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Wie immer: Bitte Altersangabe beachten! Bleibt vielleicht nur bei einem Kapitel (mal sehen, es juckt mich gewaltig in den Fingern, was Neues rauszulassen).
Liebe Grüße an euch alle
houseghost
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Awaiting the greater good
Kapitel 1
Driftwood
Snape schloss hinter sich die Tür und streckte seine Finger, die steif und klamm waren. Nicht einmal das Feuer in seinem Kamin, das nahezu immer brannte, vermochte es, die Kälte gänzlich aus seinen Knochen zu vertreiben. Wozu sich etwas vormachen? Was auch immer kommen mochte, war nicht besser als das Geschehene. Schon gar nicht brauchte er sich nach etwas Zerstreuung umzusehen: Die dicken Mauern umgaben schützend das Schloss, sowie auch ihn selbst.
Eine einsam flackernde Kerze an der Wand über seinem Bett war seine einzige Gesellschaft in den Kerkern. Sie genügte ihm, er war nicht besonders anspruchsvoll. Sein gesamtes Leben war tragisch verlaufen und von vielen Entbehrungen gezeichnet. Er besaß eine ausgemergelte Gestalt, die ihn zäh erscheinen ließ, ohne dass er einen nennenswerten Vorteil für sich daraus ziehen konnte. Die Jahre hatten an ihm gezehrt und sein Gemüt ebenso hart werden lassen wie seine Fassade. Doch längst nicht alles daran war aufgesetzt. Ein Großteil der tiefen Furchen auf dem Gesicht verdankte er dem rauen Umgang in den Kreisen, in denen er sich bewegte. Abgesehen davon, dem fest verankerten Schmerz, den seine verkümmerte Seele zu erdulden hatte. Sofern es ihm vergönnt wurde, sehnte er sich Zeit seines Lebens einfach nur nach Ruhe. Ruhe vor den aufgeregten, bisweilen lästigen Stimmen in seinem Klassenzimmer, Ruhe vor Dumbledore, aber am allermeisten Ruhe vor Lord Voldemort.
Gemächlich nahm er seinen langen schwarzen Umhang ab und legte ihn über die Lehne des abgewetzten Sessels am anderen Ende des Raumes. Größe und Einrichtung seines Schlafzimmers waren überschaubar und nicht weiter nennenswert. Außer einem Kleiderschrank mit seiner vertrauten Garderobe, einem schlichten Bett und hohen, zum Bersten gefüllten Bücherregalen, die sein ganzer Stolz waren, hatte er ohnehin nichts für Besitztümer übrig.
Sichtlich erschöpft setzte er sich an die Kante seines Betts, streifte sich mit den Füßen die Schuhe ab und fiel vor Erleichterung stöhnend rücklings auf die Matratze nieder. Hier unten, abseits des gesamten Geschehens, wurde nur selten gesprochen. Seine eigene Stimme zu hören, war eigenartig für ihn. Fast niemand suchte seine Gesellschaft, und auch die Hauselfen wagten sich nur unter Vorbehalt in seine Privatgemächer, um das Bett neu zu beziehen oder sauber zu machen. Der einzige Ort, den er für die Kommunikation mit seinen Kollegen und den Schülern nutzte, war sein berühmt-berüchtigtes Büro, das ebenfalls in den Kerkern lag.
Er seufzte tief, atmete die kühle Luft in sich ein und rieb sich die Augen. Kurz darauf ertappte er sich dabei, wie er mit leerem Blick an die Zimmerdecke starrte. Hatte er es nicht immer so gewollt? Die überschaubare Einsamkeit dem Trubel im Lehrerzimmer vorgezogen? Das allein sein dem Geschnatter dieser einfältigen Teenager, die er notgedrungen unterrichten musste? In seinem Leben gab es keinen Platz für jemanden an seiner Seite. Er war ausschließlich dazu da, um anderen zu dienen. Solange, wie es als nötig erachtet wurde.
Unterdessen er über alles nachgrübelte, drifteten seine Gedanken ungewollt immer wieder zu den Dingen, die er nicht haben konnte. Geborgenheit und Nähe waren ihm gleichermaßen fremd. Die Liebe eines Menschen, der bereit wäre, sich auf ihn einzulassen und ihn als etwas anderes als den Professor oder Todesser zu sehen, nichts weiter als ein unerreichbarer Traum. Und doch war sie immer noch da, die Sehnsucht danach. Er kämpfte dagegen an, wie an jedem einzelnen Tag. Er würde nie ein vollkommen normales Leben haben, nie die simplen Dinge des Alltags in ihrer Einfachheit genießen können. Schließlich gab er sich dem Ruf seines Körpers hin, von dem seltenen Verlangen getrieben, etwas für sich selbst zu tun; einen flüchtigen Moment Wärme und Erfüllung zu finden. Allein, im Halbdunkel, tief unter dem Schloss.
