Inhalt:Draco leidet unter der Brutalität der Welt, in die er hineingeraten ist. Dennoch will er als Todesser alles richtig machen, um seiner Familie wieder zu ihrem alten Ansehen zu verhelfen. Als er bei einem Anrgiff Hermine töten soll, ist er allerdings restlos überfordert und verhilft ihr stattdessen zur Flucht.
Der Orden greift ebenso wie die Todesser zu immer drastischeren Mitteln, um den Krieg zu seinen Gunsten zu entscheiden. Als die Schule wieder losgeht, wird für Hermine und Draco die Situation unerträglich, während der Kampf eskaliert.
Während Dracos Familie ihr Bestes gibt, um wieder in Voldemorts Gunst aufzusteigen, werden sich die Personen selbst immer fremder. Aber auch Hermine fühlt sich fremd und falsch im Orden, der im Krieg das tut, was für das Überleben wichtig ist. Kämpfen.
Nebencharaktere: Lord Voldemort, Lucius Malfoy, Narcissa Malfoy, Severus Snape, Bellatrix + Rodolphus Lestrange, Harry Potter, Ron Weasley, Ginny Potter, Neville Longbottom
Die Story geht übel los, doch das Ende wird "harmonischer". AVL steht nicht für heiße Sex-Szenen, sondern für plastische Kampfbeschreibungen.
Pairing: Hermine Granger / Draco Malfoy. Dauert aber ein Weilchen.
Genre: Drama, Hurt/Comfort
Kapitel: 39 (Die allesamt recht lang werden)
Warnungen: Krieg, Gewalt, Sucht, Trauma, AU ab 7. Schuljahr.
Beta: Lapislazuli67 *knutsch*
Harmonie und innerer Frieden sind ideale Zustände, die die meisten Individuen nur anstreben, doch niemals erreichen können.
Kapitel 1: Der Duft der Blumen
Das erste Opfer des Krieges ist die Unschuld.
(Platon)
Draco Malfoy stand inmitten einer Wiese und schloss verträumt seine Augen. Sein Geist war leicht und frei und wanderte durch Gefilde von solcher Schönheit, wie sie kaum ein menschliches Auge je zuvor gesehen hatte. Gefilde, von denen er wusste, dass nur er in der Lage war, sie überhaupt zu erträumen.
Er summte leise und begann sich zu dem Takt einer Melodie hin und her zu wiegen, die er vor Jahren einmal auf dem Weihnachtsball in Hogwarts gehört hatte. Merkwürdig, dass sie ihm gerade jetzt wieder einfiel.
All die Schönheit dieses Moment war so wundervoll, dass es ihn beinahe in der Seele schmerzte. Der Gedanke an das wundervolle Paradies, das er erträumt hatte, die Melodie die er hörte, der süße Geschmack von Keksen auf seinen Lippen, die er früher Sonntags naschen durfte, als er ein kleiner Junge war und von seinen Eltern noch Kekse geschenkt bekam.
Er konnte das Haar seiner Mutter riechen, wenn sie sich frisch nach dem Baden in seiner Gegenwart frisierte. Er fühlte ihre Hand in seinem eigenen Haar, wenn sie ihm dann liebevoll das Haar verstrubbelte. Er konnte den starken Arm seines Vaters fühlen, der ihn hochgehoben hatte und ihn durch sein prunkvolles Elternhaus trug, um ihm all die Porträts längst verstorbener Familienmitglieder zu erklären.
Draco Malfoy legte den Kopf in den Nacken, öffnete den Mund leicht und roch den Duft der Blumen.
War es auch nicht der Garten, den er sich eben erträumt hatte, der Garten, den er sich eines Tages erbauen würde, so war er doch umgeben von Blumen. Rote, gelbe, blass-blaue und violette. Er stand inmitten eines Regenbogens, der das Gras, das ihn umgab, in ein Meer von Farben verzauberte.
