Kurzbeschreibung: Greta Dorn will eigentlich ihre Ruhe haben, doch mit den Rumtreibern im selben Schloss zusammen, ist das wohl ein bisschen zu viel verlangt. Als würden die nicht schon reichen, gäbe es da ansonsten noch das allgemeine Schulchaos, die angehenden Todesser, Liebesprobleme und das Schicksal, mit denen man fertig werden muss. OC+Sirius, L.E.+J.P.
Anm.: Ich schlage keinen Profit aus dieser Geschichte, sie gehört nicht mir, sondern dem rechtmäßigen Besitzer (J. K. Rowling).
Ich versuche mich so weit es geht an die Bücher zu halten, es kann jedoch sein, dass das Ende dieser Gesichte ein anderes sein wird, als die Storyline der Bücher angibt.
Black and Gold
Prolog - erstes Schuljahr
Der Bahnhof wirkte groß, nein riesig, aber das lag wahrscheinlich nicht nur daran, dass wir uns hier in der Hauptstadt Großbritanniens befanden, sondern auch an der Tatsache, dass wir acht Uhr morgens an einem Sonntag hatten und selbst in der bewegten Metropole um diese Uhrzeit an einem Ruhetag nicht viel los war. Die rauen Steinplatten, die auf dem Boden ein schönes Mosaik aus verschiedenen Grautönen bildeten, wurden schwach von der Sonne erhellt, die sich langsam und vage aus ihrem Versteck hinter einer dichten Wolkenwand traute. Das hieß wohl, dass London am 01. September 1971 in den frühen Morgenstunden vom Regen verschont blieb.
Vor mir lief zu meiner linken mein Vormund, Großtante Cornelia McNeil, deren langes graues Haar in einem Zopf geflochten ihr bis zu den Kniekehlen reichte und gerade die Aufmerksamkeit eines einsam stehenden Bahnangestellten weckte, der sich gerade in seiner Mittagspause befand. Ihre dunkle Spätsommerrobe reichte bis zum Boden und sorgte dafür, dass ihre bereits weiß-grauen Haare noch heller im dürftigen Sonnenlicht aussahen. In ihrer Hand trug sie meinen Koffer, der vollgepackt mit meinen Anziehsachen, Schuhen und Kleinkram für das komplette Schuljahr war. Natürlich hatte sie ihm mit einem entsprechenden Zauber das tatsächliche Gewicht genommen und so die Bedingungen fürs Tragen erleichtert.
Neben ihr und vor mir gesehen zu meiner rechten lief mein zweiter Vormund, der mich vor mehr oder weniger sechs Jahren adoptiert hatte, Onkel Alastor Moody, oder, wie ich – und nur ich - ihn nannte, Onkel Al. Der großgewachsene Mann in den Dreißigern mit dem Holzbein und den vielen Narben, war der Bruder meiner verstorbenen Mutter Margit Louisa (geboren Moody), die den reinblütigen Korwin Dorn geheiratet hatte.
Onkel Al war, wie jeder aus meiner Familie, reinblütig, obwohl ihm dies persönlich so gut wie egal war und nichts bedeutete. Und, auch wie jeder in meiner Familie, war er etwas verkorkst. Was seinen Charakter ausmachte war, dass er misstrauisch, merkwürdig und vor allen Dingen immer mürrisch war. Doch für seinen Beruf waren das gar nicht mal so schlechte Eigenschaften. Als ein berühmt berüchtigter Auror, dessen Ruf ihm nicht nur vorauseilte, sondern auch der Wahrheit entsprach, hatte er bereits viele Verbrecher nach Askaban gebracht. Vor allen Dingen in dunklen Zeiten wie diesen war er ein Held.
Im Moment jedoch trug er den kleinen Käfig mit meinem neun Monate alten, grauen Kater Morpheus (so benannt, weil er jetzt schon so viel schlief) unter dem einen Arm, meine Tasche voller Schulbüchern und Schulmaterialien unter dem anderen Arm.
Wir drei gingen ruhigen Schrittes die Gleise entlang, bis wir am neunten ankamen.