Er öffnete rasch die lange Reihe der Knöpfe auf seiner Brust und schälte sich aus seinem schwarzen Frack, dann widmete er sich von dem seltsamen Wunsch nach Erlösung gedrungen seiner Hose, zwar erregt, jedoch keinesfalls so, dass ihm sein Vorhaben leicht von der Hand gegangen wäre. Irgendwo, an der abstrusen Grenze zwischen Zwang, Abscheu und Lust, fing er an, sich zu streicheln und schaffte es, sein Glied soweit hart genug zu bekommen, um mit gezielten Bewegungen keuchend den Höhepunkt herauszukitzeln. Benommen stöhnte er auf. Dann, kaum war es vorüber, füllten sich seine sonst so wachen Augen mit reumütigen Tränen. Er presste die Lider fest zusammen und versuchte zu verdrängen, wofür die Tränen standen, woraufhin ein unterdrücktes Schluchzen über seine dünnen Lippen rollte und kalt von den Wänden des Kerkers widerhallte. Abgeschottet vom Rest der Außenwelt hörte ihn niemand, so verzweifelt er auch weinte.
Seine Hand kam hervor und bedeckte zitternd sein Gesicht, das jetzt nicht mehr farblos, sondern von roten Flecken überzogen war. Die langen dünnen Finger gruben sich durch die ungepflegten strähnigen Haare hindurch geradezu schmerzhaft in seine Kopfhaut. Unkontrolliert bebend öffnete er den Mund und atmete in kurzen, hektischen Stößen ein und aus. Minutenlang. Um zur Ruhe zu kommen und ihn aus seiner endlosen Einsamkeit zu reißen, fehlte ihm der nötige Halt. Er hasste den Dunklen Lord. Er hasste Potter. Am meisten aber hasste er sich selbst, für das, was er getan hatte.
Am nächsten Morgen stand er zeitig auf, widerstandslos der jahrzehntelangen Routine gehorchend. Beim Frühstück in der Großen Halle herrschte unter den Schülern eine relativ gelassene Atmosphäre, die ihn jedoch nicht beeindrucken konnte. Er nahm seinen Platz zähneknirschend und übelst gelaunt wie eigentlich immer neben Professor McGonagall ein.
„Guten Morgen, Severus."
Ein unfreundliches Brummen von seiner Seite veranlasste sie dazu, ihm einen schiefen Blick zuzuwerfen, woraufhin er gereizt erwiderte: „Ja ja, schon gut."
Das Highlight des morgendlichen Spektakels bestand darin, dass Trelawney sich in ihren Schals verfing und ihren Tee über den Schoß kippte. Fortan kabbelten sie sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit darüber, ob Umbridge gut daran getan hatte, die Wahrsagelehrerin an die Luft zu setzen oder nicht, dann verfielen sie in tiefes Schweigen und lagen sich kurz darauf erneut in den Haaren. Dumbledore, der allseits beliebte und geschätzte Schulleiter von Hogwarts, schien von alldem nichts mitzubekommen. Er unterhielt sich angeregt mit seinen Tischnachbarn, nickte freundlich in die Runde und warf hin und wieder ein amüsiertes Lachen ein. Als er schließlich in Snapes Richtung blinzelte, verdrehte dieser stöhnend die Augen und wandte den Blick nach vorne, wo in langen Bahnen nebeneinander die Haustische aufgereiht waren. Links von ihm saßen die verhassten Gryffindors, auf die er am allermeisten achtete, unter ihnen auch das Trio, bestehend aus dem Goldjungen, Weasley und Granger, wobei sich Potters Freunde in letzter Zeit auffallend wenig zu sagen hatten. Er musste zweimal hinsehen, um sicher zu gehen, doch da Granger mit verschränkten Armen dasaß und Weasley ein langes Gesicht zog, war eindeutig etwas im Argen zwischen ihnen.
„Sie werden so schnell erwachsen, findest du nicht auch?", bemerkte McGonagall sanft flüsternd. Sie hatte sich zu ihm rüber gebeugt und offenbar beschlossen, ihn mit ihrem mitleidsvollen Getue um den Finger zu wickeln. Aber da war sie bei ihm an der falschen Adresse. Ihn scherte es nicht im geringsten, was der Goldjunge und seine Freunde taten, solange sie ihm nur aus den Augen gingen und nicht ständig irgendwo herumschnüffelten oder Schulregeln brachen.
„Worauf willst du hinaus?", schoss er unliebsam zurück. Wenn sie so anfing, steckte garantiert mehr dahinter. Zumal hasste er es, wenn diese mütterliche Ader von ihr durchblitzte.
„Nichts weiter. Es war nur so eine Bemerkung …"
„Spuck es aus, wenn wir es jetzt klären sollen. Andernfalls kann ich den ganzen Tag durchhalten und dir dein kleines, angenehmes Leben so richtig zur Hölle machen. Es macht mir bekanntlich nichts aus, mit dir oder wem auch immer zu streiten, ehrlich."
