sie am Mittwoch abend zum Tee" sagte er und zog eine abgegriffene Ausgabe von Face the Ancient Fear unter einer Kiste hervor, in der die abgefüllten Proben des Musicantatus gegeneinander klingelten. „Falls Ihre es Zeit erlaubt."
Es war nicht die erste solche Einladung. Tatsache war, dass wir uns fast regelmäßig trafen, und Tatsache war auch, dass ich diese Abende genoss, obwohl er mich mit schöner Regelmäßigkeit etwa drei mal pro Stunde auf die Palme brachte.
„Gerne" sagte ich.
„Gut" sagte er und schlug das Buch an der Stelle auf, die ein schmales, grün und grau geflochtenes Bändchen anzeigte. Die Audienz war beendet. Im Hinausgehen tippte ich gegen ein großes Fünf-Liter-Gefäß im Regal neben der Tür. Die affenhirnähnliche Substanz darin begann augenblicklich zu rotieren, das Gefäß scharrte und kippelte auf seiner hölzernen Unterlage, und die rosa Konservierungsflüssigkeit schwappte plätschernd gegen den Deckel. Ich wusste, das würde ihn in seiner Kontemplation empfindlich stören. Ich musste es nur noch ungefähr hundert Mal tun, dann würde er das Glas vielleicht entfernen, und dann blieben nur noch etwa achttausend ähnliche Scheußlichkeiten, bevor ich beginnen konnte, mich in unserem Gemeinschaftsbüro wohl zu fühlen.
Etwa eine Stunde später ging ich im Kamin der Großen Halle von Nummer Zwölf unsanft zu Boden. Mein Rucksack, in dem ich meine Sachen für die nächsten zwei Tage hatte, scharrte hässlich gegen die uneben gemauerte Wand. In den Armen hielt ich die sorgfältig verpackten und gegen Erschütterungen geschützten Flaschen, die ich an mich drückte wie ein neu geborenes Baby. Für einen Augenblick blieb ich sitzen und tastete ängstlich, ob die Verpackung sich von innen durchnässte, aber alles blieb trocken und fühlte sich stabil an. Ich kletterte aus dem Kamin und schlich mich zur Küchentreppe. Schon auf den Stufen hörte ich, dass ich nicht der einzige Besuch in meiner Lieblings-Männer-WG war. Die Küche schien voll zu sein. Ich hörte Stimmengewirr, darunter Mollys energischen Sopran und Kingsley Shacklebolts dunkel grollendes Gelächter. Ich unterdrückte ein Seufzen. Ich hatte wirklich gehofft, Sirius und Remus allein anzutreffen. Sirius hatte eine Art, sich für eine Weile in den abgelegenen Teilen des Hauses zu beschäftigen, wenn es nötig wurde, er tat es breit grinsend und nicht sehr diskret, aber er tat es. Eine ganze Küche voller Leute war wesentlich schwieriger los zu werden.
Ich stieß die Tür auf und beinahe gegen Tonks, deren Haare heute dunkelgrün, kurz und stachelig waren.
„Hallo, zusammen" sagte ich und quetschte mich durch den Spalt.
„Hallo, Emilia" sagte Tonks und lächelte ihr ansteckendes Lächeln. „Bist du durch den Kamin gekommen?"
„Ja" sagte ich und stellte meinen Rucksack ab. „Wieso?"
„Sirius könnte sich durchaus mal wieder einen Kaminkehrer leisten" sagte sie grinsend.
„Oh" sagte ich und rieb mit dem Ärmel über mein Gesicht. Prompt blieben Rußspuren daran kleben.
„Warte" sagte Tonks. „Clarifico." Sie flickte ihren Stab vor meinem Gesicht. „Besser jetzt" sagte sie.
„Danke" sagte ich, und zu Sirius, der, die Hände voller Teetassen, von rechts in mein Blickfeld kam: „An dem Tag, an dem ich ein Vogelnest mit runter bringe, wirst du deine Sparsamkeit bereuen."
„Auch dir einen wunderschönen Nachmittag, charmante Emilia" sagte er und strahlte übers ganze Gesicht. Ich kannte das schon. Je mehr Leute sich um ihn versammelten, desto glücklicher war er.
Ich zwängte mich zwischen Tonks und der Wand hindurch, wo ein sich ein dicker Klumpen feuchter Überroben, Tribut an das ständig nasse Londoner Wetter, an einem Kleiderhaken ballte. Im hinteren Teil des Raumes sah ich Kingsley Shacklebolt, der gerade eine quadratmetergroße Landkarte vom Tisch hob, damit Molly den Teekessel abstellen konnte. Hinten am Fenster leuchtete der schon etwas schüttere rote Haarschopf Arthur Weasleys, er war in etwas vertieft, das piepende und blubbernde Geräusche von sich gab, und hinten auf der Eckbank, flankiert von Sturgis Podmore und Mad-Eye Moody und damit völlig meinem Zugriff entzogen, entdeckte ich endlich den Mann, dessen detailverliebte Phantasie mich den ganzen Tag auf angenehm irritierende Art verfolgt hatte. Er saß, als könnte er kein Wässerchen trüben, Kingsleys zweijährige Tochter auf dem Schoß, und produzierte schillernde Seifenblasen aus der Spitze seines Stabes, die sie, vor Begeisterung quietschend, zum Platzen brachte.
„He" sagte er und lächelte mich an.
„He" sagte ich, plötzlich atemlos, und klammerte mich an mein Päckchen.
„Irak" sagte Kingsley mit seinem dröhnenden Bass. „Ich habe Muggel-Radio gehört, im Ministerium. Die Muggel haben dort irgendeinen Krieg, die gesamte Region ist höchst unsicher. Es ist ideal."
„Ich weiß nicht" sagte Sirius, verzog das Gesicht und stellte die Tassen ab. „Ich hatte an etwas… Cooles gedacht. Himalaya oder so. Ich habe einen Ruf zu verlieren. Ich bin eine Legende, vergesst das nicht."
„Setz dich" sagte Molly und schob mir einen Stuhl hin. „Sie planen gerade Sirius' nächste Sichtung." Ich setzte mich. Ich war so weit von dem Mann meines Verlangens entfernt, dass ich nicht mal unter dem Tisch seine Füße mit meinen berühren konnte. Ich unterdrückte ein Seufzen.
„Von wem willst du dich denn in einer menschenleeren Bergregion sichten lassen" sagte Kingsley. „Ein paar Bergziegen vielleicht?"
„Es gibt ein Basislager auf fünftausend Meter" sagte Sirius grinsend.
„Quatsch" knurrte Moody.
„Noch mal!" jubelte meine Namensvetterin, die kleine Emma, auf Remus' Schoß und klatschte in die Hände. Remus schwenkte seinen Stab, und neue Seifenblasen stiegen auf. Ich sah hinüber, er wirkte krank und grau, ich hatte es nicht anders erwartet, und dennoch schnitt der Anblick mir ins Herz. Laut Sirius war es vor jedem Vollmond das gleiche. Ich tat gut daran, mich zu gewöhnen.
„Okay" sagte Sirius. Bleiben wir in der Ecke. Tibet, wie wäre das?"
„Ich habe keine Kontakte nach Tibet" sagte Kingsley. „In Bagdad lebt ein Freund von mir, er ist einer der letzten dort, der noch nicht seine Sachen gepackt hat. Er könnte die Sichtung für uns arrangieren."
Sirius nahm sich einen Stuhl, setzte sich rittlings darauf und kippelte nach vorne, um einen Blick auf die Karte zu werfen.
„Wo is'n das blöde Irak" sagte er.
„Der" sagte ich. „Der Irak. Hier unten." Ich zeigte mit dem Finger.
Sirius machte ein wenig überzeugtes Gesicht, er spielte mit seinem Haar und warf es über die Schulter zurück, ich fragte mich, wen er mit seinen Posen beeindrucken wollte, oder ob er es einfach gewohnheitsmäßig tat.
„Wie ist es denn da so?" fragte er.
„Heiß, und staubig" sagte ich. „Wüste, Gebirge, Erdöl-Förderanlagen."
„Keiner spricht davon, dass du dich persönlich dorthin begibst" sagte Kingsley. „Dafür brauchen wir doch den Polyjuice."
„Den ich morgen ansetzen kann" sagte ich. „Die Vorbereitungen sind so weit abgeschlossen. Ich brauche nur noch ein paar Haare."
Sirius seufzte tief.
„Ist doch egal, wo man dich sieht" versuchte ich ihn aufzumuntern. „Hauptsache, du kannst dich hier wieder für eine Weile frei bewegen. Zumindest etwas freier."
„Padfoot kann das" sagte Remus. „Sirius kann das nur über meine Leiche."
„Ja" sagte Sirius seufzend. „Aber das ist wenigstens etwas."
„Siehst du" sagte ich.
„Gehst du mal mit mir Gassi?" fragte er mich und legte den Kopf schief.
„Nein" sagte ich. „Du weißt, ich hab's nicht mit Hunden. Sind mir zu harmlos."
„Du?" fragte er Tonks und neigte den Kopf zur anderen Seite, dass sein Haar ihm über die Schulter floss wie Seide.
„Nicht, wenn ich die zweite Wahl bin" sagte sie.
„Du bist nicht die zweite Wahl" sagte er. „Im ganzen Gegenteil. Ich war nur zu schüchtern, um mir das anmerken zu lassen."
„Mist" sagte Arthur und schüttelte den flachen, rechteckigen Gegenstand, auf dem er herum getippt hatte.
„Was ist das eigentlich?" fragte Molly und sah ihm über die Schulter.
„Sie nennen es Gameboy" sagte Arthur und betrachtete das Ding nun von hinten.
„Ein elektronisches Kinderspielzeug" ergänzte ich die magere Erklärung.
„Na, es scheint einen erwachsenen Mann über Stunden beschäftigt zu halten" sagte Molly kopfschüttelnd.
