Titel: Coniglio Bianco - Folge
dem weißen Kaninchen
Autor: Noctifer
Beta: jinta
– vielen, vielen lieben Dank 3
Fandom: Final Fantasy
VII
Genre: Drama / Romanze
Rating:
P18/Slash
Zeiteinstufung: Nach AC/DoC bzw. noch vor BC
Plotbunny / Widmung: Kabuki
Anmerkungen: Der
Titel ist eine Anspielung auf Lewis Carrolls "Alice's
Adventures in Wonderland" und "Through the Looking-Glass
and What Alice Found There"
„Wenn der Kampf der
Bestien
das Ende der Welt einläutet,
wird die Göttin vom
Himmel herabsteigen.
Die Schwingen des
Lichts und der Dunkelheit ausgebreitet,
wird sie uns führen zu
Glück,
ihrem ewiglichen Geschenk."
Seufzend legte er das Buch auf
den Tisch, schloss die Augen und lehnte sich zurück.
Was immer
Genesis geglaubt hatte in dem Buch gefunden zu haben, Rufus fand es
nicht. Hatte es damals nicht gefunden und auch nach jahrelanger,
einem Jahrzehnt andauernder, Suche wollte sich das Geheimnis immer
noch nicht offenbaren.
Mit der Zunge befeuchtete er einen
schmalen Streifen auf dem Joint, steckten ihn sich zwischen die
Lippen und zündete ihn an.
Beißender Rauch ätzte sich seinen
Hals hinunter bis in die Lungen. Sein dritter, oder vierter Joint an
diesem Abend und noch immer wollte sein Kopf nicht frei werden von
den lästigen Gedanken. Vier schmale Kokainstreifen auf dem Spiegel,
von denen zwei innerhalb der nächsten Minuten in seiner Nase
verschwanden, sollten Abhilfe schaffen. Ebenso wie die Flasche Wodka,
die er an die Lippen setzte und das Morphium - letztendlich um die
Träume fern zu halten.
An diesem Abend hatte er den Fehler
gemacht in den Spiegel zu sehen und diesen gleich darauf hin
zertrümmert. Wie auch alle anderen Spiegel in der weitläufigen
Wohnung. Rot geränderte Augen, dunkle Augenringe und eine
Gesichtsfarbe, die Valentine daneben gesund erschienen ließ.
Hohlwangig wie der Tod selbst hatte er aus leblosen Augen heraus
gestarrt. Dieser Fremde.
Seine Faust ließ den Spiegel laut
krachend bersten. Die Splitter, die sich in seine Hand bohrten, ihm
tief ins Fleisch schnitten, ließen ihn schmerzhafte Befriedigung
erfahren. Erst als er den letzten Spiegel zerstört hatte, jeder von
ihnen unter seiner Faust gebrochen war, fing er an sich die spitzen,
blutverschmierten Scherben aus der Hand zu ziehen.
Langsam.
Mit
einem feinen Lächeln auf den Lippen. Der Wodka brannte in den
frischen Wunden, schmerzte und desinfizierte. Ein weißes Handtuch
genügte um wenigstens den teuren Teppich vor Blutspritzern zu
schützen.
Die Ledercouch konnte er abwischen.
Dem Blut, den
feinen Kratzern und kleinen Splittern in seinem Gesicht und auf
seinem nackten Oberkörper widmete er keine Aufmerksamkeit. Unter dem
obligatorischen weißen Hemd würden sie ungesehen verheilen können
Eine Cure-Materia würde die feinen Kratzer und Wunden im Gesicht
verheilen lassen, als wären sie nie da gewesen.
Kurz
überlegte er, ob es nicht besser wäre die Wunden zusätzlich mit
Salz zu desinfizieren, erinnerte sich dann aber, dass er kein Salz in
seinem Haushalt finden würde.
Und sonst auch nichts, was auch nur
in weitläufigem Sinne mit 'Nahrungsmittel' in Verbindung gebracht
werden konnte.
Elena war das letzte Mal vor einigen Monaten in
seiner Küche zugange gewesen, hatte ihm den Kühlschrank
vollgeräumt. Mittlerweile musste sich dort drin eine neue, haarige
und aggressive Population gebildet haben, die den
Inkubationsschälchen im ShinRa-Labor das Fürchten lehren
könnten.
Noch ein Grund sich nicht von der Couch in die Küche zu
begeben und für Rufus ein weiterer Grund einen tiefen Schluck aus
der Flasche zu nehmen. Die absolute Stille in der Wohnung beruhigte
Rufus und ließ gleichzeitig die Stimmen in seinem Kopf lauter
brüllen als zuvor. Stimmen, die keineswegs von Halluzinationen oder
einer schizophrenen Psychose herrührten, vielmehr waren es Stimmen
aus der Vergangenheit, die ihn einerseits quälten, andererseits
amüsierten.
"Aber du bist mir nun mal nicht scheißegal! Das warst du noch nie! Arschloch! "
Ein abfälliges Lächeln
stahl sich auf seine Lippen.
Ein Geflecht aus Lügen, das von
Veld und Rufus' Altem geknüpft worden war, von Tseng weiter
gestrickt wurde und irgendwann von Rufus zerschnitten werden würde.
Gern hätte er sich einfach im unpassendsten Moment abgesetzt.
Leider hatte es sein Alter nie ganz geschafft ihm die Flausen aus dem
Kopf zu prügeln. Nicht einmal Veld war es gelungen aus dem jungen
Shinra eine Marionette zu machen, weder durch Manipulation, noch
durch intrigante Konstruktionen, die bis heute Rufus' Leben
bestimmten.
Ironie des Schicksals, dass es ein Turk war, wegen
dem er sich gegen das System gestellt hatte und, letztendlich, das
tun würde, was Veld durch seine Pläne hatte erreichen wollen.
Er
würde das Imperium einem Turk übergeben. Velds Turk und, wie es
sich für eine brave, manipulierte Marionette gehörte, würde er
sich selbst aus dem Weg räumen. Nicht für Veld. Nicht, weil Veld es
geschafft hatte, Rufus das Hirn heraus zu ficken. Sein Turk hatte es
geschafft.
Hatte das geschafft, was sein Alter und Veld vergebens
versucht hatten. Ihn gebrochen.
Ein weiterer Schluck, eine
weitere Erinnerung. Genesis. Vielleicht der einzige, der ihn jemals
gemocht hatte. Wirklich gemocht.
Natürlich, tausende Frauen und
Männer liebten Rufus' – Geld. Seine Macht. Elena und Rude mochten
ihn, weil er ihr Boss war. Weil er, entgegen dem, was alle erwartet
hatten, sich um seine beiden Turks kümmerte. Er sah sie nicht als
notwendiges Übel, eher als Freunde. Bezahlte Freunde. Freundschaft,
die über einen Gehaltsscheck aufrechterhalten wurde. Die einzige
Freundschaft die er pflegte. Genesis war seinetwegen zu ihm gekommen.
Vielleicht. Manchmal – so hoffte er.
Sicherheit war etwas, was
Rufus nie gehabt hatte. Außer zu einer Zeit, in der er noch nichts
von Politik und Intrigen verstanden hatte, in der auf einer harten
Pritsche, frierend aber friedlich, in den Armen eines dunkelhaarigen
Jungen geschlafen hatte.
Sicherheit.
Ein Wort, das Rufus vor
vierzehn Jahren hinter sich gelassen hatte, als er von Veld trotz
schreien, zetern und beißen in einen Helikopter gesteckt und nach
Junon geschickt worden war.
Als Veld ihm gesagt hatte, er sei nur
ein Störfaktor.
Doch Rufus hatte geglaubt es besser zu wissen
und in Junon gewartet. Geschwiegen und gelernt. Und weiter gewartet.
Sein Turk hatte sich nicht gemeldet.
Nach einem halben Jahr,
das dem jungen Shinra vorgekommen war wie zehn, hatte er aufgehört
zu warten.
Ein weiterer Schluck.
Eine Spritze, ein Löffel
über einem kleinen Bunsenbrenner. Rufus schloss die Augen, genoss
den dumpf pochenden Schmerz seiner Hand und die Wirkung des Heroins,
das seine Erinnerungen an die Oberfläche drängte.
„Unergründlich
geheimnisvoll ist das Geschenk der Göttin."
Erschrocken keuchte
Rufus auf und drehte sich um. Seine Augen verengten sich zu
Schlitzen, im Stillen betitelte der junge Shinra den Soldaten vor
sich als unhöfliches Arschloch und biss sich auf die Zunge.
Der 1st Class verzog die Lippen zu einem schmalen Lächeln, legte den Kopf schief und musterte den jungen Shinra amüsiert. Unter dem sezierenden Blick aus den hellen, leuchtenden Makoaugen schrumpfte Rufus einige Zentimeter in sich zusammen. Soldaten, vor allem die 1st Class, waren ihm suspekt. Tseng hatte ihn vor ihnen gewarnt. Er hatte gesagt, dass ihre Köpfe verdreht wären; Makoverseucht.
„Es suchend erheben wir uns in die Lüfte. Wellen kräuseln die Wasseroberfläche. Rastlos sind irrende Seelen."
Dieses Vorurteil wurde gerade von dem SOLDATEN ihm gegenüber bestätigt. Als er auf ihn zukam, wich Rufus instinktiv zurück und musterte den Mann vor sich eingehend. Das rote Schwert, das er wie selbstverständlich in der einen Hand mit sich herum trug, in der anderen ein kleines, ledergebundenes Buch.
„Es gibt keinen
Hass, nur Freude.
Denn dir gilt die Liebe der Göttin.
Held des
Anbeginns, Heiler der Welten."
Der rote Mantel wehte in der
lauen Meeresbrise, seine Haltung strahlte Selbstsicherheit aus.
Überheblichkeit.
Manchmal hatte er ihn gesehen, oftmals alleine,
ebenso die Nase in einem Buch vergraben wie er auch. Ein ruhiger
Soldat, anders als Fair, der ständig in geselligen Runden plapperte,
hielt er sich nicht mit irgendwelchen anderen ShinRa-Soldaten auf.
Meistens saß er allein, irgendwo Abseits, wenn er verträumt in dem
merkwürdigen Buch blätterte. Manchmal in Gesellschaft von Angeal,
einem anderen 1st Class oder General Crescent.
Sephiroth
Crescent.
Ein Mann, der Rufus wirklich suspekt war. Der ihm Angst
einjagte.
Plötzlich bemerkte er, dass er den 1st Class
angestarrt hatte, errötete unter dem amüsierten Blick und dem
angedeuteten Lächeln.
Betreten sah er zu Boden, drehte sich
betont langsam um und setzte sich wieder zwischen seine
aufgeschlagenen Bücher.
'Die Geschichte Gaias'
'Politik -
Basiswissen'
'Politik - Schriften zur
Staatstheorie'
'Wirtschaftswissenschaften - Basis'
'Krieg und
Strategie'
Bücher zu denen er Statistiken erstellen,
Abhandlungen und Zusammenfassungen schreiben musste. Wofür er sich
wieder die Nacht um die Ohren hauen würde.
Keine Zeit für das
Gestarre eines 1st Class, keine Zeit für Plaudereien.
„Du
liest viel", sagte der Soldat und stellte sich hinter ihn in die
Sonne. Stirnrunzelnd starrte Rufus auf seinen Schatten, schwieg und
schüttelte den Kopf. Was immer der Kerl auch wollte, sofern Rufus
ihn lang genug ignorierte, würde er irgendwann abhauen. Wie alle
zuvor, die versucht hatten ihn zum Sprechen zu bewegen.
Doch der
1st Class ließ sich nicht ignorieren, besaß sogar die Dreistigkeit
sich neben Rufus zu setzen und ihm das Buch aus der Hand zu nehmen.
Irritiert blinzelte der junge Shinra, runzelte die Stirn und biss
sich wütend auf die Zunge.
Wenn der unverschämte Kerl das Buch
haben wollte, sollte er doch; Rufus hatte genug andere Bücher die
gelesen werden mussten. Aber auch das zweite Buch wurde ihm
abgenommen. Ebenso das Dritte. Beim vierten schob sich wieder ein
roter Lederhandschuh in sein Sichtfeld, doch diesmal reagierte er und
zog das Buch rechtzeitig weg. Trotzig presste er es an seine Brust
und versuchte den 1st Class durch hasserfüllte Blicke zu
vertreiben.
„Mein Name ist Genesis", sagte der Soldat
leise, legte den Kopf schief und wischte sich fahrig einige Strähnen
aus dem Gesicht.
Desinteressiert musterte Rufus den 1st Class
weiter. Schwieg.
„Du bist ein fast Jahr in Junon, sprichst mit
niemandem und bist ständig allein. Dauernd sehe ich dich nur Bücher
herum tragen, lernen oder schreiben."
Eine gute Zusammenfassung
seines derzeitigen Lebens, dachte Rufus und lupfte elegant eine
Augenbraue. Was wollte der Kerl?
