Seit dem Verlassen der Grandline vor weniger als 3 Wochen, war Schlaf ein kostbares Gut geworden, das sich kaum einer der Crew leisten konnte. Auch die Vorräte neigten sich allmählich dem Ende zu. Ein Teil des Frontmasts lag auf Deck und diverse Teile des Schiffes knarzten bedrohlich vor sich hin. Die Männer waren seit Tagen damit beschäftigt die herausgebrochenen Stellen provisorisch zu flicken, wofür die Kanonenkugeln der Marine verantwortlich waren.
Nein, so war die Sache nicht geplant gewesen... Es begann mit der Idee eine Abkürzung über den Calm Belt zu nehmen. Zuversichtlich war die Crew gewesen, dass ein paar Marineschiffe und Seekönige keine große Sache sein würden. Immerhin hatten sie schon ganz andere Dinge bewältigt.
Aber wie die Dinge nun einmal laufen, kommt es immer anders als man denkt.
Es war auch nicht so, dass sie sich nicht vorbereitet hatten! Wochen bevor sie die ersten Pläne für die Route aufstellten, hatten sie begonnen diverse Kommunikationswege der Marine abzufangen und in Bestechungsgelder zu investieren, um ein Schema über die Wege der Patrouillenschiffe der Marine vorauszuahnen.
Ben war skeptisch gewesen, hatte immer wieder kund getan, dass sie genau so gut die Route über die Grandline und den Rivers Mountain nehmen konnten um in den East Blue zu gelangen. Mit den momentanen Strömungen würden sie für diesen Weg nur knapp 2 Monate länger brauchen, vorausgesetzt es gäbe keine Zwischenfälle. Vor Allem wäre es sicher. Sie waren in den letzten Monaten schon oft genug mit der Marine aneinander geraten und es wäre kein guter Zeitpunkt gerade jetzt Öl in das brennende Feuer zu gießen.
Shanks sah das anders. Ben war immer skeptisch. Egal, worum es ging. Und sich 2 Monate Reisezeit einzusparen war zu verlockend als der Stimme der Vernunft Beachtung zu schenken.
Bis kurz vor Alabasta folgten sie der Grandline und steuerten von dort auf den Calm Belt zu, alles schien reibungslos zu verlaufen und der Eastblue war bereits in greifbarer Nähe, als einer der Rookies Alarm schlug, nachdem er verdächtige Punkte am Horizont gesichtet hatte, die sich bedrohlich schnell auf sie zubewegten.
Eine ganze Flotte Marinekriegsschiffe war ihnen dicht auf den Fersen, die obendrein in diesen Gewässern einen deutlichen Navigationsvorteil hatten.
Trotzdem schafften sie es irgendwie die Grenze zu den Gewässern des East Blue zu erreichen, während der Feind mittlerweile in Kanonenschussweite herangereicht war und ihnen die Option eröffnete sich zu ergeben. Für die Red Hair Pirates war dies natürlich keine Option und sie beantworteten die, absichtlich verfehlten, Warnschüsse mit gezielter Gegenwehr. Trotz der Hysterie und des Chaos auf Deck schafften sie es, drei der sieben feindlichen Schiffe durch zweifelhafte Taktik, mehr Glück als Verstand und Einsatz verschiedener Teufelskräfte, manövrierunfähig zu machen und, nun zurück in vertrauten Gewässern, einen sicheren Abstand zu gewinnen.
Dennoch mussten auch Verluste auf eigener Seite beklagt werden. Der Frontmast wurde, unter Anderem, arg in Mitleidenschaft gezogen und einige Verletzte mussten sie versorgen.
Noch immer war es der Crew ein Rätsel, was die Marine zu diesem erlesenen Zeitpunkt auf der zuvor als sicher kalkulierten Höhe des Calm Belts verloren hatte. Zufall - oder gab es tieferliegende Gründe dafür?
Yasopp beugte sich mit verschränkten Armen über die Reling und starrte düster in die untergehende Sonne am Horizont.
Er kannte diesen Horizont. Seit dem er an Board der Red Hair Pirates angeheuert war, hatte er eine Menge über Seenavigation gelernt und wusste genau, worauf sie gerade zusteuerten, nachdem sie ihren ursprünglichen Kurs ein Dutzend mal geändert hatten um der feindlichen Flotte zu entkommen. Wütend biss er sich auf die Unterlippe und versuchte sich vergeblich mit den Gedanken anzufreunden, was ihn dort erwarten würde. Aber wie er es anstellte, es wollte nicht gelingen.
Entschlossen ließ er von der Reling ab und steuerte auf die Gestalt zu, die gerade einige Meter entfernt gegen den krummen Mast gelehnt in einem zerfledderten Heft herum blätterte.
„Ben, wir müssen den Kurs ändern!", forderte er diesen auf.
Es dauerte eine Weile bis sich die Augen des Anderen vom Papier lösten und dann auf Yasopps trafen.