Kingsley faltete die Karte zusammen. „Machen wir es so" sagte er. „Ich kontaktiere Halef. Die Eule geht heute noch raus."
„Eulenpost ist nicht sicher" sagte Moody, und sein magisches Auge wirbelte irritierend in seiner Höhle. „Es werden immer mehr Eulen abgefangen. Das Briefgeheimnis ist Geschichte, Freunde."
„Niemand fängt eine Ministeriums-Eule ab" sagte Kingsley beruhigend. „Und sobald sie mal auf der Höhe von Afrika ist und der Brief auf Falkenpost verlagert wird, ist die Sache ohnehin vom Tisch."
„Es lebe das WWW" sagte ich seufzend. „Man könnte binnen Sekunden eine Mail verschicken, statt dessen nehmt ihr Eulen wie vor hundert Jahren."
„Halef ist ein bisschen altmodisch" sagte Kingsley. „Ich glaube nicht, dass er sich umgewöhnt, so lange irgendwo noch eine alte Ente herum läuft, die er mit seiner Post los schicken kann."
„Verwende trotzdem eine Verschlüsselung" sagte Moody. „Unnötig, ein Risiko einzugehen."
„In Ordnung" sagte Kingsley und verstaute die Karte in seiner Robe.
„Oha" sagte Arthur erstaunt, er hatte es geschafft, das Batteriefach zu öffnen.
„Du brauchst neue, wahrscheinlich" sagte ich und zeigte mit dem Finger. „Batterien, meine ich. Die Energiequelle, mit der das Ding läuft."
„Du willst schon wieder los?" fragte Molly Kingsley.
„Ja" sagte er. „Ich muss Rose vom Kindergarten abholen. Emma, sag Wiedersehen zu Moony."
Emma beschäftigte sich angelegentlich mit den Falten von Remus' alter, x-fach geflickter Robe.
„Emma?"
„Wa-haaas?" Sie hatte eine so perfekte Imitation des ungeduldigen Tonfalles ihres Vaters drauf, dass wir alle grinsten.
„Wir gehen jetzt."
„Ne-heeein."
„Ich bring' euch zur Tür" sagte Remus.
„Kleinen Moment" sagte Sturgis, der ihm den Weg von der Eckbank versperrte, und rollte eine lange, vor ihm ausgebreitete Liste zusammen. „Ich schließe mich an. Wir müssen dann die reizende Mrs. Black nur einmal stören. Weiß jeder, wann er dran ist?"
Gemurmelter Chor von „Ja".
„Gut" sagte Sturgis. „Arthur, denk bitte dran. Du begleitest Dumbledore am Dienstag, dafür übernimmt Diggle deine Donnerstagswache."
„Mhm" sagte Arthur abgelenkt.
„Und von dir" er deutete auf mich, „brauchen wir den Levitatis. Am Freitag, statt Sonntag."
„Wie gestern besprochen" sagte ich sanft. „Und vorgestern."
„Entschuldigt" sagte Sturgis seufzend und erhob sich. „Ich bin ein bisschen überarbeitet. Diese neue Frau am Ministerium macht mich fertig."
„Umbridge?" fragte Arthur und sah von seinem Gameboy hoch.
„Genau die" sagte Sturgis. „Ich sehe da bewegte Zeiten auf uns zu kommen. Merkt euch meine Worte."
Sie versammelten sich unter der Tür, und Remus stellte Emma ab, damit Kingsley sie in ihre kleine rote Regenrobe stecken konnte.
„Nuuunie" sagte sie und hob ihr kleines Gesichtchen zu ihm. Er ging folgsam in die Knie, und sie schlang ihre Ärmchen um seinen Hals und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
„Nein" sagte er lächelnd und strich ihr ein Löckchen aus der Stirn. „Ich kann nicht mitkommen. Ein andermal, Emma."
Sie flüsterte erneut, und er sah hinauf zu Kingsley.
„Sie möchte Schokolade" sagte er.
Kingsley seufzte. „Wenn du versprichst, in der Halle ganz leise zu sein" sagte er zu ihr, und sie nickte ernsthaft.
Emma wurde mit Schokolade versorgt, und ich beobachtete den Aufbruch mit wenig Bedauern. Der offizielle Teil dieses Treffens schien vorüber zu sein, und ich sah meine Chancen steigen, wenigstens mal einen Zipfel der geflickten Robe in die Finger zu bekommen. Ich trank meinen Tee und wartete, bis ich Remus aus der Halle zurück kommen hörte, dann sprang ich auf, murmelte etwas von „Gleich wieder da" und fing ihn vor der Tür ab. Aus dem oberen Stockwerk hörte ich Mrs. Black keifen. Der Trick mit der Schokolade hatte wohl doch nicht funktioniert.
„Emilia" sagte er, fasste mich um die Hüften und drückte mich gegen die kühle Wand. „ Oh, Merlin, das waren die längsten sieben Stunden meines Lebens. Warum bist du so spät dran?"
Ich murmelte etwas von Warten auf den Wolfsbann, aber ich kam nicht weit, seine Lippen schnitten mir das Wort ab, und ich endete in einem tiefen Seufzen, als er seine Zunge zwischen meine Lippen schob. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und zog ihn dichter an mich, während meine Zunge sich vorsichtig an seine spitzen Eckzähne wagte, ich fragte mich, ob ich es mir einbildete, oder ob sie tatsächlich eine Idee spitzer waren als gestern noch.
„Was für sieben Stunden" murmelte ich, als sich unsere Lippen gerade weit genug voneinander entfernten, um verbale Kommunikation zu ermöglichen.
„Seit heute morgen" murmelte er. „Seit ich zuletzt etwas von dir gehört habe."
„Ich hatte Unterricht."
„Ich weiß. Trotzdem war es furchtbar lang."
„Du hast mich schrecklich abgelenkt, weißt du? Du kannst mir doch nicht mitten im Unterricht solche Sachen schreiben."
„Hat es dir gefallen?"
„Ja. Es hat mich… ziemlich… in Fahrt gebracht."
Er lachte leise in meinen Mund hinein, seine Zunge streifte meinen Mundwinkel. „Es waren nicht nur leere Versprechungen, weißt du" sagte er. „Du könntest mit mir kommen und dir das Badezimmer im zweiten Stock ansehen. Und dann… könntest du… mit mir… kommen." Seine Zunge wanderte meinen Hals hinunter, ich spürte seinen Atem in meinem Nacken. Sein Haar roch nach Zimt.
„Ich kann nicht glauben, dass du das gerade gesagt hast" stöhnte ich leise. „Du. Der Poet."
„Ich gebe zu, dass nicht alles Poesie ist, was meinen Mund verlässt" sagte er und biss mich in die Halsbeuge. „In dem Fall war es eine simple Aufforderung."
„Der ich schrecklich gern folgen würde" sagte ich und verfolgte seine Hände, die von meinen Schultern tiefer wanderten. „Wenn da nicht diese Küche voller Leute wäre, die auf uns warten."
„Was mache ich falsch, dass du noch an die anderen denkst?" sagte er. „Was mache ich falsch, dass du überhaupt noch denkst?"
„Entschuldige" sagte ich. „Denken ist wirklich eine blöde Angewohnheit von mir."
„Ich liebe dich" sagte er und legte seine Lippen auf meine. „Ich mein's ernst. Ich habe eine mühsame Zeit vor mir. Ich will mich noch mal gehen lassen. Ich will etwas haben, an das ich mich erinnern kann, so lange es dauert. Ich will keine Rücksicht nehmen. Ich will jetzt mit dir Liebe machen, sofort, und ich pfeif' auf die Leute in der Küche. Von denen ist keiner da und wird mir helfen, wenn es mir schlecht geht."
Ich sah ihn an und staunte. So kannte ich ihn nicht, den allzeit gleichmäßigen, freundlichen, sanften Mann, es war, als sei eine Schale aufgebrochen, ich ahnte etwas von einen wilden, bitteren Kern, den er bisher vor mir verborgen hatte.
Es war unser erster gemeinsamer Vollmond.
Blame it on the moonlight.
"Entschuldige" sagte er, und der Augenblick war vergangen. „Vergiss, was ich gesagt habe. Ich will dich nicht bedrängen, keinesfalls. Ich bin… ein wenig unausgeglichen. Es geht vorbei."
„Es ist in Ordnung" flüsterte ich und vergrub meine Hände in seinem Haar. „Ich will das, genau wie das andere."
Er seufzte tief und zitternd in meine Schulter.
„Lass uns rauf gehen" flüsterte ich. „Ich will dieses legendäre Badezimmer sehen."
Wir waren schon auf der Treppe, als das Klirren durch die angelehnte Küchentür zu uns drang, direkt gefolgt von einem Aufschrei. Ich erstarrte.
Der Wolfsbann.
Ich schoss von der Treppe und hinein in die Küche, wo Tonks in einer dunklen Lache auf dem Boden kniete. Sirius lachte.
„Jetzt weiß ich wenigstens, wozu der ganze Plunder in diesem Haus gut ist" sagte er. „Man hat immer Ersatz-Tassen."
Ich stürzte mich auf das Päckchen, das unversehrt auf dem Tisch lag, und schob es in die weitest möglich von Tonks entfernte Ecke, dann überlegte ich es mir anders und nahm es in den Arm wie ein Neugeborenes.
„Was ist das überhaupt?" fragte Sirius und zeigte auf das Päckchen.
„Es tut mir leid" sagte Tonks verzweifelt. „Ich wollte das wirklich nicht… meine Robe muss irgendwie… Verdammt! Ich sollte nur noch Jeans tragen!"
„Absolut" sagte Sirius und sah mit dem Blick eines Jägers auf sie hinunter. „Jeans sind so viel… vorteilhafter… für die Bewegungsfreiheit."
Sie sah ziemlich verwirrt zu ihm hinauf, während sie ihren Stab aus dem Ärmel fummelte.