„Die anderen, die Soldaten, sie
reden über dich. Den jungen Shinra. Ein hübscher, stiller Junge",
sein Blick glitt über Rufus, der sofort errötete und die Nase
pikiert kräuselte.
„Einige haben versucht mit dir zu
sprechen."
Natürlich hatten sie das. Allen voran Fair, der zwei
Stunden auf ihn eingeplappert hatte. Nicht, dass Zack Rufus irgendwie
unsympathisch gewesen wäre, nur hatte dieser ihn durch seinen
enormen Mitteilungsdrang tatsächlich verschreckt.
Ebenso
hatte es Lazard versucht, genau wie Veld ihn eine Stunde durch das
Telefon angebrüllt hatte, dass er endlich den Mund aufmachen sollte.
Erst, als er Tsengs Stimme im Hintergrund gehört hatte, war Leben in
ihn zurückgekehrt.
Leise hatte er seinen Namen geflüstert, um
anschließend, erschrocken über sich selbst, einfach die Verbindung
zu unterbrechen.
Auch als Veld wiederholt angerufen hatte,
weigerte sich Rufus den Hörer in die Hand zu nehmen und war an
Lazard vorbei nach Draußen geflüchtet.
Hatte sich in sein
Lieblingsversteck verkrochen und versucht die Tränen zurück zu
halten.
Erst zwei Tage und eine riesige Suchaktion später war er
aus der Mündungshöhle der Sister Ray wieder heraus gekrochen.
Sogar General Crescent selbst hatte ihn angesprochen. Schweigend
hatten sie sich einige Minuten gegenseitig angestarrt. Ein Blick,
unter dem Rufus den innigen Wunsch verspürt hatte sofort zu
flüchten, dennoch hatte er ihm standgehalten.
Und auch Sephiroth
musste sich erfolglos der Sturheit des jungen Shinra ergeben.
Scheinbar hatten die obersten Vollidioten einen neuen Idioten
gefunden, der ihn zum Sprechen bringen sollte: Genesis.
Schweigend
angelte Rufus sich seine Bücher zurück und fing an zu lesen.
Genesis wurde von ihm mit einem Blick bedacht, mit dem er auch einen
stinkenden Chocobohaufen beglücken würde und dann inbrünstig
ignoriert. Auch als dieser es sich neben ihm bequem machte, eines der
Bücher zur Hand nahm und ebenfalls schweigend las; Rufus ignorierte
ihn weiter.
Erst nach Sonnenuntergang, als es schlichtweg zu
dunkel wurde, packte er seine Bücher zusammen und stand auf. Einige
Sekunden starrten sich der 1st Class und der junge Shinra gegenseitig
an, bevor dieser sich abwandte und langsam zum Stützpunkt
zurückkehrte.
Am nächsten Nachmittag saß Rufus wieder auf
der felsigen Klippe vor dem Meer, las und lernte im Schatten der
Sister Ray.
„Guten Abend, Rufus."
Erschrocken zuckte er
zusammen und verdrehte die Augen, als Genesis sich neben ihn setzte.
Wieder nahm der Soldat Rufus ein Buch ab, lehnte sich zurück und
fing an darin zu lesen. Wieder schwiegen beide bis in die
Abendstunden. Als die Sonne unterging machte sich Rufus, ohne Genesis
auch nur eines Blickes gewürdigt zu haben, auf den Weg zurück zum
Stützpunkt.
So vergingen Wochen, in denen Rufus die stille,
ungewollte Gesellschaft verzweifelt versuchte los zu werden.
Egal
wo er lernte, irgendwann saß plötzlich der 1st Class neben ihm, sei
es auch im Maschinenraum oder auf der Mündung der Sister Ray.
Irgendwann begann Genesis Rufus Kleinigkeiten mitzubringen; Kaffee,
den er genauso wenig anrührte wie das Essen. Auch die Zigaretten,
die Rufus nur rauchte, wenn er sich unbeobachtet fühlte, blieben
unberührt.
„Weißt du", sagte Genesis, als Rufus sich als
letzte, verzweifelte Tat in der Mündungshöhle der Sister Ray
verkrochen hatte, „du bist ein störrischer Rotzbengel."
Kopfüber sah der Soldat im wahrsten Sinne in die Röhre, in der
sich Rufus zusammen gekauert hatte und ihm mit trotzigem, gehässigem
Blick entgegen starrte. Den Impuls Genesis anzufahren, dass er ihn
einfach in Ruhe lassen sollte, unterdrückte Rufus.
Stattdessen
drehte er sich mühselig um und zeigte dem nervigen Individuum seinen
Rücken, als Zeichen dafür, was er ihn mal konnte.
Ein Fehler,
wie sich heraus stellte als er am Kragen aus der Mündung gezogen
wurde.
Laut Zeternd machte er das erste Mal seit Monaten seinem
Unmut Luft und warf dem 1st Class mit seinem weitläufigen, von Turks
inspirierten Vokabular ein umfangreiches Arsenal von Schimpfworten an
den Kopf.
Nicht einmal als er fallen gelassen wurde und fast von
der Sister Ray rutschte, hörte er auf, den 1st Class lautstark zu
beschimpfen. Unter aufmüpfigem Gemaule fischte er seine Bücher aus
der Mündung, raffte alles zusammen und versuchte sich an Genesis
vorbei zu schieben, der ihn wieder am Kragen packte.
„Spinnst
du oder was? Geh' in Mako baden, du degenerierte Laborratte!"
Stirnrunzelnd hob Genesis ihn hoch, so dass Rufus auf den
Zehenspitzen stehen musste um nicht stranguliert zu werden, und
drehte ihn um.
„Hat man dir neben Politik und Wirtschaftswesen
kein logisches Denken beigebracht?", fragte er und hielt sein
Schwert so, dass Rufus es sehen konnte.
„Du bist unbewaffnet
und etwa so gefährlich wie ein Chocoboküken. Ich bin bewaffnet, ein
1st Class Soldat und könnte dich einfach ins Meer fallen lassen.
Ziemlich dumm mich zu beschimpfen."
Die Bücher umklammert sah
Rufus ihn abschätzig von oben bis unten an. Soweit dies eben möglich
war.
„Ich bin Rufus Shinra, du Spatzenhirn! Wenn du mir etwas
antust, kannst du einpacken! Dann wird die gesamte Welt hinter deinem
schmalen Arsch her sein!"
Einen Augenblick überlegte Genesis,
zuckte mit den Schultern und kräuselte die Nase.
„Wo du Recht
hast..."
Im selben Moment ließ er Rufus auf den Boden fallen,
der schon unter dem Fall wieder damit begann Genesis lautstark vulgär
anzukeifen. Ruhig hörte sich der 1st Class die Schimpftirade an,
musterte sein Schwert eingehend und seufzte.
„Du fängst an
dich zu wiederholen", sagte er und hielt Rufus, der sich bei den
weitläufigen Ausführungen seiner Theorien was Genesis Mutter betraf
nicht stören hatte lassen, erneut die Klinge an den Hals.
Abrupt
verstummte der junge Shinra und sah abwechselnd anklagend zwischen
Schwert und Soldat hin und her.
„Ich gebe dir zwei
Möglichkeiten", sagte er ruhig und ging in die Hocke, um auf
gleicher Augenhöhe zu sein.
„Entweder wir arrangieren uns oder
ich versohl' dir Rotzbengel dermaßen den Hintern, dass dein Arsch
sich in einer anderen Dimension wiederfindet."
Ein zuckersüßes
Lächeln unterstrich Genesis' Ausführungen und ließ Rufus Augen
immer größer werden.
„Willst du mich verarschen, du
Arschloch!?", keifte der junge Shinra, „Ich trete dir gleich
dermaßen in den Arsch, dass mein Fuß stecken bleibt, du Wichser!
Leg' dein scheiß Schwert ab und ich zeig' dir wer hier wem den
Hintern versohlt!"
Ein leises Surren, ein metallisch
klingender Aufschlag und das Schwert steckte in etwa zwanzig Metern
Entfernung in der Eisenverkleidung der Kanone. Genesis breitete die
Arme aus und schmunzelte. „Wie der zukünftige Präsident
befiehlt."
Rufus reagierte blitzschnell; das erste Buch traf den
1st Class noch am Kopf, der überrascht dem 'Politik-Basiswissen',
das gen Meer segelte, nachsah und nicht auf den jungen Shinra
achtete, dessen Faust ihn seitlich in den Torso traf. Der nächste
Schlag wurde von dem Soldaten abgefangen, Rufus Arm auf den Rücken
gedreht und er selbst am Hals gepackt. Hasserfüllt starrte er
Genesis an, der ihn halb amüsiert, halb tadelnd musterte.
Ein
leichter Druck und Rufus schnürte es die Luft ab.
„Da kann
sich wohl doch jemand wehren", murmelte der 1st Class belustigt und
sah zu, wie das vornehm blasse Gesicht die Farbe einer überreifen
Tomate annahm.
„Ganz ruhig. Wenn ich dich töte, gibt das einen
Eintrag in meiner Akte", sagte er und ignorierte die Fingernägel,
die sich durch das Leder seines Handschuhs in seine Haut bohrten.
„Ich will mich nur ein wenig mit dir unterhalten. Kein Grund
gleich ausfallend oder gewalttätig zu werden."
„Fick dich,
Bastard", presste Rufus röchelnd hervor, „will nicht mit dir
reden!"
„Das ist schade", schmunzelte Genesis und drückte
den angewinkelten Arm noch etwas weiter nach hinten. Ein leises,
unterdrücktes Stöhnen seitens Rufus ließ den Soldaten wissen, dass
nur noch wenige Zentimeter fehlten um seine Schulter auszukugeln.
„Ich habe mich freiwillig gemeldet ein Auge auf dich zu haben.
Reine Neugier. Sogar Sephiroth hat sich an dir die Zähne
ausgebissen", er lachte leise und ließ ein wenig locker, „er war
nicht wirklich amüsiert darüber. Meinte, du seiest ein kleiner
Sturkopf. Ich habe zugesehen, hab' gesehen, dass du seinem Blick
standgehalten hast. Sogar genauso abschätzig zurück gestarrt hast.
Respekt, Kleiner. Das wagen nur wenige."
Röchelnd verdrehte
Rufus die Augen. „Mein Alter...", keuchte er und versuchte sich
aus dem Griff zu winden, „unterschreibt eure Gehaltsschecks.
Crescent ist auch nur ein gut bezahlter Angestellter."
„Interessante
Einstellung", schmunzelte der 1st Class und drückte wieder fester
auf Rufus Hals, „und was bin ich?"
„Verrückter Wichser",
keuchte der junge Shinra und sah bereits helle Punkte vor seinen
Augen schweben.
„Du bist ein richtig arrogantes, kleines
Arschloch", murmelte Genesis nach einigen Sekunden unverhohlenen,
irritierten Starrens.
Gequält keuchte Rufus und versuchte nach
dem 1st Class zu treten, der ihn abrupt umdrehte, weiter am Hals
gepackt hielt und in Richtung Kommandozentrale trug.
Ohne sich in
irgendeiner Form wehren zu können versuchte Rufus lediglich das
Bewusstsein nicht zu verlieren, während Genesis ihn an entsetzt
drein sehenden ShinRa-Mitarbeitern vorbei trug. Sephiroth und Angeal,
die seinen Weg kreuzten, starrten ihn genauso irritiert an wie
Lazard, dem erklärt wurde, dass Rufus sich im Simulationsraum ein
wenig austoben musste.
Angekommen in einem langen Gang,
dessen Türen Levelnummern von 10 – 99 trugen, überlegte der 1st
Class nicht lange und öffnete die Tür zu Nummer Dreißig.
Ein
überrascht aufschreiender Rufus schlug hart auf dem Boden in der
Mitte der Kammer auf. Ihm nachgeworfen; eine doppelläufige,
abgesägte Schrotflinte samt Patronen, die sich über den Stahlboden
verteilten.
Hinter Genesis schloss sich die Tür und ließ den
jungen Shinra allein in der kleinen Kammer zurück, der sich mit
großen Augen umsah.
Sonst hatte er immer gegen Junior-Turks
gekämpft und auf dem Schießstand trainiert; Simulationsräume waren
den richtigen Turks vorbehalten gewesen. Manchmal war es zu Unfällen
gekommen, viel zu oft mit tödlichen Folgen, weshalb Rufus die
Nutzung der Kammern strengstens untersagt war.
Flackernd
baute sich um ihn herum eine Simulation auf; der Eisenboden wurde von
Gras und Moos überwuchert, Unterholz bildete sich, während Bäume
im selben Augenblick sprossen und zu ihrer vollen Größe wuchsen.
Nach einigen Sekunden war die Simulation aufgebaut; ein Wald, in
dessen grüner Krone Vögel zwitscherten, die Luft erfüllt war von
moosigem Geruch und Schmetterlinge für bunte Farbtupfer zwischen der
grün-braunen Landschaft sorgten.
„Fuck", murmelte Rufus,
schnappte sich die Flinte und suchte in dem Moos nach den Patronen.
