Kapitel 1:
Wohl wissend, dass der Schwarzhaarige ihm niemals zu 100% gehören würde, drückte er diesem die geschwollenen Lippen voller Sehnsucht auf die Stirn. Ohne den jungen Mann vor sich anzuschauen, ließ er von diesem ab und zog sich die schwarze Stoffhose über die schmalen Hüften nach oben. „Du solltest dich auch anziehen. Es wird Zeit zu gehen." Seine Stimme war mehr ein Flüstern. Der Schwarzhaarige grummelte leise, während auch dieser sich die Uniform wieder richtete. Er wollte allem Anschein nach noch lange nicht gehen. „Aber Draco, es ist doch so schön hier mit dir. Warum sollen wir gehen?"
Draco seufzte tief. Dieses Mal war es noch schwieriger als beim ersten Mal. Er wusste nicht, wie lange er das Ganze noch durchhalten konnte. Doch einfach Aufhören kam für ihn auch nicht infrage. Er kramte die kleine Phiole aus seiner Tasche und hielt sie dem Anderen vor die Nase. „Hier, trink das." „Für dich mach ich alles, Draco." Mit wenigen Schlucken war die Phiole schnell leer. Den kurzen Moment, bis zum Eintreten der Wirkung, nutzte Draco um eine kleine blaue Blume in Harrys Hosentasche verschwinden zu lassen. Gerade noch rechtzeitig konnte er seine Hand zurücknehmen und sich seinen Zauberstab aus dem Umhang ziehen. „Malfoy! Was... hast du... mit mir gemacht?! Wir... du... " „Beruhige dich, Potter... Gleich ist wieder alles gut." Der Schock war dem Schwarzhaarigen ins Gesicht geschrieben. Hatte dieser doch noch genau vor Augen, was hier gerade vor sich gegangen war…
Draco atmete tief durch, dann sagte er mit leiser aber fester Stimme „Obliviate", während er rückwärts den Raum verließ und eine einzelne Träne sich ihren Weg über seine Wange bahnte.
Schon das zweite Mal würde er Potter alleine in diesem schäbigen, alten Klassenzimmer zurücklassen. Ohne jegliche Erinnerungen an das vorher Geschehene. Draco rannte; er rannte hinab in die Kerker, immer noch total überfordert von seinen Gefühlen. Seine Brust zog sich zusammen, das Atmen fiel ihm zunehmend schwerer. Er stoppte kurz und lehnte sich an die kalte Steinwand. Verzweifelt vergrub er sein Gesicht in beiden Händen und versuchte, ruhiger zu atmen.
Er hasste einfach alles an diesem Kerl. Seine Beliebtheit bei nahezu der ganzen Zaubererwelt. Sein Talent, allem Bösen immer entkommen zu sein. Seine Fähigkeiten im Quidditch. Sein verdammtes Angebot, Frieden zu schließen, nachdem Voldemort vernichtet war. Sein unverschämt anziehendes Aussehen... Einfach alles. Warum also hatte er solche Gefühle für den Gryffindor? Warum kam er von dem Schwarzhaarigen einfach nicht los? Was hatte ihn nun schon zum zweiten Mal dazu veranlasst, seinem absonderlichen Verlangen nachzugeben? Schon wieder mit dem Feuer zu spielen, mit der Gewissheit, dass das Ganze einfach nicht gut ausgehen konnte? Der Knoten in seiner Brust wurde immer größer, er atmete schwer.
Doch als er plötzlich entfernt ein Geräusch wahrnahm, konnte er nicht länger dort in der Dunkelheit verweilen. Mit schnellen, aber leisen Schritten verschwand der Blondschopf immer weiter in der Dunkelheit.