Direkt vor ihm blühte ein kleines Vergissmeinnicht. Behutsam und vorsichtig ging er in die Hocke als fürchte er, dass die Blume erschrocken wegrennen könnte, wenn er sie mit hektischen Bewegungen erschreckte. Seine Finger glitten über die himmelblauen Blütenblätter und obwohl hier noch so viele andere Blumen wuchsen, konnte er doch den Geruch dieser Blume, seiner Blume, unter all den anderen Blumen, die ihn umgaben, problemlos ausmachen.
Zuerst zögerte er sie zu pflücken, denn es erschien ihm fast wie eine Sünde, dieses perfekte kleine Stück Erde zu zerstören. Dennoch spürte er, dass er nicht weiterleben wollte, ohne ihr betörendes Aroma wenigstens ein einziges Mal direkt unter seiner Nase einzuatmen. Der Gedanke, dass eventuell ein anderer seine Blume pflücken könnte, war zu Furcht einflößend, als dass er es hätte zulassen können. So riss er den dünnen Stil mit einem kurzen Ruck ab, murmelte leise Worte der Entschuldigung und erhob sich wieder.
Erneut schloss er die Augen, führte das Vergissmeinnicht an seine Wangen und strich erst sanft über die magentarote, empfindliche Haut seiner Lippen damit, bevor er sie unter seine Nase führte und den süßen Duft der Blume tief einsog.
Wundervoll.
Die Blume wurde sicher in der Tasche seines Umhanges versteckt und stattdessen der Zauberstab herausgeholt.
Nein, genau genommen befand sich Draco Malfoy nicht im Paradies. Noch nicht. Dennoch war es die richtige Entscheidung, die Blume zu pflücken. Kaum hatte er seine Blume gepflückt, landete ein Torso direkt vor seinen Füßen auf den Boden, der diesen wertvollen Schatz ganz sicher beschmutzt oder zerdrückt hätte.
Der Torso hatte weder Arme noch Beine. Ein Stück Hals war noch zu erkennen. Der Körper war auf den Rücken gefallen, so dass Draco erkennen konnte, dass es sich dabei um einen Mann gehandelt hatte. Kleidung trug der Torso nicht mehr, da die Wucht des Fluches den Getroffenen buchstäblich aus seinem Anzug gestoßen hatte.
Dracos freie Hand suchte die Blume in seiner Tasche und streichelte sie. Den Zauberspruch, der sie vor dem Austrocknen retten sollte, hatte er bereits gesprochen. Er würde seine Blume retten und nicht zulassen, dass sie ebenso zerfetzt und tot wie die zerstörten Leiber sein würde, die er in diesem Moment erblickte.
Im grünen Gras, umgeben von Blumen, lagen überall tote oder schwer verwundete Menschen. Manche der Opfer waren noch vollständig, manche Körper verteilten sich stückchenweise quer über das Schlachtfeld. Je nachdem welcher Fluch oder welche Explosion sie getötet hatten. Die meisten der Toten kannte er. Er trat ohne zurückzublicken über die Leiche von Terry Boot, versetzte dem ebenso toten Colin Creevey einen Fußtritt, um ihn zur Seite zu rollen, hielt kurz an, um auf den leblosen Körper von Theodor Nott hinabzusehen und ging weiter, zurück zum Schlachtfeld.
Der Fuchsbau, der vorhin nur mehr ein kleiner, krummer Schandfleck in der schönen, ihn umgebenden grünen Landschaft gewesen war, war jetzt wieder in all seiner schäbigen Hässlichkeit zu sehen. Die Schreie, die er vorhin noch recht gut mit dem imaginären Wiegenlied überlagern konnte, wurden nun wieder lauter. Laut waren sie sicher schon die ganze Zeit gewesen, doch jetzt vermochte nicht einmal mehr er, diese zu ignorieren.
Vorhin war der vom Sectumsempra-Fluch aufgeschlitzte Dädalus Diggel an ihm vorbei gerannt, dem die Gedärme aus einem klaffenden Loch in seinem Bauch hingen. Draco hatte zuerst gelacht, als dieser über seine eigenen Eingeweide gestolpert war, danach rannte er davon, um sich zu übergeben.