Hektisch lud er die Waffe durch, lies seine Umgebung keine Sekunde
aus den Augen und lauschte.
Level Dreißig bedeutete nichts Gutes, ein Wald noch weniger. Er rief sich die offizielle Monsterkategorisierung, die er im Zuge der Geschichte Gaias hatte lernen müssen, in Erinnerung. Kelzmelzer, Slaps, Tonadus, Doppelhörner und Untergrundeidechsen. Seine offizielle Levelangabe in den Akten betrug Fünfzehn – ein Grund, um sich nicht in eine Simulation Dreißig zu wagen. Zumindest nicht freiwillig.
Ein
markerschütternder Schrei ließ ihn zusammen zucken.
„Fuck!",
murmelte Rufus erneut, kroch hinter einen umgefallenen Baum und
kauerte sich zusammen. Geduckt spähte er in die Richtung des noch
unbekannten Monsters und hörte wie etwas Großes durch das Unterholz
brach. Er versuchte seine Atmung unter Kontrolle zu halten, so wie
Veld es ihm beigebracht hatte. Seine Sinne waren durch das Adrenalin
in seinem Blut geschärft, er glaubte sogar das leise Surren der
Maschinen einige Stockwerke unter dem Simulationsraum zu hören. Das
Monster kam näher; in Bodennähe - so konnte er einen Tonadu
ausschließen. Kein geflügeltes Vieh, keine Echse;
Untergrundeidechsen zischten und brüllten nicht. Für einen Slap,
wie es sich anhörte, zu groß; also ein giftiger Kelzmelzer, oder
ein gewaltiges Doppelhorn. Beides Möglichkeiten, die Rufus dazu
animierten erneut leise zu fluchen.
Den Abstand zu dem Monster
schätzte er auf etwa Hundert Meter.
Achtzig.
Fünfzig.
Er
lud die Flinte durch, stützte sich auf den Baumstamm und legte an.
Zwanzig.
Die ersten Bäume wurden aus dem Weg geschleudert,
das Brüllen schmerzte dem jungen Shinra in den Ohren. Ein gelber
Körper blitzte in der Sonne auf. Rufus zog durch, federte den
Rückschlag ab und drückte erneut den Abzug. Zwei präzise Schüsse;
der Kelzmelzer schrie auf, als die erste Ladung Schrot ihm das Auge
durchschlug, die zweite ihn ebenfalls im Gesicht traf und es in eine
blutige Masse verwandelte.
Es taumelte, stolperte. Mit lautem
Gebrüll drehte es sich unter dem Fall und schlug rücklings auf dem
Boden auf. Keine Sekunde zögerte Rufus, lud erneut durch und sprang
aus seinem Versteck. In geduckter Haltung sprintete er auf das
giftige Monster zu, presste ihm den Doppellauf in den Nacken und
drückte ab.
Zwei Schüsse, ein letztes Aufbäumen des
simulierten Körpers und der Kelzmeltzer verschwand
flackernd.
Innerhalb von Sekunden saß Rufus wieder hinter dem
Stamm, verfluchte seine auffällige Haarfarbe ebenso wie seine
Vorliebe für weiße Kleidung.
Er war so gut getarnt wie ein zwei
Meter Glühwürmchen in der völligen Dunkelheit.
Kräftige
Flügelstöße rissen ihn aus seinen Gedanken. Geistesgegenwärtig
nahm er sich nicht die Zeit nach oben zu sehen und schlüpfte sofort
in den Baumstamm. Einen Augenblick später wurde er durchgeschüttelt,
als der Tonadu gegen den Stamm schlug und seine Krallen durch das
Holz brachen. Ein unterdrückter Aufschrei seitens Rufus, als sein
Hemd aufriss und eine Kralle sich in seinen Rücken bohrte. Der
Schmerz ließ ihn keuchen, mit einem gehässigen „Fick dich!"
setzte er die Flinte an den Fuß des geflügelten Monsters und wurde
von dem Rückstoß auf den Boden gepresst. Laut schrie der Tonadu
auf, zog den blutigen Stummel aus dem Stamm und versuchte seine
Position zu seinen Gunsten zu ändern. Vielleicht sogar zu entkommen;
doch Rufus kam ihm zuvor, steckte die Flinte durch das Loch im Holz
und zerfetzte einen der Flügel. Ein lauter, gepeinigter Aufschrei
und das Monster fiel zu Boden. Innerhalb von Sekunden hatte Rufus die
Waffe erneut durchgeladen und den Tonadu durch einen Kopfschuss in
die virtuellen Jagdgründe befördert. Auch das Vogelmonster, samt
den weit verteilten Blutspritzern, der Hirnmasse und den Federn auf
dem Waldboden verschwand flackernd.
Den Gedanken, welches Monster
als nächstes kommen würde, hatte Rufus noch nicht zu Ende gedacht,
als er durch die Luft geschleudert wurde.
Ein lautes Knacken,
gefolgt von einem Schmerz, der ihm die Sinne raubte.
Der feuchte
Waldboden unter ihm hatte seinen Sturz abgefangen, nicht aber den
Aufprall am Baum, bei dem er zusätzlich von dem morschen Stamm
getroffen wurde. Seine Schulter hing in einem seltsamen Winkel
schlapp herab. Pfeifend atmete er langsam ein, schmeckte Blut und
versuchte den Schmerz zu verdrängen. Sein verschwommener Blick
klärte sich langsam.
In etwa fünf Metern Entfernung lag seine
Waffe im Gras, direkt dahinter ein riesiges, grau gehörntes Monster,
das ihm aus gelben Augen mordlüstern entgegen starrte. Still
rechnete sich Rufus seine Chancen aus; würde er liegen bleiben,
würde ihn das Monster töten.
Würde er versuchen aufzustehen,
würde ihn das Doppelhorn töten.
Zwei Möglichkeiten, die auf
das Selbe hinaus liefen: seinen Tod.
Zwei Möglichkeiten, mit
denen sich der junge Shinra nicht anfreunden wollte.
Aufmerksam
beobachtete er das Monster, gab sich hilflos wie er war und wartete
ab.
Das Doppelhorn stampfte auf, knurrte und kam langsam auf ihn
zu. Gemächlich. Siegessicher.
Vor Schmerzen keuchend winkelte
Rufus die Knie an, stützte sich mit einem Arm auf dem Moos ab und
grub seine Fußballen tief in den Waldboden. Nur eine schnelle,
angetäuschte Bewegung seinerseits und das Monster reagierte sofort;
sprang unter lautem Gebrüll auf ihn zu und rammte seine Krallen in
das Moos.
Der junge Shinra hatte trotz der Schmerzen blitzschnell
reagiert; in dem Moment, als das Monster sprang, hatte er sich mit
aller Kraft abgestoßen, war auf dem feuchten Boden unter dem
Doppelhorn hindurch geschlittert und hatte nach seiner Waffe
gegriffen. Das Monster drehte sich um und sah direkt in die
doppelläufige Mündung. Keine Zeit für Gebrüll, nicht einmal mehr
für einen gehässigen Blick aus den gelben Augen.
Zwei schnelle,
aufeinander folgende Schüsse - Sekunden später war der Kopf des
Doppelhornes nur noch ein blutiger Klumpen.
Erschöpft ließ sich Rufus auf die Knie sinken, hielt seine schmerzende Schulter und spuckte Blut aus. Sein weißes Hemd hing zerrissen und blutverschmiert an ihm herab, seine ausgekugelte Schulter verfärbte sich langsam blau.
„War das schon alles, du feiges
Arschloch?" Das kampflustige Glitzern in seinen Augen war
ungebrochen. „Drei mickrige Level Dreißig Monster? Komm' selbst
her, wenn du dich traust!"
Er spuckte Blut auf den Waldboden,
sah zwei seiner Zähne im Moos liegen und lachte heiser.
„Fuck."
Vor dem Monitor schüttelte Genesis den Kopf,
lachte ebenfalls leise.
„Der Kleine ist gut", murmelte er und
bekam ein nichts sagendes Brummen als Antwort.
„Zu gut für
meinen Geschmack", erwiderte Lazard und zoomte auf Rufus Gesicht.
Blut lief dem jungen Shinra in die Augen, ließ ihn blinzeln; doch
keine Sekunde ließ er seine Umgebung aus den Augen. Seine Pupillen
waren geweitet, die Atmung war so ruhig, wie es die Schmerzen
zuließen.
Atemtechnik, beigebracht von den Turks. Gespannt
lauschte er, hielt die geladene, entsicherte Schrotflinte umklammert
und machte mehr den Eindruck eines Turks auf Mission, als den eines
verhätschelten, hilflosen Rotzbengels, der er eigentlich sein
sollte.
„Er wäre für das SOLDATEN - Programm geeignet",
murmelte Angeal und bekam ein freudloses Lachen seitens Lazard als
Antwort.
„Natürlich wäre er das. Darauf ist er ausgelegt."
Einen fragenden Blick später seufzte der Koordinator und lehnte
sich gegen die Wand.
„Angeal, sei nicht so naiv. Dachtest du
der Präsident überlässt es dem Zufall was seine Nachfolge antritt?
Vor zwanzig Jahren schickte er seine Turks los um eine Frau zu
finden, die einem genauen Profil entsprach. Genaue Daten, die
fehlerhafte genetische Codierungen und Degenerationen von Shinra
selbst ausgleichen würden.
Hollanders Puzzle, das letztendlich
Rufus ergeben sollten.
Nach langer Suche fanden sie innerhalb der
Organisation eine junge Wissenschaftlerin, die dem Profil entsprach.
Sie wurde zum Brutkasten Shinras, mehrere Male künstlich
geschwängert und wieder geleert, weil der genetische Code nicht dem
entsprach, was Shinra von seinem Nachfolger erwartet hatte.
Sowohl
seine Charakterisierung, als auch seine Stärken, sogar sein Aussehen
wurden durch einen genetischen Code vorgegeben – entsprach der des
Embryos nicht hundert Prozent diesen Vorgaben, wurde es abgetrieben."
Lazard lächelte schmal, als Angeal entsetzt den Kopf schüttelte.
„Letztendlich musste Shinra einen Kompromiss eingehen; der
Körper der Frau wurde zusehends geschwächt, lange hätte sie die
Prozedur nicht mehr durch gehalten. Das Embryo, das noch am ehesten
dem Profil entsprach, wurde ausgetragen. Rufus."
Schnell tippte
Lazard einige Daten in den Computer; Codes und Passwörter. Wenige
Sekunden später erschien Rufus' Bild auf dem Monitor.
Name:
Shinra, Rufus
Objektnummer: 17
„Rufus war der siebzehnte
Versuch", sagte Lazard und drückte den Cursor nach unten. Auf dem
Bildschirm erschien eine Auflistung charakteristischer Eigenschaften,
Analysen seiner Stärken und Schwächen. Eindrücke, sowohl objektiv
als auch subjektiv, von Psychologen, Lehrern und von Veld.
Zig
Dateien, die Rufus' Leben in Form von Berichten aufzeichneten,
analytische Dossiers von Fachmännern, die über geheime
Videoaufzeichnungen ein Charakterprofil erstellt hatten. Genaue
Anleitungen über die effektivsten Methoden, um Rufus nach ShinRas
Anforderungen zu biegen und zu formen.
„Das ist grausam",
sagte Angeal leise und bekam ein leises Lachen seitens Lazard als
Antwort.
„Hattest du gedacht der Junge würde als Erbe ShinRas
ein schönes Leben haben? Das Universum hat einen grausamen Preis."
„Was ist das mit dem Turk?", fragte Genesis und deutete auf
mehrere Verknüpfungen, „das ist dieser Wutainese, oder? Velds
Nachfolger?"
Lazard nickte und knirschte mit den Zähnen. „Veld
hat ihm den kleinen wutainesischen Bastard vor die Nase gesetzt und
durch seine Psychospielchen dafür gesorgt, dass der Reisfresser zu
Shinras Lebensinhalt wird. Jahrelanger Psychoterror an einem Kind.
Scheiße, das ist wirklich unmenschlich." Er klickte einige Dateien
an.
„Der Wichser hat seine Psyche so lange belastet, bis sich
gewollte Störungen eingestellt haben."
„Affektive
Störungen", murmelte Angeal und runzelte die Stirn, als er die
Liste überflog, „er hat Depressionen bei dem Jungen ausgelöst?
Absichtlich?"
Sogar Sephiroth rümpfte angewidert die Nase.
„Depressionen, Bindungsstörungen; alles um den Jungen so zu
manipulieren, wie es ihm gerade in den Kram passte", bestätigte
Lazard nickend. „Veld hat dafür gesorgt, dass sein Turk die
einzige Person ist, zu dem Rufus eine Bindung aufbaut. Aufbauen kann.
Gleichzeitig hat er dafür gesorgt, dass die Bindung immer wieder
bricht, damit der Junge sich noch fester an den Wutainesen klammert.
Aus Angst das einzige, das ihm etwas bedeutet, zu verlieren. Der
Scheißturk ist sein Lebensinhalt geworden."