Granny hatte mir bereits erklärt, wie der geheime Durchgang funktionierte, der magische Reisende, aber vor allen Dingen die Schüler von Hogwarts, dem magischen Internat für Zauberei und Hexerei aller Art, auf das Gleis 9 ¾ brachte. Für normale Sterbliche, oder auch Muggel genannt, sah es aus wie jede andere gewöhnliche Backsteinwand auch. Doch für mich war es der erste kleine Schritt meiner schulischen Laufbahn, der erste Schritt näher daran mehr über meine eigene Welt zu erfahren, der erste Schritt überhaupt für mich endlich, endlich magische Freunde zu finden.
Ich lebte nämlich auf einer kleinen Insel namens St. Agnes, die zu den Isles of Scilly im Keltischen Meer gehörte, weit im Westen von der britischen Hauptinsel und noch weiter von einer Großstadt entfernt. Auf St. Agnes kannte jeder jeden. Was nicht außergewöhnlich schwer war, wenn man bedachte, dass die Insel an sich weniger als 100 Einwohner hatte. Dort lebte ich mit Granny Cornelia zusammen in dem großen Anwesen, das ihr verstorbener Ehemann ihr vor über einem halben Jahrhundert hinterlassen hatte. Sie hatte mich adoptiert, als ich mit fünf Jahren plötzlich zur Waise wurde. Dafür war ich ihr unendlich dankbar. Wir redeten zwar nicht sehr viel darüber – Granny redete allgemein nicht, dafür hörte sie mir gerne zu, wenn ich über meinen Tag, oder sonst etwas hinweg plapperte – aber wir wussten, wie sehr wir einander dankbar waren. Ich ihr, weil sie mich gerettet hatte, sie mir, weil ich ihr die Einsamkeit und Langweile nahm.
Da wir die einzigen Zauberer auf der gesamten Insel und umgebenen Inseln waren - mit Ausnahme des verrückten alten Jacobs, der in einer verlassenen Kapelle lebte, aber der zählte nicht wirklich – und es unter den weniger als hundert Bewohnern nur zwei Dutzend Kinder gab, hatte ich nicht sehr viele Freunde. Ich verstand mich mit zwei nicht-magischen Jungen sehr gut, die auch ungefähr in meinem Alter waren. Unter den Kindern waren es die einzigen, die mich nicht seltsam fanden, weil ich nicht zur Schule ging, sondern von Granny zuhause unterrichtet wurde; weil ich manchmal seltsame Sachen sagen würde, die sie nicht verstanden; weil ich manchmal unabsichtlich Dinge geschehen lassen würde. Doch zusammen hatten wir trotzdem viel Spaß. Wir würden Stundenlang herumlaufen, einfach durch die Natur, am Strand entlang, durch den Wald, überallhin. Dazu musste ich sagen, dass, obwohl die Insel zu Großbritannien gehörte, das Wetter ein ganz anderes bei uns war. Es lag soweit süd-westlich, dass Regen und wirklich kaltes Wetter eine Ausnahme bildeten. Es gab auch keine gefährlichen Straßen bei uns, keine gefährlichen Tiere, deswegen durften wir so gut wie überall hin. Außerdem, wenn man das überhaut als Ausrede nennen konnte, war ich zur Hälfte eine Moody. Onkel Al, der ab und zu vorbeischaute, war sogar froh, dass ich mich nicht wie eine kleine Prinzessin benahm, sondern wusste, wie man einen Salamander fing, stolz darauf war die Jungs beim Armdrücken zu besiegen und gerne auch bei Regen und Schnee stundenlang unterwegs war. Er hatte sich schon Gedanken um mich gemacht, weil ich zwar meine gesprächigen Momente hatte, aber sonst nicht wirklich viel redete. Überdies war mein liebstes Hobby, neben der Natur, den Sternen und den Spaziergängen und Erkundungen, zu lesen. Ich war ein richtiger Büchernarr. Aber bei so einer großen Bibliothek in unserem Haus, was blieb mir da anderes übrig, als mich Hals über Kopf in alles zu verlieben, was einen Ledereinband und mehr als 500 Seiten hatte? Moody war nicht zufrieden mit meinem „stillen, öden" Hobby, so wie er es nannte. Nun ja, letztendlich konnte ich Onkel Al doch halbwegs glücklich machen mit den Mitternachts-aus-dem-Haus-schleich-Aktionen um den Wald bei später Stunde zu erkunden, oder den paar Malen in denen ich, natürlich nur aus Notwehr, ein paar Kerle (mit Hilfe von ein wenig Magie) zusammengeschlagen hatte.