Unter einer Weide hatte er sich zusammengekauert und versucht die Schreie, die Lichtblitze der Flüche, das Knallen und das Dröhnen unzähliger Explosionen, die den Fuchsbau in eine Ruine verwandelten, nicht dass es einen großen Unterschied zu vorher machen würde, auszublenden. Die Handflächen auf die Ohren gepresst, hatte er sich wimmernd vor und zurückgewiegt und wie ein Kind geweint.
Er hatte die Augen fest geschlossen und versucht, die Bilder, die er gerade gesehen hatte, z. B. den schreienden Percy Weasley, der keine Füße mehr hatte und auf seinen Stümpfen weggehumpelt war, zu verdrängen.
Er schämte sich seiner Furcht. Im Grunde lief die Aktion doch gut. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden sollte nicht nur Harry Potters Volljährigkeit, sondern auch die Hochzeit eines der zahlreichen Weasleys mit dieser Blonden aus Beauxbaton gefeiert werden. Unmengen von Blutsverrätern, Schlammblütern und Muggeln waren hier, da die Weasleys sogar ihre ebenso schäbige, dreckige Nachbarschaft eingeladen hatten.
Ökonomisch planend hatte der dunkle Lord letzte Woche beschlossen, diese Festlichkeit zu stören. Nicht nur die unwürdige Gesellschaft, sondern auch der Fuchsbau sollten in Schutt und Asche gelegt werden, denn für den Fall, dass Harry Potter entkommen konnte, sollte man ihm diese Bruchbude als Rückzugsort nehmen.
Sollten dabei Auroren, die ihm zur Hilfe eilten, seine Freunde oder die ganze Weasley-Schar ebenfalls getötet werden… umso besser. Harry Potter baute auf seine Freunde, er brauchte sie. Je weniger er davon hatte, desto nützlicher für den Lord? Da Draco letztes Jahr dumm genug gewesen war, sich den Todessern anzuschließen, war er nun vom dunklen Lord dazu verdammt worden, bei solchen Operationen mitzuwirken. Seine Eltern wollten zwar nicht, dass er mitkam, doch Voldemort war in diesem Punkt unerbittlich. Allen war klar, dass Draco im Kampf von dreißig Todessern gegen knapp dreihundert Gäste keine große Hilfe sein würde, da er aber immerhin sterben konnte, schien es wohl doch sinnvoll ihn mitzunehmen.
Lucius Malfoy mochte wieder frei sein, doch vergeben worden war ihm nicht. Ganz zu schweigen von Dracos eigener schändlicher Schwäche, als er nicht dazu imstande gewesen war Albus Dumbledore zu töten und zudem noch die Frechheit besessen hatte, selbst zu überleben. Er wusste, dass Voldemort ihn deswegen so oft weiter zu Einsätzen mitschicken würde, bis dieses Problem behoben war.
Problematischer Weise sah Draco die Sache anders, denn er hatte nicht geplant zu sterben. Auch wenn er wusste, dass es darauf hinauslaufen würde, sollte, musste. Früher oder später… Sein eigenes Leben hatte er in dem Moment verwirkt, als er Dumbledores verschonte. Draco schlug sich vor Demütigung und Frust mit den Handballen an die Stirn als er daran dachte, dass Snape Dumbledores Leben nur Sekunden später doch genommen hatte.
Dadurch wurde alles so sinnlos. Sinnlos, nicht zum Mörder werden zu wollen, als ob er eine Wahl hätte. Gryffindors mochten ja edel und selbstlos genug sein, sich im Zweifelsfall lieber zu opfern anstatt sich zu retten, aber er, Draco, war dann doch lieber ein lebendiger Feigling als ein toter Held.
Aus diesem Grund würde er auch all diese Himmelsfahrtskommandos mitmachen, da das immer noch besser war als sofort von Voldemort getötet zu werden. Noch…
Er schritt weiter auf den qualmenden Fuchsbau zu und kam an etwas vorbei, das vermutlich ein Mensch gewesen war. Im Moment erinnerte es ihn aber eher an zweihundert Pfund Rinderhack. Neben ihm lag sein Onkel Rabastan. Kalt und starr. Ebenso wie Draco zuvor, hatte er sich die Todessermaske vom Gesicht gerissen, um besser atmen zu können. Draco schluckte und ging schnell weiter. Rabastan war nett zu ihm gewesen. Er hatte gerne Klavier gespielt und Teebrötchen gegessen.