„Warum hat er
ihn dann nach Junon gebracht?", wollte Angeal wissen und sah auf
den Monitor. Musterte den blonden, blutverschmierten Jungen, der auf
der Lauer saß und ihn mehr an einen Kämpfer, als an einen Teenager
erinnerte.
„Hat er nicht", sagte Lazard und schnaubte
abfällig, „der Alte befand, dass Rufus zu sehr unter Velds
Einfluss steht. Man musste ihn nur darauf aufmerksam machen." Er
lachte leise und lehnte sich wieder gegen die Wand. „Ich musste
lange auf ihn einreden, aber der Alte hat irgendwann verstanden, dass
Veld zu viel Einfluss auf Rufus hat. Einfluss, der dem Alten verloren
geht. Deshalb hat er ihn hier her bringen lassen – obwohl Veld ein
mordsmäßiges Gezeter veranstaltet hat. Offiziell ist Rufus hier um
in Politik, Wissenschaft und Wirtschaftwissenschaften ausgebildet zu
werden."
„Inoffiziell?", wollte Sephiroth wissen und
schüttelte den Kopf. „Ihr seid alle manipulative Bastarde. Was ist
dein Plan, Lazard?"
„Inoffiziell will ich dafür sorgen, dass
das SOLDATEN – Programm nicht irgendwann eingestellt wird. Was Veld
von dem Programm hält wisst ihr."
Zustimmendes Gemurmel,
einige Ausdrücke, die so sonst nur in der Gosse hinter vorgehaltener
Hand hervorgepresst wurden.
„Und wenn Velds Reisfresser Rufus
irgendwann den Wurm ins Hirn setzt, dass das Programm zu viel Geld
verschlingt oder zu gefährlich wird – was denkt ihr würde mit mir
und mit euch passieren?"
Einige Sekunden beherrschte das Summen
des Computers, die surrenden Ventilatoren und das leise Brummen der
Maschinen die Akustik im Raum.
„Verstehe", sagte Sephiroth
und sah zu Genesis, der bisher nur in der Ecke gestanden und
geschwiegen hatte. „Was hast du mit der Sache zu tun?"
„Das
fragst du?", erwiderte er gedehnt und lupfte eine Augenbraue.
„Mentale Stärke ist deine Sache, Sephiroth. Sag' du es mir."
„Du
wirst dem Jungen das SOLDATEN - Programm schmackhaft machen",
erwiderte der General und musterte ihn abschätzig, „über dich."
Er lachte heiser und schüttelte den Kopf, als Angeal sich nach
einigen Sekunden angestrengten Nachdenkens stöhnend an die Stirn
fasste.
Langsam ging Genesis an Lazard vorbei zum Computer und
drückte ein paar Knöpfe.
Auf dem Monitor erschienen Bilder
von Rufus und Tseng, allen gemeinsam; das sichtbare
Vertrauensverhältnis.
Eine enge Pritsche, Rufus in Tsengs Armen,
angekuschelt und friedlich schlafend; der Wutainese, wie er den
jungen Shinra hinter sich versteckte und ihn gegen andere
Junior-Turks verteidigte; Rufus wie er Tsengs Wunden versorgte;
wieder die beiden Jungs friedlich aneinander gekuschelt, Rufus in
Tsengs Armen, welcher ihn schützend umklammert hielt; der junge
Shinra an der Hand des Turks, in den Armen des Wutainesen, weinend
und schutzsuchend.
„Der Junge braucht jemanden", sagte
Genesis leise und deutete auf ein Foto, auf dem Rufus zu sehen war
wie er den Turk mit großen, verträumten Augen unter der Dusche
beobachtete.
„Mag sein, dass Veld den Reisfresser als 'großen
Bruder' in sein Leben gebracht hat, aber wie man sieht ist Rufus
bereits in einem Alter, in dem die Hormone reagieren. Mitten in der
Pubertät. Und worauf er reagiert ist auch klar
ersichtlich."
„Genesis", murrte Angeal pikiert und sah weg,
„erspar' uns das."
„Verstehe", sagte Sephiroth und sah von
Lazard zu Genesis, „ihr ersetzt den Bruder durch einen Liebhaber."
„Einen Lebensgefährten", verbesserte Genesis schmunzelnd,
„der Turk hat uns den Gefallen getan und selbst ihrer Beziehung
einen Bruch verpasst."
Ein Knopfdruck; eine Aufzeichnung, wie
der Wutainese den Jungen anschrie, der darauf hin aufgelöst die
Flucht ergriff.
„Mag sein, dass Veld noch so präzise geplant
hat; doch der Faktor Mensch ist immer eine Variable. Nicht
kalkulierbar. Weiß Minerva wann Rufus angefangen hat sich für Tseng
als Mann zu interessieren.
Velds Plan ihn mit einer seiner Nutten
zu verkuppeln, hat der Junge damit zunichte gemacht."
Ein Foto
von einer jungen, hübschen Turk blitzte auf. Der Name 'Cissnei'
darunter.
„Dem Wutainesen hat Veld jedenfalls seine
Beziehungsfähigkeit so weit heraus geprügelt, dass er sich damit
ins eigene Fleisch geschnitten hat."
„Unser Glück",
murmelte Lazard zustimmend.
„Wir haben also Rufus, der ohne
Bezugsperson an einem fremden Ort ist. Ein Junge Mitten in der
Pubertät, unglücklich verliebt und enttäuscht, depressiv und
einsam."
„Und wir haben dich", ergänzte Sephiroth und
musterte ihn mit faszinierter Abscheu, „der gutherzige Genesis, der
den Part des aufopfernden Prinzen in der goldenen Rüstung
übernimmt."
„Zu viel des Guten", schmunzelte
Angesprochener, „ich werde ihm einfach genau das geben, was ihm
fehlt. Den menschlichen Aspekt. Aufmerksamkeit, Schutz. Ein wenig
Liebe."
„Du bist widerlich", murmelte Angeal, wandte sich ab
und verließ den Raum.
Die drei verbliebenen Soldaten sahen ihm
nicht einmal nach.
„Und du denkst er springt auf dich an?",
wollte Sephiroth interessiert wissen.
Wortlos breitete dieser die
Arme aus, lachte leise und nahm sein Schwert. Bevor sich die Tür
hinter ihm schloss drehte er sich noch einmal um und zuckte die
Schultern.
„Sieh' es positiv. Ich weiß was ich tue. Und was
ich zu tun habe", ein schmales, freudloses Lächeln lag auf seinen
Lippen, „der Befehl lautet lieben und geliebt werden. Es gibt
Schlimmeres."
Einen Raum weiter hatte Rufus hinter einem
Baum Deckung gesucht, lauschte gespannt und versuchte seinen
schmerzenden Arm so gut es ging zu ignorieren.
Zu lange war es zu
still für seinen Geschmack.
Entweder endete hier die Simulation,
oder sie wollte das täuschende Gefühl von Sicherheit einbringen.
Ein leises Zischen direkt hinter ihm ließ ihn zusammen zucken.
Im
Stillen fluchte er, versuchte sich nicht zu bewegen. Er wusste, dass
die Echse hinter ihm saß. Ebenso auf der Lauer wie er. In Gedanken
kramte er das Datenblatt der Untergrundeidechse hervor, rief sich in
Erinnerung, dass sie ihre Beute über Wärme- Geruchs- und
Bewegungssensoren ausfindig machte. Gegen den Blutgeruch, den
Angstschweiß und seine Körperwärme konnte Rufus nichts unternehmen
– einige Minuten konnte er durch absolute Regungslosigkeit heraus
schlagen und dabei fieberhaft überlegen, wie er aus dieser Situation
wieder leben heraus kommen konnte.
Langsam und vorsichtig drehte
er seine Hand, versuchte die Mündung der Flinte in Richtung der
Echse zu bringen.
Ein lautes Zischen ließ ihn erzittern, er
schloss die Augen und spürte kurz darauf einen durchdringenden Ruck,
gefolgt von heftigen Schmerzen. Die Echse hatte sich auf ihn
gestürzt, sich in seinen Rücken verbissen und schüttelte ihn immer
wieder, um ihn handlungsunfähig zu machen. Blut lief an ihm herab,
der Schmerz raubte ihm fast das Bewusstsein, presste ihm die Luft aus
den Lungen und ließ ihn Sterne sehen.
Mit letzter Kraft drehte
er die Waffe in seine Richtung, sah in die Mündung und wartete
einige Sekunden, bis die Echse aufhörte ihn zu schütteln und sich
erneut haltfassend in ihn verbeißen würde. In genau diesem Moment
drückte er ab; der ohrenbetäubende Knall ließ sein Trommelfell
reißen, die an ihm vorbei sausenden Kugeln hörte er nicht, spürte
aber wie ein Querschläger eine tiefe Wunde in seinen Hals riss und,
dass die Echse plötzlich los ließ.
Auch den plötzlichen Trubel
um ihn herum, Genesis, wie er seine Hand auf die unaufhörlich
blutende Halswunde presste, bekam er nicht mehr mit.
Mühselig
kämpfte sich Rufus' Bewusstsein an die Oberfläche. Erst nach dem
dritten Befehl seines Gehirns an seine Lider sich zu öffnen,
reagierten diese und flatterten. Ein leises Stöhnen entwich seiner
Kehle, als er neben sich nach der abgesägten Schrotflinte tastete.
„Shhht", hörte er eine leise, beruhigende Stimme, „du bist
in Sicherheit."
Eine warme Hand legte sich auf seine Stirn,
strich ihm sanft einige Haarsträhnen aus dem Gesicht.
„Tseng?",
krächzte er und versuchte erneut die Augen zu öffnen, was
angesichts des schreiend hellen Neonlichtes eine wirklich dumme Idee
war.
Ein leises Lachen, das sich so gar nicht nach seinem Turk
anhörte. Er drehte den Kopf, blinzelte und sah direkt in helle,
besorgt drein sehende blaue Augen, die ihn aufmerksam beobachteten.
„Genesis", murmelte er, runzelte die Stirn und schlug fahrig
nach der Hand, die noch immer über seine Stirn streichelte.
Eine
zweite Hand hielt seinen Arm fest, drückte ihn herunter, während
Fingerspitzen über seine Wange strichen.
„Geh' weg",
murmelte Rufus heiser, spürte aber wie er sich unter den sanften
Berührungen zusehends entspannte. Selbst seine Sturheit war zu
geschwächt, als dass er Genesis, der ihn gerade auf eine äußerst
effektive Weise beruhigte, vertreiben wollte.
„Bist ein
Arschloch", war alles, wozu ihn sein Stolz animieren konnte.
„Das
ist wohl wahr", seufzte der Soldat und legte ihm einen kühlen
Umschlag auf den Kopf. „Ich hätte besser aufpassen müssen. Level
Dreißig – für einen 1st Class gerade zum Aufwärmen, ein 3rd wäre
damit schon an seiner Grenze."
„Scheiß Reptil", murrte
Rufus leise und runzelte die Stirn, was seine dröhnenden
Kopfschmerzen dazu animierte kreischend auf sich aufmerksam zu
machen. Ein leises Stöhnen, seine Hand hob sich automatisch an
seinen Kopf und traf auf die von Genesis.
Ein Daumen strich über
seinen Handrücken, irritierte ihn.
„Beeindruckend wie du dich
geschlagen hast", sagte der Soldat leise, nahm Rufus Hand und
drapierte sie sanft, aber bestimmt, zurück auf der Matratze.
„Hast
du Hunger? Durst? Hast du Schmerzen?", wollte eine besorgte Stimme
von ihm wissen und überforderte Rufus damit vollkommen, der als
Antwort nichts sagend brummte.
„Wodka", seufzte Rufus und
erntete damit ein leises Lachen.
„Wenn du wieder fit bist",
erwiderte der 1st Class und wechselte den Umschlag auf seiner Stirn.
„Müde...", murmelte er und schloss die Augen.
„Schlaf
ein wenig", hörte er, bevor er in die Traumwelt abdriftete, „ich
pass' auf."
„Is' okay, Tseng", antwortete Rufus bereits in
Morpheus Armen auf Wutainesisch und ließ einen stirnrunzelnden,
frustriert seufzenden Soldaten zurück.
Die nächsten Tage
verbrachte Rufus überwiegend schlafend. Als Lazard wissen wollte, ob
Genesis schuld an seinen Verletzungen war, schüttelte der junge
Shinra den Kopf. Er sei selbst Schuld gewesen, er war allein in die
Kammer gegangen, antwortete er leise.
Setzte in Gedanken dazu,
dass er einfach hätte stärker, besser sein müssen. Level Dreißig
– Tseng wäre bestimmt ohne einen Kratzer abzubekommen heraus
gekommen.
Dass er die Echse selbst erlegt hatte, wurde ihm nicht gesagt, es gab nur einen Eintrag in seiner Akte, dass er das Level Dreißig Training lebend überstanden hatte. Genesis Akte blieb, wider besseren Wissens aller Beteiligten, sauber. Der 1st Class selbst kommandierte sich ab um für Rufus zu sorgen, der anfangs noch alles, was er brachte, naserümpfend ablehnte.