„Wie siehst du denn aus, Harry?!" Hermines Stimme schwang Harry schon von weitem besorgt entgegen. „Sag nicht, dass es schon wieder passiert ist?" Harry, Ron und Hermine trafen sich diesen Morgen mal wieder vor der Großen Halle um gemeinsam zum Frühstück zu gehen. Sonst warteten sie meistens auf Ron, doch dieses Mal kam Harry als letzter Teil ihres Trios auf sie zugeschlurft. Als Harry die beiden endlich erreicht hatte, zog er nur eine kleine flieder-blaue Blume aus seiner Hosentasche, die für die anderen beiden schon Erklärung genug war. „Wieder der gleiche Raum?" Harry nickte. „Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen." Harry bemerkte eine größere Traube Schüler auf sie zukommen. „Aber lasst uns das später besprechen." „Mann, Alter. Das muss ein Ende haben. Hast du mal in den Spiegel geschaut? Du siehst schon fast aus, wie dieses Frettchen Malfoy. Willst du seinen Augenringen jetzt etwa auch Konkurrenz machen?" Ron deutete mit dem Kopf in eine Richtung, aus der eine kleine Gruppe Slytherins kam. Mit Malfoy in ihrer Mitte betraten sie die Große Halle. Auch der Blonde sah nicht gerade gesund aus mit seiner scheinbar noch blasseren Haut und den tiefen Augenringen. So mitgenommen hatte der ewige Rivale Harrys zuletzt während dem Kampf gegen Voldemort ausgesehen.
Nichts desto trotz traf Ron den Nagel mal wieder auf den Kopf. Diese Sache musste ein Ende haben. Sie mussten schnellstmöglich herausfinden, was da nachts mit Harry geschah und was es mit dieser merkwürdigen Blume auf sich hatte.
Während die drei in die Große Halle marschierten, spürte Harry plötzlich so ein merkwürdiges Gefühl in sich aufsteigen. So als würde ihn jemand beobachten. Er schaute sich um, doch bei der großen Schülermasse konnte er niemanden speziell ausfindig machen. Dennoch blieb dieses ungute Gefühl ständig präsent. Erst als sie nach einem halben Nachmittag Zaubertränke mit den Slytherins die Kerker verließen und den Rest des Abends mit den Vorbereitungen für ihre Prüfungen in der Bibliothek verbringen konnten, verschwand dieses Gefühl.
Harry wusste, dass auch er sich endlich mal auf die anstehenden Prüfungen konzentrieren musste. Schließlich war es, zugegeben in Hermines Augen, eine großartige Regelung des Ministeriums gewesen, zu veranlassen, dass jede Zauberschule in England das Jahr des Krieges als Schuljahr nicht anerkannt bekommt und so die Schüler durch eine Wiederholung des jeweiligen Jahres die Chance auf vernünftigen Unterricht und eben auch richtige Abschlüsse bekamen. Doch wie sollte man sich auf etwas so wichtiges konzentrieren können, wenn irgendjemand, oder irgendetwas deutlich versuchte, irgendetwas mit ihm anzustellen? Harry seufzte laut, weshalb er von ein paar Seiten genervt klingende „Ssshhh!" zu hören bekam. Ron sah ihn unglücklich von der Seite an, dann beugte er sich zu ihm und flüsterte: „Komm, lass uns mal zu Hagrid gehen. Ich weiß nicht, wo Hermine steckt, das heißt, sie kann uns auch kein schlechtes Gewissen machen. Und wir können uns damit rausreden, dass wir sie gesucht haben, weil wir bei unseren Aufgaben auf ein Problem gestoßen sind." Schelmisch grinste der Rothaarige ihn an. Harry konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Vielleicht war die Idee gar nicht so verkehrt.
Gerade als sie aufstehen wollten, rief eine bekannte Stimme durch die komplette Bibliothek: „JUNGS! Ich habe etwas herausgefunden! Warum bin ich nicht…" „Ms. Granger! Hätten Sie die Güte, Ihre laute Stimme etwas zu zügeln?!" Madam Pince stierte die junge Frau zornig funkelnd über ihre Brillengläser an. Hermine jedoch suchte nur noch ihre zwei besten Freunde, um gleich darauf mit laut widerhallenden Schritten die Bibliothek zu durchqueren. „Ich weiß nicht, warum ich nicht gleich drauf gekommen bin. Es muss daran liegen, dass wir in letzter Zeit so viel mit Zauberpflanzen zu tun hatten. Dabei hätte ich gar nicht so kompliziert denken….", setzte sie in leiserem Tonfall an, bevor Harry sie unterbrach. „Hermine, jetzt komm mal zum Ende. Was hast du herausgefunden?" Ron verdrehte ungeduldig die Augen.