Jetzt war ich jedenfalls endlich elf Jahre alt, also alt genug um auf eine „richtige Schule" zu gehen, wie Onkel Al es immer sagte. Der Abschied von meinen zwei einzigen Freunden Finnigen und Keith war sehr traurig. Meine einzigen und ersten Freunde, mit denen ich so viel unternommen und von denen ich so viel gelernt hatte. Ich würde sie vermissen und ich wusste, dass auch sie mich vermissen würden.
Während ich in meinen Gedanken festhing war mir nicht aufgefallen, dass Onkel Al bereits schnellen Schrittes und nur mit einem flüchtigen Blick nach hinten zu mir, auf die Wand zugelaufen und durch sie hindurchgegangen war. Granny, die kurz anhielt um mich mit einem lächelnden Kopfnicken Richtung Wand darauf aufmerksam machen wollte, mich zu beeilen, war kurz daraufhin auch verschwunden. Jetzt stand ich alleine da.
Ich schloss für eine Minute die Augen, um mich zu fassen und wollte gerade loslaufen, als ich merkte, dass mich jemand antippte. Ich sah die Hand auf meiner Schulter, sah den Arm entlang, der der Hand gehörte, bis ich in das Gesicht eines Mädchens blickte, die mich mit ängstlichen hellblauen Augen anblickte. Sie war kleiner als ich, aber vermutlich in meinem Alter. Ihre dunklen braunen Haare waren zu einem langen Zopf geflochten, so wie Grannys.
Ich sah in ihre Augen. Sie sah so verloren aus.
„Entschuldigung.", sagte sie mit leiser Stimme, die viel ruhiger klang, als sie aussah. „Ich… also, ich hätte da eine Frage."
Ich neigte meinen Kopf zur Seite, das tat ich immer, ein nervöser Tick sozusagen. Diese Bewegung ließ mich den Koffer hinter ihr auf einem Wagen sehen und den Eulenkäfig, der mit einem dunkelblauen Tuch verdeckt worden war, entweder um das Tier darunter vor neugierigen Augen zu verstecken, oder das Tier zu beruhigen. Sie war also eine zukünftige Schülerin Hogwarts. Warum sollte sonst jemand vor dem Durchgang zum Gleiß mit so vielen Koffern und einer Eule stehen? Wenn ich Glück hatte würde sie auch ins erste Schuljahr gehen, hoffentlich. Sich mit jemandem anzufreunden würde mir vielleicht doch nicht so schwer fallen.
Und wahrscheinlich war sie sogar muggelstämmig, so unsicher, wie sie mich ansah. Reinblüter würden sich gar nicht so lange auf dem Muggelbahnhof aufhalten. Die wenigen, wenigen Leute die ich aus meiner eigenen Welt kannte würden das jedenfalls nicht tun. Alles Spießer, meiner Meinung nach. Naja, nicht alle, mein Onkel war sicher keiner und Granny auch nicht und ich auch nicht. Aber meine Familie war ja auch etwas… seltsamer. Was ich damit sagen wollte war: ich mochte muggelstämmige Leute, mit denen hatte man 90 % der Fälle immer mehr Spaß. Außerdem war ich praktisch wie ein Muggel aufgewachsen, da es auf St. Agnes außer Granny und mir keinen anderen Zauberer gab, keine magischen Läden, nix.
Ich lächelte, nein, ich strahlte das Mädchen also an. „Du gehst auch nach Hogwarts, oder? Erstes Schuljahr? Ich ebenfalls.", ich streckte ihr meine Hand entgegen und stellte mich vor, da ich noch nicht wusste, mit wem ich es zu tun hatte. „Hallo, ich bin Greta Octavia Luisa Dorn, aber du kannst mich Greta nennen."
Sofort verlor ihr Gesicht die Verloren- und Schüchternheit. Sie lächelte zurück. „Mary, Mary MacDonald.", sie nahm meine Hand in die ihre undschüttelte sie leicht. „Nenn mich Mary. Ah. Ich, also, ich bin so erleichtert. Meine Eltern hatten keine Zeit, beides Anwälte, weißt du, und haben mich einfach hier abgestellt. Ich suche bestimmt schon seit einer halben Stunde dieses seltsame Gleiß!"
Muggeleltern, sagte ich doch. Wie gesagt, sie war mir sofort sympathisch. Wir würden bestimmt Freunde werden, das hatte ich im Gefühl. „Das Gleiß befindet sich hinter der Wand, damit normale Leute nichts davon mitbekommen. Wir müssen durchrennen."