„Rufus", sagte Genesis nach einigen Tagen, „du musst
etwas anständiges essen. Das bisschen was du isst, die ganze
Vitamintablettenscheiße hält dich grad mal am Leben."
„Mehr
soll's doch nicht sein", erwiderte er gelangweilt und schielte auf
das dampfende Steak. Bei den Turks hatte er gelernt sich mit wenig
zufrieden zu geben – und schon in seiner Kindheit mit nichts.
Hunger war für ihn nur noch ein störendes Gefühl, nichts worüber
er sich Gedanken machte.
Eine Hand legte sich auf seinen
Kopf, eine Geste, die dem jungen Shinra gerade noch ein leises,
aufmüpfiges Knurren entlockte. Er hatte den Soldaten oft genug
angefahren, dass er ihn gefälligst nicht anfassen sollte.
Alles
Fauchen, Keifen, Zetern und Motzen hatte nichts geholfen, Genesis
schien absolut resistent gegen Rufus' Wutanfälle zu sein. Die
einzige Reaktion war ein schmales Lächeln, gefolgt von Fingerspitzen
die durch seine Haare strichen. Irgendwann hatte Rufus resigniert und
nahm es hin ständig von dem 1st Class angefasst zu werden.
„Hau'
ab mit dem Steak", brummte Rufus als es ihm erneut unter die Nase
gehalten wurde, verdrehte die Augen, als sich eine Hand, silbernes
Besteck haltend, in sein Sichtfeld schob.
„Ich werde nicht
abhauen", erwiderte Genesis ruhig und seufzte, als seine Hände
wieder weg geschoben wurden.
„Sonst zitierst du nur aus dem
verdammten Buch und jetzt entwickelst du dich zu einem richtigen
Menschen", maulte der junge Shinra und starrte den 1st Class
herausfordernd an, „was in Ifrits Namen ist dein
Problem!?"
Seufzend wurde ihm wieder der Teller unter die Nase
gehalten.
„Dass du ein sturer Rotzbengel bist, das ist mein
Problem. Iss!"
Ein durchdringender Blick aus hellen, blauen
Makoaugen bohrte sich in Rufus, der trotzig zurück starrte.
Ein
paar Minuten später kaute der junge Shinra lustlos auf einem Stück
Fleisch herum, während Genesis ihm zufrieden beim Essen zusah.
Der
leere Teller wurde dem 1st Class zivilisiert überreicht und ihm
nicht, wie es vor einiger Zeit noch der Fall gewesen war, unter
lautem Gekeife, unflätigen Ausdrücken und inbrünstigen
Hassbeteuerungen nachgeworfen. Langsam gewöhnte sich der junge
Shinra an Genesis, hatte bemerkt, dass er sich weder mit Sturheit
oder Trotzigkeit, noch mit seiner Diva-haften Art bei ihm durchsetzen
konnte.
Nach einigen Wochen saß Rufus wieder an seinem
Schreibtisch, schrieb eine Analyse über einen längst vergangenen
Krieg und hielt plötzlich inne.
„Ich verstehe das mit dem
corel'schen Chocobo nicht. Ich meine – wenn mitten in einem
blutigen Krieg ein riesiges Chocobo vor den Toren steht, dann hole
ich das doch nicht ohne weiteres in die Stadt! Wie dumm ist das denn!
Ein riesiges Chocobo – da ist doch klar, dass was faul
ist!"
„Chocobos waren für Corel ein Glücksbringer",
murmelte Genesis ohne den Blick aus seinem Buch zu nehmen, „es gab
eine corel'sche Legende über ein goldenes Chocobo, das sich die
Nibelheimer zu nutze gemacht haben."
„Verstehe", erwiderte
Rufus und kaute auf seinem Stift herum, „sie haben ein Chocobo
gebaut, es golden angestrichen und so als göttliches Geschenk
verkauft."
Schmunzelnd ließ Genesis das Buch sinken, legte den
Kopf schief und sah zu Rufus. „Was lernst du daraus?"
Kurz
überlegte er, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinter
dem Kopf. „Ein direkter Angriff ist nicht immer die effektivste
Möglichkeit", begann er zögernd und runzelte die Stirn, „manchmal
ist es besser seinen wirklichen Plan hinter irgendwelchen irren,
möglichst auffälligen Großaktionen zu verstecken."
„Im
Großen und Ganzen wird ein Krieg, auch ein Kampf, durch Tarnen und
Täuschen gewonnen", nickte Genesis und hielt sein Schwert so, dass
Rufus es sehen konnte. „In einem Kampf ist man immer auf eine Sache
fixiert. Wenn ich auffällig mit dem Schwert arbeite, dann folgt dein
Blick dem glänzenden Stahl. Du bist völlig darauf fixiert die für
dich tödliche Waffe nicht aus den Augen zu lassen." Die andere
Hand ballte eine Faust, die anfing zu glühen. „Die andere,
unauffällige Hand ist die wirklich gefährliche: der Feuerball
trifft, noch bevor der Gegner meinen Hieb mit dem Schwert abgewehrt
hat."
In der Faust des Soldaten verpuffte der Feuerball, dünne
Rauchfäden stiegen auf, denen Rufus nachdenklich hinter her starrte.
„Ich glaube du bist fertig für heute", sagte Genesis mit
einem Blick auf die Uhr, „irgendwann hat auch Rufus Shinra
Freizeit."
„Rufus Shinra hat nie Freizeit", murmelte er ohne
von seinen Notizen aufzusehen, „und gerade keinen Termin für Sie
frei. Bitte vereinbaren Sie einen Termin mit dem Sekretariat, wir
rufen Sie an."
Sein Stuhl wurde vom Schreibtisch weg gezogen und
umgedreht. Er seufzte, legte den Kopf in den Nacken und sah zu
Genesis auf.
„Ich hab wirklich..."
„Freizeit!",
ergänzte der Soldat und zwang ihn durch einen Zug an seiner Krawatte
zum aufstehen. „Zieh' dich um, wir gehen aus."
„Ich will
nicht ausgehen", erwiderte Rufus und verschränkte die Arme vor der
Brust, „ich will auch keine Mädchen kennen lernen oder mich
amüsieren. Ich muss lernen!"
„Du musst jetzt mit mir
ausgehen", antwortete sein Gegenüber amüsiert und hielt ihm
lapidar die Klinge an den Hals, die von Rufus unwirsch weg geschoben
wurde.
„Was willst du denn!", maulte der junge Shinra und
fing an den leise lachenden Soldaten spielerisch von sich weg zu
schubsen.
„Mit dir ausgehen!"
„Du hörst dich an wie
Fair! Du bist so nervig wie Fair! Gibs' zu, du bist Fair und hast dir
nur die Haare eingefärbt!"
Das Schwert landete auf dem Bett,
kurz darauf klemmte Rufus Kopf unter dem Arm des 1st Class.
„Fair!
Fair! Ich will mit dir ausgehen und du fängst an mich zu beleidigen!
Hat man dir kein Benehmen beigebracht?!", lachte Genesis und ließ
den jungen Shinra erst wieder los, nachdem er alle Haare aus der Form
gebracht hatte.
„Du viel zu nervig und verspielt für einen 1st
Class! Nimm' dir mal ein Beispiel an Sephiroth, der hat auch keinen
Humor!", keifte Rufus aufgebracht, strich verzweifelt versuchend
seine Haare wieder zu bändigen über den Kopf und lockerte seine
Krawatte.
Die sofort von Genesis als Zugobjekt auserkoren wurde,
um den jungen Shinra zu sich zu ziehen.
„Sephiroth hat Humor",
sagte er und hob den Finger, „manchmal. Wenn zwei Feiertage auf
Weihnachten fallen und er zufälliger Weise noch Geburtstag hat –
sofern er betrunken genug ist." Kurz überlegte er. „Ich habe das
schon mal erlebt. General Crescent hat einen Witz gerissen.
Sexistisch und schlecht, aber man kann es als Witz durchgehen
lassen", brachte er trocken hervor und schmunzelte, als Rufus ihn
gespielt entsetzt ansah und darauf hin anfing zu lachen.
Abrupt
wurde sein Lachen abgewürgt, als er an seiner Krawatte zu dem großen
Kleiderschrank gezogen wurde.
„Wollen wir mal sehen",
nuschelte der Soldat und find mit einem Arm an wahllos
Kleidungsstücke heraus zu zerren.
Kurze Zeit später, der junge
Shinra wurde immer noch fest gehalten, seufzte Genesis frustriert.
„Hast du nur weißes, elegantes Zeug? Nichts
Zwangloses?"
„Ernsthaft", erwiderte Rufus gedehnt und sah
den Mann vor sich abschätzig an, „das von dir? Ist dir schon mal
aufgefallen, dass du nur enges Lederzeug besitzt?"
„Gefällt
dir das nicht?", schnurrte Genesis und zog Rufus näher zu sich,
dessen Augen sich mit jedem Zentimeter entsetzt weiteten.
„Ich
betone nur meine Vorzüge."
Paralysiert starrte er in die
leuchtenden Makoaugen, die in den letzten Wochen ständig in seiner
Nähe waren.
„Hab' nie das Gegenteil behauptet", nuschelte er
und fluchte still über seine erhitzten Wangen.
Mit einem
zufriedenen Brummen ließ Genesis ihn los, drehte sich zurück zum
Schrank und bekam nicht mit, dass Rufus seine schlanke Gestalt
aufmerksam musterte.
Ohne den roten Ledermantel wurden die
Vorzüge des 1st Class derart stark betont, dass der junge Shinra
sich regelmäßig aus einer tranceartigen Starre heraus kämpfen
musste, wenn sein Blick an Genesis hängen blieb.
Ein Hemd traf
ihn im Gesicht, riss ihn aus seinen Gedanken und verdeckte, was viel
Schlimmer war, den Blick auf Genesis.
„Das Anziehen!", hörte
er gedämpft und wurde erneut von einem Kleidungsstück getroffen,
„das auch!"
Murrend zog sich Rufus die Kleiderstücke vom
Kopf, warf sie auf den Boden und begann sein Hemd aufzuknöpfen.
„Was denn?", maulte er pikiert, als Genesis unverhohlen
seinen Oberkörper anstarrte.
„Viel zu dünn, aber nett
anzusehen", murmelte der Soldat und ging einen Schritt auf ihn zu.
Instinktiv wollte der junge Shinra zurück weichen, wurde aber durch
die lose um seinen Hals hängende Krawatte, besser durch Genesis der
daran fest hielt, zum stehen bleiben gezwungen.
„Lass das",
murrte Rufus und versuchte den Soldaten weg zu drücken, „ich
dachte du willst ausgehen, wenn du mich weiter fest hältst wird das
wohl nichts mehr."
Zögernd ließ Genesis los, wandte aber keine
Sekunde den Blick ab, als Rufus sich mit beschämt hochroten Kopf
unter dem anzüglichen Gestarre umzog.
„Fertig", nuschelte er
und wurde im gleichen Moment durch die Tür gezogen.
Eine
Stunde später und etwa einen Kilometer weiter in einer kleinen,
verrauchten Taverne orderte Rufus die zweite Flasche Wodka und
zündete sich die x-te Zigarette an diesem Abend an.
„Klaaar
hab' sch Erfaaarhung", maulte er lang gezogen und verengte die
Augen zu Schlitzen, „tauusende Weiber, weißte? Bissch'n mit Gil
wedeln 'n schon kommen's angerannt."
Das unterdrückte Lachen
seitens des Soldaten ging in einem gekünstelten Hüsteln unter.
„Ist wahr? Und wie sieht es aus mit Männern?"
„Auch",
nuschelte Rufus in sein Glas, „min'sten's tausend."
„Mindestens",
bestätigte Genesis und goss Rufus Glas erneut randvoll wie seines.
Es gab in ganz Gaia nur zwei Personen, die es schafften den 1st Class
unter den Tisch zu trinken – Sephiroth und Angeal. Der Junge vor
ihm war schon besoffen, da hatte Genesis sich noch nicht einmal warm
getrunken.
„Weissu", murmelte der junge Shinra, „mein Alter
dachte es wär' 'ne ganz große Sache von ihm mir zum vier...
vierzeehnten", er rülpste ausgiebig, „scheiße, vierzehnten
Geburtstag 'ne Nutte zu schenken. Weissu, nich' so 'n Dreckstück so
mit Sackratten, neee, so 'ne Edelnutte mit richtig was
drauf!"
Genesis' Kinnlade schlug brachial auf dem Tisch auf.
„Ne, weissu, das war schon 'ne Granate! Nja, angezogen halt.
Ansonsten hatte die - ich sach' dir, die Brüste von der muss'n
feinste ShinRa-Technologie sein! Da muss Gast selbst dran g'wesen
sein!"
Ein weiterer großer Schluck seitens Rufus, Genesis der
sein Glas in einem Zug leerte.
„Un' das is' ja sowas von
hässlich, weissu? Das – ich mein, schlank war die, aber Euter hat'
'se g'habt als wär' 'se Sister Ray, ne?"