„Wolfsbann" sagte ich. „Falls es noch interessiert. Und zwar", ich wandte mich zu Remus, der hinter mir in die Küche gekommen war, „der modifizierte."
„Aha" sagte er und zog neugierig an einem Zipfel meiner kunstvollen Verpackung. Ich wickelte die Flaschen aus. Ich konnte es ihm genauso gut gleich mitteilen.
„Heute abend" sagte ich und zeigte ihm die rote Phiole. „Bei Mondaufgang. Diese hier", ich hielt die grüne hoch, „zwei Stunden später. Und dann alle drei Stunden von dem hier." Ich zeigte auf das hohe Kupfergefäß. „Und das hier" – ich wedelte mit einem sorgsam gefalteten Pergament – „ist Severus' Fragenkatalog. Bezieht sich darauf, ob di Veränderungen spürst, und welcher Natur die sind."
„Was ist das denn" sagte Sirius, und eine steile Falte erschien über seiner Nase.
„Severus' Forschungsergebnisse" erklärte ich. „Er arbeitet an einer Verbesserung des Wolfsbann. Dem Grunde nach geht es um eine Vereinfachung der Rezeptur. Wolfsbann ist sehr komplex und deshalb instabil. Man kann ihn beispielsweise nicht auf Vorrat brauen, weil er sich nicht konservieren lässt, und man darf ihn nicht zu stark erhitzen oder abkühlen, und so weiter. Die Idee ist nun, den Trank sozusagen in Einzelteile zu zerlegen, die dann in sich einfacher und damit stabiler sind."
„Und worin liegt der Vorteil?"
„Er ist viel einfacher herzustellen."
„Lass mich noch mal fragen. Worin liegt der Vorteil für Moony?"
„Wir hoffen, dass er besser verträglich ist und mehr von den Schmerzen der Verwandlung unterdrückt."
„Ich wäre unabhängiger" sagte Remus und betrachtete die rote Phiole. „Wenn ich nur einen Vorrat von dem Zeug haben könnte, wäre ich nicht gezwungen, alle achtundzwanzig Tage an Severus' Türschwelle zu kratzen."
„Das bist du vielleicht ohnehin nicht mehr lange" sagte ich. „Ich habe ihn in Arbeit. Irgendwann ist er so weich gekocht, dass er mir zeigt, wie man Wolfsbann macht."
„Von ihm oder von dir abhängig zu sein, macht vielleicht einen qualitativen Unterschied, aber keinen grundsätzlichen" sagte Remus.
„An wie vielen Werwölfen wurde das schon getestet?" sagte Sirius und hatte immer noch diese steile Falte.
„Ahem" sagte ich. „Na ja."
„Nein" sagte Sirius. „Nicht dein Ernst."
„Ich bin der erste" sagte Remus.
„Nein" sagte Sirius.
„Irgend einer muss doch der erste sein" sagte Remus.
„Kommt nicht in Frage" sagte Sirius. Remus seufzte.
„Reg dich ab, Junge" sagte Moody. „Der alte Vampir weiß schon, was er tut. Man kann ihn mögen oder nicht, aber von seinem Fach versteht er was."
„Ich rege mich nicht ab!" rief Sirius und sprang von seinem Stuhl in die Höhe. „Er kann doch nicht irgendwas schlucken, was dieser… dieser… Giftmischer sich in seinem Keller zusammen gerührt hat! Er könnte ihn vergiften!"
„Das könnte er schon seit über zwei Jahren, und hat es nicht getan" sagte Remus. „Ich schlucke jeden Monat die Ergebnisse aus seiner Giftküche, ohne die leiseste Ahnung, was drin ist. Es macht wirklich keinen Unterschied, in wie viele Flaschen das Zeug abgefüllt ist, und ob die rot oder blau oder sonst wie sind."
„Er soll es an einem anderen testen" sagte Sirius stur.
„Und woher soll er den nehmen?" fragte Moody kopfschüttelnd. „Es ist nicht gerade so, dass Werwölfe rudelweise im Leaky Cauldron ein und aus gehen."
„Ich besorg' ihm einen" sagte Sirius.
„Was für eine denkwürdig dämliche Bemerkung" grollte Moody.
„Es kann nicht so sehr viel schief gehen" sagte ich. „Ich weiß, was drin ist. Man kann sich nicht dran vergiften."
„Was kann denn schief gehen?" fragte Remus.
„Im schlimmsten Fall" sagte ich zögernd, „also… im schlimmsten Fall… ist er nicht wirksam."
„Oh" sagte Remus.
„Severus sagte, ich sollte mir keine Sorgen machen. Du wärest die längste Zeit deines Lebens ohne den Wolfsbann zurecht gekommen."
„Wie großzügig von ihm, dir zu sagen, wann du dir Sorgen machen musst und wann nicht" spie Sirius.
„Padfoot" sagte Remus leise und sehr bemüht, niemanden anzusehen. „Lass es gut sein."
„Ich mach' mir Sorgen" sagte Sirius heftig. „Ich will nicht, dass dir was passiert."
„Dann hilf mir" sagte Remus. „Du bist auch schon ohne den Wolfsbann mit mir fertig geworden. Ich nehme an, du erinnerst dich."
„Natürlich erinnere ich mich, Moony-Blödkopf" sagte Sirius, seine Stimme wurde weicher. „Aber ich hasse einfach den Gedanken, dass jemand mit dir herum experimentiert."
„Sieh es als eine Art Gegenleistung" sagte Remus seufzend. „Seit mehr als zwei Jahren bekomme ich den Wolfsbann von ihm, zuverlässig, jeden Mond. Er hat mich nicht einmal im Stich gelassen. Und ich kann kaum etwas anderes für ihn tun."
„Regt euch ab, bitte" sagte ich. „Nach menschlichem Ermessen muss es funktionieren. Es ist schließlich nicht so, dass wir jede alberne Schnapsidee an ihm testen. Wir haben uns das schon sehr gründlich überlegt."
„Ach, wir" sagte Sirius und zog die Augenbrauen hoch.
„Ja, wir" sagte ich. „Wir tauschen uns gelegentlich aus, oder ist das verboten?"
„Es ist eklig" sagte Sirius, „aber leider erlaubt."
„Autsch" sagte Tonks hinter uns. Ich drehte mich um.
„Geschnitten" sagte sie und lutschte an ihrem Daumen. „Diese Tassen lassen sich nicht reparieren, Sirius, wusstest du das?"
„Kann sein" sagte er achtlos. „Schmeiß sie weg."
„So" sagte ich. „Leute, seid mir nicht böse, aber ich brauch' eine Pause. Ich hatte einen langen Tag, und diese Snape-Hetzjagden gehen mir auf den Keks. Ich bring' mal meine Sachen rauf." Ich griff nach meinem Rucksack, der noch unter dem Kleiderhaken stand, und drehte mich zu Remus.
„Kommst du mit?" fragte ich ihn. „Du wolltest mir noch was zeigen."
„Geh schon mal vor" sagte er. „Ich komm' gleich."
Ich verließ die Küche in einer Mischung aus Enttäuschung und Wut. Ich schlich mich durch die Halle und die Treppe hinauf in den ersten Stock, wo Remus sich in einem der zahlreichen Schlafräume eingerichtet hatte. Das Haus war das dunkelste, strengste, erdrückendste, das ich je betreten hatte, es gab nur wenige Räume, in denen es sich einigermaßen aushalten ließ. Remus' gehörte dazu. Er hatte den Raum kräftig entrümpelt, das meiste des ursprünglichen Mobiliars bewahrte er miniaturisiert in einer Schachtel im Schrank auf, und er hatte eine Art, seine wenigen Besitztümer im Raum zu verteilen, die ihn bewohnt, aber nicht unordentlich aussehen ließ.
Ich stellte meinen Rucksack ab. Von draußen schlug der Regen gegen das Fenster. Es war dämmerig. Ich fror. Ich legte mich in Remus' Bett und zog mir die Decke bis zum Kinn. Ich drückte meine Nase ins Kissen und schloss die Augen. Es roch nach ihm. Ich wünschte uns beide weit weg auf eine einsame Insel, ohne Sirius, ohne den Orden, ohne das Wolfsbann-Problem. Ich erinnerte mich an etwas, das er mir in unserer ersten Nacht gesagt hatte:
„Ich lebe in schwierigen Umständen. Ich kann kein normales Leben führen mit dieser Natur, die ich habe, und das ist nur eines meiner Probleme. Ich weiß nicht, ob ich das alles von dir fern halten kann, wenn wir zusammen sind." Ich hatte etwas sehr verliebtes, sehr großzügiges geantwortet von gemeinsamer Stärke und Loyalität und Zusammenhalten unter allen Umständen. Mir war jetzt klar, dass ich nicht gewusst hatte, worauf ich mich da einließ. Ich bereute es nicht, aber ich sehnte mich nach dieser Insel, auf der es nur mich und ihn gab und niemanden sonst, zumindest für eine Weile.
Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als ich endlich seinen leichten Schritt auf dem knarrenden Dielenboden hörte.
„He" sagte er leise. Ich hob meine Nase aus dem Kissen. Er kam zu mir, legte sich der Länge nach auf mich und biss mich zart in den Hals. Sein Gewicht drückte mich auf angenehm unbequeme Art gegen die alten Sprungfedern in der Matratze.
„Hast du geschlafen?" murmelte er an meinem Ohr.
„Nein" sagte ich. „Nachgedacht. Weißt du was? Wir sollten Urlaub machen."
„Was?" sagte er erstaunt.
„Nicht jetzt, während der Unterrichtszeit. In den Weihnachtsferien. Wenn irgendwann Mitte Dezember Vollmond ist, haben wir das gerade hinter uns und können ganz entspannt auf die Malediven fliegen."
„Malediven" sagte er.