McGonagalls faltiger Mund bebte. Brüskiert reckte sie das Kinn in die Höhe. „Also gut, wie du willst. Ich kann ebenfalls anders." Sie holte Luft und setzte zum Gegenschlag an; er konnte es kaum erwarten. „Das eifersüchtige Gehabe der beiden erinnert mich stark an dich, Severus. Nur zur Kenntnisnahme. Du kannst es drehen, wie du willst, es gab mal Tage, wo auch du Hoffnung hattest."
„Ich weiß nicht, wovon du sprichst", erwiderte er kühl, ohne sie anzusehen. Seine Kiefer mahlten. Sie war nahe dran, sich einen Fluch einzufangen, denn wenn es ein Thema gab, bei dem er noch weniger Spaß als üblich verstand, dann dieses. „Wenn du mich jetzt bitte entschuldigst, ich habe noch ein paar Vorbereitungen für diese Hohlköpfe zu treffen, obwohl ich mir nicht sicher bin, warum ich mir diese ganze Arbeit überhaupt mache."
Er schob seinen Stuhl zurück und erhob sich steif. McGongall fasste nach seinem Arm.
„Lass mich los, Minerva, oder du wirst es bereuen", knurrte er unmissverständlich. „Mir ist nicht danach zumute, dieses Gespräch mit dir zu vertiefen."
Durch seine Strähnen hindurch sah er sie mit durchdringenden schwarzen Augen an und sie zog beleidigt die Hand zurück.
„Ganz wie du es wünschst, Severus. Ich hatte nur gehofft, dich endlich dazu bewegen zu können, meine Schüler nicht immer so herablassend anzustarren. Du warst auch einer von ihnen, vergiss das nicht."
Mit glühend roten Wangen, die seinem fahlen Gesicht eine eigentümliche Note verliehen, blickte er abschätzig auf sie hinunter, warf in einem verächtlichen Schwung seinen Umhang zurück und setzte sich in Bewegung. Langen Schrittes schwebte er davon, während hinter ihm wie Seide auf nackter Haut der Umhang über den blank geschliffenen Boden glitt, bis er durch den Seiteneingang der Lehrer verschwunden war.
Er fand die Gänge leer und verlassen vor. Zitternd vor Wut kam er zum Stehen, lehnte sich irgendwo mit dem Rücken gegen die kalte Mauer und schloss die Augen.
„Du warst auch einer von ihnen", wiederholte er abfällig zu sich selbst, ihren schrillen Ton nachäffend. Wie lange war das her?
Was hatte er sich nur dabei gedacht, sich überhaupt auf diese banale Diskussion einzulassen? Mit Minerva zu streiten, führte zu nichts Gutem. Sie war nicht gerade sein größter Fan, aber auch niemand, in dem er eine ernsthafte Bedrohung sah. Hätte er in den vergangenen Jahrzehnten nicht so viele Rückschläge erlebt, wären sie womöglich relativ gut miteinander ausgekommen. Unter den entsprechenden Umständen jedoch war ihm alles zuwider. Der Dunkle Lord forderte seine Gefolgschaft. Er würde nicht eher ruhen, bis er ihn gänzlich um den Verstand gebracht oder getötet hätte. Auf der anderen Seite stand Dumbledore, der zwar ein begnadeter Zauberer war, aber auch etwas von einem Visionär hatte, dessen geistiger Aktivität und Einfallsreichtum man nur schwer folgen konnte. Snape, der selbst nicht auf den Kopf gefallen war, wusste, wie viel von seinem Schulleiter abhing. Sollte Dumbledore nicht in der Lage sein, etwas gegen den Dunklen Lord auszurichten, wäre alles verloren, die Mühen, die Snape in den vergangenen Jahren als Spion des Phönixordens auf sich genommen hatte, um die zerstörerische Macht des dunklen Zauberers zu brechen, zunichte gemacht.
Freilich ging es ihn etwas an; er konnte wohl kaum die Augen davor verschließen, nachdem er seinen Beitrag zum Aufstieg des Lords beigetragen hatte. Je weniger davon nach außen drang, desto besser. Er hatte alles, was ihm wichtig war, verloren. Sie würde nicht zurückkommen …
Snape schluckte hart. Nein, er brauchte niemanden, der ihm dazwischen funkte. Weder das Mitleid derer, die sich einbildeten, verlorene Kreaturen wie ihn zu verstehen, noch die Abneigung seiner Zweifler, und schon gar nicht Minerva. Mit der vermeintlichen Zugehörigkeit zu den Todessern, die die treue Anhängerschaft des Lords und somit das Böse schlechthin verkörperten, zählte er nicht unbedingt zu den gern gesehenen Mitgliedern innerhalb des Ordens. Im Großen und Ganzen kümmerte es ihn kaum noch. Nur hin und wieder fing er an, alles zu hinterfragen. Aber wozu? Und mit welchem Ergebnis? Solange Voldemort existierte, musste er es auch. Er brauchte nur in seine Rolle zu schlüpfen, nicht mehr, nicht weniger, sich an den morbiden Gedanken klammernd, dass es irgendwann vorbei sein würde.