Draco hob seine freie Hand und zog sich damit den Umhang über die Nase. Rabastan hatte einen Fluch in den Bauch bekommen, der ihm die Eingeweide zerrissen hatte. Den kurzen Moment, den er hingesehen hatte, bevor er realisierte was dort eigentlich war, hatte er den bräunlichen, verschmierten Kot gesehen, der sich aus den Gedärmen über den Rasen neben dem toten Körper ergoss. Ein beißender Geruch, der sich jedoch nur zu gut mit dem restlichen Gestank des Schlachtfeldes hier ergänzte, stach ihm in die Nase und ließ ihn würgen.
Blumen konnte Draco hier nicht riechen.
Stattdessen roch er Erbrochenes, den schwarzen Feuerrauch, der vom Fuchsbau herüberwehte, verbranntes Fleisch von Dummköpfen, die eventuell dort hineingerannt waren um Nebensächlichkeiten zu retten, sowie die Ausscheidungen zahlreicher Leichen.
Im Tod entspannten sich alle Muskeln, weshalb sich nun die Ausscheidungen der Hochzeitsgäste stinkend und breiig über die Wiese ausbreiteten.
Er fragte sich, ob sein Vater noch am Leben war.
Nicht weit von ihm entfernt gab es eine Explosion, deren Druckwelle ihn hintenüber von den Füßen riss und ihn einige Meter durch die Luft trudeln ließ.
Stimmen, er hörte die Stimmen von Ordensmitgliedern, die sehr schnell lauter wurden. Ganz sicher hatten sie die schwarze Todesserrobe schon aus einiger Entfernung gesehen, gezielt und gewartet, bis er nahe genug herangekommen war.
Draco hob den Kopf und konnte gerade so am Rande seines Sichtfeldes ein paar bewegte, bunte Punkte erkennen, die schnell näher kamen. Hastig drehte er sich vom Rücken auf den Bauch und kroch hinüber zu der Weide, wo sein toter Onkel zusammen mit dem Hackfleisch lag. Die Stimmen klangen näher und Draco beschloss, sich zu den Toten zu legen. Wenn er Glück hatte, würden sie ihn vielleicht einfach liegen lassen.
Was immer sie auch sonst mit ihm tun könnten, würde kaum angenehmer sein. Vor allem, wenn sie seinen Zauberstab überprüften und feststellten, dass er zu Beginn der Schlacht den Auroren Savage getötet hatte.
Einen wirklichen Kampf hatte es nicht gegeben. Savage hatte die Gemütsruhe besessen, sich vom Schlachtfeld wegzustehlen, um an den Baum zu pinkeln, hinter dem sich Draco gerade versteckt hielt. Als dieser den Auroren sah, überkam ihn Panik und… das war es dann.
Keine Heldentat, aber egal. Er hatte einen Auroren getötet und dafür war ihm ein gewisses Lob von Voldemort gewiss. Wenn er sich weiterhin bewährte, konnte es ja sein, dass Lord Voldemort von seinem Todesurteil absehen würde.
Draco senkte den Kopf tief in das Gras hinein, damit man das blonde Haar nicht von weitem schon im Licht der Sonne leuchten sah. Er robbte so schnell es ging durch die Exkremente und über die zerrissenen Därme seines Onkels hinweg. Er hatte versucht die Luft anzuhalten, nicht einzuatmen, aber da er hier direkt mit dem Gesicht drinnen war, im Schmutz, half das auch nichts mehr. Vom Ekel übermannt konnte er den Würgereflex nicht mehr zurückhalten und erbrach sich.
Er hörte schwere, rasch näher kommende Schritte.