Ich zeigte auf die Backsteinmauer hinter uns zwischen zehn und neun und lächelte weiter, mein Glück immer noch nicht fassend.
Sie sah mich prüfend an, doch nach einem Moment der Stille nahm sie ihren Wagen mit beiden Händen. Ich half ihr lachend und zusammen schoben wir uns mitsamt dem Wagen durch die Wand.
Ich stellte Mary Onkel Al und Granny vor, die bereits auf mich gewartet hatten. Alastor Moody wirkte ein bisschen einschüchternd auf sie, wie mir auffiel, aber das glich meine Großtante mit ihrer stillen, ausgeglichenen Art wieder aus. Da wir so früh dran waren und der Zug zum Glück gerade die Türen geöffnet hatte, damit die ersten Schüler – also Mary und ich, da sonst niemand da war – bereits eintreten konnten. Wir suchten uns einen Platz im zweitletzten Abteil des Zuges und mein Onkel half uns die Schweren Koffer so zu positionieren, dass sie nicht störten, wir sie aber leich, und ohne Mühe auch wieder runter bekommen konnten. Dann verabschiedete ich mich von beiden, wobei ich zugeben musste, dass es mir schwerer viel, als ich gedacht hätte. Abschiede waren einfach nicht das meine. Ich war es einfach nicht gewöhnt.
Auf jeden Fall quatschten Mary und ich ziemlich viel und ziemlich lange. Obwohl keine von uns beiden der sehr gesprächige Typ war – ich redete normalerweise nie viel, außer mit Granny, aber das lag auch nur daran, dass jemand die ganze Stille im Haus füllen musste und sie diese Rolle ganz sicher nicht übernehmen konnte, da sie seit dem Tod ihres Mannes vor vielen Jahren kein Wort mehr zu niemandem gesagt hatte -, war unsere Neugier aufeinander und auf das aufregende Schulerlebnis vor uns so groß, dass wir gar nicht mehr aufhören konnten zu quatschen. Ich erfuhr viel von Mary und sie von mir. Ich merkte schnell, dass wir viel gemeinsam hatten, aber auch sehr verschieden waren. Sie mochte Tiere, so wie ich, sie mochte den Sternenhimmel, so wie ich. Sie mochte Regen, hasste Schach, liebte die Beatles (wir waren schließlich Briten und in den 70igern), hatte einen super Humor und bereits (fast) alle Schulbücher gelesen – so wie ich auch. Aber wir waren auch sehr unterschiedlich. Während sie still aus Schüchternheit und Beklommenheit war, war ich still, weil ich die Stille von daheim kannte und von Natur aus misstrauisch war (schaut euch meinen Onkel/Tante an). Sie war eher ein Mädchen nach dem traditionellen Sinne. Sie hatte diese grazile Art an sich, wie sie redete und gestikulierte. Sie hielt sich zum Beispiel beim Lachen immer die Hand vor dem Mund. War immer höflich und fluchte nie. Sie sah auch so aus, als ob sie jedes Kleidungsstück gut bedacht hatte. Die Haare waren in einem perfekten Zopf gebunden, kein einziges tanzte aus der Reihe.
Ich lachte immer aus vollem Hals heraus. Meine Haare waren wild, immer auf Kinnlänge geschnitten und selbst wenn sie lang genug waren, um sie zusammenbinden zu können, trug sie absolut immer offen. Ich war tollpatschig und tat mir oft weh, weil ich meistens nicht aufpasste oder gerade in einem Tagtraum festhing.
Lag das an den Jungs, Keith und Finn, mit denen ich befreundet und aufgewachsen war? Konnte sein.
So verging die Zeit. Der Bahnhof füllte sich schnell und dann fuhr der Zug auch schon los. Obwohl ab und zu jemand den Kopf in unser Abteil steckte, womöglich um nachzuschauen, ob es noch fei war, blieben wir alleine. Unser Glück, dass wir so weit hinten, im zweitletzten Abteil.
