1.

Es war ein strahlender Wintertag.

Dicke, luftige Schneeflocken fielen sanft vom Himmel, und die meisten der Schüler bereiteten sich auf den anstehenden Ausflug nach Hogsmeade vor.

Doch Meliane Lilly, der 15-jährigen Ravenclaw-Schülerin, war der Tag soeben gründlichst vermiest worden.

Noch vor einer Stunde hatte sie mit ihrer besten Freundin Cho Chang besprochen, was sie an diesem Tag alles in Hogsmeade tun wollten.

Und jetzt, nachdem Professor McGonagall ihnen die große, aufregende Nachricht mitgeteilt hatte, war Melianes Laune schlagartig in den Minusbereich abgestürzt.

Während nun alle anderen Mädchen bereits aufgeregt überlegten, was sie tragen wollten, und von wem sie hofften, eingeladen zu werden, wollte sich Meliane nicht damit beschäftigen.

Ihr graute.

Hätte sie gewußt, daß dieser fiese Junge, dieser Viertklässler, tatsächlich wußte, wovon er sprach.... sinnlos, darüber nachzudenken.

Tatsache war, daß in diesem Jahr, dem Jahr des seit langem wieder stattfindenden Trimagischen Turniers, der traditionelle Weihnachtsball ein Teil der Veranstaltung war.

Cho hatte sich gewundert, daß ihre Freundin nicht ebenso begeistert reagiert hatte wie sie, sondern eher verhalten - innerlich sogar entsetzt-... sie konnte ja nicht wissen, daß Melianes Begleiter für diesen Abend definitiv nicht der sein würde, den sie gerne hätte, ganz egal, wer sie vielleicht fragen würde.

So viele Jungs, die von Durmstrang zum Beispiel, waren sehr ansprechend.

Sie hatten diesen zurückhaltenden, höflichen und etwas altmodischen Charme, und natürlich hatte auch Hogwarts den ein oder anderen zu bieten, den sie gerne zum Begleiter gehabt hätte... sie spürte einen Stich in ihrer Brust, als sie an Fred Weasley dachte, den Sechstklässler aus Gryffindor, den sie seit Jahren anhimmelte.

Das hier wäre die Gelegenheit gewesen, ihn anzusprechen, mal mehr als ein "Hallo" auszutauschen... aber nein, zwecklos.

Irgendeine andere Glückliche würde mit Fred an ihrer Seite erscheinen.

Auch Cedric Diggory war durchaus reizvoll - aber auf den stand ja sowieso jedes Mädchen hier.

Harry Potter, der schüchterne Viertklässler, der Held wider Willen (auch wenn sehr viele ihn nicht als solchen betrachteten... die Neider eben...), der es, wie sie wußte, Cho sehr angetan hatte, hätte sie sich theoretisch ebenfalls vorstellen können, süß wie er war...zwar war niemand hier in ihren Augen vergleichbar mit Fred - aber jeder, absolutjederJunge wäre ihr im Augenblick lieber gewesen als der, der sie begleiten würde.

Es war so gemein... alle konnten von einem wunderbaren Abend träumen - und sie, mit wem würde sie ihn verbringen?

Draco Malfoy, ausgerechnet!

Ausnahmsweise hatte seine ständige Prahlerei, die er einfach nicht lassen konnte, einmal der Wahrheit entsprochen.

Er hatte im Gegenzug dafür, daß er niemandem von seinem Wissen, was Melianes Animagus betraf, erzählen würde, von ihr verlangt, ihn zum Weihnachtsball - dem noch geheimgehaltenen - zu begleiten.

Sie hatte eingewilligt, weil sie sich nicht hatte vorstellen können, daß er tatsächlich Informationen besaß, auf die man sich verlassen konnte, hatte gedacht, er tue nur mal wieder so, als säße er als edler Reinblüter grundsätzlich an der Quelle aller Informationen, die von Bedeutung waren... nur, daß es dieses Mal leider tatsächlich so war.

Sein Vater, von dem sie bisher so einiges gehört hatte - nichts Gutes, ausnahmslos- , war wohl ein einflußreicher Mann, der im Zaubereiministerium ein- und ausging, und Draco wurde niemals müde, ihn zu erwähnen.

Begegnet war Meliane ihm nie... wenn er allerdings die ausgewachsene Version von Draco war, diesem intriganten, arroganten Slytherin, konnte sie auch gut darauf verzichten.

Gleich nach McGonagalls Verkündung, als sie die Große Halle verlassen hatte, hatte Draco sie angesprochen.

Niemand hatte es bemerkt; immerhin war er geschickt und schlau genug gewesen, sie in eine unbeobachtete Nische zu ziehen und die Tatsache auszunutzen, daß im Augenblick jeder mit sich selbst beschäftigt war.

"Du denkst doch noch an dein Versprechen, oder, Meliane?" fragte Draco, breit grinsend.