„Na diese kleine blaue Blume. Es ist keine Zauberpflanze, es ist einfach ein Vergissmeinnicht. Versteht ihr?" Ron und Harry sahen sich zögernd an. „Ähm, Vergiss-was-nicht?" „Oh Ron, wie oft habe ich dir schon gesagt, dass dir ein bisschen Muggelkunde nicht schaden würde? Ein Vergissmeinnicht ist eine Blume, die sehr beliebt bei vielen Muggeln ist, vor allem bei verliebten Muggeln. Laut ‚Kräuterkunde für Muggelinteressierte' hat diese Blume ihren Namen wegen einer Legende. Dieser Legende zufolge…" Sie kramte in ihrer Tasche herum und zog ein Stück Pergament hervor. „… gab es einst ein Liebespaar, das an einem Fluss spazieren ging, bis das Mädchen eine blaue Blume am Ufer entdeckte. Ihr Liebster stieg hinab um diese Blume zu pflücken, jedoch fiel er ins Wasser und seine letzten Worte waren ‚Vergiss mein nicht', bevor die Strömung ihn mit sich riss. Außerdem ist diese Blume auch ein Symbol der Treue. Also Harry, hast du in letzter Zeit noch andere Hinweise auf einen heimlichen Verehrer bekommen? Irgendetwas, das darauf schließen lässt, dass du denjenigen nicht vergessen sollst?" „Ähm, also nicht, dass ich wüsste… Ron, ist dir irgendwas aufgefallen?" Die beiden sahen sich ratlos an. „Also Hermine, diese Frage war jetzt etwas unklar. Du weißt genau, dass Harry ständig von irgendwelchen Mädchen angehimmelt und nach Dates gefragt wird, seit mit Ginny Schluss ist. Und was hat das überhaupt mit seinen Erinnerungslücken zu tun?" „Mensch Ron, denk doch mal nach. Du hast doch selbst vor ein paar Jahren schon Erfahrung mit einem Liebestrank gemacht. Was wäre denn, wenn wieder jemand an einen Liebestrank gekommen ist?" „Aber ich konnte mich doch hinterher noch an vieles erinnern. Harry weiß von den jeweiligen Tagen gerade mal noch, wie er am Unterricht teilgenommen hat, oder Harry?" Der Schwarzhaarige nickte nachdenklich. „Meine Erinnerung reicht bis kurz nach dem Abendessen, alles danach ist verschwunden, bis zu dem Moment, als ich in diesem heruntergekommenen Klassenzimmer stehe und mich frage, wie ich dort hingekommen bin." „Siehst du, Hermine. Das ist ganz anders, als bei mir."
Hermine legte ihre Stirn in Falten. „Seit dem ersten Vorfall vor zwei Wochen habe ich andauernd das Gefühl, dass jemand einen Gedächtniszauber an Harry angewandt haben könnte. Ich kann mir nur nicht vorstellen, wer zu sowas fähig wäre, abgesehen von mir und ein paar unserer Freunde…" Die drei sahen sich nachdenklich an. „Harry, du solltest vorsichtig sein. Wenn ich wirklich Recht habe, kann das Ganze übel ausgehen. Mit Gedächtniszaubern ist nicht zu spaßen und bei dir war es augenscheinlich schon das zweite Mal. Das kann langfristige Folgen haben." „Glaub mir, Hermine, wenn ich entscheiden könnte, ob jemand mit mir macht, was er will, würde ich mich garantiert dagegen entscheiden." „Ich weiß, ich möchte nur, dass du in Zukunft besonders vorsichtig bist. Und jetzt lasst uns zurück in den Gemeinschaftsraum gehen, damit wir in Ruhe noch mal alles Revue passieren lassen können."