Der Zug war schon lange am fahren, als mal wieder jemand die Tür unseres Abteils aufschob. Doch dieses Mal blieb die Tür offen. Die Person im Türrahmen wartete darauf, dass eine von uns beiden ihr Aufmerksamkeit schenkte. Ich schaute hoch und sah ein Mädchen im Türrahmen mit kurzen dunkelroten Haaren. Ich hatte noch nie so eine Haarfarbe gesehen. Doch die Augen, die sie auf mich richtete waren noch außergewöhnlicher. Sie waren von einem intensiven Grün. Augen so grün wie Gras und Haare so rot wie Feuer. Hinter ihr stand noch jemand, doch ich konnte nur dunkle Haare, helle, nein blasse Haut und schwarze Kleidung ausmachen.
Mary neben mir wurde still und versteifte.
„Hi. Können wir uns dazusetzten? Ich bin Lily Evans und das hier, ", sie zeigte hinter sich, „ist Serverus Snape."
Ihre Stimme war stark und kräftig. Ich mochte sie direkt.
Lächelnd nickte ich und als sie eintraten reichte ich die Hand, um mich vorzustellen. Mary tat es mir gleich.
„Greta Octavia Luisa Dorn."
„M-Mary MacDonald."
Hinter ihr kam jetzt ihr Freund Serverus Snape zum vorschein. Ein magerer, blasser Junge. Die unreine Haut, das fettige, lange, rabenschwarze Haar, die etwas zu Große Hakennase machten ihn nicht gerade schön. Doch ich ließ mich nicht von Oberflächlichkeiten blende (Onkel Al hatte mich besses gelehrt), sein Äußeres störte mich also nicht im Geringsten. Und als ich dann sah, wie er Evans anschaute – nämlich wie ein wirklicher Freund – wusste ich, dass er in Ordnung sein musste.
Wir schüttelten auch seine Hand. Dann räumten beide ihre Koffer an die Seite und setzen sich auf die uns gegenüberliegenden Sitze.
Evans, die nicht solche Hemmungen hatte wie Mary und auch nicht so still wie ich erschien, fing glücklicherweise direkt ein Gespräch mit uns an.
„Ich bin schon aufgeregt. Das ist Sev und mein erstes Schuljahr."
„Unsers auch.", sagte Mary. „Ich… meine Eltern sind keine… und deswegen ist das alles ziemlich neu für mich. Ich hab mir zwar vieles durchgelesen aber… sich das vorzustellen…"
„…ist schwer.", beendete Lily ihren Satz für sie und lächelte. „Ich weiß was du meinst. Meine Eltern sind auch keine Zauberer. Ich bin die erste in der Familie."
Sie war also auch muggelstämmig. Ob der Junge neben ihr dann auch muggelstämmig war? kannten sich die beiden schon vorher oder hatten sie sich gerade eben erst kennen gelernt? Lily bemerkte wohl meine fragenden Blicke und die Art wie ich meinen Kopf zur Seite geneigt hatte.
„Sev und ich sind Nachbarn. Ihm ist als erstes aufgefallen, dass ich zaubern kann und so sind wir Freunde geworden."
Der Junge namens Snape, der während unseres Gesprächs desinteressiert aus dem Fenster geblickt hatte schien sich nicht zu regen. Doch, und ich konnte mich auch irren, ich hätte schwören können ihn bei ihren Worten leicht erröten zu sehen.
Nach ihren Worten zu urteilen waren seine Eltern anscheinend Zauberer, oder jedenfalls mindestens einer von beiden.
So redeten wir weiter. Mary, Lily und ich, während Snape sich heraushielt. Wir freundeten uns alle drei an, sodass wir auf Erstnamensbasis waren und ich erfuhr auch genauso viel von Lily wie vorher von Mary.
Sie war sehr freundlich. Das Wort traf einfach hundertprozentig auf sie zu. Sie war wirklich nett und so wie sie auf jede Frage, auf jedes Detail einging offenbar auch klug. Auch sie hatte diesen mädchenhaften Charme, der mir einfach zu fehlen schien. Doch was sie von Mary unterschied und mich mehr an mich selbst erinnerte war, dass sie auch Temperament zu haben schien. Ob es klischeebezogen an ihrer Haarfarbe lag wollte ich nicht beurteilen, doch sie stand ganz klar für ihre Meinung ein und für das, was sie für Gut betrachtete. Alles in ihren Augen Schlechte nahm sie nicht einfach hin, nein, sie kritisierte es so, als wüsste sie genau, dass sie etwas unter dem Aspekt ändern könnte.