„Oder Seychellen, falls dir das lieber ist. Irgendwohin, wo es Palmen gibt und weißen Strand."
„Du spinnst" sagte er. „Ich lasse mich hier vom Orden durchfüttern, weil ich nicht mal Geld für Essen habe, und du sprichst von Urlaub."
„Lass mich doch" sagte ich. „Es tut mir gut. Und vielleicht reicht ja mein Gehalt. Lass mich zumindest davon träumen."
Er seufzte. „In Ordnung" sagte er. „Ich komm' nur nicht so gern als mittelloser Verlierer in deinen Träumen vor."
„Das tust du nicht" sagte ich. „In meinen Träumen bist du genau wie hier. Naja. Okay. Fast."
„Aha? Und was hat der Traum-Lupin mir voraus?"
„Er ist ein bisschen entspannter. Nicht so sorgenvoll. Er ist fröhlicher. Er lacht mehr. Und er ist nicht so verhungert."
„Ich bin nicht verhungert. Du hättest mich sehen sollen, als ich hier ankam."
Ich drehte mich unter ihm und nahm ihn mit, so dass wir seitlich zu liegen kamen, Nase an Nase. Ich knöpfte seine Robe auf und wühlte mich durch den Stoff, bis ich auf seiner warmen Haut angelangt war. Ich sah, wie seine Augenlider flatterten. Ich strich über seine Brust und mit dem Zeigefinger über seine Rippen, die ich allzu deutlich spüren konnte.
„Weißt du, woran ich immer denken muss, wenn ich dich so berühre?" flüsterte ich.
„Hm?" machte er und vergrub seine Hand in meinem Haar.
„Apfelstrudel" flüsterte ich.
„Was?" Er öffnete die Augen und lachte. Ich war grenzenlos erleichtert. Die Klippe war umschifft, die dunkle Wolke abgewendet.
„Mit Vanilleeis" sagte ich lächelnd. „Und Schlagsahne. Nicht für mich. Für dich. Ich möchte dich immer mit irgendwas füttern, wenn ich dich so sehe." Ich schlug seine Robe zurück und küsste seine Brust.
„Nur zu" murmelte er und zog mich dichter an sich.
„Kirschtorte" murmelte ich, die Lippen auf seiner Haut. „Sahne, Kirschen und Schokolade. Mandelmakronen mit Honig."
„Weiter."
„Kakao. Dampfend heiß, und wieder mit Schlagsahne. Und Orangenlikör. Ich liebe Orangenlikör."
„Mmmmh. Weiter."
„Mandelpudding mit Aprikosen. Baisertörtchen mit einer Füllung aus Champagner und Passionsfrucht." Ich küsste die dunkle, warme Stelle zwischen Ohr und Hals und schickte meine Hand hinunter zu seinem Gürtel. Er stöhnte unterdrückt, ich war mir ziemlich sicher, es war nicht wegen des Mandelpuddings, und bewegte sich, damit ich besser an die Knöpfe seiner Hose heran kam.
„Weiter" sagte er atemlos.
„Creme Caramel" flüsterte ich. „So süß, dass es dir die Tränen in die Augen treibt."
Er stöhnte und bewegte sich unter meinen Händen. Ich küsste ihn und lächelte in seinen Mund hinein.
„Einen hab ich noch" flüsterte ich. „Mousse au Chocolat. Cremiges, weiches, dunkles, bittersüßes, das über deine Zunge streichelt und dich so glücklich macht, dass du es kaum aushältst."
Er keuchte auf, ich hatte recht zielstrebig hingefasst, und dann schien er beschlossen zu haben, dass es genug sei mit Poesie, er befreite mich ohne weitere Umwege von den störenden Stoffschichten, die meinen Körper einhüllten, und legte sich auf mich, und dann machten wir Liebe, es war heftig und überwältigend und rücksichtslos, wie Schokolade, die ein wenig zu bitter ist.
Irgendwann viel später lag ich keuchend neben ihm und staunte, ich fragte mich, wohin mein höflicher, zärtlicher, sanfter Liebhaber verschwunden war. Der Mann, dessen Körper und Gesicht er teilte, lag neben mir, einen Arm über dem Gesicht, eine Hand auf meinem Bauch, und eine gewisse Anspannung wollte aus seinem Körper nicht weichen.
Ich drehte mich und nahm den Arm von seinem Gesicht, ich wollte ihm in die Augen sehen.
„He" sagte ich. „Ich wusste ja nicht, dass schon die Erwähnung von Schokolade eine solche Wirkung auf dich hat."
Er lächelte müde. „Entschuldige" sagte er. „Ich habe dir doch nicht weh getan, oder?"
„Nein" sagte ich.
„Gut" sagte er.
„Du musst dich nicht entschuldigen" sagte ich. „Es war großartig. Nur eben anders als sonst."
Er lehnte seine Stirn gegen meine und küsste mich, er wirkte ein wenig verunsichert.
„Weißt du was" sagte ich. „Was wir jetzt brauchen, ist ein schönes, heißes, kuschliges Bad. Ein bisschen Stressabbau. Wie wäre das?"
„Schön" sagte er. „Es gibt da noch dieses Badezimmer im zweiten Stock."
„Also" sagte ich. „Schleichen wir uns rauf. Vielleicht haben wir Glück und begegnen niemandem."
„Sie sind vorhin alle gegangen" sagte er und richtete sich auf. „Bis auf Tonks. Sirius hat sie weich geklopft, noch auf einen Tee zu bleiben."
„Sie sind aber noch nicht so weit, dass sie uns das Badezimmer streitig machen, oder?"
Er lachte. „Ich glaube nicht" sagte er. „Das wäre Rekord, selbst für den schönen Sirius."
Wir warfen uns unsere Roben über und schlichen die düstere Treppe hinauf, vorbei an einer Galerie von Mitgliedern der Familie Black, die hochmütig auf uns hinunter starrten, ein paar Stufen hinunter in einen der unzähligen Anbauten des verwinkelten Hauses, einen kurzen Gang entlang und endlich hinein in das legendäre Badezimmer im zweiten Stock. Ich verschloss die Tür mit einem Zauber, und dann stellte ich fest, dass mein romantischer Liebhaber zurück gekehrt war, er hatte begonnen, brennende Kerzen zu beschwören und ließ nicht davon ab, bis das ansonsten graue, schmuddelige Badezimmer in goldenes Licht getaucht war. Wir ließen uns Wasser ein und kletterten in die geräumige Wanne, das Wasser war heiß genug, um mir einen prickelnden Schauer durch den Körper zu jagen. Ich nahm eine etwas staubige Kristallphiole vom Wannenrand, zog den Stöpsel und roch daran, ich fand es gar nicht mal so schlecht.
„Hm?" fragte ich und hielt es dem Mann unter die Nase, der meine Badewanne teilte. Er zuckte zurück, als wäre es eine Mistbombe.
„Bitte" sagte er. „Verzichten wir darauf, wenn's geht. Ich bin ein bisschen empfindlich mit Gerüchen, so kurz vorher."
Ich stellte die Phiole zurück und lehnte mich gegen ihn, mein Kopf passte perfekt in seine Halsbeuge. Er umschloss mich mit Armen und Beinen und vergrub das Gesicht in meinen Haaren. Das heiße Wasser plätscherte um uns und streichelte unsere Haut. Ich betrachtete seinen von Narben übersäten Oberkörper. Es waren alte dabei, flach und silbrig schimmernd, manche auch schlecht verheilt und wulstig, und eine Serie frischer, roter, die erst wenige Wochen alt waren. Ich seufzte ein wenig, und er umschlang mich fester.
„Wie lange kannst du bleiben?" fragte er, offenbar bemüht, das Thema zu wechseln, bevor ich es überhaupt aufgebracht hatte.
„Mittwoch mittag" sagte ich. „Um zwei muss ich in McGonagalls Dritte, Unterricht nachholen. Und dann bis Freitag Nachmittag um fünf praktisch durchgehend."
„Puh" sagte er.
„Ja" sagte ich. „Kann sein, dass das ein bisschen puh wird. Ich werde intensive Pflege benötigen, am Wochenende."
Ich spürte, wie er in mein Haar hinein lächelte. „Das lässt sich einrichten" sagte er.
„Sie mögen dich alle schrecklich gern" sagte ich. „Das Kollegium. Sie waren alle sofort bereit für den Tausch. Ich meine, wir haben den gesamten Stundenplan umgeschmissen, um das hier möglich zu machen."
„Erzähl' mir das nicht zu genau" sagte er. „Ich kriege nur ein schlechtes Gewissen."
„Weißt du" sagte ich, „ich glaube, wenn sie könnten, sie würden sofort tauschen. Snape zurück an den Kessel, die Liguster zurück nach Deutschland, und Lupin zurück in die Verteidigung."
„Tja" sagte er. „Eines der vielen Dinge, auf die ich leider verzichten muss. Geregelte Arbeit. Und es ist nicht besser geworden, seit Snape das Ministerium informiert hat. Sie haben meinen alten Ausweis eingezogen und mir einen neuen gegeben, in dem es drin steht."
„Oh" sagte ich.
„Sie sagen, es sei völlig vorschriftsmäßig und hätte nichts mit Diskriminierung zu tun. Ein Animagus hätte schließlich auch einen Ausweis, in dem seine Tiergestalt erfasst sei. Nur dass niemand ein Problem damit hat, einen Animagus einzustellen."
Ich sah die dunkle Wolke, wie sie sich über unserer warmen, goldenen Oase zusammen ballte. Sie war heute wirklich schwer los zu werden. Ich versuchte es trotzdem.
„Aber vielleicht nicht mehr lange" sagte ich. „Wann hast du dieses Vorstellungsgespräch? Nächsten Montag?"
„Heute" sagte er.
„Was!" sagte ich und kam von seiner Schulter hoch, dass Wasser über den Wannenrand schwappte und auf den Boden klatschte. „Heute morgen? Wie ist es gelaufen? Warum hast du nichts erzählt?"