Als Untermalung
zeigte Rufus mit beiden Händen was er meinte und fegte beinah die
Gläser vom Tisch. Im letzten Moment konnte Genesis die Wodkaflasche
retten.
„Ne, ich weiß ja nich' wie mein Alter bei sowas kann,
aber ich hab' das nich' hinbekommen."
Leises Lachen seitens
Genesis, das abrupt verstummte, als Rufus erneut Luft holte.
„Ich
hab' mir dann selbst 'ne gekauft, die nich' so scheißhässlich
künstlich wa'."
Einige Sekunden starrte der junge Shinra
stirnrunzelnd auf den Tisch, kniff ein Auge zusammen und seufzte
frustriert.
„Scheiß' Weiber. Un' so 'n Drecksstück muss ich
irg'nwann mal flachleg'n un' heiraten. Was für beschissene
Zukunf'saussich'n."
„Es gibt keinen Hass, nur Freude.
Denn
dir gilt die Liebe der Göttin."
Ein seitliches Rülpsen brachte
Genesis zum verstummen. Empört sah er zu Rufus, der ihn abschätzig,
mit einem zugekniffenen Auge, musterte.
„Wenn 'ch mir die Liebe
der Gött'n nich' erkauf'n kann, hab'sch schlechte Kart'n, weissu?
Außer Geld un' Macht kann'ch nix biet'n."
Eine Hand strich im
sanft über den Kopf, Rufus schloss einen Moment die Augen und genoss
die Berührung.
„Scheißleben", nuschelte er und steckte sich
die nächste Zigarette zwischen die Lippen.
„Keiner erwartet
von dir..."
„Jeder erwartet irgen'was von mir!", unterbrach
ihn der junge Shinra laut. Sämtliche Köpfe anwesender Gäste
drehten sich in ihre Richtung. Eine Tatsache die beide ignorierten.
„Jed'r! Die ganze abgefuckte Welt erwartet von mir, dass 'ch
der nächs'e Präsident werde! Meinst du mich hat irgen'jemand ma'
gefragt, was 'ch will? Nein – klaaar. Rufus hat gefälli'st 'n
Shinra zu sein, hat so und so und so zu sein, dies und das zu tun und
das zu un'erlassen!" Donnernd knallte sein Glas auf den Tisch.
„Fuck!"
Beruhigend streichelte die Hand über seinen Kopf,
glitt in seinen Nacken und blieb dort liegen.
„Weissu, Genesis",
Rufus seufzte, zog an der Zigarette und drückte sie einem symbolisch
tödlichen Akt im Aschenbecher aus, „ich glaub' du bist der einz'ge
der sich für mich interessiert. Weissu? Also für mich. Und
wahrscheinl'ch mein einz'ger Freund."
„Das ist nicht wahr",
seufzte der Soldat und rutschte ein Stück näher.
Ein schmales
Lächeln huschte über seine Lippen.
„Isses", murrte Rufus
und zündete sich erneut eine Zigarette an, die ihm von Genesis
abgenommen und ausgedrückt wurde.
„Ne, du bist nich' mein
Freund, du bist 'n Arsch", maulte der junge Shinra und zog erneut
einen Glimmstengel aus der kleinen Schachtel.
„Ich bin dein
Freund und jetzt hör' auf die Luft mit dem Zeug zu verpesten. Ist ja
ekelhaft!"
„Arsch", brummte Rufus und schob die Unterlippe
ein Stück vor.
Die Zigarettenschachtel blieb unberührt liegen.
„'ch hatte mal 'n guten Freund", sagte Rufus leise nach
einiger Zeit, in der beide schweigend auf die rot-weiße Box gestarrt
hatten.
„Sehr lang'. Mein bester Freund."
Fahrig nickte
er, griff zögernd nach seinem Glas und hielt es fest umklammert. Er
spürte, wie eine Hand seinen Rücken beruhigend entlang strich.
Spürte wie der ganze Frust, die Enttäuschung durch seinen Turk aus
ihm heraus brach.
„Hat mich fallen gelass'n", murmelte er und
atmete tief durch, „keine Ahnung w'rum. Hat gesagt, dass 'ch ihn 'n
Ruhe lassen soll. 'ch war nich' immer nett zu ihm, aber 'ch dachte er
würde wissen, dass 'ch -", er brach ab, senkte den Kopf.
„Scheiße, 'ch sollte nich' saufen."
Ein Arm schob sich um
seine Hüfte, Genesis zog ihn näher zu sich.
Dankbar lehnte
Rufus sich an ihn, genoss einen kurzen Augenblick das schmerzlich
vermisste Gefühl von Sicherheit. Er schloss die Augen, konzentrierte
sich auf seine Sinne; roch das Leder, sein dezentes Parfüm, lauschte
den gleichmäßigen, ruhigen Herzschlag des Soldaten.
„Soll ich
dich nach Hause bringen?", wurde ihm ins Ohr geflüstert, was Rufus
mit einem zögerlichen Nicken bejahte.
Seine schon vormalig nicht
vorhandene Feierlaune war endgültig gestorben.
Ohne sich zu
wehren ließ er sich auf die Beine ziehen, drückte der Kellnerin
noch vor Genesis viel zu viele Gil in die Hand und zog den Soldaten,
der laut wegen dem geschenkten Wechselgeld protestierte, aus der Bar.
Zwei Paar leuchtende Makoaugen beobachteten aufmerksam das
fluchtartige Verlassen der Bar.
„Vielleicht mag er den
Rotzbengel tatsächlich", murmelte Angeal in sein Glas, was
Sephiroth ein feines, abfälliges Lächeln auf die Lippen zauberte.
Sichtbar genug, damit der Barmann vor Schreck ein Glas fallen ließ.
„Sei nicht so naiv, Angeal."
„Sei nicht so ein
Arschloch, Sephiroth."
Ein strafender Blick aus grünen
Makoaugen bohrte sich in blau, die mühelos standhielten.
„Vielleicht", nuschelte Sephiroth und nickte als Zeichen,
dass er sogar in Erwägung ziehen würde an fliegende Schweine zu
glauben, wenn Angeal nur aufhörte ihn gehässig anzustarren.
„Vielleicht auch nicht", erwiderte dieser schulterzuckend.
Die 1st Class schwiegen, hingen ihren Gedanken nach und starrten
in ihre Gläser, während der Barkeeper mit zitternder Hand die
Scherben zusammen kehrte.
Unauffällig hielt Genesis den
zukünftigen Präsidenten am Kragen gepackt und dirigierte ihn in
Richtung Kaserne durch die leeren Straßen.
„Genesis", maulte
dieser irgendwann und wand sich aus seinem Griff, „kann noch selber
laufen."
Schwankend hielt er sich an einer Laterne fest,
torkelte unter dem wachsamen Blick des Soldaten einige Schritte und
spürte dann, wie sich ein Arm um seine Hüfte legte. Irritiert sah
er zu der Hand, die ihn am Gürtel fest hielt, drehte den Kopf und
sah den roten Ledermantel. Stirnrunzelnd glitt sein Blick weiter
hoch, über die gefransten roten Haare bis zu blitzenden Makoaugen.
„Besser?"
„Besser", nuschelte Rufus, schob seinen Arm
um Genesis, der schmunzelnd eine Augenbraue hob, und vergrub seine
Hand in der Tasche des Ledermantels.
„Wie willst du uns jetzt
noch verteidigen?", wollte der junge Shinra nach einiger Zeit
wissen, die er genutzt hatte um fast gänzlich mit in den Mantel zu
schlüpfen. Mittlerweile hing er mehr an Genesis, als dass er sich
selbst auf den Beinen hielt.
„Ich schick' dich vor",
antwortete der Soldat vollkommen ernst und zog ihn näher an sich,
„Straßenräuber haben höchstens Level 15."
„Mach ich alle
platt", murmelte Rufus zustimmend und gähnte.
Eine halbe
Stunde und zehn Umwege später, die durch Rufus unbändige Neugier
zustande gekommen waren, standen sie vor den Toren der Kaserne.
Mühselig bugsierte der 1st Class den jungen Shinra an den
Wachmännern und seinen dreckig grinsenden Kollegen vorbei die
Treppen nach oben, zog ihn in Richtung seiner Zimmer und kramte in
Rufus Taschen nach dem Schlüssel.
Dass er sich dabei viel Zeit
nahm, sehr genau nach den Schlüsseln suchte und Rufus unnötig lange
um seinen Hals hängen ließ, wäre auch jedem noch so unaufmerksamen
Beobachter aufgefallen.
Die Tür krachte hinter ihnen ins
Schloss, Genesis schob Rufus in Richtung Bad.
Ohne auf die müden
Fragen zu achten schälte er den betrunkenen Jungen aus seinem
Mantel, packte ihn am Genick und zwang ihn auf die Knie.
„Eh,
das is' nich' witzig", wurde er angemault, als er sich den
zukünftigen Präsidenten zwischen die Beine klemmte und dessen Kopf
über die Badewanne drückte.
Der folgende Schrei, als eiskaltes
Wasser auf die blonden Haare und die erhitzte Kopfhaut traf, ging in
einem erstickten Gurgeln unter.
„Verfickte Scheiße nochmal!",
hallte es lautstark durch das Bad, während Genesis mit schmalem
Lächeln Rufus am Genick fest hielt und unter den Brausekopf
zwang.
Ruckartig wurde der junge Shinra auf die Beine gezogen und
umgedreht. Mit tellergroßen Augen starrte er den Soldaten vor sich
an, unfähig auch nur eine Obszönität auf ihn los zu lassen.
Schmunzelnd wischte dieser ihm die patschnassen Haare aus dem
Gesicht.
„Das war nötig", sagte er entschuldigend.
Anstatt
auszurasten musterte Rufus ihn nur vorwurfsvoll, nicht willens ihn so
anzuschreien wie noch ein paar Wochen zuvor.
Seufzend packte er
sich ein Handtuch und schlurfte zurück ins Wohnzimmer, in einigen
Abstand folgte ihm Genesis.
„Du bist mir doch nicht böse?",
wollte der Soldat wissen, nahm Rufus das Frotté-Tuch ab und fing an
ihm die Haare trocken zu rubbeln.
Gedämpft drang eine leise
Verneinung an sein Ohr. Als Genesis das Tuch herunter zog, fing er
sofort an zu lachen; Rufus' Frisur ähnelte einem zerbombten Chocobo,
kombiniert mit einem Blick, der alles Leid der Welt in sich vereinte.
Sein Aussehen erinnerte mehr an einen Welpen, als an den angehenden
Präsidenten eines Weltkonzerns.
„Hör' auf mich auszulachen",
maulte der junge Shinra leise und versuchte halbherzig seine Frisur
in Ordnung zu bringen. „Sei nicht so gemein zu mir."
Ein Paar
Handschuhe fielen zu Boden, Fingerspitzen fuhren sanft durch Rufus
Haare.
Eine Entschuldigung seitens Genesis, die den halbwegs
nüchternen Jungen dazu animierte ihm alles zu verzeihen und leise zu
seufzen.
„Für einen abweisenden, arroganten Rotzbengel bist du
auffällig gierig nach Streicheleinheiten", murmelte der 1st Class
belustigt.
„Für einen hochnäsigen Elite-Soldaten bist du
auffällig aufdringlich", erwiderte der junge Shinra in
vorwurfsvollem Tonfall.
„Soll ich aufhören?", wurde er leise
gefragt und antwortete mit einem knurrenden „Untersteh
dich..."
Genüsslich brummend schloss Rufus die Augen,
konzentrierte sich auf die Hand, die ihm fahrig durch die Haare und
die Wange hinab strich.
Rufus' Gedanken, von plüschigen
Schafen besiedelt, die sein Denkvermögen auf die Effizienz einer
Schnecke dezimiert hatten, brodelten. Natürlich waren ihm Gerüchte,
die den 1st Class betrafen zugetragen worden – und jene, die ihn
involvierten. Der gesamte Stützpunkt war der Meinung, dass Rufus
tagsüber aus den Büchern Kriegsstrategien und nachts von Genesis
horizontale Künste lernte.
Die rosa Spinnen in seinem Kopf
spannen das Netz weiter, bis zu einem Punkt, an dem der junge Shinra
langsam den Kopf drehte und die Augen aufschlug.
Die Daten, die
sein Gehirn mehr oder minder verarbeitete entsprachen nicht mehr dem
Bild eines 1st Class Soldaten, sondern dem eines Mannes, der für
sexuelle Aktivitäten geeignet schien. Die optischen Kriterien, sowie
den Geruchstest hatte Genesis bestanden, ob er willig war ließ sich
einfach und schnell herausfinden.
Wie er eine Frau zu
verführen hatte, wusste Rufus; schließlich waren genug weibliche
Turks in dem Ausbildungscamp gewesen, die zwar gegen offensichtliche
Anmachen der anderen Turks immun waren, nicht aber gegen große,
unschuldig dreinblickende blaue Augen.