Mir war zum Beispiel schon zuvor aufgefallen, dass ihre Augen blutunterlaufen waren, so als hätte sie geweint. Obwohl es auch am Abschied von ihren Eltern liegen konnte, fragte ich trotzdem nach, ob es ihr gut ging, und warum sie geweint hätte.
Da antwortete sie: „Das lag an meiner Schwester. Petunia, heißt sie. Sie ist älter als ich und wollte auch in Hogwarts angenommen werden, doch sie kann nun mal nicht zaubern und deswegen konnte man sie auch nicht annehmen. Ihre Wut lässt sie leider immer an mir aus, weil ich angenommen wurde."
Oh. Die Arme. Mist, jetzt hatte ich das Gesprächsthema mal wieder auf so etwas Unerfreuliches gebracht.
„Es ist nicht deine Schuld, Lily.", sagte eine mir unbekannte Stimme. Ich musste ein paar Mal blinken, bevor es bei mir klick machte und ich verstand, dass das Snape war, der gesprochen hatte.
Es wurde schnell dunkel und dann waren wir auch schon dort. Der Bahnhof der Schule war gut erleuchtet, doch außer ihm und dem Zug erkannte man nichts in der pechschwarzen Nacht. Das Gleiß wurde auf der Seite, auf der sich nicht die Schienen befanden, von einer hohen Mauer begleitet, die sich so weit fortsetzte, bis sie von der Dunkelheit verschlungen wurde. Nur wenige Bäume ragten über die Mauer hinaus und ließen einen Wald erahnen. Es gab insgesamt zwei Tore, die zwei verschiedene Wege trennten, um zum Schloss zu kommen. Das machte ich von diesem riesigen Typen aus, der durch die Kinderhinweg schrie: „Ers'klässler hier her! Hier her! Alle hier her!"
Wir mussten anscheinend einen anderen Weg gehen. Mir machte das nichts aus, während Mary und Lily sich in ihren Befürchtungen immer weiter steigerten, freute ich mich auf den verbotenen Wald, von dem ich schon viel in ‚Hogwarts, eine Geschichte' gelesen hatte. Endlich mal ein Wald, der aufregend und neu war. Ich liebte es zu erforschen. Doch zu meiner größten Befürchtung und zu Marys und Lilys Erleichterung ging es nicht zu Fuß durch den Wald. Nein. Neeeein. Wir würden zu viert in kleine Boote gesteckt werden! Kleine Ruderboote! Über den See! Und das war keine kleine Pfütze Wasser, nein, das war ein verdammt großer See und das Schloss befand sich auf der gegenüberliegenden, weit, weit entfernten Seite.
Ohhhh, Merlin. Nein.
Hatte ich schon von meiner Angst vor größeren Ansammlungen von Wasser und einen Fuß in diese zu setzten erzählt? Hab ich nicht? Ops. Es klang seltsam für jeden, der es hörte oder sah, aber so war es. Ich, eine Kleininselbewohnerin, hatte Angst vor Wasser. Naja nicht vor Wasser allgemein, aber sobald ich einen Fuß darein setzten musste, bekam ich Panik. Wieso wusste ich selbst nicht so genau. Ein vager Traum den ich oft hatte und mir mehr wie eine Erinnerung vorkam, sagte mir, dass ich vor vielen Jahren, in eiskaltes Wasser gefallen und fast ertrunken war.
Die ganze Fahrt über hatte ich also die Augen geschlossen. Mary hatte meine Hand gehalten, um mich zu beruhigen. Nach einer gefühlten Ewigkeit waren auf dem Schulgelände angekommen. Wir wurden schnell vorangetrieben, von dem großen Typen, der nicht ganz meinen Vorstellungen von einem echten Riesen entsprach (waren die nicht größer?). Bevor ich wirklich verarbeitet hatte, was passiert war, standen wir schon in der Vorhalle, während eine Lehrerin (vielleicht vierzig?) mit schmalem Gesicht und einem Spitzhut auf ihren, zu einem Dutt zusammengebundenen, schwarzen Haaren, uns alles erklärte.
Mir viel auf das Lily und vor allen Dingen der Snape-Boy zwei Kerle böse anfunkelten, die weiter vor uns standen. Beide schwarzhaarig und schlank, redeten angeregt miteinander.