Die drei verließen die Bibliothek gemeinsam und machten sich auf den Weg zum Gryffindorturm. Auf halbem Weg hörte Harry plötzlich ein merkwürdiges Geräusch ganz in der Nähe und blieb stehen. „Harry, was hast du?" „Geht schon mal vor, ich komme sofort nach.", rief er ihnen zu, da er im nächsten Moment schon in die Richtung lief, aus der das Geräusch kam. In einem der vielen Seitengänge Hogwarts' sah er nicht weit entfernt zwei Gestalten im Schatten stehen. Harry versteckte sich hinter einer Rüstung und versuchte seine Atmung so gut es ging runterzufahren, um dem Gespräch besser lauschen zu können. Seine Intuition sagte ihm, dass es wichtig sein könnte, hier genau zuzuhören.
„… sage dir eins… nicht noch mal… Potter… beinahe aufgeflogen… " Harry hörte zwar raus, dass gerade ein Mädchen über ihn am Sprechen war, doch er verstand noch nicht genug. Er musste näher an die beiden ran. Vorsichtig kletterte er auf den Sockel der Rüstung und hangelte sich zwischen dieser und der kalten Steinwand hinter sich weiter vor. „Ihr Slytherins seid alle gleich. Miese Erpresser und hinterlistige Schlangen. Ich hoffe, dass du wirklich niemandem von meinem Geheimnis erzählst." „Wie oft muss ich es dir denn noch sagen? Das war ein UNBRECHBARER SCHWUR, seid ihr Hufflepuffs eigentlich alle so schwer von Begriff? Sollte ich irgendjemandem von deinem kleinen Geheimnis erzählen, das, wenn wir ehrlich sind, kaum der Rede wert ist, sterbe ich. Aber ebenso stirbst du, wenn du irgendjemandem erzählen solltest, was du für mich getan hast. Verstanden?" „Ja, Malfoy. Verlang einfach nie wieder so etwas von mir und lass mich in Ruhe!" „Nichts lieber als das."
Das Hufflepuff-Mädchen, das Harry als Nathalie Bolden erkannte, lief geradewegs auf ihn zu, doch glücklicherweise schien sie noch so in Rage zu sein, dass sie die Gestalt im Schatten nicht bemerkte. Er sah ihr noch nach, bis sie um die Ecke verschwunden war und drehte sich langsam um, als eine bleiche große Gestalt vor ihm stand. Harry erschreckte sich so sehr, dass durch seinen Satz nach hinten die Rüstung laut schepperte. „Soso, Potter. Mal wieder auf der Suche nach Ärger? Steck deine Nase gefälligst nicht in Dinge, die dich nichts angehen." Harry gewann wieder an Fassung. „Malfoy… was hast du vor? Ich dachte, du hättest dich mittlerweile geändert. Was sollte das mit dem unbrechbaren Schwur? Und was hat das Ganze mit mir zu tun?" „Das geht dich überhaupt nichts an, Potter. Denk mal darüber nach, dass die Welt sich nicht nur um dich dreht. Und jetzt lass mich in Ruhe, bevor ich dir einen Fluch an den Hals jage." Harry erwartete, dass Malfoys Hand bereits längst an dessen Zauberstab war und wappnete sich selbst schon, doch ein Blick in das Gesicht des etwas größeren jungen Mannes vor ihm, gab ihm die Gewissheit, dass es hier nicht zu einem Duell kommen würde. Malfoy war irgendwie neben der Spur, sein Blick unkonzentriert in die Ferne schweifend, die Augen müde und die Körperhaltung alles andere als angespannt. Ohne Harry eines weiteren Blickes zu würdigen, verschwand auch er hinter der nächsten Ecke.