„Heute Nachmittag" sagte er. „Und ich habe nichts erzählt, weil ich nicht dort war."
„Aber warum?" fragte ich verwirrt.
„Abgesagt" sagte er.
„Ach nein" sagte ich. „Nicht schon wieder. Warum laden die dich erst ein, wenn sie dann doch absagen?"
Er wich meinem Blick aus, was nicht ganz einfach war, da ich direkt vor ihm saß. Er sah nach unten und ließ Wasser durch die Finger laufen.
„Nicht die" sagte er. „Ich."
„Was?" sagte ich verwirrt. „Du hast – ein Vorstellungsgespräch – abgesagt?"
„Ich wollte mal etwas Abwechslung in die übliche Routine bringen" sagte er. „Mal eine wegschicken, statt eine zu bekommen."
„Ich verstehe nicht ganz" sagte ich. Er sah mich immer noch nicht an.
„Ich konnte mich nicht aufraffen" sagte er. „Ich wäre frühestens um sieben zurück gewesen. Ich fand es eine solche Zeitverschwendung. Ich wollte die Zeit so viel lieber hier verbringen, mit dir. Morgen kannst du nicht mehr viel mit mir anfangen, und morgen abend ist es sowieso vorbei."
„Du tust gerade so, als müsstest du sterben, morgen abend" sagte ich.
„Es fühlt sich ein bisschen so an" sagte er.
„Spinner" sagte ich. „Du kannst doch nicht einfach ein Vorstellungsgespräch absagen, nur weil du dich lieber mit mir in die Wanne legst."
„Sie hätten mich ohnehin nicht genommen" sagte er. „Niemals. Sie waren nur nicht vollständig informiert, als sie mir die Einladung schickten. Es ist eine der ältesten Vollblut-Familien Englands. Sie behaupten, sie hätten Salazar Slytherin irgendwo in ihrem Stammbaum. Sie würden sich niemals mit jemandem umgeben, der auch nur einen Muggel in der Verwandtschaft hat. Geschweige denn, ihre kostbaren Erben von einem wie mir unterrichten zu lassen."
Ich seufzte. Die Lust aufs Baden verging mir allmählich.
„Du hättest trotzdem hingehen müssen" sagte ich.
„Kann sein" sagte er, ließ den Kopf zurück fallen auf den Wannenrand und schloss die Augen.
„Warum besorgt Dumbledore dir nicht einen Job?" fragte ich. „Er ist ein einflussreicher Mann. Er könnte es bestimmt."
„Er hat es versucht" sagte er. „Weißt du, was er zu hören kriegt? Wenn der Mann so phantastisch ist, warum haben Sie ihn nicht behalten? Ach, er ist ein Werwolf? Ja, tut mir leid, das disqualifiziert ihn."
„Mist" sagte ich.
„Ja" sagte er.
„Aber wie hast du es früher gemacht?" sagte ich. „Vor Hogwarts? Ich meine, du warst nicht immer arbeitslos, oder?"
„Früher hatte ich einen Pass, in dem es nicht drin stand" sagte er. „Früher hatte ich immer so lange Arbeit, biss es jemandem auffiel, dass meine Krankheitstage immer zu Vollmond statt finden. Danach war's meistens schnell zu Ende. Und mit der Zeit tat ich mir immer schwerer, meinen Lebenslauf zu erklären. Die Leute sind nicht blöd. Die fragen nach, wenn einer zwei-, dreimal im Jahr den Job wechselt."
„Aber selbst wenn" sagte ich, meine Verzweiflung stieg. „Ich meine, es ist doch nur diese eine Nacht. Den Rest der Zeit bis du…" Ich unterbrach mich.
„Was wolltest du sagen?" sagte er. „Normal? Harmlos? Was ist einer, der zwischen den Monden harmlos ist? Was ist das Gegenteil von harmlos?"
„Lass uns abbrechen" sagte ich. „Ich habe mich nicht mit dir in die Wanne gesetzt, um zu streiten. Ich bin auf deiner Seite, falls du es noch nicht bemerkt hast. Du musst mich nicht anfeinden, nur weil ich versuche, dir zu helfen."
„Ich hab's so satt" sagte er. „Das Gefühl, dass mir geholfen werden muss. Ich bin so abhängig. Ich brauche Sirius, damit ich nicht auf der Straße schlafen muss. Ich brauche den Orden, damit ich mir das nötigste zum Leben finanzieren kann. Ich brauche Severus, damit ich harmlos bleibe. Ich bin einfach nicht in der Lage, mein Leben alleine zu regeln."
„Ich brauche dich" sagte ich und küsste seinen Hals. „Weil ich dich liebe. Weil ich gar nicht weiß, wie ich es so viele Jahre ohne dich ausgehalten habe."
„Das kommt bei mir noch oben drauf" sagte er müde.
„Oh, Mann" sagte ich. „Du bist ein harter Brocken, weißt du das? Du willst dich nicht aufheitern lassen. Ist es das, was Sirius den Moony-Blues nennt?"
„Vielleicht" sagte er. „Ich bin einfach nicht sehr ausgeglichen, wenn der Mond kommt. Es gefällt mir nicht, aber es ist so. Ich nehme an, es liegt daran, dass ich dann nicht mehr so tun kann, als sei alles in bester Ordnung."
„Lass es uns schrittweise angehen" sagte ich. „Schau dich um. Es ist alles in bester Ordnung. Wir haben es wunderschön. Ich werde heute abend da sein, und ich werde morgen da sein. Du wirst eine einfache, schnelle, schmerzfreie Verwandlung haben, du machst ein Schläfchen, und wenn du aufwachst, ist alles vorbei."
Er lachte, es klang noch etwas gequält. „Du klingst wie meine Mutter" sagte er.
„Na, ein Glück, dass ich mich so anders anfühle" sagte ich und verursachte erneut hohe Wellen, als ich mich über ihn kniete und meine Zunge zwischen seine Lippen gleiten ließ, von denen das Lächeln schon beinahe wieder verschwunden war. Seine Antwort war heftig, fast verzweifelt, er zog mich an sich, dass mir die Luft weg blieb, und biss mich in die Unterlippe, ich merkte schnell, dass seine Pläne etwas weiter gingen als nur kuscheln und plätschern. Er packte mich und zog mich auf sich, seine Fingernägel gruben sich in meine Schultern, und als er schließlich unsanft in mich eindrang, unterdrückte ich einen Schmerzlaut, er ging seinen Weg mit abgewandtem Gesicht und geschlossenen Augen, es hatte nicht mehr viel mit Liebe machen zu tun. Ich ließ ihn und streichelte sein Haar und flüsterte seinen Namen, und als wir schließlich in der glatten, weißen Wanne zur Ruhe kamen, war das Wasser kalt und ohnehin zum größten Teil auf dem Boden verschüttet.
Ich kletterte vorsichtig aus der Wanne und patschte durch die Pfützen hinüber zu den Handtüchern. Ich rieb mich trocken und wickelte mich in meinen Bademantel. Ich fand es ganz in Ordnung, dass wir in den nächsten Tagen wenig Gelegenheit haben würde, um Liebe zu machen. Ich war wohl nicht so der Typ für Vollmond-Sex.
Der Gedanke brachte mich wieder auf meine Pflichten.
„Kommst du?" sagte ich zu ihm, der noch saß und sich Wasser ins Gesicht schöpfte. „Ich weiß nicht, wie spät es ist, aber es könnte Zeit sein für den grünen Trank."
„Ja" sagte er, „gleich" und fuhr sich mit gespreizten Fingern durch die nassen Haare.
Ich hielt ihm ein Handtuch hin.
„Ein bisschen gleicher" sagte ich. „Jetzt wäre gut. Severus macht Kompott aus mir und stellt mich auf seinen Schrank, wenn ich's vermassel."
„Wieso dich" sagte er und erhob sich ein wenig mühsam. „Es ist doch an mir, das Zeug zu schlucken."
„Aber ich bin dran schuld. Immer, schon vergessen? Es ist meine Daseinsberechtigung, in seinen Augen."
„Oh" sagte er und nahm mir das Handtuch ab. „Richtig. Ich vergaß."
Wir beschlossen, das überschwemmte Bad später in Ordnung zu bringen und uns zuerst um den Trank zu kümmern. Die Küche lag in stillem Halbdunkel, als wir hinunter kamen. Eine einzelne, müde Gaslaterne spuckte flackerndes Licht vor sich auf den schmutzigen Boden. Sirius saß am Tisch, die Füße auf der Eckbank, vor sich ein Glas und eine eckige Flasche mit dunklem Etikett.
„Ja, aber hallo" sagte er mit bemühter Fröhlichkeit. „Dass man euch zwei auch mal wieder zu Gesicht bekommt."
„Entschuldige" sagte Remus, es klang automatisch. „Wir haben ein wenig die Zeit aus dem Auge verloren."
„Erzähl mir mehr" sagte Sirius und verdrehte die Augen.
„Wie spät ist es?" sagte ich.
„Halb zehn, irgendwas" sagte Sirius mit einer vagen Handbewegung.
„Oh" sagte ich. „Mist." Ich kramte hektisch in dem Karton, in dem ich die Flaschen samt Verpackung transportiert hatte, bis ich meinen funkgesteuerten Wecker gefunden hatte.
„Zwanzig nach neun" sagte ich. „Wann ist morgen Mondaufgang?"
„Einundzwanzig Uhr siebzehn" sagte Remus, ohne seinen Mondkalender zu bemühen.
„Mist" sagte ich. „Mist, Mist, Mist. Ich ende als Kompott."
„Rot oder grün?" fragte Remus.
„Rot" sagte ich. „Oder? Moment. Grün. Grün!" Ich riss ihm die rote Phiole aus der Hand. „Erst grün, dann rot" sagte ich. „Wie die Tomaten am Strauch."
