Nacht
senkte sich über die weite Insel, in deren Inneren sich ein
tiefer Urwald befand. Tia Dalma saß in ihrer Hütte und
schüttelte, die Augen geschlossen, in ihren Händen ein paar
Steine und Zweige, die sie dann auf den Tisch vor sich fallen ließ.
Sie öffnete langsam ihre Augen und beugte sich vollkommen
konzentriert über die Platte des Tisches und die dortigen
Aufzeichnungen. Ihre auf den Ellenbogen abgestützten
Arme sanken langsam auf den Tisch herab und mit einem Klingeln ihrer
zahllosen Anhänger und Ketten wandte sie den Kopf in eine
seitliche Richtung. Den Blick auf eine Ablage geheftet, wanderten
ihre Augen die vielen Glieder der Kette entlang die sie in
Augenschein nahm.
„Die Zeit ist gekommen"
Die
Voodoopriesterin erhob sich von ihrem Platz und griff von einem
nebenstehenden Stuhl zu einem zerfledderten Umhang den sie sich über
die braune Haut warf. Nebel umgab das Haus über dem Wasser, als
die Hexe die Stufen zum Land hinter sich ließ und in den Urwald
aufbrach. Sie kannte den Weg und würde ihn auch ohne Augen und
Ohren zurücklegen können. Nach einer kurzen Wanderschaft
durch die nebelige, von dunklem Buschwerk überzogene Landschaft
kam sie an einer bestimmten Stelle an. Der Boden war weich und
sandig, zielstrebig glitt ihre Hand in den Sand und begann dort
langsam zu graben. Schon bald zeichnete sich ein zufriedenes Lächeln
auf den schwarzen Lippen ab, als ihre Hände einen menschlichen
Schädel hielten und ihn vom Staub befreiten. Viel weiter musste
sie nicht graben um an einen samtigen Beutel zu kommen, den sie
vorsichtig aufnahm und mit ihm an ihren Körper in ihre Hütte
zurückkehrte. In einer einzigen Bewegung fegte sie alles
vom Tisch was sich darauf befand. Steine und Knochen, Scheren und
Tierhaut. So unvorsichtig sie alles zur Seite gewischt hatte, mit der
doppelten Vorsicht entblätterte sie nun den abgeschabten
Samtbeutel und breitete den Staub, der dessen Inhalt war aus. Weiter
unten in diesem Beutel kam ein zusammengebundener Bausch von dunklem
Haar ans Licht. Sie entknüpfte die dunklen Wellen und breitete
sie ebenso auf dem Tisch aus. Als letzte Zugabe holte sie das Amulett
und ließ es langsam, der Kette voraus auf den aufgebahrten
Haare rieseln, bis der Anhänger weich in der Mitte auftraf. Eine Ewigkeit schien zu vergehen in der
ein Besucher, sofern es einen gegeben hätte, nicht hätte
bestimmen können ob die Hexe bewusstlos, eingeschlafen oder in
einer Art meditierender Haltung war. Wie aus dem Nichts flammten die
Kerzen auf dem Tisch mit einem Mal wieder auf und Tia Dalmas Hand
schnellte in die Mitte des Tisches um den Anhänger fest zu
umschließen, als würde sie etwas festhalten
wollen. Langsam erhob die Hexe ihren Kopf. Ihre dunklen Zähne
traten bei ihrem breiten, zufriedenen Lächeln hervor.
Die
Hexe nahm ihren Platz ein. und löschte das Licht. Die Hände
einem Oval gleich auf den Tisch gelegt, berührten ihre
wandernden Finger den Untergrund aus Haaren, Staub und Knochen. Eine
Weile waren es nur ihre Finger die tasteten, als würden sie
etwas suchen. Als das letzte Licht verlöschte viel ihr Kopf
vornüber als würde sie schlafen, in totale Stille und
Finsternis getaucht.