„Wieso? Sie können uns unmöglich eingeholt haben. Innerhalb dieser Strömung können sie mit ih-"
-"Darum geht's nicht!", fiel Yasopp ihm ins Wort.
Erst jetzt ließ Ben das Heft sinken und zurück in seine Hosentasche gleiten und holte eine kleine silberne Büchse aus der anderen hervor.
„Worum denn dann?"
Wieder biss Yasopp sich auf die Lippe und schaute, unsicher zur Antwort, auf den Boden.
„Ich bin das mehrmals durchgegangen. Es ist das Beste wenn wir auf dieser Strömung bleiben und einen Zwischenstopp auf Syroup Island machen," beim Laut des Namens zuckte Yasopp leicht zusammen - „uns dort um die Reparaturen kümmern und unsere Vorräte aufstocken. Es grenzt eh bereits an ein Wunder, dass dieser Karren noch fährt. Von dort ist es nicht weit nach Fuchsia."
Etwas resigniert betrachtete Ben den Inhalt der Schachtel und nahm einen der drei verbleibenden Zigarillos heraus. Die Vorräte aufzufüllen klang nach einem hervorragendem Plan.
„Ich sagte doch, darum geht es nicht!", rief Yasopp wütend und stampfte auf den Boden.
Leicht erschrocken über die Wut seines Gegenübers hob Ben die freie Hand um Abstand zu signalisieren. „Was ist denn los mit dir? Wieso sollten wir den Kurs ändern?"
„Meine... meine Frau und mein Sohn... sind auf dieser Insel..." entgegnete Yasopp zögernd. Kalter Schweiß bildete sich auf seiner Stirn und seine Mundwinkel zuckten, während er die Worte aussprach, noch immer auf die Holzplanken am Boden starrend.
„Mh...", machte Ben und inhalierte mit einem kräftigen Zug den Rauch seiner Kippe."Verstehe...", schaute Yasopp aber weiterhin erwartungsvoll nach weiterer Erklärung an, obwohl er die Antwort eigentlich bereits wusste. Nachdem sich Yasopp vor 3 Jahren der Crew angeschlossen hatte, hatte er so gut wie nie ein Wort über seine Familie verloren. Aber seit dem sie den East Blue als nächstes Ziel bestimmt hatten, verhielt sich Yasopp auffällig seltsam.
„Wie.. wie könnte ich Ihnen jetzt gegenübertreten nachdem ich sie damals einfach verlassen habe?"
Offensichtlich ahnungslos zuckte Ben mit den Schultern. Er hatte keine Familie die er hätte zurücklassen können und keine Vorstellung mit was für Gewissensbissen sein Kollege sich herumschlagen musste.
Als sie eine Weile in Schweigen dastanden und Yasopp registrierte, dass er von Ben keine Antwort bekommen würde, der ihn immer noch fragend musterte, blieb ihm nichts anderes über als die Frage zu stellen: „Kannst du nicht... den Captain bitten?"
Als Antwort bekam er zunächst nur einen misstrauischen Blick, während Ben überlegte, ob er es versuchen sollte Yasopp die Idee auszureden. Unter den aktuellen Umständen wäre eine Kursänderung und somit eine weitere Verzögerung nicht die weiseste Entscheidung. Aber wie er Shanks kannte, würde er sich der Sentimentalität hingeben um einem Crewmann sein Gewissen zu erleichtern. Andererseits war er müde und hatte wenig Lust darüber zu diskutieren. Erfahrungsgemäß siegte Waghalsigkeit eh über Verstand.
„Nun gut. Ich werd' mit ihm reden."
Keine Stunde später ging die Kunde über eine geplante Kursänderung über das Schiff. Sie würden der Strömung noch bis zum Morgen folgen und dann direkten Kurs auf Fuchsia setzen.
Nächster Tag.
Einige Meilen entfernt auf einer kleinen Insel namens Syroup Island.
Ein kleiner Junge lungerte mit einem Fernrohr auf einem Felsvorsprung und ging seiner morgendlichen Routine nach. Wie jeden Morgen, ohne Hoffnung mehr als ein Fischerboot zu erspähen, suchte er durch das Rohr den Horizont ab als - er traute seinen Augen nicht! Nervös fingerte er am Objektiv herum um es scharf zu stellen und fixierte das Rohr an einem Fleck am Horizont. Es war weit entfernt, aber deutlich zu erkennen! Ein riesiges Schiff! Mit einer schwarzen Flagge am Hauptmast! Schlagartig beschleunigte sich sein Puls und der Junge sprang aufgeregt auf, das Fernrohr fiel klirrend auf dem Stein zu Boden. Da raste der Junge bereits so schnell er konnte zurück ins Dorf. „PIRATEN! PIRATEN! SIE SIND ZURÜCK!" schrie er, so laut es seine kleinen Lungen erlaubten. Er ist zurückgekommen! Er ist zurück! Mama wird wieder gesund!