Den ganzen restlichen Weg bis zum Gryffindorturm musste Harry an diese obskure Begegnung denken. Zwar hatte er Anfang des Schuljahres dem Blonden Waffenstillstand und auch sowas wie einen Neuanfang angeboten, schließlich hatte er diesem nicht nur einmal das Leben gerettet, doch der ehemalige Jung-Todesser hatte sich bis heute nicht zu diesem Angebot geäußert. Weder negativ, noch positiv. Das Einzige, was sich verändert hatte, waren die ständigen Sticheleien und Duelle, die seit dem Ende Voldemorts nicht mehr stattfanden und auch einen leichten Einfluss auf die gesamte Beziehung zwischen Slytherin und Gryffindor hatte. Ein bisschen Hoffnung hatte Harry deshalb bis heute gehabt. Doch nach dieser aktuellen Beobachtung war er sich nicht mehr so sicher, ob er die Hoffnung nicht doch aufgeben sollte. Es wäre eigentlich schade drum. Draco Malfoy war schon immer ein begabter Zauberer, der einfach nur zur falschen Zeit, in der falschen Familie aufgewachsen war.
Mittlerweile war Harry am Portrait der Fetten Dame angekommen, der er auch sogleich das Passwort „Viribus Unitis" zu murmelte. Ohne zu meckern öffnete sich der Eingang zum Gemeinschaftsraum der Löwen und Harry konnte hindurchklettern. Am anderen Ende sah er schon Ron und Hermine in wartender Haltung stehen, die erleichtert aufatmeten, als sie Harry erkannten. „Wo hast du denn gesteckt? Du wolltest doch direkt nachkommen. Stell dir nur vor, dir wäre schon wieder so etwas passiert…" „Jaja, ich weiß, Hermine, das war unverantwortlich, aber ich habe eine wichtige Beobachtung gemacht." Mit diesen Worten suchten die drei sich eine ungestörte Ecke und Harry erzählte, was er die letzten Minuten erlebt hatte.
„Ich dachte, wir hätten mittlerweile unsere Ruhe vor dem Frettchen! Startet der jetzt etwa einen neuen Krieg?" Ron war außer sich. Er hatte noch lange nicht die ganzen Kämpfe und Beleidigungen bezüglich seiner Familie und gegenüber Hermine vergessen. „Ron, beruhige dich. Harry hat nicht alles richtig mitanhören können. Vielleicht steckt auch etwas ganz anderes dahinter." So richtig überzeugt schien aber auch Hermine nicht zu sein. „Ich denke, wir sollten Malfoy definitiv im Auge behalten, aber solange wir nicht zu 100% wissen, dass er etwas mit Harrys Gedächtnisverlusten zu tun hat, sollten wir uns lieber auf die Tatsachen konzentrieren. Harry, erzähl uns jetzt erst mal, an was du dich noch von gestern Abend erinnerst."
Harry musste nicht lange überlegen. „Während ihr zwei gestern Nachmittag noch in Hogsmeade wart, war ich auf dem Quidditch-Feld und habe trainiert. Es muss gegen 19:00 Uhr gewesen sein, als ich in der Kabine war, um zu duschen und mich umzuziehen. Was danach passiert ist, kann ich euch nicht sagen. Und letzten Samstag wisst ihr ja. Nach dem Abendessen hatten wir uns getrennt, weil ihr Zeit für euch alleine wolltet – ich mache euch keinen Vorwurf – und ich wollte zu Hagrid, bin aber, wie wir herausgefunden haben, nie dort gewesen. Bei beiden Malen bin ich mitten in der Nacht in einem heruntergekommenen Klassenzimmer im 6. Stock aufgewacht. Ich weiß weder wie ich dorthin gelangt bin, noch warum. Das einzig Auffällige war, dass ich diese kleine blaue Blume in meiner Tasche hatte, die vorher noch nicht dort gewesen ist."