„Beruhige dich" sagte Remus und entkorkte die Phiole. „Meine bisherige Erfahrung sagt, dass sowohl der Mond als auch mein Körper weniger präzise arbeiten, als Severus sich das vorstellt. Zwei Minuten machen keinen Unterschied."
„Das ist so widerwärtig" sagte Sirius und verzog das Gesicht. „Allein die Vorstellung, dass Snivellus sich eine Vorstellung davon macht, wie mein Körper arbeitet, würde genügen, um mich in den Wahnsinn zu treiben."
„Und das aus dem Mund von einem, der Azkaban überlebt hat" sagte Remus trocken. „Darauf trinke ich."
„Cheers" sagte Sirius und hob sein Glas. Es klirrte, als sie anstießen, dann setzten sie an und tranken, beide auf ex, es nahm sich aus wie ein geübtes Ritual. Doch während Sirius sehr zufrieden sein Glas absetzte und sich mit dem Ärmel über den Mund wischte, ließ Remus die Phiole auf den Tisch fallen, brach auf der Eckbank zusammen und schlug die Hände vor den Mund, während er verzweifelt würgte. Tränen stürzten ihm aus den Augen.
„Merlin" keuchte er, als er wieder konnte. „Für den Geschmack habt ihr nichts getan, oder?"
„Tut mir leid" sagte ich schuldbewusst. „Es ist der Alraun. Er reagiert mit dem Schafskraut, und es entsteht etwas, das wie verbrannte Kartoffeln riecht."
„Beschreib's mir genauer" sagte Sirius grinsend, während Remus erneut die Hand vor den Mund presste.
„Entschuldige" sagte ich wieder. „Das, was stinkt, ist das, was wirkt. Man kann nichts dagegen tun."
Sirius füllte sein Glas und schob es Remus hinüber. Der wollte danach greifen, aber ich fing ihn ab.
„Kein Alkohol" sagte ich. „Tut mir Leid. Anweisung vom Chef."
„Das ist die reine Bosheit" sagte Sirius kopfschüttelnd, nahm das Glas wieder an sich und kippte den Inhalt hinunter.
„Was soll das werden?" fragte ich ihn. „Ein kleines Besäufnis?"
„Es bleibt kaum etwas anderes zu tun in diesem beschissenen Haus" sagte er und füllte sein Glas aufs Neue. „Das heißt, wenn man niemanden hat, mit dem man ein bisschen die Zeit aus dem Auge verlieren kann."
„Danke schön" sagte Remus. „Botschaft erhalten."
„Nicht böse gemeint" sagte Sirius mit einem müden Lächeln. „Ich wünschte nur… es wäre noch mal so wie früher. Der Vollmond heute ist auch nicht mehr das, was er mal war, meinst du nicht?"
„Tja" sagte Remus. „Kaum etwas ist noch so wie früher."
Ich setzte mich leise auf einen Stuhl. Ich hatte das das plötzliche, dringende Gefühl, nicht stören zu wollen.
„Ich trinke auf die Marauder" sagte Sirius und hob sein Glas. „Auf Moony, Padfoot und Prongs. Mögen sie in Frieden ruhen." Er leerte sein Glas.
„Du bist betrunken" sagte Remus.
„Ja" sagte Sirius und schenkte sich nach. „Erzähl mir, Moony" sagte er und ließ die bernsteinfarbene Flüssigkeit im Glas kreisen. „Was hast du gemacht, die letzten Vollmonde? Hundertsechsundfünfzig. Ich hab's ausgerechnet. Ich habe jeden einzelnen gesehen, durch die Gitterstäbe. Mit wem bist du gerannt?"
„Das willst du nicht wissen" sagte Remus leise.
„Doch" sagte Sirius. „Glaub mir. Ich habe den Mond hassen gelernt, so wie du. Er brachte all diese Erinnerungen mit sich. An die guten Zeiten. An unsere wilden Nächte. Die Dementoren haben mich immer gerne besucht, wenn Vollmond war."
„Es hat wenig Zweck, den Mond zu hassen" flüsterte Remus. „Er kann nichts dafür."
„Ich habe ihn angeheult" sagte Sirius und drehte den Kopf zum Fenster. Das kühle Licht des fast vollen Mondes legte sich auf sein Gesicht. „Oh, wie ich ihn angeheult habe. Es hat nichts genützt."
„Ja" sagte Remus tonlos. „Ich weiß."
„Mit wem bist du gerannt, Moony? Sag's mir. Wie waren die Nächte ohne Prongs und mich? Bist du überhaupt gerannt? Oder hast du wieder begonnen, dich in den Keller zu sperren?"
„Sirius" sagte Remus fast flehend.
„Sag's mir!" schrie Sirius und knallte sein Glas auf den Tisch, dass die goldene Flüssigkeit heftig überschwappte. „Ich will nicht der einzige sein, der in den letzten Jahren gelitten hat!"
„Keller" sagte Remus tonlos. „Hauptsächlich. Mein ganzes Leben war auf Keller ausgerichtet. Ich hatte Wohnungen, die nicht mehr waren als feuchte Löcher, aber ich hab's ertragen, weil sie einen ruhigen Keller hatten. Und wenn ich keine Wohnung hatte, war ich oft wochenlang auf der Suche nach einem Keller. Das waren die Zeiten, in denen ich keinen Job hatte, also hatte ich wenigstens genügend Zeit zum Suchen."
Ich legte die Hand über den Mund. Ich hatte einen seltsamen Kloß in der Kehle.
„Ich bin bei Muggeln eingebrochen" sagte Remus. „In Hochhaussiedlungen, wo viele Wohnungen leer stehen. Da stehen auch die Keller leer. Ich träume heute noch davon, wie ich an dieser Betonwand aufwache, und überall ist Blut."
Ich biss mir in die Handfläche.
„Danach konnte ich nicht mehr in den Keller. Ich konnt's nicht mehr. Ich bin raus gefahren, aufs Land. Ich hab' so viel Entfernung wie möglich zwischen mich und die nächste Siedlung gebracht. Ich hielt es für einigermaßen sicher, und es ging mir gut dabei. Weniger Schmerzen, und ich war danach schneller wieder auf den Beinen. Und dann wachte ich auf, es war ein Sommermond, und überall war Blut, und es war nicht meines. Ich geriet in Panik. Ich war weit gelaufen in dieser Nacht, und in der Nähe war eine Weide, und dort lag eine gerissene Kuh. Das war der Augenblick, in dem mir klar wurde, dass es nichts anderes gibt als den Keller."
„Wegen einer Kuh?" sagte Sirius.
„Es hätte auch ein Mensch sein können" flüsterte Remus.
Ich blinzelte heftig, meine Sicht war irgendwie verschwommen.
„Mein armer Moony" flüsterte Sirius, streckte die Hand aus und strich Remus übers Haar. Er ließ es geschehen, seine Finger spielten mit der leeren grünen Phiole.
„Und dann kamen Dumbledore und Severus, und machten dem ein Ende" sagte Remus. „Ich konnte bei Verstand bleiben. Ich konnte mich einfach in meinem Büro zusammen rollen und warten, bis es vorbei war. Kannst du dir vorstellen, was das für mich bedeutet?"
„Ja" sagte Sirius und zog die Hand zurück. „Seltsam, nicht? Zwölf Jahre Gefängnis, und dann bekommen wir fast gleichzeitig die Chance zum Ausbruch. Wer hätte gedacht, dass unsere Fäden so verschlungen sind, als ich dir damals die erste Mistbombe in die Kapuze steckte."
„Ich hatte schon immer den Eindruck, dass deine Neigung zu derben Scherzen etwas arg ausgeprägt war" sagte Remus und arbeitete sich ein Lächeln ins Gesicht.
„Wie du gestunken hast" sagte Sirius grinsend.
„Es war nur gerecht, dass du die Fahrt mit mir in einem Abteil aushalten musstest" sagte Remus.
„Äh" sagte ich. „Ich… geh dann mal… nach oben. Der rote wird in zwei Stunden fällig. Ich stell' mir den Wecker."
„Aber das musst du nicht" sagte Remus erschrocken. „Oder… ist es, was ich gesagt habe? Ich hab' dich doch nicht etwa vertrieben, oder? Es tut mir leid. Ich wollte das nicht."
„Hör auf, dich zu entschuldigen" sagte ich, beugte mich zu ihm und küsste sanft seine Wange. „Du entschuldigst dich viel zu viel. Es ist alles gut. Du hast nichts Falsches gemacht."
Er sah mich an, unsicher.
„Ich komm' dann gleich nach" sagte er.
„Musst du nicht" sagte ich. „Ihr könnt ruhig ein paar gemeinsame Erinnerungen aufwärmen. Ich bin sowieso müde. Ich würde vor dem roten gern eine Runde schlafen."
Ich verließ die Küche. Es stimmte, ich war müde, aber ich war sicher, ich würde kein Auge zu machen können, nicht, so lange ich ihn vor einer blutverschmierten Wand liegen sah.
Ich zog ein Taschentuch aus dem Ärmel und putzte mir die Nase.
„Das schmutzige kleine Schlammblut geht besser das Badezimmer aufräumen" sagte eine kleine, quiekende Stimme ungefähr auf meiner Kniehöhe. „Ein fürchterliches Durcheinander, was sie da angerichtet hat, zusammen mit dem Werwolf-Bastard. Scheußlich, eklig, widerwärtig. Wenn meine Mistress das noch erlebt hätte, oh ja, sie hätte euch einmal um den Erdball gehext."
„Schon gut, Kreacher" sagte ich hinter meinem Taschentuch. „Verzieh dich. Ich habe meinen Dreck lange genug selbst weg geräumt. Ich brauch' dich nicht."