Fast waren sie bei ihm. Was sie wohl tun würden? Eventuell töteten ihn, falls er sich wehren würde. Draco hatte gesehen, wie einige der Auroren Todesflüche abgeschossen hatten, nachdem seine Tante und sein Vater diese aus dem Hinterhalt angegriffen hatten. Sicher, in diesem Moment war dies zur Verteidigung erfolgt. Dennoch, das Märchen von den friedliebenden Potter-Freunden war damit zerstört worden.
Auf jeden Fall würde er nach Askaban kommen und Draco wusste, dass man ihn dort schneller brechen würde als seinen Vater. Und selbst der, sein großer, stolzer Vater, war seitdem nur noch ein Schatten seiner selbst. Verändert, verletzt, gebrochen. Doch darüber konnte, nein durfte, Draco jetzt nicht nachdenken.
Er streckte eine Hand aus und griff in den zerplatzten Schädel von Rabastans Opfer. Breiige Gehirnmasse und Blut blieben an seiner Hand kleben, und Draco schmierte sie sich sofort ins Gesicht und ließ sich rücklings zwischen die beiden Toten fallen. Es wäre wohl vernünftiger gewesen mit dem Gesicht nach unten liegen zu bleiben, doch seine Nase und seinen Mund direkt in den Schlamm hineinzudrücken, brachte er vor lauter Ekel nicht über sich.
Für alle Fälle steckte er noch schnell den Zauberstab in seine Unterhose. Sollte der nämlich gefunden werden, würde er ihm, lebend oder tot, sofort abgenommen werden.
„Kingsley, da drüben ist er."
Draco erstarrte.
Über ihm baumelten Beine von einem Ast der Weide herunter. Recht weit oben, so dass er es bei seinem flüchtigen Blick vorhin nicht erkennen konnte, baumelten Yaxleys sterbliche Überreste. Wie ein morbides Windspiel drehte sich dessen Körper hin und her. Man hatte ihm die Robe vom Körper gerissen und das Wort
„Verräter"
auf seinen Brustkorb gebrannt. Vermutlich die Tat dessen, der nun zu seinen Füßen lag. Rabastan war offenbar dazu gekommen und hatte Yaxley gerächt. Ob Rabastan doch noch von Yaxleys Mörder getötet worden war, war im Moment unerheblich, denn Draco konzentrierte sich nur darauf, so selten wie möglich zu blinzeln und flach zu atmen.
Gehirnbröckchen verteilten sich über seinem blutverschmierten Gesicht, so dass es Kingsley Shacklebolt und Bill Weasley, die um sie alle vier herumgingen, nicht auffiel, falls er doch kurz zucken sollte.
Die beiden Männer umkreisten den Schauplatz und Draco hörte, wie sie sich immer wieder am nassen Gras die Füße abwischten, wenn sie wohl in etwas besonders Ekelhaftes getreten waren. Ihre Stimmen klangen verschnupft als sie darüber beratschlagten, was zu tun sei. Er meinte aus den Augenwinkeln zu erkennen, wie sich Bill Weasley, halb grün im Gesicht, die Nase zuhielt.
Dreck im Gesicht, gehüllt in den Todesserumhang und das charakteristische, silberblonde Haar über und über mit jeder nur möglichen Art Schmutz verkrustet, erkannten sie ihn jedoch nicht. Genauso wenig wie sie wussten, wer ihr eigener toter Gefolgsmann war.
Sie beschlossen, die Leichen erst einmal liegen zu lassen und nachher wiederzukommen. Nie hatte sich Draco so sehr gefreut, die Stimme seiner Tante zu hören wie jetzt, da sie mit ihrem Mann und schrillem Kichern auftauchte und rote und grüne Lichtblitze über Dracos Kopf hinweg verschoss.
Wäre Yaxley nicht sowieso schon tot gewesen, dann wäre er jetzt gleich drei Mal hintereinander gestorben.
Bellatrix zielte schlecht. War sie nervös?
Schließlich entdeckte sie Rabastan. Rodolphus wohl nicht, dessen Stimme verklang wieder und ging in dem Gebrüll unter, das anhob, als einige Auroren hinter ihnen durchbrachen und die beiden Todesser einkreisten.