Wir sollten uns Alphabetisch aufstellen, so blieb ich zwar in der Nähe von Lily, aber leider von Mary getrennt. Der Snape-Junge musste ans Ende der Reihe, was ihn noch trübsinniger dreinblicken ließ, doch einer der beiden Kerle, die von Lily den bösen Blick abbekommen hatten, stellte sich mit ein paar Leuten vor uns in die Reihe. So wanderten wir zum ersten Mal in die Große Halle. Alles was ich jemals darüber gelesen hatte reichte nicht aus, um das zu beschreiben, was ich dort sah. Die berühmten Haustische, der Lehrertisch, Dumbledors Rednerpult, die magische Decke, die so hoch war, dass man das Ende nicht sehen konnte und natürlich immer die Wetterlage draußen wiederspiegelte, einfach alles war atemberaubend. Und ziemlich einschüchternd, was eventuell auch an den tausenden Augenpaaren lag, die uns auf unserem Weg durch den Saal beobachteten. Ein Erstklässler nach dem anderen wurde schließlich nach vorne gerufen, musste sich auf den kleinen Holzstuhl setzten, den alten, sprechenden Hut (über den ich auch alles Mögliche gelesen hatte), der uns kurz davor noch ein langes Lied über Brüderlichkeit und Freundschaft gesungen hatte, aufsetzten, um dann von ihm laut verkündet zu bekommen, welchem Haus – Griffindor, Huffelpuff, Ravenclaw oder Slytherin – er einem zugeteilt hatte. Ich persönlich fand es etwas seltsam, dass eine solche Entscheidung von einem alten Hut getroffen wurde, aber ich hatte von meinem Onkel gelernt, dass man manche Dinge einfach hinnehmen musste.
In meiner Familie war das mit der Hauswahl so eine Sache gewesen. Väterlicherseits waren alle meine Familienangehörigen immer brav nach Slytherin gegangen. Doch da ich nichts mit denen am Hut hatte und praktisch keinen mehr kannte, wusste ich nicht, ob das auch auf mich zutraf. Meine Mutter war in Huffelpuff gewesen, während ihr Bruder, Alastor, in Griffindor war. Großtante Cornelia war, so denke ich mich erinnern zu können, ebenfalls in Griffindor gewesen.
Ich wusste nur, dass ich nach Griffindor wollte. Das Hausmotto repräsentierte all das an was ich glaubte und ich wusste, dass ich mich unter den Leuten am wohlsten fühlen würde. Ich war zwar auch loyal wie ein Huffelpuff, einigermaßen intelligent wie eine Ravenclaw und ein Reinblut, wie die meisten Slytherins, aber mein Herz gehörte nach Griffindor – oder so hoffte ich jedenfalls.
Den einen Jungen, einer von den beiden, die Lily nicht leiden konnte, sah ich nun die Treppen zum Stuhl hochlaufen. Sein Name, „Black, Sirius", wurde ein wenig bitter von der Lehrerin mit Spitzhut vorgelesen, sie sah aus, als hätte sie in eine Zitrone gebissen.
Black. Von der Familie hatte ich schon irgendwas gehört, konnte mich aber nicht mehr dran erinnern.
Als er aufgerufen worden war, hatte es im stillen Saal viel Gemurmel und Getuschel gegeben. Der alte, sprechende Hut hatte unnatürlich lange auf dem Kopf des Jungens verweilt. Black hatte immer wieder den Kopf geschüttelt und leise vor sich her gemurmelt, bis dann irgendwann die laute Stimme des Hutes gen Saal im wahrsten Sinne des Wortes erschütterte, als es verkündete, dass der Black-Junge nach Griffindor ging. Ich verstand die Aufregung nicht. Einen Moment lang unangenehme Stille, verwirrte Blicke der Schüler und sogar der Lehrer, dann brach das Chaos aus. Ein ganzer Saal voller Leute die über das Geschehene redeten, als wäre es der Weltuntergang. Black nahm den Hut ab und ging an seinen Tisch, während alle wild hin und her redeten.
Während ich in Gedanken über das seltsame Verhalten der Leute hier vertieft gewesen war und darüber, woher ich diesen Namen kannte, lief vor mir ein Erstklässler nach dem anderen hoch, bis alle Namen mit C und die paar mit D vorgelesen wurden, die vor mir dran waren.
Dann kam ich dran.
Merlin, ich war so nervös, aber irgendwie schaffte ich die Treppen hochzulaufen (ohne zu stolpern) und mich auf den Stuhl zu setzten. Der Hut wurde mir auf den Kopf gesetzt, rutschte mirweit über die Augen und wurde nur leicht von meiner Nase daran gehindert weiter runter zu rutschen.