„Kreacher ist nicht hier, um Schlammbluts Dreck wegzuräumen" zischte der Hauself. „Kreacher ist nicht mal hier, um den Dreck dieses Bastards wegzuräumen, der behauptet, ihr Sohn zu sein. Kreacher ist nur seiner Mistress verpflichtet, oh ja, das ist er."
„Ich sagte, verzieh dich" fauchte ich ihn an. „Und wenn du deiner Mistress was Gutes tun willst, machst du mal in der Küche sauber. Sie würde doch sicher nicht wollen, dass hier alles vor die Hunde geht, oder?"
Er quiekte und murmelte etwas, das nach einem weiteren Schimpfwort aus seinem reichen Fundus klang. Ich ließ ihn stehen und ging die Treppe hinauf. Ich überlegte, ob ich ins Bett oder ins Badezimmer gehen sollte, ich hatte eigentlich vorgehabt, aufzuräumen, aber ich wollte es nicht aussehen lassen, als würde ich der Weisung des Hauselfen folgen. Dann fand ich den Gedanken an sich schon albern und begab mich in besagtes Badezimmer, in dem mich eine klamme, düstere Landschaft aus Pfützen und nassen, achtlos fallen gelassenen Handtüchern empfing. Ein paar Sauberzauber später hatte ich die Sache so weit in Ordnung gebracht, dass ich beruhigt ins Bett gehen konnte. Ich machte noch einen Abstecher in die außerordentlich gut bestückte Hausbibliothek und suchte mir ein staubiges Bändchen heraus, das den Titel Moon and Myth – Dealing with Lycantrophy trug. Dann rollte ich mich mit Buch und Wecker in Remus' Bett zusammen, schlug das Buch auf, durchblätterte das Inhaltsverzeichnis, entschied mich für Kapitel drei: Safe and Secure. How to manage a Werewolf, und war eingeschlafen, noch bevor ich den ersten Absatz erreicht hatte.
Ein penetrantes Piepen holte mich zurück. Ich blinzelte, ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Es war dunkel. Mein Kopf lag auf etwas hartem, das muffig roch. Ich tastete herum, fand den Wecker und schlug auf ihn drauf, dass er verstummte. Ich zog das harte Ding unter meinem Kopf hervor. Es fühlte sich an wie ein Buch, und da war auch mein Stab, er war zwischen die Seiten gerollt.
Ach ja. Der rote Trank.
„Lumos" murmelte ich, und mein Stablicht erstrahlte. Ich sah hinter mich, nur um sicher zu gehen, aber Remus war nicht da. Er war wohl noch irgendwo im Haus unterwegs, ich hatte mittlerweile gelernt, dass er zum Vollmond hin schlecht schlief. Widerstrebend krabbelte ich aus dem Bett. Es war kalt. Dieses Haus war immer kalt. Ich fand Remus' schreckliche Kameljacke am Fußende des Bettes und zog sie über meine Robe. Ich nahm meinen Stab und den Funkwecker an mich, dann tappte ich die Treppe hinunter.
Sie hatten mehr Licht gemacht in der Küche, ein warmes Viereck fiel durch den Türspalt in den dunklen Flur. Ich hörte sie lachen.
„Sarah Banister, ach ja" hörte ich Sirius' Stimme, verwischt vom Alkohol. „Ich hab' ewig nicht mehr an sie gedacht. Das waren Zeiten. Sie ging ab wie eine Rakete. Donnerwetter."
„Du hättest sie beinahe geheiratet" hörte ich Remus. Sie waren also noch nicht fertig mit ihrer verklärenden Vergangenheitsbetrachtung.
Ich hörte mir selber zu und schüttelte den Kopf. Ich verbrachte vielleicht ein bisschen viel Zeit mit Snape. Ich war froh, diesen Satz nicht laut gesagt zu haben.
„Wie kann man eine Frau vergessen, die man fast geheiratet hätte" hörte ich Remus' Stimme. „Weißt du noch? Du warst so begeistert, du sagtest, sie müsste nicht mal ihre Initialen in ihren Büchern ändern, wenn sie dich heiratete."
„Ich war jung. Sehr jung. Wie alt war ich? Zwanzig?"
„Kann sein. Es war ein paar Jahre vor James' und Lillys Hochzeit. Ehrlich, wir dachten, sie hätte dich verhext. Du warst der erste von uns, der das Wort heiraten in den Mund nahm. Ich meine, ausgerechnet du, von uns allen."
„Ich hatte das dringende Bedürfnis, seriös zu werden."
„Das war ja gerade das Schockierende."
„Wie lange hat es gehalten?"
„Was fragst du mich das? Es war deine Beziehung, nicht meine. Ich hab' nicht Buch geführt."
„Es gibt ein paar Details aus meinem früheren Leben, die mir in den letzten Jahren entfallen sind."
Ich atmete tief ein. Aua. In der Küche entstand eine kleine Pause.
„Drei Monate" sagte Remus dann. „Vielleicht vier. Dann war da diese Russin, weißt du noch? Im Zug zwischen London und Manchester. Noch bevor wir in Oxford Halt machten, hatte sie dich von deinen Heiratsplänen kuriert, und unsere Welt war wieder in Ordnung."
„Tatsächlich" sagte Sirius. Lange Pause, in der ich Glas klirren hörte, er schenkte sich offenbar nach.
„Was zum Teufel haben wir in Manchester gemacht?" fragte er dann.
„Quidditch" sagte Remus und hustete, als hätte er sich verschluckt. „Irgendeine Meisterschaft."
„Und du warst dabei, auf dieser Zugfahrt? Du hast dich doch nie für Quidditch interessiert."
„Ich hatte Semesterferien, wenn ich mich richtig erinnere, und keine anderen Pläne."
„War es in Manchester, als wir versuchten, auf diesem durchweichten Zeltplatz zu zelten?"
„Zu fünft in einem Zwei-Mann-Zelt? Ja."
„Und pokerten, wer nachts aufstehen muss, um die Vergrößerungs- und Trockenzauber zu erneuern?"
„Ich sehe, du hast nicht alles vergessen."
„Die Dementoren nehmen nur die glücklichen Erinnerungen."
„Der Augenblick, endlich das Hotelzimmer zu haben, das ich euch von Anfang an vorgeschlagen hatte, war eigentlich ein ganz glücklicher, oder nicht?"
„Pah" sagte Sirius. „Du warst nur sauer, weil es dich erwischt hatte, beim Poker."
„Ich war sauer, weil du das falsche Zelt dabei hattest" korrigierte Remus. „Und weil keiner außer mir sah, dass es eine Schnapsidee war, in einem zu kleinen Zelt auf einem überfluteten Zeltplatz zu zelten. Es hatte schon seine Gründe, warum wir die einzigen dort waren."
„Und ich dachte, du wärest froh, ein wenig enger an Lilly heran rücken zu können" sagte Sirius.
„Nein" sagte Remus. Ich hatte gerade meinen Weg fortsetzen wollen, aber dann blieb ich doch, wo ich war.
„Wo wir gerade von Lilly sprechen" sagte Sirius, ich hörte ein leises Klirren von Glas.
„Du sprichst von Lilly" sagte Remus. „Ich nicht."
„Komm schon" sagte Sirius. „Erzähl mir die ganze Geschichte."
Ich setzte mich mal auf meine Stufe und verhielt mich still.
„Es gibt nichts zu erzählen" sagte Remus. „Das hab' ich dir schon hundertmal gesagt."
„Und ich hab's dir noch nie geglaubt" sagte Sirius. „Komm schon. Du bist so ein schlechter Lügner, Moony."
„Es war nichts" sagte Remus. „Ich war verliebt in sie. Sie war mit James zusammen. Das ist die ganze Geschichte."
„Diese paar trockenen Worte werden den Tatsachen wohl kaum gerecht."
„Was willst du hören? Sie war großartig. Sie gehörte zu den wenigen, die in mir einen Menschen sahen, kein Monster."
„Und?"
„Nichts, und. Padfoot, es ist so lange her. Fast zwanzig Jahre. Es ist schon fast nicht mehr wahr, so lange ist es her."
„Was ist so lange her?" Sirius klang wie Snuffles, der eine Fährte aufgenommen hatte, und Remus' Pause war auch in meinen Ohren eine Idee zu lang.
„Nichts" sagte er.
„Sag's mir. Ich werd' keine Ruhe geben, bis du's mir gesagt hast."
„Ich bin nicht stolz drauf" sagte Remus nach einer Weile. „Es war während dieses Sommers, den du in Paris verbracht hast. Sie hatte Streit mit James. Irgendeine Krise, sie war sich nicht sicher, ob sie ihn tatsächlich heiraten sollte, sie meinte, sie hätte zu wenig anderes… ausprobiert… oder so ähnlich."
„Und dann hat sie dich… ausprobiert" sagte Sirius voll unterdrücktem Lachen. „Ich wusste es! Verdammt! Ich wusste es."
„Ich hätt's nicht zulassen dürfen" sagte Remus. „Sie war einfach… irritiert. Sie hat da ein paar Sachen verwechselt. Freundschaft mit Liebe. Du weißt, wir waren immer gut befreundet. Platonisch."
„Ich weiß" sagte Sirius und lachte nicht mehr. „Ich war live dabei, die ganzen Jahre. Ich hab viel vergessen, aber nicht die Nacht auf dem Gryffindorturm, weißt du noch? Und die Weihnachtsferien, die du praktisch heulend an meiner Schulter verbracht hast."
„Die Dementoren haben wirklich nur den Mist übrig gelassen" sagte Remus ein wenig zu bemüht.
„Hat James es gewusst?" fragte Sirius. „Er hat nie etwas davon gesagt."
„Weil er es nicht wusste" sagte Remus. „Merlin! Ich wäre eher gestorben, als ihn das wissen zu lassen. Er war jahrelang der einzige, der zwischen mir und deinen derben Scherzen stand. Das verpflichtet."
„Und er hat auch später nichts von diesem… denkwürdigen Zwischenfall erfahren?"