Zaghaft wagte er seinen Kopf zu heben. Da durch den Kampf abgelenkt waren und niemand zu ihm hinsah, beschloss er, dass dies seine Gelegenheit zur Flucht war. Die Todesser waren eindeutig in der Unterzahl. Jemandem wie Bellatrix mochte gerade dies den nötigen Adrenalin-Kick verpassen, der noch viel geschickteres Agieren ermöglichte. Draco hingegen spürte höchstens einen Kick in Magen und Blase bei dem Gedanke an den Tod, der ihn umgab.
Er drehte sich wieder auf den Bauch, robbte so schnell und so leise wie möglich zur Rückseite der Weide, krabbelte auf allen Vieren durch einen Busch, der dahinter stand und rannte so schnell er konnte zu einer dichten Gruppe von Apfelbäumen, die hinter dem zerstörten Hühnerstall brannten.
Etwas tropfte ihm in die Augen. Ohne dem stinkenden Schlamm der ihm über seine Wangen rann gewahr zu werden, wischte er sich geistesabwesend mit dem Ärmel seiner Robe das Gesicht ab.
Einen albernen Moment lang fühlte er sich bei dem Geruch des brennenden Obstes an behagliche Winterabende zuhause oder in Hogwarts erinnert, wo Bratäpfel gegessen wurden, doch wurden seine Erinnerungen recht schnell durch das herzzerreißende Schluchzen einer Frau unterbrochen. Neugierig näherte er sich der Quelle des Geräuschs, die irgendwo hinter einem Busch in der Nähe der Bäume sein musste.
Dies könnte ein leichtes Opfer sein. Sicher war es keine Todesserin. Weder Bellatrix noch Alecto würden sich heimlich hinter einem Busch verstecken wie… er.
Beschämt über seine eigene Feigheit, doch beflügelt von der Möglichkeit an diesem Tag doch noch etwas zu erreichen, trat er zwischen den Bäumen hindurch.
Er hätte vor Glück schreien können. Oder aus einem anderen Grund, so genau verstand er das in diesem Moment selbst nicht.
Direkt vor ihm kniete das Schlammblut Granger, die etwas Rotes in ihrem Armen hin und her wiegte. Zuerst dachte er, dass es wohl die Zottelfrisur dieses Penners Ron Weasley sein könnte, doch erkannte er ziemlich schnell, dass Weasley eindeutig größer war. Viel eher hielt Granger den riesenhaften, roten Wischmopp, den sie als Kater bezeichnete, in ihren Armen, wiegte ihn hin und her wie ein Baby und schluchzte und schluchzte und schluchzte.
Ihr Gesicht war rußgeschwärzt, die Haare bis knapp auf Schulterhöhe dunkel verkohlt, ihre Kleid, dass sie zum Fest angezogen hatte, an manchen Stellen zerrissen und von Brandlöchern übersät, durch die rotes, wundes Fleisch zu sehen war.
Neben ihr lag ein Zauberstab, der zur Hälfte verkohlt, wie ein übergroßes, halb abgebranntes Zündholz aussah. Sonst war niemand hier. Konnte Granger denn wirklich so dumm und sentimental sein in einen brennenden Hühnerstall zu rennen, um dort heraus eine Katze zu retten? Wobei diese Katze eigentlich noch bedeutend heiler aussah als sie. Vielleicht war sie an einer Rauchvergiftung gestorben?
Doch einerlei, die Gelegenheit war selten so günstig. Wo immer auch Potter herumrennen mochte, er war nicht hier, um die Schlammblüterin zu trösten. Vermutlich stand der Held der Zaubererwelt stattdessen in einem großen Knäuel von Menschen, die sich gerade heftig darum prügelten, wer zuerst für ihn sterben durfte.
Großartig. Das Wiesel war sicher dabei…
Und das Schlammblut war alleine. Ohne Zauberstab. Mit nichts als einer toten Katze bewaffnet. Er grinste boshaft, als er sich vor seinem geistigen Auge einen Moment ausmalte, wie sie ihn mit dem Vieh am Schwanz packte und es wie einen Morgenstern um sich schleuderte, um ihn zu attackieren. Er schnaubte belustigt.