Mit seinem engelsgleichen
Gesicht und dem zierlichen Körperbau war es immer einfach gewesen
absolut harmlos zu wirken, so an die Mädchen heran zu kommen und sie
lange warm zu halten, bis Tseng wieder zu einer Mission geschickt
wurde. Allein zurück gelassen musste er, wohl oder übel, sich eine
andere Beschäftigung suchen.
Bei solchen Gelegenheiten nahm er
gerne die nächtlichen Dienste eines weichen, wärmenden Körpers in
Anspruch, dessen Besitzerinnen immer eifrig darauf erpicht waren ihm
in guter Erinnerung zu bleiben.
Meist zu einem Zeitpunkt, an dem
er ihren Namen bereits wieder vergessen hatte.
Nur eines störte
den jungen Shinra massiv: wenn die Mädchen ihren verletzten Stolz an
Tseng ausließen.
Nicht sein Turk war daran schuld, dass Rufus
sich nicht in eines der Mädchen verliebte. Spätestens nachdem der
junge Shinra auf Oralsex bestand und nach der Befriedigung seiner
eigenen körperlichen Gelüste wieder aus ihrem Zimmer verschwand,
sollte sein rein sexuell ausgerichtete Anliegen klar gewesen sein.
Sex war die eine Sache: käuflich und nicht bindend.
Die
Zuneigung zu seinem Turk war etwas völlig anderes. Intensiver.
Unverständlich für oberflächliche Individuen, wie es der restliche
Turkhaufen war.
Und mehr als nur ein Mädchen hatte auf
schmerzhafte Weise erfahren müssen, dass der junge Shinra zu
Aggressionen neigte und auch vor körperlicher Gewalt nicht zurück
schreckte, um seinen Turk zu schützen.
In dem Moment, als er
zaghaft Genesis Lippen berührte, verschwamm das Bild seines Turk.
Ein zögerlicher Kuss, der den Anschein erwecken konnte, dass Rufus'
noch völlig unerfahren war.
Den Kern der Sache traf es fast,
denn er hatte keinerlei Erfahrung – mit Männern. Schloss man
seinen ersten Kuss aus.
Am sonnigen Strand von Costa del Sol war
er zum ersten Mal von einem Mann, zum ersten Mal überhaupt, geküsst
worden.
Doch dieses Ereignis hatte mehr mit einem Badeunfall und
verzweifelten Maßnahmen, als mit einem romantischen Stell-dich-ein
zu tun.
Die Führung überließ er seinem vermutlich weitaus
erfahreneren Partner, dessen Zunge sanft über seine Unterlippe
strich und versuchte ihn zu einem spielerischen Kampf heraus zu
fordern.
Nach einigen Neckereien seitens Rufus' Zunge, die sein
Gegenüber dazu animierten ihm zärtlich in die Unterlippe zu beißen,
intensivierte er den Kuss und richtete sich ein Stück auf in der
Hoffnung die Oberhand zu behalten.
Dass er damit kein Stück
weiter kam zeigte ihm die Tatsache, dass er einige Sekunden später
auf dem Rücken lag, noch immer in einen hitzigen Kuss verwickelt,
doch unter Genesis.
Um zumindest ein Stück seiner Würde zu
wahren ergriff er die Initiative und schob dem Soldaten den schweren
Ledermantel von den Schultern, um sich kurz darauf an seinen beiden
Gürteln zu schaffen zu machen.
Im Stillen fragte er sich zum
hundertsten Mal, wofür zwei übereinander liegende Gürtel überhaupt
gebraucht wurden. Der Mann über ihm murrte, zwei dumpfe Aufschläge
später lagen die schweren Stiefel auf dem Boden, gefolgt von zwei
Gürteln und einem ledernen Brustpanzer.
Seine Hände schoben
sich unter Genesis Pullover, strichen den sehnigen Rücken entlang
über die weiche, warme Haut. Indem er ungeduldig an dem störenden
Kleidungsstück zog und zerrte, zwang er sie den Kuss zu
unterbrechen.
Unter halb geöffneten Lidern genoß er den Anblick
sich deutlich abzeichnender Muskeln unter der blassen Haut. Mit den
Fingerspitzen zeichnete er einige Narben nach, ließ sie über die
Wölbungen gleiten und breitete die Arme aus, als Genesis sich an
seinen Hemdknöpfen zu schaffen machte. Aufmerksam beobachtete Rufus
seine Mimik; jede einzelne Strähne die ihm ins Gesicht fiel, seine
glitzernden unnatürlich intensiven Augen und die geröteten, vollen
Lippen. Bereitwillig streifte er das Hemd über die Schultern, ließ
sich eingehend mustern, während ihm der Gürtel und die Hose
geöffnet wurden. Seine eigene Hand fand zurück zu dem Bauch des
Soldaten, streifte die Erhebung seiner Hose und entlockte ihm ein
leises Seufzen.
Ruckartig richtete er sich auf, zog sich ein
Stück unter Genesis heraus und küsste ihn aufs Neue.
Nach
einem kurzen Gerangel lag der 1st Class schmunzelnd unter ihm und sah
ihm dabei zu, wie er sich eifrig an seiner Hose zu schaffen machte.
Dass es für ihn das erste Mal mit einem Mann war, versuchte
Rufus sich nicht anmerken zu lassen.
Den Mut sofort aufs Ganze zu
gehen fand er dennoch nicht und machte sich zuerst daran beide
Brustwarzen abwechselnd mit seiner Zunge und den Zähnen so lange zu
triezen, bis Genesis sich genötigt fühlte seinen Kopf nach unten zu
drücken. Zögerlich, doch ohne zu murren, folgte er der Anweisung,
schloss die Augen und ließ seine Zunge unter den Hosenbund gleiten.
Ein leises, unterdrücktes Keuchen als seine Zunge über weiche
Haut strich, Finger die sich in seinen Haaren verkrallten.
Genug
Zuspruch für den jungen Shinra, um Genesis durch zerren an der Hose
noch von dem letzten störenden Stoff zu befreien.
Sein Blick
glitt über den vollkommen nackten Körper, blieb in der Körpermitte
hängen und verharrte dort. Irritiert bemerkte Rufus, dass ihn der
Anblick des Mannes um Dimensionen mehr erregte, als der einer
hübschen weiblichen Turk seinerzeit.
Wie in Trance beugte er
sich hinunter, umschloss die Erektion mit den Lippen und fing an
zaghaft seine Zunge daran entlang streichen zu lassen. Leises
Stöhnen, eine Hand die ihm über den Kopf strich; kleine Gesten die
ihm zeigten, dass er das Richtige tat. In seiner Erinnerung kramend,
was ihm gefallen hatte, umfasste er mit einer Hand den Schaft, strich
mit der anderen den Oberschenkel entlang und spürte, dass sich
Finger in seinen Haaren verkrallten. Langsam ließ er seine Lippen
die Erektion hinab gleiten, wieder hinauf und saugte leicht daran;
ein kehliges Stöhnen bestätigte sein Tun und ließ ihn mutiger
werden.
Nach wenigen Minuten schmeckte er, dass er das Richtige
tat. Ebenso wie ihn der bebende, erhitzte Körper unter ihm, nebst
den unartikulierten Lauten bestätigte.
Plötzlich wurde er
sanft, aber bestimmt, zurück gedrängt.
Erschrocken sah er
auf, suchte in den blauen Augen nach einem Hinweis darauf etwas
falsch gemacht zu haben.
Wenige Sekunden später lag er auf den
Rücken, sah Genesis dabei zu wie er ihn mit wenigen Handgriffen von
Hose und Shorts befreite.
Er beugte sich über ihn, küsste ihn
fordernd. Die salzig schmeckenden Lippen, der glühende Körper über
ihm und Geruch des Mannes allein reichte, um ihm ein heiseres Stöhnen
zu entlocken. Er spürte wie eine Hand seinen Oberkörper entlang
glitt, zu den Brustwarzen und leicht hinein kniff. Etwas, das die
Mädchen nie getan hatten – und ihn unterdrückt keuchen ließ.
Als der Kuss unterbrochen wurde murrte er, nur kurz, bis eine
Zunge über seine Brustwarze strich, sanft in sie gebissen wurde und
ihn diesmal lauter, kehliger stöhnen ließ. Erneut ließ Genesis ab,
was Rufus mit einem frustrierten Seufzen quittierte. Unter halb
geöffneten Lidern beobachtete er den Soldaten, wie er in seinen
Manteltaschen herum kramte und nach kurzer Suche aus dem Innenteil
eine kleine, blaue Tube, nebst einem Kondom hervor zog.
„Das
wird nötig sein", nuschelte Genesis, strich Rufus ein paar
Strähnen aus der Stirn und drückte ihm einen Kuss auf.
„Ich
will mich ja nicht beschweren", erwiderte der junge Shinra pikiert,
„aber so nah habe ich noch niemanden an mich ran gelassen."
„Also
doch noch jungfräulich?", schmunzelte Genesis und öffnete die
Tube.
„Wenn man so will", er kräuselte die Nase, „sie
durften mir einen blasen – für mehr war ich, gelinde gesagt, zu
faul."
Kurz hielt Genesis in seinem Tun inne, bevor sich seine
Lippen zu einem schmutzigen Grinsen verzogen. „Du bist ein
Arschloch."
Amüsiert kräuselte Rufus die Lippen, hob elegant
eine Augenbraue und sah zu, wie der Soldat eine üppige Portion
Gleitcreme auf seinen Fingern verteilte.
„Was wird das?
Genesis, ich werde sicher nicht unten liegen!"
„Rufus",
seufzte der Soldat, legte den Kopf schief und zeigte ihm seine
benetzten Finger. „Zusammenfassend habe ich mehr Erfahrung, was
heißt: ich weiß, im Gegensatz zu dir, was ich tue. Außerdem ist
dein Part, wie du selbst sagtest, eher der Stille – Liegende."
„Das
ist jetzt nicht dein Ernst", fauchte er, als er etwas Kaltes an
seinem Eingang fühlte, „Genesis, so ni -"
Die
letzten Worte gingen in einem Kuss unter, den Genesis auch nicht löste, als Rufus brummend seinem Unmut Luft machte. Das befremdliche Gefühl von einem Finger, der in ihn glitt, ließ Rufus verstummen.
Angespannt konzentrierte er
sich auf seine Empfindungen, die er zwar als ungewohnt, aber nicht
unbedingt als unangenehm einstufte.
Die Neugier siegte, er
spreizte ohne weiter zu Murren die Beine.
Unter Genesis
beruhigenden Worten, der sanften Stimme, die ihm zuflüsterte er
solle sich entspannen, schloss Rufus die Augen. Reflexartig zuckte er
einige Male zusammen, spürte wie Genesis sofort inne hielt, ihm
beruhigend über den Kopf strich und wartete, bis er sich wieder
entspannte.
Als ein zweiter Finger sich in sich schob kniff er
die Augen zusammen, allein ein Grund um seinen weitaus erfahreneren
Partner innehalten zu lassen. Tief atmete der junge Shinra durch,
nickte leicht und öffnete die Augen. Er wurde beobachtet, jede
Regung seiner Mimik wurde von Genesis als Anlass genommen weiter zu
machen oder abzuwarten.
Aus den blauen Augen sprach sowohl
unbändiges Verlangen, als auch der Wille zur Geduld. Allein ein
Grund für Rufus sich zu entspannen.
Darauf zu vertrauen, dass
ihm nicht weh getan werden würde.
Selbst als der dritte Finger
sich seinen Weg bahnte verkrampfte er sich nicht. Sein Blick blieb
fixiert auf die Genesis' Augen, das unnatürliche helle Leuchten, das
ihm keine Angst mehr machte, sondern in seinen Bann zog. Nach einigen
Minuten, mehr Zeit als eigentlich nötig gewesen wäre, knisterte die
Verpackung des Kondoms, die Tube wurde erneut geöffnet und
geschlossen. Neugierig beobachtete der junge Shinra jede Bewegung des
Soldaten, lehnte sich erst wieder zurück, als dieser sich wieder
über ihn beugte und ihn sanft küsste.
„Wird das... weh
tun?"
„Ich werde vorsichtig sein", murmelte Genesis und
strich ihm über den Kopf, „Versprochen."
Kein Versprechen,
dass es nicht weh tun würde. Einige Male atmete Rufus tief durch,
schloss die Augen und spürte, wie Genesis sich in Position brachte.
Die kühle Gleitcreme an seinem Eingang ließ Rufus die Nase rümpfen,
kurz danach hielt er den Atem an. Etwas wesentlich größeres als ein
Finger drang in ihn ein.
„Shh", Genesis hielt inne, küsste
seinen Hals, „entspann' dich."
„Ich versuch's", brachte
er gepresst hervor, konzentrierte sich auf die zweite Hand, die ihm
beruhigend durch die Haare strich und die weichen Lippen an seinem
Hals.
Langsam glitt Genesis tiefer, achtete auf jede Regung des
Körpers unter sich und verharrte still, sobald Rufus sich
verkrampfte. Rufus hatte seine Arme um ihn geschlungen, spürte mit
jeder Bewegung Sehnen und Muskeln unter der Haut, strich fasziniert
darüber und dankte im Stillen Genesis für seine Geduld.