Hermine hatte während Harrys Erzählungen wieder mal ein Stück Pergament zur Hand genommen und machte sich Notizen. „Ich füge mal Malfoy und Nathalie hinzu, für den Fall, dass wir noch mehr Zusammenhänge herausfinden sollten." „Ich glaube nicht, dass wir von Nathalie viel erfahren werden. Durch den unbrechbaren Schwur wird sie wohl nichts preisgeben können…" „Wie intelligent von dir, Ron." Ron quittierte den kleinen Seitenhieb von Hermine mit einem entsprechenden Blick und fuhr dann fort: „Es gibt jedoch jemand anderes, den wir befragen können." Jetzt wurden sowohl Harry als auch Hermine hellhörig. „Wie ihr wisst, haben Fred und George mal versucht, mich zu einem unbrechbaren Schwur zu überreden, den Dad gerade noch so verhindern konnte. Daher weiß ich, dass für solch einen Zauber immer noch ein dritter Magier anwesend sein muss. Wir müssen nur herausfinden, wer dieser dritte Zauberer ist."
Harry und Hermine sahen sich verblüfft an. Hermine war die erste, die ihre Fassung wiedererlangte. „Ronald Weasley, du überraschst mich immer wieder. Habt ihr eine Ahnung, wer derjenige sein könnte?" Wieder ergriff Ron das Wort: „Seit unserem 6. Schuljahr hängt Malfoy vermehrt mit diesem arroganten Zabini ab, im letzten halben Jahr sogar ziemlich regelmäßig. Ich weiß nicht viel über seine Fähigkeiten als Zauberer, aber er ist ein Slytherin, da würde mich also nichts wundern…" „Außerdem wisst ihr sicher, was man sich über seine Mutter erzählt?", warf Hermine nun auch mit ein. „Na ihr wisst schon… eine steinreiche und gutaussehende Frau, die schon sieben Ehemänner überlebt hat, bei denen es jedes Mal zu einem mysteriösen Todesfall gekommen ist. Das passt alles zusammen. Malfoy hat sich nicht umsonst Zabini als neuen Weggefährten ausgesucht. Ich versuche morgen noch ein wenig mehr über ihn herauszufinden. Harry, wir werden herausfinden, was hier für ein Spiel gespielt wird."
Hermines Augen leuchteten voller Tatendrang und auch Ron schien sehr zufrieden mit seinem Beitrag. Und so ließen die drei den restlichen Abend ziemlich schnell ausklingen, um gestärkt in den nächsten Tag starten zu können. Zumindest ging es zwei von den Dreien so. Harry lag in seinem Himmelbett und ihm ging einfach nicht die Erinnerung an das seltsame Verhalten Malfoys aus dem Kopf. Und generell, je mehr er über den blonden Slytherin nachdachte, umso unglücklicher wurde er. Es mochte verrückt klingen, aber irgendwie vermisste er die ständigen Reibereien. Seit seinem 6. Schuljahr war sein Leben nur vom Kampf gegen Voldemort geprägt, davor gehörten die Streitereien irgendwie als Konstante zu seinem geregelten Tagesablauf dazu. Damals machte der Slytherin auch einen glücklicheren Eindruck und sah wesentlich gesünder aus.
Harry seufzte. Was war nur los in letzter Zeit. Der Krieg war endgültig vorbei, kein Schüler und generell kein Zauberer musste mehr in Angst leben. Und trotzdem sah gerade Draco Malfoy so aus, als wäre er kurz vor der Hinrichtung. Harry schüttelte über sich selbst den Kopf. Was ging ihn das schon an? Der Blonde war höchst wahrscheinlich selbst schuld an seiner Misere. Mitleid hatte er definitiv nicht verdient. Doch auch der letzte Gedanke Harrys war dem blonden Slytherin gewidmet, bevor er in einen unruhigen Schlaf fiel.
Der Tag war nun endlich vorüber, die Qual für heute beendet. Jetzt hieß es für Draco nur noch so schnell wie möglich unter die Dusche zu kommen und danach baldigst in einen tiefen Schlaf zu fallen.
Erst hatte er den halben Tag lang den Gryffindor direkt vor der Nase sitzen gehabt, ohne ihm wirklich nahe kommen zu können. Und dann hatte dieser ihn auch noch belauscht. Glücklicherweise schien er nicht mehr gehört zu haben, als seinen Namen und vereinzelte Bruchstücke, sodass Draco noch mal aufatmen konnte. Doch in Zukunft musste er verdammt vorsichtig sein.