Sie fuhr erschrocken zusammen, presste den toten Kater schnell atmend noch enger an ihre Brust und ihr Kopf huschte von rechts nach links auf der Suche nach der Quelle des Gelächters, das sie eben gehört hatte.
Draco hatte sich selten so stark, siegessicher und überlegen gefühlt wie jetzt, als er in langsam, gemächlichen Schritten näher kam und mit spöttischem Grinsen in die schreckensweiten, braunen Augen des Mädchens sah.
Der Kater fiel dumpf zu Boden und als sie auf allen Vieren herumkrabbelte, um nach ihrer Waffe zu suchen, konnte er nicht mehr an sich halten und lachte wirklich. Lachte sogar noch etwas lauter, als sie erneut zu heulen anfing, nachdem sie ihren Zauberstab zerstört und verkohlt am Boden gefunden hatte.
Den mittlerweile zwar fast erloschenen, doch immer noch heftig qualmenden Hühnerstall hinter sich, umgeben von hohen Bäumen und Büschen, würde sie nicht schnell genug rennen können, um ihm zu entkommen. Apparieren schloss sich ohne Zauberstab ebenso als Fluchtmöglichkeit aus.
„Auch hier, Granger?", schnarrte er mit träger Stimme, lächelte mitleidig auf sie herab und schüttelte langsam, spöttisch den Kopf. „Nicht mehr lange denke ich, oder?"
Das Mädchen wimmerte und krabbelte auf allen Vieren vor ihm weg, bis sie im dichten Qualm nicht mehr weiterkonnte, gegen die Wand prallte und hustend und mit tränenden Augen zurück kroch.
Die Frage war nicht einmal, ob er sie wirklich töten wollte oder nicht. Er mochte sie nicht, natürlich. Aber das war im Moment egal. Es war egal, ob sie nervig, besserwisserisch, ein Schlammblut und außerdem auch noch eine Streberin war oder nicht. Sie war Potters Freundin und sollte irgendjemand herausfinden, dass er sie hatte laufen lassen, dann wäre das sein eigener Tod.
Für einen kurzen Moment erwog er die Möglichkeit sie mitzunehmen und als Geisel zu benutzen, doch waren Voldemorts Anweisen klar und deutlich gewesen. Er wollte nur Potter. Seine Freunde sollten wenn möglich ausgelöscht werden. Ja, noch nicht einmal sie selbst, die Todesser, sollten unbedingt zurückkommen, falls ihm das die Möglichkeit geben sollte, an Harry Potter heranzukommen.
Hermine wimmerte, hob schützend die Arme vor das Gesicht und sah ängstlich zwischen ihren Händen hindurch, während er sie langsam, wie eine Schlange umkreiste.
Zuerst zögerte er, dann trat er einen Schritt näher, beugte sich nach unten und drückte ihr mit der einen Hand den Zauberstab ins Kreuz und mit der anderen Hand den Kopf nach unten ins Gras.
„Unten lassen." Seine Stimme klang rau, kehlig… beinahe heiser. Er hatte sehr oft geschrieen an diesem Tag. Selten jedoch war er dabei in einer solch überlegenen Position wie jetzt gewesen.
Vielleicht wäre es einfacher sie zu töten, wenn sie ihn dabei nicht ansah.
„Halt die Klappe." Unsanft trat er sie mit dem Fuß in die Seite. Eine Aktion, die ihn seinem Ziel, sie als leblosen Holzklotz zu sehen, keineswegs näher brachte. Er hatte wohl fester zugetreten als beabsichtigt. Der fliederfarbene Stoff des langen Sommerkleides zerriss, sie schrie auf vor Schmerz und kippte zur Seite um. Kleine himmelblaue Blumen, die sie sich zur Zierde ins Haar gesteckt hatte, fielen ins Gras.
Er hob seinen Fuß, setzte ihn ihr auf die Seite und drückte sie nach unten, um ihre erbärmlichen Versuche vor ihm wegzukriechen zu verhindern.