Wie
einfach wäre es für ihn gewesen rücksichtslos zu sein. Körperlich
war der junge Shinra dem Soldaten unterlegen, dennoch beherrschte der
1st Class sich und legte einen Sanftmut an den Tag, den Rufus so
niemals erwartet hätte. Ihm war klar, dass sein Gegenüber ahnte –
vielmehr wissen musste, dass er zum ersten Mal mit einem Mann
schlief. Vorsichtig fing Genesis sich an zu bewegen, seufzte leise
und drang tiefer in Rufus ein, der sich langsam an das Gefühl
gewöhnte. Erst als eine Hand seine Erektion umschloss, sie zärtlich
stimulierte begann er leise, zurückhaltend zu stöhnen.
Entspannt
ließ er sich treiben, genoss die sanften Berührungen, die
zärtlichen Küsse und das noch ungewohnte Gefühl jemanden in sich
zu spüren.
Plötzlich verkrallten sich seine Fingernägel in
Genesis Rücken, er bäumte sich auf und keuchte überrascht auf.
Eine bisher ungekannte Erregung ließ ihn zittern, keuchen und sich
in Genesis Schulter verbeißen. Ein leises Lachen drang an sein Ohr,
als erneut der Punkt getroffen wurde, der ihn Sterne sehen ließ.
Jede Berührung kribbelte, fühlte sich intensiver an als alles
Vorherige. Er wand sich unter dem Mann, der sich ebenfalls völlig
fallen gelassen hatte und mit fließenden, sicheren Stößen immer
wieder den Punkt in ihm penetrierte, der ihn irgendwann aufschreien
ließ. Genesis' Bewegungen wurde fahriger, unkontrollierter und
seine Stöße härter. Sein eigener Körper bäumte sich auf, er
drückte seinen Oberkörper tiefer in die Matratze und hob sein
Becken den bittersüß schmerzenden Stößen entgegen. Einige
Sekunden glaubte Rufus zu verbrennen, verkrallte sich in den
schweißnassen Haaren und zog Genesis näher an sich. Ihm wurde
schwarz vor Augen, er biss fest in Genesis Schulter, schmeckte Blut
und hörte wie dieser seinen Namen keuchte.
Der Körper über
ihm sackte in sich zusammen, presste ihn auf die Matratze. Neben
seinem eigenen, schnellen und kräftigen Herzrhythmus spürte er das
von Genesis gegen seine Brust schlagen. Mit geschlossenen Augen
genoss er die Nähe, die Wärme und lauschte der sich langsam
beruhigenden Atmung des 1st Class.
Worte waren nicht nötig, als
Genesis sich langsam von ihm löste und Rufus mit auf die Beine zog.
Worte wären fehl am Platz gewesen, als sie beide zusammen unter der
Dusche standen, danach das Bett neu bezogen und Genesis naserümpfend
neben Rufus saß, als dieser am Fenster eine Zigarette rauchte.
Sogar als der junge Shinra mit Heilsalbe und schlechtem Gewissen
lange Kratzer auf Genesis Rücken, Bisswunden an seinem Hals und den
Schultern behandelte, schwieg er.
Erst als der 1st Class nach
seiner Hose griff, sein Hemd suchte und sich anzog brach Rufus das
Schweigen.
„Willst du wirklich gehen?", fragte er leise und
sah, wie Genesis zögerte.
„Eigentlich nicht", murmelte
dieser und zog seinen Pullover über.
„Warum gehst du
dann?"
Einen Moment schwieg Genesis, sah Rufus nachdenklich an.
„Es ist halb sechs", sagte er und deutete mit einem schiefen
Grinsen auf die Uhr, „ich bin eine halbe Stunde zu spät dran, was
bedeutet, dass mir Sephiroth gehörig den Kopf waschen wird."
Mit
großen Augen sah Rufus von Genesis zu der Uhr und wieder zurück.
„Oh."
„Ja, 'oh'", antwortete der Soldat und zog ihn auf
die Beine, um ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen zu drücken.
„Ab zwei Uhr warte ich an den Klippen auf dich", nuschelte
Genesis in den Kuss und griff nach seinem Schwert.
Überrumpelt
nickte Rufus, sah nur noch wie der rote Mantel knapp der
zuschlagenden Tür entkam und ließ sich aufs Bett fallen. Nach
wenigen Sekunden stahl sich ein dreckiges, zufriedenes Grinsen auf
seine Lippen.
Einige Stockwerke tiefer wurde Genesis bereits
von Lazard erwartet. Zu seiner Überraschung waren auch Sephiroth und
Angeal mitanwesend.
„Mission erfüllt?", fragte Lazard und
musterte ihn abschätzig.
„Wie man sieht", antwortete der 1st
Class gelangweilt und deutete auf die Bissspuren und violetten
Flecken auf seinem Hals. „Wenn ihr mich entschuldigt, ich muss
einen Bericht schreiben." Langsam ging Genesis an Sephiroth und
Angeal vorbei, spürte ihre fragenden Blicke auf sich ruhen und sah
nicht einmal auf.
Zufrieden verließ auch Lazard den Raum, nicht
ohne seinen beiden 1st Class noch mitzuteilen, dass sie sich aus der
Sache völlig raushalten sollten. Einige Minuten herrschte Stille in
dem Raum.
„So hat sein Hals noch nie ausgesehen", sagte
Angeal und sah zu Sephiroth auf, der nachdenklich auf einen Monitor
starrte, auf dem zeitgleich der Bericht erschien, den Genesis
eintippte.
„Und ist der Morgen auch ohne Hoffnung,
nicht
wird er meine Rückkehr aufhalten", murmelte Sephiroth nach einiger
Zeit und verließ schmunzelnd den Raum.
Angeal blieb zurück, sah
zu wie Buchstabe um Buchstabe auf dem Monitor erschien. Genesis, der
in nüchternen Worten aufführte, wie er Rufus verführt hatte.
Nach
einiger Zeit wandte der 1st Class angewidert den Blick von dem Verrat
ab, der Wort um Wort in den Computer eingespeist wurde, und verließ
den Raum.
'(...) Rufus Shinra schien unerfahren, stellenweise verängstigt zu sein. Seine sexuellen Erfahrungen waren auf die mit weiblichen Turks begrenzt, mit denen er den Geschlechtsakt nicht vollzogen hat. Hinweis auf gestörtes Sozialverhalten, soziale Phobie (?). Meinem subjektiven Eindruck nach ist der Ursprung seiner aufgeführten, kombinierten psychischen Störungen auf absichtliche seelische Misshandlung zurück zu führen. Gelegenheitsraucher. Anfällig für psychotrope Substanzen. Niedrige Suchttoleranz. Anzeichen kombinierter Persönlichkeitsstörungen (emotional-instabil, anankastisch, ängstlich, affektiv, neurotisch). Anfällig für schizotypische Persönlichkeitsstörung. Weiteres Vorgehen: Beobachtung und vorsichtiges annähern. Beziehung zu Zielobjekt aufbauen (...)'
Seufzend warf Rufus die
Akte auf den Tisch, schloss die Augen und legte den Kopf in den
Nacken.
Erinnerungen an seine Zeit mit Genesis; eine glückliche
Zeit verbunden mit bittersüßem Schmerz.
Die Akten waren erst
vor wenigen Monaten aus den Trümmern des ehemaligen Shinra -
Hauptquartiers geborgen worden.
Akten - Aktenberge.
Die er
sofort beschlagnahmt hatte, noch bevor seine Mitarbeiter oder
irgendein Turk nur einen Blick darauf werfen konnte.
RS-017-TS
Rufus Shinra – Objekt 17 –
Top Secret.
Sein Leben in Form von hunderten Berichten, Notizen,
Statistiken und Analysen. Verschwommene Fotos, die keinem familiären
Fotoalbum zugehörig waren.
Namen. Daten. Fakten.
Verrat.
Seine Fingerspitzen strichen über ein verblasstes Foto. Die
Klippen von Junon, darauf zwei Gestalten bei einem innigen Kuss zu
erkennen. Blonde Haare. Ein roter Mantel. Das Foto fiel zu Boden.
Langsam stand er auf, nahm ein altes, zerfleddertes Buch vom
Tisch und drückte es in einer fast kindlich wirkenden Geste an sich.
Als er es vor vielen Jahren auf seinem Bett gefunden hatte, zusammen
mit einem White-Banola Apfel, hatte er im ersten Moment nicht
verstanden. Erst, als Genesis nicht kam um ihn von den Klippen
abzuholen, obwohl er Tag für Tag bis tief in die Nacht gewartet
hatte. Dann verstand er.
Er hasste Genesis nicht dafür, dass er
gegangen war. Gehen hatte müssen. Damit hatte Rufus jeden Tag
gerechnet. Wissend, dass jeder SOLDAT früher oder später verrückt
werden würde. Sein Abschiedsgeschenk konnte er Genesis dennoch in
Form von einem goldenen Chocobo zukommen lassen – Gelder für
Avalanche, Informationen, sein Verrat an ShinRa. Damit die Company an
zwei Fronten kämpfen musste, damit Genesis eine Chance bekam das
letzte Kapitel von Loveless selbst zu schreiben. Die Göttin zu
finden.
Er hatte es nicht geschafft.
Natürlich war
Genesis erwischt worden, seinen damaligen Informationen nach sogar
getötet, und Rufus selbst war von seinem Alten für seinen Verrat
zur Rechenschaft gezogen worden.
Seine Strafe war dokumentiert in
den Akten. Bilder von Folterungen, Vergewaltigungen; von unzähligen
Grausamkeiten, die auf seiner Seele und seinem Körper beständige
Narben hinterlassen hatten.
Die den jungen Shinra geprägt,
seinen Hass gegen die Company geschürt hatten.
Und dennoch war
er heute der Kopf dieses Konzerns, investierte sein Leben in ihn. Der
Grund dafür war auf anderen verschwommenen Bildern zu erkennen, die
eins nach dem anderen eingesammelt und sorgfältig zu den Akten
zurückgelegt wurden.
Sein Blick fiel erneut auf das Buch in
seinen Händen, glitt ab zu einem Schwert, das vor ihm auf dem Tisch
liebevoll in Samt eingebettet lag.
Lange hatte er es gesucht.
Jahr für Jahr eine Blutspur auf der verzweifelten, an
Besessenheit grenzenden Suche nach ihm durch Gaia gezogen. Duzende
Schwarzmarkthändler bestochen, bedroht, gefoltert und ermordet, nur
um dieses Schwert in seinen Besitz zu bringen. Die rote, tödliche
Klinge schimmerte verlockend im fahlen Licht des Kaminfeuers. In
seltenen Momenten hatte Rufus das Schwert, Genesis' ganzen Stolz,
halten dürfen. Hatte Stunden damit verbracht dem 1st Class bei
Übungskämpfen zu zusehen, seine Eleganz bei dem tödlichen Tanz mit
der Waffe zu bewundern. War sich seiner wahren Stärke bewusst
geworden. Vorsichtig hob er die Klinge an, darauf achtend sie nicht
durch Fingerabdrücke zu beschmutzen und schob das Buch darunter.
In einer Akte ruhte eine Notiz. Alt, vergilbt. In der schmierigen Handschrift von Hojo, die sofort seinen alten Hass geschürt hatte.
'Objekt gesichert und versiegelt. Zur Überwachung an DeepGround übergeben. Todesähnlicher Schlaf. Vitalwerte schwach und gleichmäßig. Regenerationsprozess? Weitere Analysen erforderlich.'
Ein trauriges Lächeln, ein
dunkler Schatten in Rufus' Augen.
Wäre die Situation eine
andere, hätte er in der Sekunde, in der er den Zettel entdeckt
hatte, eine große Suchaktion eingeleitet.
Doch Rufus war sich
vollkommen bewusst, dass er langsam den Verstand verlor.
Er
spürte den Irrsinn von seinem Geist besitz ergreifen, fühlte den
Wahnsinn in sich.
Es war zu spät für ihn, nur noch eine Frage
der Zeit.
Schlicht zu spät sich noch retten zu können, auch
wenn er vieles dafür gegeben hätte, sei es nur um Genesis ein
letztes Mal sehen zu können.
Genesis, der irgendwo in einem
tiefen Schlaf von der Göttin träumte.
Sein Schwert, sein Buch –
sie würden auf ihn warten, auch wenn Rufus seinen Plan vollendet
hatte.
Er war sicher, dass Tseng seine Wohnung unangetastet
lassen würde, genauso sicher, dass Genesis sein Schwert finden
würde.
Damals hatte Genesis ihm, wenn auch nur auf Befehl, eine
glückliche Zeit geschenkt.
War auch alles nur ein falsches
Spiel, so hatte Rufus ihn dennoch gern gehabt.
Vielleicht hatte
Genesis ihn auch gemocht.
Vielleicht würde eines Tages ein Banola-Apfel auf Rufus' Grab liegen.