Er stützte sich mit beiden Händen am Waschbecken ab, besah sich im Badezimmerspiegel und erkannte sich fast nicht mehr wieder. Seine Haut war sehr blass, die Ränder unter seinen Augen schienen selbst schon Ränder zu bekommen und seine Augen selbst waren mittlerweile sehr klein. Vor nicht allzu geraumer Zeit hätte er nicht zugelassen, dass ihn jemand SO zu Gesicht bekäme. Doch die Zeiten hatten sich geändert. Wenn er als Vorzeige-Slytherin nun schon von einem Gryffindor träumte, war er wohl nicht mehr zu retten. Seufzend zog er sich das schon halb geöffnete Hemd aus und stieg aus seiner Hose.
Das heiße Wasser begrüßte ihn augenblicklich in der Duschkabine und ließ ihn wohlig aufstöhnen. Das einzig Angenehme an diesem Tag, obwohl er vor knapp 24 Stunden ein paar ganz angenehme Stunden hatte und allein von der Erinnerung wieder bessere Laune bekommen sollte. Der Gedanke daran ließ ein winziges Lächeln über seine Lippen huschen. Wie anschmiegsam Potter sein konnte, wenn man ihn quasi dazu zwang. Denn nichts anderes war es, was er tat. Er zwang den Schwarzhaarigen dazu, ein starkes Verlangen nach ihm, Draco, zu fühlen. Das hatte nichts mit der Gefühlswelt zu tun, die in Draco selbst tobte. Und doch waren es ein paar tolle Stunden gewesen, er hatte Potter ganz für sich alleine gehabt, konnte sich die Liebe nehmen, die er so brauchte und die Potter ihm so überaus gerne gab, auch wenn das Ganze einen bitteren Beigeschmack hatte. Liebestränke brachten nun mal keine wahre Liebe zum Vorschein, sondern nur Begierde. Das wusste Draco natürlich, dennoch war ihm diese Form der Liebe immer noch lieber als gar keine.
Das heiße Wasser tat seinen verspannten Muskeln verdammt gut, doch sein Geist konnte einfach nicht runterfahren. Seit dem Frühstück hatte er den Gryffindor ständig beobachtet und natürlich zur Kenntnis genommen, dass es diesem gar nicht gut zu gehen schien. Auch Potter hatte tiefe Ränder unter den Augen, so als hätte er ebenfalls nicht geschlafen. Draco schlug mit der Faust fest gegen die Duschwand. Eigentlich wollte er dem Schwarzhaarigen sowas nicht antun. Doch was wäre die Alternative? Einfach zu ihm hingehen, ihm gestehen, dass er ihn seit ihrer ersten Begegnung bewunderte und über die Jahre verstärkt Gefühle dazu gekommen sind? Ha… Draco würde es selbst nicht glauben, wenn er es nicht wüsste. Die jahrelangen Rivalitäten waren eher ein Zeichen von Abneigung und Hass, als von Zuneigung und Liebe.
Draco war klar, dass er und seine Gefühle total verkorkst waren und dass kein normaler Mensch das Alles nachvollziehen konnte. Aber wenn er nur an den Gryffindor dachte, an dessen smaragdgrüne Augen, die perfekten Lippen und die gut definierten Muskeln unter der leicht gebräunten, von zahlreichen Kämpfen gezeichneten Haut, zog es heftig in seiner Brust. Und nicht nur da. Er wollte den Held der Zaubererwelt für sich alleine, dessen Körper UND Seele. Und als ein Malfoy war er eigentlich gewohnt, zu bekommen, was er wollte. Er musste sich über kurz oder lang etwas überlegen, dass über einen Liebestrank und ein bisschen Gedächtnislöschung hinaus ging. Hier ging es schließlich um Harry Potter, den Held der Nation, den Bringer des Friedens und den Vernichter seiner verdammten bisherigen Welt.