Direkt bei der ersten Berührung hörte ich schon die Stimme:
„Oh! Wen haben wir denn da? Halb Moody, halb Dorn, sehr interessant! Wer hätte gedacht, dass so etwas möglich ist! Mal sehen, mal schauen… Hm. Interessant. Sehr viel Potential. Da ist etwas… eine Gabe, ja, ja ,ja, das wird sich schon noch ergeben. Interessant… Nun die Mutter eine Huffelpuff und ab und zu hier und da ein Griffindor, sehr viel Slytherin. Ja, ja… Wie bitte? Nicht nach Slytherin? Noch jemand mit dieser Einstellung, also. Wirklich nicht? Hm. Nein? Es könnte gut werden. Aber gut, na gut, dann eben… GRIFFINDOR!"
Ich war so erleichtert, ich flog die Treppen hinunter zum Tisch ganz rechts in rot, der mich schon jubelnd erwartete.
Ich sah den Black-Jungen, doch er sah mich nicht, also setzte ich mich zwei Plätze ihm gegenüber auf die andere Seite des Tisches, neben ein Mädchen mit braunen, schulterlangen Haaren, einem runden Gesicht und freundlichen, braunen Augen.
„Wilkommen in Griffindor.", sagte sie zu mir. „Ich bin Alice Fortescue, zweites Jahr."
„Danke.", sagte ich und stellte mich ebenfalls vor. „Greta Octavia Luisa Dorn."
Ich reichte ihr die Hand, während Lily nun zugeteilt wurde. Vor mir, zwei Plätze neben mir, lachte jemand. Ich sah, dass es Black war und, dass er mich anblickte.
„Wie war das gerade? Wie heißt du?", fragte er mich, immer noch halb am lachen. Errr. Was sollte das denn jetzt?
„Greta Octavia Luisa Dorn, und mit wem hab ich das Vergnügen?", fragte ich trocken. Doch das merkte der Typ mit den kurzen schwarzen Haaren, hohen Wangenknochen und den seltsamen grauen Augen nicht. Er lachte schon wieder. Ich konnte langsam verstehen, warum Lily und Snape ihn nicht leiden konnten. Ziemlich unhöflich, der Typ.
Apropos, Lily setzte sich nun neben mich, sie war zum Glück auch in Griffindor. Sie sah mich den Black-Jungen böse anstarren und blickte nun auch finster zu ihm rüber. Sie wusste anscheinend, dass er irgendwas getan hatte.
Okay, der Typ kriegte sich nicht mehr ein. Das reichte jetzt.
„Und warum, wenn ich fragen darf, lachst du, Black?", fragte ich.
Das ließ ihn für einen Moment verstummen und mich mit einer Hochgezogenen Augenbraue anschauen. Meine vorherige, erste Frage nach seinem Namen hatte er nicht beantwortet, trotzdem hatte ich mir seinen beim Auswahlverfahren gemerkt und ihn gerade trotzdem danach gefragt. Offenbar fand er das interessant, oder was auch immer diese Augenbraungeste zu bedeuteten hatte.
In seinen Augen blitzte etwas auf, etwas das ich Moment nicht noch nicht ernennen konnte, das ich aber über die Jahre die noch kommen würden, nur all zugut kennen würde. Dieser durchtriebene Blick, der geradezu nach Ärger schrie.
„Dein Name.", sagte er und grinste überheblich. „Wenn man die Initialen der Namen nimmt kommt G.O.L.D. dabei raus!"
Und so bekam ich meinen Spitznamen Gold. Greta Gold.
An diesem ersten Abend wurden insgesamt neun Jungen und acht Mädchen nach Griffindor gewählt. Mary gesellte sich zu uns an den Griffindor-Tisch, während Serverus Snape zu den Slytherins musste.
Als ich dort saß, neben Alice Fortescue und Lily Evans, gegenüber von Mary Macdonald und gespannt der Rede des Schulleiters Dumbledore zuhörte, ahnte ich noch nicht im Geringsten, welches Schicksal uns alle zusammen und jeder Person einzeln ereilen würde und was für eine Bürde auf meinen Schultern lag. Was ich vor mir hatte. Was passieren würde.
Mein Name ist Greta Orcania Louisa Dorn und das ist meine Geschichte.