Mit zuckersüßem Lächeln und vor Ironie triefender Stimme antwortete sie:

"Aber Draco - wie könnte ich das jemals vergessen?"

Draco ignorierte ihren Sarkasmus und lächelte zufrieden.

Sie fuhr fort:

"Aber bist du dir wirklich sicher, daß du nicht doch lieber eine Slytherin an deiner Seite haben willst?

Ich befürchte, daß die gute Pansy Parkinson am Boden zerstört sein wird, wenn sie vergelblich auf deine Einladung hofft... kannst du das wirklich verantworten?"

Er grinste weiter, betrachtete sie vergnügt.

"Sie wird es überleben."

Pansy Parkinson, eine Viertklässlerin aus Slytherin, vergötterte Draco über alle Maßen, und sie betrachtete jedes Mädchen, das in seine Nähe kam, als potentielle Gefahr.

"Aber kannst du auch für meine Sicherheit garantieren, Draco?" fraget Meliane ironisch.

"Immerhin scheint es, als habe sie große Hoffnungen, einmal den Namen "Malfoy" tragen zu dürfen..."

Jetzt lachte Draco auf, wobei sie wie häufig feststellen mußte, daß er schon ein recht hübscher Junge war... ein Jammer, daß er aber in erster Linie einfach nur ein hinterhältiger Fiesling war.

Meliane startete einen letzten Versuch... Dracos Schwachpunkt - denn den kannte jeder.

Das Einzige - der Einzige- vor dem er anscheinend Respekt hatte.

"Aber dein Vater, Draco... wie wird er wohl reagieren, wenn er erfährt, daß du eine Nicht-Slytherin zum Ball begleitest... eine, die bei Muggeln aufgewachsen ist...", begann sie.

"...und deren Herkunft ungeklärt ist?" unterbrach er sie und sah sie ruhig an.

"Ich kenne deine Geschichte, jeder hier kennt sie.

Ich glaube aber nicht, daß jemand, der deine Fähigkeiten hat, nicht reinblütig sein könnte.

Und abgesehen davon...", fuhr er lässig, aber mit blitzenden blauen Augen fort, "... wird mein Vater es sicher spätestens dann verstehen, wenn er dich kennenlernt.

Und du bist weder eine Gryffindor noch eine Hufflepuff, sondern gehörst immerhin dem zweitbesten Haus nach Slytherin an.

Das ist schon okay."

Sein wohlwollender, glatter und arroganter Tonfall machte sie wütend.

"Oh, ich fühle mich überaus geehrt, Mr:Malfoy!" fauchte sie.

"Allerdings bin ich nicht im Geringsten daran interessiert, deinen Vater kennenzulernen!

Mit dir ist mein Malfoy-Bedarf mehr als gedeckt!"

Draco lächelte, offenbar entzückt und fast charmant.

"Keine Angst, Meliane, er beißt nicht."

-"Oh, ich habe keine Angst!" erwiderte sie grimmig.

"Von dir habe ich allerdings... anderes gehört."

Dracos Augen funkelten auf, und seine Augenbrauen zogen sich zusammen- in der Tat, dies war sein Schwachpunkt.

"Vorsicht, Ravenclaw!" zischte er.

Ein Lächeln breitete sich in ihrem Gesicht aus, und sie sagte sehr sanft:

"Hoppla... ein wunder Punkt."

Dracos Augen schossen stumme Blitze auf sie... dann entspannte er sich wieder... und lächelte mit einem Mal.

Als sei ihm gerade etwas eingefallen.

Und er flüsterte:

"Immerhin würde mein wunder Punkt - wenn es einer wäre - mir keinen Schulverweis einhandeln..."

`Kleiner Dreckskerl!´dachte sie wütend, und gezwungen ruhig erwiderte sie:

"Ewig wirst du dieses As nicht ausspielen können, das wird dir hoffentlich klar sein."

Er zuckte leicht und mit schiefem Lächeln mit den Schultern.

"Hm, das mag sein. Aber bis es soweit ist..." er verstummte und lächelte zufrieden.

Dann sagte er , im Plauderton:

"Ich werde mich jetzt auf den Besuch in Hogsmeade vorbereiten... hast du nicht Lust, mich zu begleiten?"

Sie funkelte ihn an und sagte beherrscht:

"Überaus verlockend, aber ich bin bereits verabredet."

Draco lachte leise... und antwortete dann sichtlich genüßlich:

"Naja... ich nehme an, diesen Satz wirst du in den nächsten Wochen noch häufiger sagen müssen... nicht wahr?"

Meliane hätte ihn jetzt sehr gerne in eine Insekt verwandelt und anschließend mit der bloßen Hand zerquetscht.

Er sah sie gespielt verständnisvoll an und sagte in heuchlerischem, bedauernden Tonfall:

"Herrje... armer Weasley...also dann, wir sehen uns."

* * *