„Von mir nicht" sagte Remus. „Es ist kein Ruhmesblatt, weißt du. Ich hätte sie weg schicken müssen. Sie war… total durch den Wind, und völlig aufgebracht. Ich hätte der Vernünftige sein müssen. Ich hätte sie wegschicken müssen. Aber ich hab's nicht getan."
„Und mit dieser Schuld lebt der gute alte Gryffindor jetzt bis ans Ende seiner Tage" sagte Sirius pathetisch.
„Blödmann" sagte Remus sehr unpathetisch.
„Du hast nichts falsch gemacht" sagte Sirius. „Du bist auch nur ein Mensch. Meistens jedenfalls."
„Blödmann" sagte Remus wieder. Gläser klirrten. Eine Pause entstand.
„Aber du bist sicher, dass Harry nicht dein Sohn ist?" fragte Sirius nach einer Weile, und ich hörte ihn grinsen.
„Noch so eine Bemerkung, und ich sorge dafür, dass man dich in ein Tierasyl steckt" sagte Remus.
„Und dann?" sagte Sirius nach einer Weile, als ich gerade beschlossen hatte, mich die Treppe hinauf zu schleichen und sie geräuschvoll wieder runter zu kommen. „Wer kam dann, nach Lilly?"
„Was soll das? Ich hab' keine Lust, mein gesamtes Liebesleben vor dir auszubreiten."
„Ich hatte kein eigenes, die letzten zwölf Jahre" sagte Sirius. „Deines muss für uns beide reichen."
„Dann muss ich dich enttäuschen" sagte Remus mit einem trockenen Lachen. „Es war so mager, es reicht kaum für eine Person."
„Enttäusch mich nicht. Du hattest immer eine Art mit den Mädels. Zumindest wenn sie nicht durch meine Gegenwart geblendet waren."
„Du meinst, ich hätte die letzten zwölf Jahre nutzen sollen, so lange du vom Markt warst?"
„Hast du nicht?"
„Kaum. Werwölfe sind schwer vermittelbar, weißt du."
„Jetzt komm schon. Mach mir nicht weis, da wäre keine gewesen, die sich nicht von deinem Neumond-Charme hätte einwickeln lassen. Ich meine, zwölf Jahre. Du hast doch sicher nicht gelebt wie ein Eremit?"
„Ich war nicht auf der Suche nach einer Neumond-Bekanntschaft. Ich war auf der Suche nach einer, die's mit mir aushält."
„Und?"
„Sechs Monate. Maximum. Da ist ja nicht nur diese Keller-Geschichte. Auch die ständige Arbeitslosigkeit, und alles. Frauen haben ziemlich schnell die Nase voll von Verlierern."
„Moony" sagte Sirius. „Jetzt spinn nicht rum. Wer von uns beiden ist der Verlierer?"
„Du hattest zumindest immer ein Dach über dem Kopf, die letzten Jahre."
„Noch ein Azkaban-Witz, und ich geb' dir die silberne Kugel quer zu fressen."
„In Ordnung. Cheers."
„Cheers."
Gläser klirrten, und eine Pause trat ein.
„Und du willst wirklich nicht?" hörte ich dann Sirius' Stimme.
„Nein" sagte Remus.
„Komm schon. Ein bisschen was in deinen Tee rein."
„Nein. Sie hat gesagt, es verträgt sich nicht mit Alkohol."
„Brav, Moony. Oh, immer so brav. Wirst du dir nicht manchmal selbst langweilig?"
„Ich verwandle mich gelegentlich in ein Monster. Das ist mir Abwechslung genug."
Ich hörte Sirius seufzen. „Ich versuche nur, ein bisschen Spaß zu haben" sagte er.
„Du versuchst, dir das bisschen Verstand weg zu saufen, das die Dementoren dir gelassen haben" sagte Remus. „Das ist ein Unterschied, alter Freund. Und keiner, der mir gefällt."
„Ich habe so viel Zeit verloren."
„Ich weiß."
„Es ist nicht fair!"
„Ich weiß."
„Ich tausche ein verdammtes Gefängnis gegen ein anderes! Ich kann nichts tun von hier aus! Ich kann mich nicht mal um Harry kümmern!"
„Ich weiß, Pads. Es geht vorbei."
„Wann denn, Moony? Wann?"
„Irgendwann, Pads."
Ich saß auf meiner Treppe, wischte mir mit dem Ärmel der schrecklichen Kameljacke die Augen und fragte mich, wie um alles in der Welt ich jetzt fröhlich und völlig unbeeindruckt in diese Küche hinein spazieren sollte. Ich stand schon mal auf, ich konnte schließlich nicht in alle Ewigkeit da sitzen bleiben. Ich atmete tief durch und lockerte meine verkrampften Schultern. Ich machte gerade den ersten Schritt, als ich doch noch mal anhielt.
„Und wie lange gibst du deiner Emilia?"
„Was ist denn das für eine Frage?"
„Mehr oder weniger als sechs Monate?"
Ein schrilles Piepen überlagerte die Antwort. Es drang aus meinen Händen. Ich presste den Wecker an mich und fummelte hektisch an den Knöpfen, um den Schlummeralarm abzustellen. Dann erstarb der Alarm, und mit ihm das Gespräch in der Küche, und ich musste die Flucht nach vorne antreten.
„Äh… hallo" sagte ich lahm und stolperte in die Küche. „Ihr seid noch auf? Es ist Zeit für den roten, und… was da so gepiept hat… das war mein Wecker." Ich wedelte matt mit dem Wecker.
„Bezaubernde Emilia" sagte Sirius und hob mir sein Glas entgegen. „Welcher Glanz in meiner schmucklosen Küche."
„Äh, ja" sagte ich. „Schon gut."
Es war eine seltsame Art von Stilleben, das ich da vorfand. Sirius hing mehr als er saß auf der Eckbank, einen Arm um den Mann meines rastlosen Begehrens geschlungen und nur von diesem vor dem Absturz bewahrt. Die beiden hatten Stablichter beschworen und die Stäbe in den Hals einer leeren Flasche mit schwarzem Etikett gestopft, wo sie sich mit ihren leuchtenden Spitzen ausnahmen wie ein seltsamen Blumenarrangement. Die Nachfolgerin der schwarz etikettierten Flasche, eine bauchige gelbe, war bereits zur Hälfte leer. Vor Remus stand eine Teetasse, deren Inhalt kalt und wenig einladend aussah.
„He" sagte Remus und arbeitete hart an einem Lächeln, er sah grenzenlos müde aus. „Hast du schon geschlafen? Warum hast du nicht Bescheid gesagt? Du hättest dir nicht den Wecker stellen müssen."
„Ein bisschen gedöst" sagte ich. „Alles in Ordnung."
„Dann ist es also Zeit für den roten" sagte Sirius und schnappe sich die Phiole vom Tisch, eine Bewegung, die ihn fast von der Bank fegte.
„Gib sie mir" sagte Remus. Sirius entkorkte die Phiole mit den Zähnen, spie den Korken aus und roch daran.
„Oh, Merlin" sagte er und schüttelte sich angewidert. „Das ist ja ekelhaft."
„Gib sie mir" wiederholte Remus und streckte die Hand aus.
„Wenn ihr das Zeug verschüttet, wird hier Blut fließen" drohte ich finster. Remus versuchte, Sirius die Phiole abzunehmen, aber er hielt sie in der ausgestreckten Hand von ihm weg, er schwankte sogar im Sitzen.
„Ich liebe dich, Moony" verkündete er.
„Das ist mein Text" sagte ich.
„Ich habe die älteren Rechte" erklärte Sirius mit schwerer Zunge. „Ich war mit dir auf diesem Turm, niemand sonst. Du bist meine Familie. Ich liebe dich so sehr, ich würde das Zeug für dich trinken, wenn du mich darum bittest."
„Das ist nett, aber nicht nötig" sagte Remus, der allmählich hörbar am Ende seiner Geduld anlangte. „Also gib sie mir, bitte."
Sirius grinste und setzte die Phiole an die Lippen.
„Vingardium Leviosa!" rief ich und malte mit meinem Stab einen hastigen Kringel in die Luft. Die Phiole schoss aus Sirius' Fingern in Richtung Zimmerdecke. Ich fing sie gerade noch rechtzeitig ab, bevor sie am Mauerwerk zerschellte, und dirigierte sie hinüber zu Remus, der sie aus der Luft pflückte und den Inhalt mit Todesverachtung hinunter stürzte. Er trank den Rest aus seiner Tasse hinterher, schob Sirius vorsichtig von sich und erhob sich.
„Also gut" sagte er. „Die Party ist vorbei. Gehen wir schlafen."
Wir brachten den widerstrebenden Sirius, der sich an seine Flasche klammerte und uns wortreich seine Liebe schwor, zwei enge Treppenaufgänge hinauf und manövrierten ihn in sein Schlafzimmer. Wir zogen ihm Schuhe und Robe aus und kippten ihn auf sein Bett, wo er reglos liegen blieb. Remus sah auf ihn hinunter und seufzte, sagte aber nichts.
„Lass uns mit ihm spazieren gehen" sagte ich. „Mit Snuffles. Irgendwo raus. In den Hyde Park oder so. Sicherheit hin oder her, es nützt ja nichts, wenn er hier durchdreht."
„Ja" sagte Remus müde. „Wahrscheinlich hast du recht."
„Und jetzt komm, oder willst du hier im Stehen schlafen?"
Er folgte mir widerstrebend über den Gang, hinüber in den dunklen, kalten Schlafraum, den wir uns teilten. Ich legte einen Wärmezauber auf das Bett, bevor ich aus meiner Robe schlüpfte und hinein kroch. Ich stellte den Wecker auf halb drei. Ich spürte gerade noch, wie Remus hinter mir ins Bett kletterte und sich sachte an mich lehnte, dann war ich weg.