Wenn sie nicht bald still wäre dann…
„Draco, bist Du das?", rief eine schrille Frauenstimme von der anderen Seite des qualmenden Schuppens nach ihm. Er verengte die Augen, versuchte, durch den Qualm hindurch irgendetwas zu erkennen, doch er kannte die Stimme ja. Natürlich kannte er Bellatrix' Stimme.
Seine Tante, die ihn am liebsten ersäufen würde, so, wie man es früher mit schwachen, jungen Haustieren getan hatte. Ihren spöttischen Reden nach zumindest. Wenn sie nun hier herkäme und sehen würde, dass er es noch nicht einmal schaffte, ein entwaffnetes Schlammblutmädchen zu töten, dann wären sämtliche anderen Versuche sich zu beweisen nutzlos. Vermutlich wäre das sein Ende.
Er schluckte, presste die Lippen zusammen und richtete den zitternden Zauberstab erneut auf Grangers wimmerndes, nun zu ihm gedrehtes Gesicht.
„Draco?"
Sie kam näher. Sie hatte ihn gehört. Woher wusste sie, dass er das war? Ob die Operation vorbei war und nun wieder alle eingesammelt wurden, um sich zurückzuziehen?
Hermine, das Schlammblut, wimmerte leise und drückte ihren Oberkörper mit den Ellenbogen vom nassen Boden ab. „Bitte…".
„Sei gefälligst ruhig", zischte er, „sonst hört sie dich." Im gleichen Moment hätte er sich ohrfeigen können. So etwas Dummes konnte auch nur er sagen. Hier stand er, einen Fuß auf ihrer Seite, den Zauberstab auf ihr Gesicht gerichtet und er warnte sie davor, dass Bellatrix, die irgendwo eher planlos im Rauch herumirrte, sie hören könnte.
Dem Druck des Schuhs auf ihrem Rücken zum Trotz, drückte sie sich soweit nach oben bis er den Fuß herunternahm, und sie vor ihm im Gras saß.
Sie sah ihn an, er sah sie an… und wieder beschlich ihn das beschämende Gefühl, das ihn auch damals bei Dumbledores Tod überkommen hatte. Wieso dachte er nur, dass er in diesem Moment mehr Angst hatte als sie?
Aber er konnte es tun, er hatte es schon getan. Nur hatte ihn sein Opfer dabei nicht angesehen…
„Kopf nach unten", fauchte er wieder leise. Heftiges, protestierendes Kopfschütteln als Antwort.
„Bitte…" Sie klang so jämmerlich, so flehend… er begann schnell zu atmen, sie würde es ihm nicht leicht machen.
Schritte…Schritte. Jemand hustete, ganz in der Nähe. Der Rauch war sehr dicht. Sogar hier, wo sie waren, tränten ihre Augen vom beißenden Qualm, der vom lodernden Fuchsbau wie vom glimmenden Schuppen herüberwehte. Das Husten klang gefährlich nahe.
„Bitte…" Beharrlich, störrisch und aufmüpfig. So kam sie ihm vor. Er verzog das Gesicht, eher verzweifelt als boshaft und schüttelte den Kopf. Konnte sie denn nicht verstehen, dass er keine Wahl hatte?
Wer immer auch jetzt gehustet hatte, er konnte nur wenige Meter entfernt sein.
Er wandte den Kopf zur Seite, um in den dichteren, schwarzen Qualm weiter vorne zu spähen. Schon meinte er, dort Bewegungen eines Körpers ausmachen zu können.
Ein schneller Griff, eine unbedachte Sekunde und ihre kleine Hand schoss pfeilschnell nach vorn und umklammerte die seine. „Bitte…", flehte das Schlammblut mit erstickter Stimme. „Hilf mir. Rette mich."
Eine schwarze Gestalt war nun recht deutlich im dunkelgrauen Nebel vor ihm auszumachen. Er biss sich auf die Lippen. Schaute zum Schuppen, zum Schlammblut, zum Schuppen…
„Was machst du denn da, Junge?"
Er atmete tief ein, hielt die Luft an, presste die Augen zusammen, ließ sich auf die Knie fallen, packte ihren Arm und…
disapparierte.
